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Impressum

 

www.beck.de

 

ISBN 978-3-406-69945-0

 

© 2016 Verlag C. H. Beck oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München

Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann – Bureau Parapluie
Bildnachweis: © alphaspirit – depositphotos.com
eBook‐Produktion: Datagroup int. SRL, www.datagroup.ro

Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.

2So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele

In diesem Buch finden Sie zahlreiche Beispiele für Redeanfänge.

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Die Merkekästen enthalten Hinweise und hilfreiche Tipps.

Auf den Punkt gebracht

Am Ende der Kapitel finden Sie eine kurze Zusammenfassung.

5Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …

Hermann Hesse

Vorwort

Dieses Buch zeigt Ihnen 100 verschiedene Möglichkeiten, wie Sie eine Rede wirkungsvoll anfangen können. Und zwar nicht, weil es in Wirklichkeit genau 100 sind oder weil ich in jahrelanger Recherche die 100 ultimativen Anfänge gefunden habe. Nein. Der Grund ist, dass der Umfang dieses Buches begrenzt ist.

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, eine Rede zu beginnen. So wie es unendlich viele Möglichkeiten gibt, ein Gespräch zu beginnen oder jemanden anzusprechen. Lassen Sie sich inspirieren und holen Sie sich Anregungen. Jedes Beispiel soll Ihnen zu einer eigenen Idee verhelfen, bei der Sie sagen: Super, so werde ich meine Rede anfangen. Meine Frau hat beim Korrekturlesen ihren Lieblingsanfang sofort entdeckt.

Dazu stelle ich Ihnen auch die elf Anfänge vor, die ich vermeiden oder zumindest verbessern würde. Viele Anfänge sind überflüssig oder einfallslos.

Wenn Sie in Zukunft Ihre Rede spannend, unkonventionell und eben einfach anders beginnen, ist das Ziel dieses Buches erreicht. Denn nichts lieben Zuschauer und Zuhörer mehr, als gefordert, beeindruckt und überrascht zu werden. Und nichts hassen sie mehr, als wenn man sie langweilt. Dabei ist es ganz egal, worüber man spricht.

6Sobald Sie vor einer Gruppe stehen, nehmen Sie einer großen Anzahl von Menschen einen Teil ihrer Zeit weg. Gehen Sie sorgsam damit um. Dann wird man Ihnen gerne ein zweites Mal zuhören.

Sie können sich Folgendes vorstellen: Die Gruppe vor Ihnen ist ein lebendiges Wesen, ein Wesen, das aus vielen einzelnen Organismen besteht. Und diese Organismen können schnell eine Eigendynamik entwickeln, die Sie nicht mehr kontrollieren können. Zuschauer sind freiwillig ruhig, wenn sie sich entschlossen haben, Sie reden zu lassen. Ihre Zuhörer können sich aber jederzeit anders entscheiden. Sie können zum Beispiel beschließen, dazwischenzurufen, höhnisch zu lachen oder aufzustehen und türenschlagend den Raum zu verlassen.

Es ist ein erhebender Moment, wenn sich mehrere hundert Menschen entschließen, jetzt für eine längere Zeit zu schweigen und einem einzelnen Menschen zuzuhören. Das ist eine Anerkennung, das ist eine Ehre, das ist ein kleines Wunder. Die Spannung könnte kaum größer sein.

Das, was jetzt kommt, gibt die Richtung vor, legt den Ton fest und erfüllt die Erwartung – oder eben nicht. Jetzt entscheidet es sich, ob es sich gelohnt hat, sich nett anzuziehen, sich in die Wirren des öffentlichen Nahverkehrs zu werfen und den teuren Babysitter zu bezahlen.

Diesen besonderen Moment sollten Sie nicht zerstören, sondern ihn zu einem großen Moment machen.

Viel Spaß dabei!

Michael Rossié

7Einführung

Vor vielen, vielen Jahren begann ein Film im Kino oder Fernsehen mit einem langen Vorspann, in dem zu einer passenden Musik alle Beteiligten vorgestellt wurden. In Büchern wurden auf den ersten zwanzig Seiten die handelnden Personen eingeführt, bevor sie das erste Abenteuer miteinander erlebten, und in der Schule erklärte der Deutschlehrer, dass eine Rede unbedingt mit einer Einleitung zu beginnen habe.

Dieses Buch enthält keine Tipps für Einleitungen, sondern für Anfänge. Egal ob für eine Rede, einen Videoclip, einen Podcast oder ein Interview.

Wir fangen an, wir starten, wir kämpfen um Aufmerksamkeit, wir wollen Beachtung. Und wenn wir die haben, dann kann es immer noch sein, dass wir ein paar technische Dinge ankündigen oder etwas sagen, was unbedingt vorher gesagt werden muss. Auch in heutigen Filmen werden die wichtigsten Mitwirkenden vorgestellt, aber erst nachdem man schon in der Geschichte ist.

Das wird Ihnen am Anfang seltsam vorkommen, dass ein Mensch die Bühne betreten und dann einfach loslegen soll. Aber wir leben in einer Zeit, in der man sich vorher ganz genau informiert hat, wo man hingeht, wer da spricht und über welches Thema.

Und auch wenn man das nicht weiß, hat man sich in dem Moment, in dem man Platz nimmt, entschieden, jetzt erst mal hier sitzen zu bleiben. Ruhe, es geht los!

8Falsche Anfänge

Das Publikum umsetzen

Es kann sehr schwer sein, eine Rede in einem großen Raum zu halten, der nur mit wenigen Menschen besetzt ist. Die Zuschauer kommen sich verloren vor, es kommt keine Stimmung auf und der Anblick für den Redner ist demotivierend.

Sperren Sie die hinteren Reihen, wenn Sie zum Beispiel Filmaufnahmen machen und wollen, dass es im Zuschauerraum voll aussieht. Engagieren Sie Platzanweiser, die dafür sorgen, dass die ersten Reihen gut besetzt sind oder geben Sie Platzkarten aus.

Aber wenn die Zuschauer erst einmal sitzen, ist es zu spät. Wer seinen Platz verändern soll, tut das meist nur sehr widerwillig. Menschen, die schon sitzen, zu bitten, ihren Platz zu wechseln, sollte die Ausnahme sein. Kein Mensch verlässt gerne den Platz, den er sich ausgesucht hat. Auch wenn die erste Reihe leer ist, kann man die nicht einfach wegräumen. Dann sitzen nämlich die aus der zweiten Reihe plötzlich in der ersten Reihe …

Die Struktur oder Agenda

Es ist in meinen Augen ein weitverbreitetes Missverständnis: Die meisten Redner geben zu Beginn Ihrer Rede einen kleinen Überblick für ihre Zuschauer, was jetzt kommt. Das kann die Tagesordnung sein, das kann der Aufbau des Vortrags oder aber die Struktur der Argumentation sein. Etwa so:

9Zunächst wollen wir einen Blick in die Vergangenheit werfen, dann werden wir uns sehr ausführlich mit dem Hier und Jetzt beschäftigen, um dann am Ende in einem dritten, sehr kühnen Schritt zu tun, einen Blick in die Zukunft …

Das ist sterbenslangweilig, weil es jede Spannung kaputt macht. Wir beginnen bei unseren Ferienerzählungen doch auch nicht mit einem kurzen Überblick über die Wassersportmöglichkeiten, um anschließend das Hotel und die Ausflüge zu beschreiben. In einem guten Roman geht es sofort los.

Schon als er um die Ecke bog, war ihm klar, dass er keine Chance hatte.

Für eine Rede, die bewegen soll, die begeistern soll, die Menschen für ein Thema interessieren soll oder die neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorstellt, ist eine Übersicht über das, was kommt, in meinen Augen ein falscher Anfang.

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Struktur, Agenda, Tagesordnung, Vorschau … das ist alles sinnvoll im Unterricht. Wenn Sie Vorlesungen halten oder Menschen etwas beibringen wollen, dann lieben die es, wenn sie erkennen können, worauf Sie hinauswollen. Schüler und Studenten lernen leichter mit einer Struktur und sie können besser an Bekanntes anknüpfen, wenn sie wissen, welches Thema heute genau besprochen wird.

10Eine Auftrittsfanfare

Manche Redner lieben Auftrittsmusik. Und bei Messen z. B., bei denen es keinen Moderator gibt, kann das hilfreich sein, mit Musik angekündigt zu werden. Ich werde oft gefragt, welche Musik ich mir für meinen Auftritt wünsche.

Aber seien Sie vorsichtig mit zu viel Pathos! Wenn die Eröffnungsmusik von Star Wars erklingt oder die Trompeten von Jericho gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern, dann müssen Sie dieser Eröffnung auch gerecht werden. Wenn jetzt nichts wirklich richtig Tolles kommt, sind Sie als Redner die erste Enttäuschung des Abends. Denn je bombastischer die Musik, desto größer die Erwartung.

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Vorsicht bei der Benutzung von Musik. Die Gema versteht keinen Spaß, wenn man sich einfach Musik aussucht, die einem gut gefällt. In jedem Elektronikmarkt gibt es CDs mit gemafreier Musik. Aber wenn Sie etwas Bestimmtes verwenden wollen, müssen Sie sich um die Rechte kümmern.

Herumlaufen

Es gibt Schauspieler und Redner, die wünschen sich den längstmöglichen Weg zur Bühne, damit sie einen großen Auftritt haben. Amerikanische Präsidenten lieben es, winkend von ganz hinten nach ganz vorne durch die Menge zu schreiten.

11Ungeübte Sprecher, denen dieser ganze Bühnenauftritt noch nicht geheuer ist, fangen mitunter schon im Gehen an zu sprechen, damit sie die Peinlichkeit des Anfangs überbrücken können.

Der König oder die Königin der Rede aber kommt vorne an, stellt sich in die richtige Position, steht einen Moment ganz still – und fängt dann an.

Ausziehen

Schon die Hand am Hosenknopf und damit die Andeutung, sich auszuziehen, erzeugt in jeder Theaterkomödie einen todsicheren Lacher. Solche Art Lacher bekommt man auch, wenn man einen Ausdruck der Fäkalsprache im letzten Augenblick verschluckt oder wenn man derbe sexistische Bemerkungen macht.

Die Zuschauer lachen dann „unter Niveau“ und auch die, die solche Witze furchtbar finden, lachen meistens. Widerstehen Sie trotzdem den billigen Tricks und suchen Sie nicht nach Lachern um jeden Preis.

Um Ruhe bitten

Manchmal kann es sehr hilfreich sein, angekündigt zu werden. Aber ich würde nie mit dem Wunsch beginnen „Meine Damen und Herren, darf ich um etwas Ruhe bitten“.

Wenn einer da vorne steht, ist allen klar, dass der was sagen will. Lässt man ihn nicht, dann stimmt etwas nicht, und das Publikum will dem Redner etwas sagen. Sind die Zuschauer 12einfach nur gut gelaunt und unterhalten sich, dann wartet man eben einen Moment.

Auf den Punkt gebracht

So fange ich nicht an! Nie! Weil ich diese Anfänge für falsch halte, weil sie das Ziel, das Sie erreichen wollen, so nicht erreichen: Aufmerksamkeit bekommen, Interesse wecken und sich als Profi zu präsentieren, das geht so nicht.

13Vermeidbare Anfänge

Räuspern Sie sich nicht, überlegen Sie nicht, ob Sie nicht doch lieber sitzen bleiben wollen und blicken Sie nicht ängstlich zu Ihrer Partnerin. Zu spät – es geht jetzt los. Und hier kommen noch ein paar Dinge, die Sie nach Möglichkeit vermeiden sollten.

Die Bühne einrichten

Die Bühne einzurichten ist ein sehr wichtiger Vorgang. Die Stellung des Redners auf der Bühne erzeugt eine Menge nonverbaler Signale. Der Ort und die Ausrichtung des Rednerpultes, der Standort des Beamers und die Drehung der Flipcharts werden von mir vor jedem Vortrag akribisch festgelegt. Aber eben vorher und nicht wenn ich die Bühne betrete, um zu reden.

Die Hose hochziehen

Auch das haben Sie vorher gemacht. Rumzuppeln an der Bluse, Richten des Jacketts oder Hochziehen der Hose als ersten Eindruck, den die Zuhörer von Ihnen bekommen, wirken eher ungünstig. Viele Redner nutzen den Weg nach vorne wunderbar für Korrekturen an ihrer Kleidung. Nein, sobald Sie alle ansehen, läuft Ihre Zeit.

14Wasser trinken

Das haben Sie auch schon vorher erledigt. Und ein Glas Wasser ohne Kohlensäure, das Sie bereits gefüllt haben, steht für den Notfall auf der Bühne. Einen trockenen Mund haben Sie nur, wenn Sie aufgeregt sind. Im Notfall beißen Sie sich kurz leicht auf die Zunge, das hilft, dass Ihr Mund sich mit Wasser füllt und das trockene Gefühl verschwindet. Aber Sie müssen nicht trinken, weil Sie viel reden.

Den Tontechniker ärgern

Der Techniker sieht, wenn Sie etwas sagen wollen. Sie sollten weder eine Endlosreihe des Wortes „Test“ ins Mikrofon sprechen, noch ans Mikrofon klopfen oder fragen, ob das Ding jetzt auch funktioniert. Atmen Sie ein und fangen Sie an.

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Am schwierigsten ist es, wenn kein Techniker da ist und jemand den Lautstärkeregler mit Klebeband in eine vorher festgelegte Stellung gebracht hat. Die Akustik des Raumes mit Zuschauern ist anders, Menschen reden meist lauter, wenn Publikum da ist, und auch das Mikrofon halten sie auf einmal anders. Wenn Sie sicher sein wollen, dass alles klappt, sollte jemand die ganze Rede neben dem Tonpult stehen und die Lautstärke bei Bedarf regeln.

15Alles ausprobieren

Entweder hat ein Helfer alles für Sie vorbereitet oder Sie haben das selbst getan. Aber wenn es jetzt losgeht, sollte Ihr erster Weg nicht zur Fernbedienung des Beamers führen, um die erste Folie anzuklicken. Sie schlagen auch nicht die Hotelwerbung vom Flipchart nach hinten und Sie probieren nicht aus, ob der Filzstift auch schreibt. Auch die Treppe ist getestet und Sie sind sicher, dass kein Teil der Bühne knarzt.

Auf den Punkt gebracht

Wenn Sie etwas ausprobiert haben und es funktioniert, ist alles in Ordnung. Aber bei den gerade beschriebenen Anfängen sagt meine Erfahrung, dass sie nicht funktionieren. Denken Sie zweimal darüber nach, ob Sie so anfangen wollen. Vielleicht haben Sie ja noch eine andere Idee.

16Der universelle Anfang

Egal, wo, zu wem oder warum Sie sprechen: Der Anfang für alle Reden ist gleich. Bevor es wirklich losgeht, sollte es immer so losgehen. Und dabei spielt es auch keine Rolle, worum es geht:

1. Die Pause

Ungeübte Redner warten nicht, die reden schon auf der Treppe. Sie haben Angst vor der Pause, wenn sie vorne sind. Sie wollen diese peinlichen Sekunden überbrücken, wenn sie von allen angestarrt werden. Sie wollen möglichst schnell fertig werden.

Der Profi steht an seinem Stuhl langsam auf, geht auf die Bühne und nimmt seinen Platz in der Mitte der Bühne ein. Er atmet ein, tief, aber unhörbar und er blickt nicht auf den Boden. Er schaut in die Runde. Er erdet sich. Er kommt an. Er verbindet sich mit der Bühne unter ihm. Dann zählt er innerlich bis drei. Die Zuschauer bekommen nicht die aufgewärmte Rede von gestern und sie sind auch nicht die Versuchskaninchen für morgen. Sie sind heute seine Partner. Er spürt sie, und sie spüren ihn. Er braucht diesen Moment, in dem er sich genau auf dieses Publikum einstellt.

Wenn er weiß, was sein Publikum genau jetzt von ihm will, dann fängt er an. Dann sagt er: „Meine Damen und Herren!“ oder „Herzlich willkommen!“ oder „Was für ein Tag!“. Dann macht er noch eine kurze Pause. Und dann, wirklich erst dann – fängt er an.

17Zu verbessernde Anfänge

2. Der Anfang vor dem Anfang

Sicher kann es nötig sein, noch etwas zu klären, bevor es losgeht. Aber damit geht es ja dann los. Der erste Satz ist immer der erste Satz und damit der Anfang. Es ist sehr nervig, wenn Sie vor dem Anfang anfangen.

Bevor ich anfange …

Auch wenn Sie vorher noch ein falsch geparktes Auto aufrufen müssen: Das ist dann Ihr Anfang. Das ist der erste Eindruck, den Sie hinterlassen. Also lassen Sie sich für das Auto was einfallen oder diese Aufgabe übernimmt ein anderer für Sie.

Ich habe mal einen Speaker erlebt, der sich nach Betreten der Bühne über die in Sichtweite aufgebaute Kamera aufgeregt hat. Es kam niemand, um die Kamera abzubauen und er musste weitermachen, ohne dass etwas passiert wäre. Der Anfang war aber verpatzt.

3. Am Anfang anfangen

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht logisch klingt: Eine gute Rede beginnt nicht mit dem Anfang. Aufsätze fangen am Anfang an. Die meisten Romane und Erlebnisberichte auch. Aber spannende Reden fangen genauso wie spannende Erlebnisse meist da an, wo es losgeht. In der Mitte, bei 18den Folgen der Geschichte. Eine Rede, die so gebaut ist, dass sie am Anfang anfängt, ist langweilig. Also nicht:

Erschrecken Sie Ihr Publikum nicht schon mit den ersten Sätzen. Uns interessiert nicht die gesamte Entwicklung des Computers, wenn Sie uns die neue Tastatur vorstellen.

4. Etwas möchten

Viele Redner beginnen einen Vortrag, indem sie erklären, was sie gerne möchten.

Da die Zeit immer knapp ist, lautet meine Empfehlung, das, was man möchte, einfach zu tun.

5. Weichmacher

Das Gleiche gilt, wenn Sie genau wissen, was Sie tun wollen, es aber so sagen, als ob Sie sich nicht ganz sicher wären.

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