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Jenna Oellrich

Und der Oscar geht an ...

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Himmelstürmer Verlag, Kirchenweg 12, 20099 Hamburg,

Himmelstürmer is part of Production House GmbH

www.himmelstuermer.de

E-mail: info@himmelstuermer.de

Originalausgabe, April 2017

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage.

 

E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH

 

Coverfoto: 123rf.com

 

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de

 

 

ISBN print   978-3-86361-632-8
ISBN epub   978-3-86361-633-5
ISBN pdf:    978-3-86361-634-2

 

 

Die Handlung und alle Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.

5378 Blau

Michaela hatte ein breites Grinsen im Gesicht, als sie in das Foyer des Hotels lief und die Menschenmasse sah, die sich dort befand. Emil hingegen atmete tief durch, als er die vielen Fans sah. Er selbst war nur wegen seiner besten Freundin mit auf diese Convention gegangen, damit Michaela nicht alleine dorthin musste. Für einen kurzen Moment bereute er es allerdings, war er doch grundsätzlich niemand, der sich in großen Menschenmengen wohl fühlte. Tatsächlich fühlte er sich am besten, wenn er alleine mit Michaela war, vielleicht in einem Café, oder in einem vollen Kinosaal. Auf einer Convention mit etwa zweitausend Teilnehmern jedoch kam er sich sehr klein vor, obwohl er für einen Mann eine gute Größe hatte. Er spürte die Hand von Michaela an seinem Arm und ließ sich einfach mitziehen. Vermutlich zur Registratur, an der die meisten Menschen standen. Augenrollend stellte sich Emil hinter Michaela und schaute sich um. Er sah nicht einmal zehn Männer und das, obwohl viele weibliche Schauspielerinnen an der Convention teilnahmen, was, wenn man Michaela glauben konnte, eine Seltenheit war. Nicht allerdings, dass die meisten Fans weiblich waren, immerhin hatten die besten Serien heiße Schauspieler in den Hauptrollen.

„Ich hab nur zwei Folgen gesehen“, zuckte Emil mit der Schulter, als Michaela mal wieder von der ersten Staffel sprach. Das Staffelfinale fand sie besonders beeindruckend, was sich allerdings vom Buch deutlich unterschied. Immer wieder wollte sie Emils Meinung hören, allerdings hatte er einfach keine Zeit, um sich die Serie auf Dauerschleife anzuschauen.

Seine Aussage hatte jedoch nicht nur seine beste Freundin gehört, sondern auch drei junge Frauen, wovon eine sicherlich noch ein Teenager in der Pubertät war, die sich nun mit großen Augen anschauten. Nach nur wenigen Sekunden schauten sie zu Michaela und Emil.

„Du hast nur zwei Folgen gesehen?“, fragte die, die besonders jung aussah.

Emil schaute auf sie hinab, sie war etwa einen Kopf kleiner als er, und nickte. Michaela, die grundsätzlich sehr gesprächiger war und leicht auf andere zugehen konnte, mischte sich sofort mit in das Gespräch ein. Schnell war das Interesse an Emil verloren, stattdessen unterhielten sich die Frauen über die Serie und die Schauspieler. Zugegeben, sie sahen nicht schlecht aus, das musste auch Emil zugeben, jedoch hatte er meist nur Bilder gesehen, die Michaela ihm beinahe täglich schickte. In den ersten beiden Folgen, die er gesehen hatte, kamen keine Männer vor, die er bevorzugte.

„Es ist echt schade, dass er nicht hier ist“, meinte eine, die sich Michaela und Emil zwar vorgestellt hatte, doch Emil hatte ihren Namen bereits wieder vergessen. Sicherlich würde er keine von den Frauen wiedersehen, denn Michaela vergaß neue Gesichter genau so schnell wie er.

„Dafür ist Jax da“, freute sich Michaela.

Jax spielte eine kleine Rolle in der Serie und obwohl Emil noch nie eine Folge mit ihm gesehen hatte, wusste er, wer dieser Jax war. Michaela liebte ihn und wäre sie nicht beinahe schon dreißig, würde er behaupten, dass seine beste Freundin ein Fangirl war.

„Und Delia“, sagte eine andere, „die beiden sind so süß zusammen.“

Noch bevor Emil richtig zuhörte, merkte er, dass die Gerüchteküche zu brodeln begann. Er wusste, dass die Charaktere, die Jax und Delia spielten, in der Serie ein Paar waren. Allerdings hatte er noch nie etwas davon gehört, dass sie auch im realen Leben zusammen waren, was Michaela auch lauthals abstritt. Nie würde sie ein Gerücht über ihren Jax dulden. Vor allem dann nicht, wenn sie ihn am liebsten an ihrer Seite sah.

Emil schaute sie mit einem wissenden Blick an, doch sie winkte nur ab. Er schmunzelte, da sich seine beste Freundin in den paar Minuten, die sie in der Schlange standen, wieder in einen Teenager verwandelt hatte. Man konnte ihr ansehen, dass sie bereit war zu kreischen, würde sie einen von den Schauspielern sehen.

 

Es hatte gefühlt zehn Stunden gedauert, bis sie endlich ihre Pässe und Armbänder erhalten hatten, womit sie das Conventiongelände, was aus drei Räumen und einer Halle bestand, betreten durften. Michaela stand mit einem kleinen Spiegel in der Hand in einer Ecke und wischte sich den Kayal unter den Augen weg. Durch die Warterei hatten sie den Anfang der Convention verpasst, bei dem die Veranstalter alle begrüßten und auch die Schauspieler auf die Bühne holten. Nun wollte Michaela für die Fotosessions, die nun bis zum Mittag stattfanden, gut aussehen. Immerhin würde sie nun alle Gäste, fünf an der Zahl, endlich sehen und sie wollte bei allen einen guten Eindruck hinterlassen.

Emil strich ihr eine Haaresträhne hinter ihr Ohr, die sich immer wieder aus dem Zopf löste. Dankbar lächelte Michaela ihn an, biss sich dann auf die Lippe, etwas, das sie mehrfach am Tag tat. „Bist du sicher, dass ich deine Fotos haben darf?“

Emil lächelte. Er hatte ihr seine Fotos, die in seinem Ticket inklusive waren, abgetreten. Was sollte er auch mit Fotos von sich und Schauspielern, die er wahrscheinlich nicht einmal erkannte? Er wusste, dass eine Schauspielerin, vielleicht sogar die Hauptdarstellerin, an ihm vorbeigelaufen war. Und er hatte es erst dann bemerkt, als einige Fans um ihn herum angefangen hatten zu schreien. Warum sollte er seiner besten Freundin nicht also die Freude machen?

Er nickte und nahm ihr die Tasche ab, die sie bei sich trug, bevor sie lächelnd in den Raum huschte, in dem die Fotos gemacht wurden. Währenddessen setzte er sich in einen der Sessel, die zu seinem Glück überall herumstanden. Zwei davon, die ein Stück abseits von ihm standen, waren ebenfalls besetzt. Mit einer älteren Dame, die glücklich Fotos in ihren Händen hielt, und, wie es schien, ihrer Enkelin. Jedenfalls konnte Emil eine gewisse Ähnlichkeit feststellen. Er schmunzelte. Tatsächlich verstand er den Hype nicht, den manche Menschen um Serien machten, dennoch fand er es schön, dass Conventions offensichtlich Generationen zusammenbrachten.

Lächelnd zog er aus seinem Rucksack ein Tetrapack Pfirsich Eistee, von dem er nie genug bekommen konnte. Seit seiner Pubertät kam er ohne die süße Flüssigkeit nicht mehr aus. Er erinnerte sich jedoch bei jedem Schluck daran, wie seine Mutter ihm immer gesagt hatte, dass er viel schlanker sein könnte, wenn er das Zeug nicht immer trank. Vielleicht hatte sie recht, schließlich hatte er ein paar Kilos zu viel. Dick war er deswegen aber noch lange nicht. Und ein Muskelprotz oder ein Hungerhaken wollte er gar nicht sein. Also verzichtete er auch nicht auf sein Lieblingsgetränk. Während er das Tetrapack zwischen seine Füße abstellte, blätterte er in dem Infoblatt über die Convention. Dort waren kleine Steckbriefe zu den einzelnen Schauspielern abgebildet, jedoch hatte er noch nie von einem der Filme gehört, die dort genannt wurden. Wahrscheinlich hatten die fünf, die dieses Wochenende im Rampenlicht standen, bisher keine nennbaren Erfolge gehabt. Oder aber er hatte mal wieder nicht genau hingesehen, wenn Michaela mit einem neuen Blockbuster zu ihm gekommen war. Er liebte Filme, konnte sich aber nur schlecht Gesichter merken. Gerade mal die großen Hollywoodstars wie Johnny Depp oder Sandra Bullock konnte er erkennen. Und das auch nur auf Bildern oder im Fernsehen. Sollten sie irgendwann mal an ihm vorbeilaufen, er würde wahrscheinlich nicht einmal eine Ähnlichkeit erkennen.

Ingmar, der einen der Hauptdarsteller der ersten Staffel spielte, war überhaupt nicht Emils Typ. Jax hingegen, da musste er seiner besten Freundin recht geben, hatte was. Vielleicht lag es an seinem frechen Blick, den er auf dem Foto hatte, oder dem nur halbgestylten Iro, während seine eigentlich kahle Seiten schon nachgewachsen waren. Auch die Frauen sahen klasse aus, wobei Delia für seinen Geschmack viel zu extrovertiert war. Sie war hübsch, eine südländische Schönheit, jedoch bevorzugte Emil eher zurückhaltende Leute. Ihm wurde allerdings bewusst, dass wohl niemand der Schauspieler zurückhaltend war. Immerhin standen sie beinahe täglich im Rampenlicht.

Er blätterte weiter, um sich das Programm anzusehen. Michaela hatte noch drei Stunden Zeit, sich alle Fotos abzuholen. Soweit wie Emil es aber beobachten konnte, ging es schnell. Sehr schnell sogar, denn einige kamen bereits mit ihren Fotos wieder raus. Nach den Fotos waren einige Panels geplant, die Hauptdarstellerin Annika würde für eine Stunde Fragen beantworten. Dann waren Jax und Delia zusammen dran, ehe die Verlosung stattfinden würde. Immerhin dann hatte er für etwa drei Stunden Beschäftigung. Denn auch wenn er kein großer Fan der Fantasyreihe war, so wusste er, dass bei einem Panel immer sehr interessante Fragen gestellt wurden. Es würde sicherlich unterhaltsamer sein, als auf seine beste Freundin zu warten.

Schmerzen zogen in seinem Nacken hoch und ein Pfeifen füllte seine Ohren. Doch je genauer er hin hörte, desto sicherer war Emil sich, dass es kreischende Teenager waren. Er öffnete die Augen, war er doch tatsächlich auf dem gemütlichen Sessel eingeschlafen - daher tat ihm auch der Nacken weh. Michaela und er hatten gestern definitiv viel zu lange wachgelegen und geredet, dazu war das langweilige Warten gekommen, was ihn nun müde gemacht hatte. Er kreiste seinen Kopf ein wenig, schüttelte und streckte sich, ehe er Jax und Ingmar an sich vorbeigehen sah. Lächelnd winkten beide in die Menschenmenge, die beinahe komplett aus kreischenden Frauen und Teenagern bestand. Auch er schaute nun neugierig zu den Männern, die so selbstbewusst und mit einer Ausstrahlung den Gang entlangliefen, dass er innerlich schrumpfte. Obwohl beide kleiner wirkten als er, waren sie offenbar wahre Größen.

Hinter ihnen kamen auch die drei Frauen, die noch mehr Ausstrahlung hatten. Wenn Emil eine Frau gewesen wäre, hätte er sich in dem Moment gewünscht, so zu sein wie Delia. Sie schien perfekt. Er schüttelte seinen Kopf. Denn eigentlich war seine Interpretation von Perfektion an einer Frau nicht eine so schmale, aber dennoch vollbusige Frau wie Delia. Ja, sie hatte Ausstrahlung, ihre Haare sahen schön aus, lang, geschmeidig und gesund. Sie bewegte sich auf den Highheels, die sie trug, als wäre sie nie auf anderen Schuhen gelaufen. Doch perfekt war für ihn etwas Anderes. Vielleicht Bettina, die etwas trampeliger wirkte, weil sie ein klein wenig mehr Gewicht auf den Hüften hatte. Dies machte sie in seinen Augen jedoch direkt sympathisch. Offensichtlich lebte sie ihren Fans nämlich nicht vor, dass man als Frau am besten Größe 34 trug, wenn nicht sogar noch weniger. Auch Annika war nicht so dürr wie Delia, wirkte aber ein Stück mehr reserviert und in sich gekehrt, als hätte sie keine Lust auf den Rummel um sie. Lächelnd liefen sie dennoch alle an ihm und den Fans vorbei.

„Oh mein Gott!“, hörte er Michaela neben seinem Ohr rufen.

Er schaute sich um und sah seine beste Freundin bis über beide Ohren strahlen, während sie ihre Bilder in den Händen hielt. Ihren Blick hielt sie immer noch auf die Schauspieler, die zur großen Halle eskortiert wurden, wo bald die Panels beginnen sollten.

„Ja, Wahnsinn“, sagte Emil, ohne es wirklich so zu meinen. Dennoch hatte er ein Grinsen im Gesicht, fand er es toll, wie sich seine beste Freundin freute. Alleine das war es schon wert, sich ein Ticket für über hundert Euro gekauft zu haben. Immerhin war dies für ihn ein Batzen Geld, dazu kam auch noch das Hotelzimmer ... Aber daran wollte er nun nicht mehr denken. Schließlich war alles bezahlt und Michaelas Freude war wirklich unbezahlbar.

Michaela schien seinen sarkastischen Unterton nicht zu bemerken, oder aber sie ignorierte ihn einfach, ging sie immerhin nicht darauf ein. Stattdessen zeigte sie Emil stolz ihre Bilder. Er musste zugeben, dass die Schauspieler sich auf Wunsch auch gerne mal zum Narren machten. So hatte Michaela einige lustige Bilder machen können, dessen Posen er selbst niemals mitmachen würde. Dazu fehlte ihm einfach das Selbstbewusstsein. Die Gruppenbilder waren jedoch die Schönsten. Auf dem einem wurde Michaela von allen umarmt, es wirkte beinahe, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Auf dem anderen war sie definitiv der Star, während die Schauspieler ihr zujubelten.

„Sehr schön“, sagte Emil mit einem breiten Grinsen. Er verstaute ihre Bilder in seinem Rucksack, war ihre Tasche dafür viel zu klein. Sie hatte immerhin eine Mappe mitgenommen, damit den Heiligtümern in seinem Rucksack auch bloß nichts passierte.

„Ja. Es war einfach toll“, lachte Michaela. Sie machte sich auf den Weg in die Halle, noch ehe Emil wusste, was sie vorhatte. Mit großen Augen stand er auf, schulterte seinen Rucksack und ging mit großen Schritten seiner besten Freundin hinterher. Michaela redete währenddessen immer noch, hatte sie offenbar nicht einmal bemerkt, dass Emil erst jetzt aufgeholt hatte. „Und Jax ist einfach der Wahnsinn! Er riecht so gut und als sein Atem mich gestreift hat ... Was würde ich darum geben, dass er mich bemerkt!“

„Wenn er das nicht getan hat, dann ist er selbst schuld“, sagte Emil und zog Michaela während des Laufens eng an sich. Auch wenn er nicht verstand, warum Michaela jemand so mochte, ohne ihn zu kennen, war es seine ehrliche Meinung. Michaela war in seinen Augen die perfekte Frau, die man schlichtweg bemerken musste. Sie war ziemlich klein, was sie schon aus der Masse - sofern man sie dann sah - hervorstechen ließ. Ihre Ausstrahlung glich währenddessen jemandem, der eigentlich über die Menge hinweg sehen konnte. Sie war süß, nett, konnte sogar in seinen Augen sexy sein. Sie war schlichtweg die Beste! Wäre er nicht schwul, dann hätte er sie vor Jahren schon geheiratet.

„Du Schleimer“, zwinkerte Michaela. Sie hakte sich bei ihm ein und zog ihn in die Halle, in die nun die meisten Gäste strömten. Es gab neben den Panels, die jeden Moment starteten, nur noch vereinzelnd kleine Aussteller, die Schmuck, Fantasy-Figuren und Bilder anboten. Davon wollte Michaela erst einmal nichts wissen, ging daran auch schnurstracks vorbei und setzte sich mit Emil in ihre Reihe, die durch eine Nummer gekennzeichnet war.

Emil legte seinen Rucksack ab und schaute noch einmal ins Programm. Die Schauspieler kamen nach und nach und teilweise sogar zusammen auf die Bühne. Michaela wollte natürlich keines der Panels verpassen, was ihm die Möglichkeit bot, wieder ein wenig zu dösen.

 

Während die Fans die Panels genossen, ging es hinter der Bühne chaotischer zu. Ingmar und Bettina hatten ihr Panel eben beendet, Annika war somit auf die Bühne gegangen. Man hörte ihre angenehm ruhige Stimme leise hallend, während die Organisatoren unruhig hin und her liefen. Jax zog seine Kappe, die er trug, tief in sein Gesicht. Die Nacht war mal wieder zu kurz gewesen, weshalb er sich eine halbe Stunde Schlaf gönnen wollte, bevor er mit Delia auf die Bühne musste. Doch daraus wurde nichts. Marlene, eine junge Frau, die für die Zeit der Convention seine Betreuerin war, stupste ihn vorsichtig an. Er musste nicht einmal die Augen öffnen, um zu wissen, dass sie es war, so sachte wie sie ihn anfasste. Er hatte die Ehrfurcht ihm gegenüber von Beginn an in ihren Augen gesehen. Zunächst hatte er versucht, ihr klar zu machen, dass sie ihn behandeln sollte, wie jeden anderen Menschen auch, doch bei ihr war er auf Granit gestoßen.

Er öffnete die Augen und schob seine Kappe ein wenig nach oben, sah sie dann mit müden Augen an. Sie lächelte verlegen und deutete auf das Klemmbrett, das sie in den Händen hielt.

„Valentina fragt, was du zur Verlosung dazu steuerst“, sagte Marlene leise.

Valentina war die Veranstalterin, die die Convention ins Leben gerufen hatte. Sie hatte jeden der Stargäste gebeten, etwas Persönliches mitzubringen, um dies zu verlosen. Jax hatte sich eine Menge ausgedacht und viele alte Sachen gepackt, auch Dinge, die er sehr gerne mochte. Sein Koffer war allerdings auf dem Flug hierher verschwunden. Er machte sich darüber keine Gedanken, immerhin passierte es mal und immer wieder hatte er seine Sachen nach ein paar Tagen zurückerhalten. Nun allerdings musste er sich etwas einfallen lassen. Es war zwar bekannt, dass sein Koffer verschwunden war, doch er hatte nicht einmal etwas Anderes, was er verschenken konnte.

„Was ist mit deiner Kappe?“, fragte Delia, die das Gespräch mitgehört hatte. Mit einem Becher voller Kaffee stand sie vor Jax und zwinkerte ihm zu. Marlene schaute von ihr zu Jax und schaute ihn erwartungsvoll an.

„Nee“, sagte Jax und setzte sich aufrecht hin. Das alte Ding würde er nicht einmal einem Penner schenken. Es war voller Löcher, bestand eigentlich nur daraus, der Stoff löste sich bald. So etwas konnte er nicht verschenken. Allerdings wusste er auch, dass er etwas beisteuern musste, war das nun mal Teil seines Vertrags. Er würde es sogar gerne tun, und hatte ja einige seiner Sachen sofort in den Kaffer gepackt. Zwei Shirts, davon war sogar eins mit seinem Lieblingsduft getragen, ein Armband aus Leder, das er von seiner Cousine bekommen hatte und private Bilder, die ihn zeigten, wie man ihn nur selten sah. Jetzt musste er sich jedoch auf die Schnelle etwas Gutes einfallen lassen. Doch wo sollte er private Dinge hernehmen, wenn er kaum etwas bei sich trug?

„Dann verschenkt doch ein weiteres Foto mit ihm oder so“, schlug Delia vor und zuckte mit der Schulter. Sie sah gelangweilt aus, wie sie es nur hinter der Bühne zeigte.

Dies taten sie allerdings sowieso. Fotos und Autogramme wurden verlost und zwei Meet and Greets waren auch unter den Preisen. Jax musste sich nun etwas Gutes einfallen lassen, was er seinen Fans geben konnte, denn mit einem extra Foto kam er nicht weit. Er nickte jedoch entspannt und versprach, sich etwas einfallen zu lassen. Sicherlich würde er weder Valentina noch die Fans enttäuschen. Marlene nickte grinsend und ging, wohingegen Delia sich zu Jax setzte und ihn kopfschüttelnd anschaute. Jax hingegen bemühte sich, sie zu ignorieren und zog seine Kappe erneut in sein Gesicht. Doch Delia zog sie wieder hoch: „Ein paar Meter weiter ist ein Kiosk.“

„Soll ich jetzt Lollis für die Fans kaufen? Am besten noch einmal anlecken, wegen der persönlichen Note?“, fragte er genervt und dennoch belustigt. Delia mochte zwar in der Serie seine feste Freundin sein, und sicherlich war sie nett und wahnsinnig hübsch, dennoch nervte sie ihn im echten Leben viel zu oft.

Sie lächelte ein bezauberndes Lachen, mit gerade, weißen Zähnen, wie man sie sonst nur in Hollywood sah - und davon waren sie noch weit entfernt. Dann schüttelte sie amüsiert den Kopf. Sie hatte nur helfen wollen. Immerhin war es nicht gerade leicht, sich etwas Tolles aus dem Ärmel zu zaubern. Die Fans waren vielleicht nicht unbedingt anspruchsvoll, wenn es um Geschenke ging, aber wenn man nur das hatte, was man trug, konnte man kaum etwas Persönliches hergeben.

Jax nickte vor sich her, mehr in Gedanken, als bei dem, was Delia von sich gab. Er musste mit etwas Gutem kommen. Auch wenn es nicht seine Schuld war, dass sein Koffer verschwunden war, so konnte er die Fans nicht mit leeren Händen nach Hause gehen lassen. Eine Idee wollte ihm jedoch nicht kommen. Viel eher liefen ihm Ingmar und Bettina über den Weg, beide bestückt mit Muffins und Cupcakes. Bettina, die sowieso nichts auf ihre Figur gab, sondern alles aß, was sie wollte, sah aus wie ein Hamster. Ingmar schluckte ebenfalls gerade einen Bissen hinunter, ehe er Delia und Jax anlächelte und beide darauf aufmerksam machte, dass es endlich Knabbereien und Süßes gab. Das Mittagessen würde wohl mal wieder ziemlich knapp ausfallen, stand nach der Verlosung direkt die Autogrammstunde an. Somit mussten sie sich ihre Bäuche eben anderweitig vollschlagen.

Delia sprang auf, hatte sie gerade noch bei Jax gesessen und ging in Begleitung von Ingmar zum Essen. Bettina setzte sich währenddessen auf den freigewordenen Stuhl und reichte Jax einen Schokoladen-Muffin. Mit einem kleinen Lächeln nahm er das Gebäck entgegen, doch bevor er hineinbiss, schaute er es gedankenverloren an. Er war sogar so abwesend, dass Bettina ihn anschaute, als hätte er den Verstand verloren.

 

Michaela war währenddessen begeistert, wie toll Annika sich präsentiert hatte. Emil hörte seiner besten Freundin gespannt zu, dass sich die Schauspielerin im echten Leben offensichtlich kaum von ihrer Rolle unterschied. Sie war lieb, nett, bodenständig. Mit hochgezogener Augenbraue schaute Emil stur auf die Bühne, nickte aber hin und wieder. Woher Michaela wissen wollte, dass Annika wirklich so war, wusste er nicht. Ja, sie hatte sich blendend verhalten, aber deswegen kannte man sie noch nicht. Dennoch gab er ihr recht. Er war viel zu müde, um sie genau das zu fragen. Schlimmer wäre ihre Antwort, die sich sicherlich noch den ganzen Abend hinziehen würde. Michaela schien auf der Convention voll in ihrem Element zu sein und auch wenn Emil es liebte, wenn sie voll und ganz sie selbst sein konnte, so wollte er nicht, dass ihm seine Ohren abfielen. Also gab er ihr einfach recht, immerhin hatte sich die Hauptdarstellerin auch in seinen Augen gut dargestellt.

Ehe sie weiter darüber sprechen konnten, kam eine junge Frau auf die Bühne. Sie trug ein Shirt, das deutlich machte, dass sie zu den Leuten gehörte, die auf der Convention halfen, es war allerdings auch klar, dass sie nicht die Veranstalterin oder der Moderator war. Die Frau wirkte ein wenig eingeschüchtert, was Emil nur allzu gut nachvollziehen konnte. Vor gut zweitausend Gästen wollte er auch nicht auf der Bühne stehen. Sie befestigte ein Mikrofon an einem Ständer, während weitere Helfer kamen und eine sehr große Glasschüssel voll mit Papierschnipsel auf einen Holztisch stellten, den man schon vorher auf die Bühne geschoben hatte.

„Ich hoffe, ich gewinne was“, freute sich Michaela und holte ihre Lose raus, die sie zu Beginn gekauft hatte. Sie hatte sich zwanzig geholt, hatte jedes Los nur einen Euro gekostet, wovon die Hälfte sogar noch für einen guten Zweck gespendet wurde. Emil hatte nur mitgemacht, weil die Verkäuferin ihn erwartungsvoll angeschaut hatte, hatte aber nur ein Los geholt. Beinahe war er sich schäbig vorgekommen. In den Augen der Verkäuferin hatte er sehen können, dass sie ihn für geizig hielt. Und vielleicht mochte man das in der Situation über ihn denken, aber immerhin hatte er etwas gekauft, das er nicht einmal wollte. Eigentlich hatte er das Los sogar an Michaela geben wollen, doch sie hatte gelächelt und ihm klargemacht, dass er sicherlich mit dem einen Los den Hauptgewinn beziehen würde.

Die Organisatorin Valentina trat nun auf die Bühne und grinste ins Publikum. Sie nahm das Mikrofon und begann mit der Verlosung. Tatsächlich war es sehr amüsant. Sie fischte das erste Los aus dem Behälter, las die Nummer und Farbe des Loses vor, und gab dann den Preis bekannt. Ingmar kam auf die Bühne, da es sich um ein altes Notizbuch von ihm handelte und überreichte es der glücklichen Gewinnerin. Von da an zogen die Schauspieler die Lose und verkündeten die Nummer und Farbe, während Valentina die Preise vorlas. Es gab unterschiedliche Preise, von Fotos und Autogrammen, sogar zwei Meet and Greet Tickets. Dann hatten die Schauspieler allesamt persönliche Dinge mitgebracht, wie von Ingmar das Notizbuch, ein Top von Annika, eine Kette von Bettina oder einen gebrauchten Lippenstift von Delia.

„Jax ist sich wohl zu fein, um etwas Persönliches zu verschenken“, meinte Emil leise, als ihm aufgefallen war, dass von dem Schauspieler nur Dinge verlost wurden, die mit der Convention zu tun hatten. Michaela schaute ihn erbost an, gab aber keine Widerworte, was ein Zeichen dafür war, dass sie Emil recht gab. So toll, wie Michaela dachte, schien Jax also doch nicht zu sein.

„Aber ein Meet and Greet mit ihm hätte ich schon gerne“, meinte Michaela. Sie saß mit ihren Losen auf dem Schoß und wäre beinahe mehrfach aufgesprungen, da die Nummern oft gleich waren. Jedoch hatte sie sich die Farbe leider von ihren Losen unterschieden. Emil war ziemlich entspannt und zuckte mit der Schulter. Er hatte ihr prophezeit, dass sie sich ärgern würde, wenn sie das letzte Meet and Greet Ticket nicht kaufte. Und so war es nun.

„Ja, ist ja gut“, meinte sie und stieß ihn in die Seite. Dann grinste sie, während auch er grinste und wieder zur Bühne sah. Valentina grinste in die Runde, ehe sie zu Bettina schaute, die das nächste und letzte Los aus dem Glasbehälter fischte.

„Okay, der letzte glückliche Gewinner, oder die letzte glückliche Gewinnerin hat die Nummer fünf“, begann Bettina und schaute ins Publikum, „Drei. Sieben.“

Emil schaute auf sein Los und merkte, dass seine beste Freundin neben ihm unruhig wurde. All ihre Lose hatte sie bereits in ihre Tasche geschoben, doch Emils Los lag auf seiner Handfläche.

„Acht“, sagte Bettina als letzte Ziffer.

Michaela schlug sanft gegen Emils Bein, doch er winkte ab. Die Farbe musste auch noch stimmen, mit der richtigen Nummer kam er nicht weit. Als Bettina jedoch blau rief, stockte Emil der Atem. Sofort reichte er das Los an Michaela, die nur mit dem Kopf schüttelte. Emil hatte sich das Los gekauft und nun sollte er den Gewinn auch haben. Wie sie ihm prophezeit hatte, gewann er nun den besten Preis. Sie zwinkerte ihm zu, während das Publikum sehr ruhig war. Alle warteten auf die Nennung des Preises, doch dieses Mal bat Valentina den Gewinner zunächst auf die Bühne. Noch einmal schaute er zu Michaela, konnte er so viel Aufmerksamkeit, die er dadurch bekommen würde, nicht leiden. Erneut schüttelte sie ihren Kopf und scheuchte ihn auf die Bühne. Der Weg dorthin war für Emil eine Qual, spürte er alle Blicke der Zuschauer auf sich. Valentina und Bettina lächelten ihm zu und fanden es offensichtlich toll, dass auch ein Mann an der Verlosung teilnahm. Während er zur Bühne ging, forderte Bettina alle anderen Männer auf, aufzustehen. Doch neben Emil saßen nur zwei andere im Saal, doch alle drei bekamen einen tobenden Applaus. Als Emil die Bühne erreicht hatte, war er schon ein wenig ruhiger, hatte Bettina immerhin zunächst die Aufmerksamkeit von ihm abgelenkt. Nun jedoch, als sie ihm die Hand reichte und mit ihm in die Mitte der Bühne ging, hörte er beinahe nur noch seinen eigenen Herzschlag.

Emil hörte, wie Valentina etwas sagte. Er bekam nur so viel mit, dass der letzte Gewinn etwas Besonderes war und er deswegen unwissend auf die Bühne hatte kommen sollen. Bettina stand währenddessen neben ihm, hielt seine Hand und strahlte ins Publikum.

Jax kam auf die Bühne, was Emil kaum bemerkte. Er sah nur die Menschen, die ihn anschauten, ehe sie anfingen zu jubeln. Jax ging mit einem breiten Lächeln auf ihn zu, begrüßte ihn mit einem Handschlag und schaute dann zu Valentina, die nun zu den Dreien ging. Sie fragte, wie Emil hieß und überforderte ihn damit sofort. Natürlich wusste er seinen eigenen Namen, doch er war so nervös, dass er ihn stotternd rausbrachte. Daraufhin spürte er eine Hand auf seinem Rücken, die ihn tätschelte, eine andere drückte seine eigene etwas fester. Immer noch lächelnd heizte Valentina das Publikum nun ein. Sie fragte, ob sie alle erfahren wollten, was Emil gewonnen hatte und natürlich wollten es alle wissen. Bettina reichte ihr Mikro an Jax, der damit einen Schritt nach vorne machte und zunächst das Problem mit seinem Koffer erklärte. Er hatte somit etwas Zeitdruck gehabt, allerdings fand er seine Idee gut und hoffte, dass Emil damit ebenfalls einverstanden war. Etwas unentschlossen nickte Emil, nachdem Jax allen im Saal versprochen hatte, dass es weder gefährlich noch unmoralisch sein würde. Erst danach verkündete er, dass Emil mit ihm zusammen ein Abendessen verbringen würde, in einem Restaurant, außerhalb des Veranstaltungshotels. Damit hatte er das Publikum gewonnen. Viele standen auf und begannen zu jubeln, während Emil sich kaum richtig freuen konnte. Er merkte zwar, dass er immer noch lächelte und er hatte nichts dagegen mit Jax zu essen, aber er dachte sofort an seine beste Freundin. Sicher war sie nun nicht mehr so begeistert davon, dass Emil den letzten Gewinn abgesahnt hatte.

Valentina bedankte sich bei allen, die Lose gekauft hatten, während Bettina und Jax Emil von der Bühne schoben. Sobald er die erste Treppe betreten hatte, ging es Emil besser und ihm wurde bewusst, dass er in den Backstage-Bereich geführt wurde. Bettina ging an ihm vorbei, winkte ihm noch einmal zu, während Jax neben ihm stand, zu ihm hinaufschaute, war er einige Zentimeter größer, und sich dann an eine junge Frau wandte, die zu ihnen kam.

„Hi, ich bin Marlene. Und du bist der glückliche Gewinner?“, fragte die junge Frau, die Emil die Hand reichte und bis über beide Ohren strahlte.

Emil nickte nur, war er immer noch unfähig zu sprechen. Seine Nervosität verschwand allmählich, dennoch brauchte er einen Moment, um sich zu sammeln. Er musste aber auch nicht antworten, da Marlene ihm erklärte, dass das Essen am Abend stattfand. Nach der Autogrammstunde hatte Jax an diesem Tag frei, weshalb Emil sich danach einfach in der Lobby des Hotels einfinden sollte. Er nickte vor sich hin, schaute immer wieder zu Jax, der mit verschränkten Armen gegen eine Wand lehnte und ihn grinsend anschaute. Lässig sah er aus, entspannt. Es schien ihn kein bisschen zu stören, dass er mit einem Fan essen gehen sollte. Zumindest musste der Schauspieler davon ausgehen, dass Emil ein Fan war und ja, er mochte die Serie und Jax, aber als Fan konnte er sich schlichtweg nicht bezeichnen. Marlene redete noch ein wenig, ehe Valentina dazu stieß, sich bei Emil für den Kauf der Lose bedankte und ihn dann wieder vor die Bühne schickte. Jax ließ es sich nicht nehmen, sich von ihm zu verabschieden. Er klopfte ihm auf den Rücken und freute sich bereits auf den Abend. Emil nickte und stimmte ihm zu, auch er freute sich, wenn er davon absah, dass Michaela sicherlich nicht begeistert davon war.

Als er aus dem Backstage-Bereich heraustrat, stand Michaela bereits am Ausgang und schaute ihn an. Emil senkte seinen Blick, da er sah, dass seine beste Freundin ein wenig traurig war. Doch als er nah genug bei ihr stand, breitete sie die Arme aus und umarmte ihn. Sie war so klein, dass sie ihm gerade bis zur Brust ging. Er selbst schlang seine Arme auch um sie, küsste ihren Haaransatz und ging dann mit ihr aus dem Saal, da sie und alle anderen, die nur langsam den Raum verließen, rausgeschickt wurden. In dem Gedränge, das vor dem Saal war, wurden sie noch ein wenig enger aneinandergedrückt, was Emil dazu nutzte, um sich zu entschuldigen. Zwar traf ihn keine Schuld, dennoch tat es ihm leid, dass Michaela diese einmalige Chance an ihn abgetreten hatte, ohne es zu wissen. Sobald sie aus der Masse raus waren, schüttelte Michaela ihren Kopf:

„Ich hab dir gesagt, dass du den Hauptgewinn absahnst. Und das hast du.“

Sie zuckte mit der Schulter und lächelte, doch Emil wusste, dass sie dennoch traurig war. Aber es war auch klar, dass sie sich für ihn freute und er versprach, ihr alles zu erzählen und sie danach daran teilhaben zu lassen.

 

Emil und Michaela waren auf ihr Zimmer gegangen, das sie sich teilten. Auch morgen gab es noch eine Autogrammstunde, weshalb beide der Meinung waren, es wäre besser, wenn sie die Ruhe vor dem Sturm genossen. Michaela redete auf Emil ein, erzählte ihm alles, was sie über Jax wusste, damit Emil auch ein paar Themen hatte, worüber er mit dem Schauspieler reden konnte. Er selbst wusste nichts über ihn, nicht einmal, wie alt er war. Michaela hingegen erzählte Emil sogar, wo Jax aufgewachsen war, dass er ein gutes Verhältnis mit seiner jüngeren Cousine hatte, wohingegen er mit seinem Bruder scheinbar nicht so gut klarkam. Außerdem war Jax sehr tierlieb und hatte sich erst vor kurzem einen Hund aus dem Tierheim geholt, weil sein langjähriger Begleiter, ein kleiner Pudel, im letzten Jahr verstorben war. Emil zog die Augenbraue hoch. Er würde sicherlich nicht auf den Hund eingehen. Das sorgte wohl eher für eine bedrückte Stimmung, wobei er doch für eine gute sorgen musste. Er selbst war immerhin nicht sonderlich zugänglich, musste sein Gegenüber immer erst kennenlernen, bis er ohne Scheu mit jemandem reden konnte. Er hoffte, dass Jax so war, wie er sich gegeben hatte. Offen und lustig und hoffentlich war er auch ein Vielredner.

„Er ist klasse. Ich meine, er hatte seinen Koffer verloren, kein Wunder, dass er nichts verschenkt hat. Oder zumindest nichts Persönliches. Und dann gewinnst du auch noch das Essen. Wie geil!“, redete Michaela vor sich hin, während sie die zwei Shirts, die sie in der Hand hielt, anschaute. Sie war der Meinung, dass Emil sich umziehen musste, konnte man immerhin nicht wissen, wo genau die beiden Essen gehen würden. Bei einem Fastfood Restaurant mit Sicherheit nicht. Also sollte Emil zumindest mit heiler Kleidung zur Lobby gehen.

Emil hatte große Augen gemacht. Seine beste Freundin hatte zwar recht, die meisten seiner Hosen hatten Löcher, auch einige Shirts waren nicht viel besser, allerdings liebte er den Used-Look. Er war aber auch froh, dass sie ihn nicht dazu verdonnerte, ein Hemd zu tragen, denn das wäre sicherlich übertrieben gewesen. Emil scherzte jedoch bald, dass Michaela, hätte sie gewonnen, sich sicherlich noch ein Abendkleid gekauft hätte. Als Frau wäre es sicherlich schwer, etwas Passendes zum Anziehen zu finden, wenn man mit einem Schauspieler essen ging. Die meisten wollten den Mann sicherlich beeindrucken. Emil allerdings musste sich deswegen keine Sorgen machen. Zwar war Jax ziemlich attraktiv, da er jedoch noch nie auch nur ein Gerücht darüber gehört hatte, dass er schwul oder zumindest bi war, hatte Emil keinerlei Chancen. Was ihn nicht unbedingt störte. Ja, Jax war attraktiv und wenn man genau darüber nachdachte, fand Emil ihn sogar heiß. Aber eine wilde Nacht konnte er auch mit anderen haben, dazu brauchte er keinen Schauspieler. Und für mehr war er sich zu schade. Denn wie würde es enden, wenn er sich in einen Schauspieler verliebte? Richtig, böse. Es konnte kein Happy End geben, selbst wenn Jax ... Emil schüttelte den Kopf. So etwas kannte er von sich. Er machte sich oft zu viele Gedanken. Musste er aber gar nicht. Stattdessen scherzte er mit seiner besten Freundin weiter herum. Sicherlich würde er Jax von ihr erzählen, hatte sie ihn immerhin auf die Show aufmerksam gemacht. Auch wenn Emil zuvor die Bücher verschlungen hatte, so hatte er nicht einmal mitbekommen, dass man aus dem ersten Buch bald eine Serie gemacht hatte.

Irgendwann hielt Michaela inne und schaute Emil an: „Ich beneide dich so.“

Emil blickte ihr mitfühlend entgegen. Er hätte es ihr so sehr gegönnt, aber nun würde er es genießen. Immerhin das war er ihr schuldig, wenn sie schon das Los abgelehnt hatte.

„Was machst du denn in der Zwischenzeit?“, fragte Emil und zog seine Schuhe an. Die Autogrammstunde war bald vorbei, sicherlich hatte diese ein wenig Verzug, dennoch wollte er nicht zu spät kommen.

Michaela schaute ihn unwissend an. Offensichtlich hatte sie keine Ahnung, was ihm ein noch größeres schlechtes Gewissen bereitete. Aber sie winkte ab. Sie hatte noch nie Probleme gehabt, sich zu beschäftigen. Sicherlich würde sie etwas essen und wie er sie kannte, hatte sie danach einige Bekanntschaften gemacht, mit denen sie den Abend verbringen konnte, bis Emil zurück war. Emil nickte, genau das passte zu seiner besten Freundin. Sie war so unkompliziert, wie auch er gerne sein würde. Wäre es anders herum gewesen, hätte er den Abend sicher auf dem Zimmer verbracht und hätte sich daran nicht einmal gestört.

„Tut dir aber auch mal ganz gut, was mit jemandem zu machen, den du nicht kennst. Und dann ist das auch noch Jax.“ Michaela schaute ihn grinsend an. Sie philosophierte vor sich her. Worüber die beiden reden könnten, wo sie überhaupt essen gingen, was sie bestellen würden. Wie cool es sein musste, mit einem Schauspieler zusammen zu essen.

Emil machte sich nichts vor, er war aufgeregt. Dennoch war er der Meinung, dass es letztendlich nichts Anderes war, als mit einem Menschen zu essen, der eben kein Schauspieler war. Letztendlich waren diese Leute eben auch nur das, Menschen. Leugnen, dass er sich Gedanken machte, konnte er jedoch nicht. Vielleicht hatte Jax durch seinen Beruf ganz andere Ansprüche, die er als seine Gesellschaft nicht erfüllen konnte. Dann würde der Abend ziemlich schnell zur Pleite werden.

„Es wird Zeit, dass es losgeht. Du grübelst zu viel. Genieß den Abend. Es wird sicher total toll! Ich meine, er hat das angeleiert. Er musste damit rechnen, dass jemand den Gewinn bekommt, der nicht so viel redet. Ihr werdet schon nicht schweigend essen“, zwinkerte Michaela und stand auf.

Emil gab ihr recht. Jax musste mit allen möglichen Typen rechnen, er konnte nicht wissen, wer das Essen gewinnen würde. Sicherlich hatte er sogar an eine Frau gedacht, vielleicht hatte er das gehofft und war nun enttäuscht. Doch das wäre seine eigene Schuld. Emil ließ dieses Mal nicht zu, dass diese Gedanken ihn hemmten. Egal was Jax erwartet hatte, er hatte mit allem rechnen müssen. Und nun verbrachte er eben den Abend mit einem ruhigen Mann, der nichts zu erzählen oder fragen hatte. Selbst schuld.