HANNO BECK

DAS LEBEN IST EIN ZOO

Geschäftstüchtige Affen,

gefiederte Safeknacker und

Fische in der Waschstraße

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Hanno Beck

Das Leben ist ein Zoo

Geschäftstüchtige Affen, gefiederte Safeknacker und Fische in der Waschstraße

Frankfurter Societäts-Medien GmbH

Frankenallee 71  81

60327 Frankfurt am Main

Geschäftsführung: Oliver Rohloff

Frankfurt am Main 2015

ISBN 978-3-95601-189-4

Copyright

Frankfurter Societäts-Medien GmbH

Frankenallee 71  81

60327 Frankfurt am Main

Umschlag

Daniela Seidel, FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag

Satz

Jan Walter Hofmann

Titelbild

Thilo Weckmüller (Werkstatt uah!)

E-Book-Herstellung

Zeilenwert GmbH 2016

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Statt einer Einführung: Tiere vor Gericht

Der beste Freund des Menschen

Rats’n’Drugs and Alcohol

It’s only Rock’n’Roll

Shopping-Queen

Zu zweit geht es besser

Rache, Schmerz und Eifersucht

Sprechstunde

Tierisch intelligent

Mafiosi, Ladendiebe und Bandenkriminalität

Eine Welt

Statt einem Schlusswort: Das Tier ist Mensch geworden

Literatur

Stichwortverzeichnis

Der Autor

For Roo,

best friend, best pal, best girl ever.

Thank you for all those moments of perfect happiness.

Statt einer Einführung: Tiere vor Gericht

Im Todestrakt. Die Kirche klagt an. Ein Serienmörder auf dem elektrischen Stuhl. Und was das über uns aussagt.

Taro ist in Schwierigkeiten. Vier Jahre sitzt er im Todestrakt, seit der Staat New Jersey seine Hinrichtung angeordnet hat. Mehr als 100 000 Dollar hat das Verfahren bis dahin gekostet. Prozesskosten. Verpflegung. Anwälte. Immerhin: Taros Chancen stehen gut, die letzte Hinrichtung in New Jersey findet 1963 statt. Ralph Hudson. Mehrmals hat Hudson eingesessen, zuletzt, weil er seine Frau geschlagen hat, doch die Richter halten ihn für harmlos, vielleicht, weil er so ein dünnes Hemd ist. Sie irren sich. Als Hudson das letzte Mal aus der Haft entlassen wird, kauft er ein Messer, geht in die Kneipe, wo seine Frau arbeitet und ersticht sie vor 15 entsetzten Zeugen. Einen Deal mit der Staatsanwaltschaft, der ihm das Leben retten würde, lehnt Hudson ab. Er wird hingerichtet. Taro würde wohl einem Deal zustimmen, doch er hat keine Ahnung, was ein Deal ist. Taro ist fünf Jahre alt. Taro ist ein Hund.

Taro ist kein Einzelfall: Tiere auf der Gerichtsbank, im Todestrakt und auf dem Schafott sind in der Geschichte der Menschheit keine Ausnahme, sondern jahrhundertelange Normalität. Im Mittelalter ist es üblich, Tiere in kostspieligen Verfahren als Verbrecher anzuklagen, ihnen den Prozess zu machen und sie zu verurteilen – Tiere, die Menschen verletzen oder töten, wandern auf die Anklagebank. Die Kirche klagt ganze Schädlingskollektive an – Mäuse, Heuschrecken oder Engerlinge. Die Prozesse werden von universitär ausgebildeten Juristen geführt, von Universitätsprofessoren diskutiert, von Bischöfen gebilligt und aktenkundig gemacht.

Kindesmord, Zerstörung der Ernte, Störung der Messe – die Liste der Anklagen ist lang, fast jede Tierart sitzt auf der Anklagebank. 1386 wird ein Schwein in Falaise in menschlichen Kleidern in der Nähe des Rathauses gehängt, nachdem es ein Kind totgebissen hat; der Vorgang wird in einem Wandgemälde festgehalten. 1789 wird in Baardwijk ein Stier zum Tode verurteilt. Im 16. Jahrhundert fordert das Lausanner Offizialat, man möge die Bestrafung der bereits exkommunizierten Heuschrecken verschärfen, weil ihre Bosheit wachse. Auswüchse des finsteren Mittelalters? Kaum. Gehen wir ins 20. Jahrhundert: Im Jahr 1916 tötet Mary, ein Elefant, in Kingsport, Tennessee, in Panik den unerfahrenen Wärter, der sie begleiten soll. Sie wird mit Hilfe eines Eisenbahnkrans gehängt. Ihr Artgenosse Topsy, ebenfalls ein Zirkuselefant, wird 1903 auf einem speziellen elektrischen Stuhl hingerichtet – konstruiert vom Jahrhundertgenie Thomas Alva Edison. Auch Genies haben dunkle Seiten.

Topsy ist – wohl zu Unrecht – als Serienmörder angeklagt, Taros Vergehen ist weniger spektakulär: Er hat in ein Bein gebissen. Eher ein Schnapper als ein herzhafter Biss, sagen Medien, aber das Bein gehört einem zehn Jahre alten Mädchen, das zu allem Unglück die Nichte des Sheriffs ist. Das ist Pech. Doch Taro hat Glück: Christine Todd Whitman, die Gouverneurin des Staates New Jersey, wandelt seine Strafe in lebenslanges Exil um – Taro wird begnadigt, muss aber New Jersey verlassen, vielleicht, damit ein rückfälliger Hund nicht eines Tages zum Wahlkampfschlager wird.

Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?

Prozesse gegen Tiere sagen nichts über Tiere aus, aber viel über die Menschen, die sie führen. Die Geschichte der Tierprozesse ist eine Geschichte der Missverständnisse. Und der menschlichen Arroganz. Und damit die folgenden Seiten nicht missverstanden werden, muss man sich damit auseinander setzen. Wir schütteln heute über Tierprozesse den Kopf, aber so weit weg ist das nicht: Wir neigen dazu, Tieren menschliche Züge zu geben, in ihnen menschliche Eigenschaften zu sehen, sie wie Menschen zu behandeln. Wie viele Besitzer eines Haustiers sehen in ihm ein vollwertiges Familienmitglied? Und wie oft sehen wir Ähnlichkeiten zwischen einem Tier und seinem Besitzer? Wir sind schlau wie Füchse, dumm wie Esel, wir setzen Hunde auf Surfbretter, ziehen unseren Lieblingen menschliche Kleidung an, schauen Filme über Freundschaften zwischen Tieren und Menschen, Cartoons mit tierischen Helden, die Detektive, Lebensretter, Lebenskünstler oder kulturelle Ikonen sind. Tiere mit Matrosenanzug (aber ohne Hosen), mit einer Schwäche für Honigtöpfe (wie Du und ich), Tiere, die Klavier spielen, Autos fahren, die Welt retten – das Tier ist längst zum Menschen geworden.

Psychologen sprechen in solchen Fällen von Projektion – wir projizieren das, was wir sind, glauben zu sein oder sein wollen, auf andere Lebewesen. Wir übertragen unsere Gefühlswelt, unsere Erlebniswelt, auf Tiere, weil wir uns nicht vorstellen können, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Wir machen Tiere gedanklich zu Menschen, weil wir wissen, wie es ist, ein Mensch zu sein, aber nicht wissen, wie es ist, ein Tier zu sein.

Das sagt mehr über uns aus als über Tiere. Doch wie menschlich sind Tiere wirklich? Wenn wir in vielen Tieren den Menschen erkennen, so liegt das vielleicht weniger daran, dass wir Menschen so toll sind oder Tiere so intelligent, sondern daran, dass manche tierischen Verhaltensweisen, die unseren so ähnlich sind, tief verwurzelt sind im Bauplan des Lebens. Tiere handeln vielleicht nicht so wie Menschen, weil sie wie Menschen denken, sondern weil sie in der gleichen Welt wie wir Menschen leben, die uns bestimmte Verhaltensweisen diktiert.

Kein Hirn, aber Verstand

Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Haushaltstheorie: Eine Theorie menschlicher Entscheidungen bei Knappheit, die mit für den Laien wirren Formeln und schrägen Grafiken erklärt, wie die Zusammenhänge zwischen Nachfrage, Einkommen und Preisen aussehen. Vielen Erstsemestern ist das erstens zu hoch und zweitens zu abgehoben – niemand verhält sich so, wie diese wirren Formeln und Grafiken es beschreiben, richtig?

Kommt darauf an, wie man „niemand“ definiert. Nimmt man einen zwei Millimeter langen Einzeller, der im Süßwasser lebt, stimmt das nicht. Stentor coeruleus, das blaue Trompetentierchen, verhält sich so, wie die Formeln und Grafiken der Haushaltstheorie es beschreiben – äußerst rational. Dabei, so lästern Biologen, besitzt Stentor coeruleus nichts, was an ein Hirn oder ein Nervensystem erinnert. Man muss vermuten, dass es ein eher schlichter Geselle ist, nicht gerade das Party-Tier oder der Alleinunterhalter unter den Einzellern. Und erst recht nicht Klassenprimus. Eine Bibliothek mit Ökonomie-Büchern hat es auch nicht. Doch eines kann das Trompetentierchen: rational handeln. Wenn es zwischen zwei Sorten Futter wählt, so wählt es die Sorte, die unter Berücksichtigung persönlicher Vorlieben die geringsten Anstrengungen erfordert. Wird das Lieblingsfutter schwerer zu erreichen, schwenkt es auf das weniger favorisierte Futter um. Das ist im Kern das, was die Haushaltstheorie mit ihren wüsten Bildern und Formeln formalisiert und prognostiziert. Vielleicht hat das Trompetentierchen kein Hirn, aber zumindest handelt es so, als hätte es Verstand.

Wenn aber das Blaue Trompetentierchen sich genauso verhält, wie es ein Erstsemester-Lehrbuch mit Formeln und wirren Grafiken beschreibt, dann nicht, weil das Trompetentierchen solche Bücher liest (das tun nicht mal alle Erstsemester) oder so intelligent ist wie der Autor eines solchen Lehrbuchs – erinnern Sie sich, es hat nichts, was man als Gehirn bezeichnen könnte –, sondern weil manche Verhaltensweisen evolutorisch zweckdienlich, notwendig, unausweichlich sind. Das macht Tiere nicht menschlicher, sondern erinnert uns daran, dass wir den gleichen Naturgesetzen von Knappheit und Überlebenstrieb unterliegen wie Stentor coeruleus und alle anderen Tiere.

Der Affe im Spiegel?

Viele Verhaltensweisen, die wir bei Tieren und Menschen beobachten, sind Ausdruck einer Notwendigkeit, die aus der Tatsache folgt, dass wir in der Welt leben, in der wir leben, und wer in ihr überleben will, muss ihre Spielregeln befolgen. Dass man dies tut, ist weniger Ausdruck einer allumfassenden menschlichen oder menschenähnlichen Intelligenz, sondern der Ruf der Evolution und das Ergebnis Jahrtausende langen Lernens. Oft verhalten wir uns so, wie wir uns verhalten, nicht weil wir so klug sind oder weil wir schlaue Ratgeber lesen, sondern weil wir über Generationen hinweg gelernt haben, dass dieses Verhalten sinnvoll, weil überlebenssichernd ist. Genau wie Tiere. Das ist es, was uns so ähnlich macht, was dazu führt, dass wir uns im Verhalten von Tieren wiedererkennen.

Wenn wir also das teilweise verblüffende Verhalten von Tieren bestaunen, müssen wir vorsichtig sein, dass wir nicht in die Projektions-Falle tappen und tierisches Verhalten mit menschlicher Intelligenz oder gar menschlichen Absichten verwechseln – das könnte rasch in eine Sackgasse führen. Vielleicht muss man das Verhalten der Tiere eher wie einen Spiegel verstehen: Ein Spiegel gibt uns ein Bild zurück, über das wir nachdenken können, das bedeutet aber nicht, dass der Spiegel so schlau ist wie wir oder so denkt wie wir. Und dass wir bisweilen nicht sicher sein können, auf welcher Seite des Spiegels der Affe steht. Manchmal auf beiden Seiten?

Viele Tiergeschichten sind unterhaltsam und verblüffend, aber wenn wir daraus etwas lernen wollen, sind wir auf der sicheren Seite, wenn wir sie als Bild, als Gleichnis, als Metapher verstehen – auf diese Weise vermeiden wir den Fehler anzunehmen, dass alle so sind wie wir. Das wäre überheblich. So wird diese Sammlung von Geschichten auch zu einer Geschichte über den Menschen, der sich selbst in der Natur wiederfindet.

Indem wir das tun, könnten wir Tierleben retten: In den mittelalterlichen Prozessen ist es üblich, die verurteilten Tiere öffentlich hinzurichten – zur Abschreckung. Ob das Schweine, Heuschrecken oder Elefanten beeindruckt? Abschreckt? Wohl kaum. Bei Menschen mag das funktionieren, bei Tieren? Vermutlich nicht. Wer Tiere nicht als Menschen begreift, vermeidet diesen Fehler. Und erspart Tieren das Schafott.

Vielleicht führt eine entspannte, weniger vermenschlichte Sicht zu neuen Einsichten in tierisches Verhalten, zu einem besseren Verständnis unserer besten Freunde. Doch das muss uns nicht den Spaß, das Staunen, die universale Freude an Tieren und ihren Geschichten nehmen, schließlich sind sie ja so etwas wie unsere Verwandten – dass wir evolutorisch betrachtet nur einen Steinwurf von den Urwäldern des Amazonas, den Wassern des Atlantiks oder den Steppen Afrikas entfernt sind, beweist der Blick in den Panorama-Teil der Tageszeitung. Kein Wunder, dass viele Tiergeschichten in den Zeitungen landen. Genauso wie wir gerne über unsere prominenten Artgenossen lesen – Brad Pitt, Kim Kardashian oder wen auch immer –, lesen wir gerne Geschichten über Tiere, die sensationelle Dinge tun, die wir deshalb für sensationell halten, weil wir sie nicht erwartet hätten.

Widersprüchlich ist das allemal: Wir billigen Tieren menschliche Eigenschaften, ja Intelligenz zu, und doch staunen wir, wenn sie Dinge tun, die wir für menschlich, für intelligent halten. Wir sollten Tiere weder über- noch unterschätzen. Und wenn wir über ihr Verhalten erstaunen oder es uns amüsiert – vielleicht blicken wir ja nur in einen Spiegel; staunen, erschrecken oder lachen eigentlich über uns. Lassen Sie uns mit dem Staunen beginnen. Fangen wir mit echten Helden an. Und einem Mann, der Angst hat.

Der beste Freund des Menschen

Adam Walker hat Angst. Die Heldin des Jahres. Im Schutz des Wappentiers. Hero Cat und Khan, der Wunderhund. Warum wir Leben retten.

Adam Walker hat Angst. Er ist ein guter Schwimmer. Aber die Cookstraße ist kein guter Ort für Schwimmer. Die Cookstraße, das ist eine Meerenge zwischen den beiden Hauptinseln von Neuseeland, gilt als eine der stürmischsten Meeresstraßen der Welt. Eiskaltes Wasser, hohe Wellen. Fünfunddreißig Kilometer Wind. Die Ureinwohner nennen die Cookstraße Raukawa und halten sie für heilig. Angeblich darf ein Erstüberquerer im Kanu die Cookstraße nur mit verbundenen Augen überqueren, geleitet von anderen Ureinwohnern, welche die Meerenge bereits einmal überwunden haben. Wenn die Erstüberquerer die Küste erreichen, werden sie an Land getragen – die Brandung dürfen sie nicht mit den Füßen berühren. Fünfunddreißig Kilometer Kälte, Wellen und Wind. Adam Walker will sie schwimmen.

Nicht viele Schwimmer haben die Cookstraße durchquert. Angeblich ist eine Maori-Frau die erste, die diese Wasserstrapaze übersteht, nachdem sie von ihrem Mann verstoßen wird. Das war 1750. Der erste Schwimmer der Neuzeit, Barrie Davenport, benötigt 1962 etwas mehr als elf Stunden. Adam Walker braucht achteinhalb Stunden – und er hat Angst. Nicht die Wellen, der Wind, nicht die Kälte machen ihm Angst – es ist der zwei Meter lange Schatten, der neben ihm auftaucht. Eine lange, scharf geschwungene Silhouette. Ein Hai.

Adam Walker wird später sagen, dass er dieses Abenteuer nie vergessen wird. Er schwimmt die Oceans Seven Challenge, bei der Schwimmer Geld für die Whale and Oceans Conservation Society sammeln. Sterben wollen sie dabei nicht. Auch Adam Walker nicht.

Adam Walker wird nicht sterben. Der Hai wird ihn nicht attackieren. Der Grund dafür ist vielleicht seine Begleitung, die rechtzeitig zur Stelle ist: Ein Rudel von rund zehn Delphinen sammelt sich um ihn, schwimmt mit ihm eine Stunde lang – und hält ihm den Hai vom Leib. Die Delphine, so sagt Adam Walker, retten ihm das Leben. Eine Stunde mit Delphinen schwimmen, die einem die Gefahr in Form eines der mächtigsten Räuber des Meeres vom Leib halten – so ein Abenteuer vergisst man nicht.

Adam Walker ist kein Einzelfall: 2004 umkreist eine Delphin-Schule vier Menschen 40 Minuten lang, während ein drei Meter großer weißer Hai in der Nähe lauert – die Delphine treiben die Schwimmer zusammen wie Schafe und lassen sie nicht aus ihrem Kreis. Der Hai geht leer aus. Noch mehr Glück hat der Surfer Todd Endris: Ein großer weißer Hai taucht aus dem Nichts aus, verschluckt sich fast an Todds Surfbrett, reißt ihm die Haut vom Rücken, reißt an seinem Bein – als ein Schwarm Delphine auftaucht und den Hai vertreibt. Endris klettert auf sein Brett und erreicht die Küste. Auch der Schauspieler Dick Van Dyke („Mary Poppins“, „Diagnose: Mord“) preist Delphine als Lebensretter: Als er eines Tages auf seinem Surfbrett einschläft und aufs offene Meer hinaustreibt, schieben Delphine ihn und sein Brett zurück an die rettende Küste.

Die Mythologie, aber auch die Klatschspalten sind voll von Geschichten über Delphine, die Seeleuten das Leben retten, sie vor Haien bewahren, sicher ans Ufer geleiten, ihnen den Weg zum rettenden Land weisen oder über Wasser halten – Geschichten, die bleiben und wohl nicht alle aus der Luft gegriffen sind. Bleibt eine Frage: Warum tun Delphine das – warum retten sie Menschenleben?

Warum also? Die erste Idee: Intelligenz. Delphine gelten als sehr intelligent – macht sie das zu Lebensrettern? Wer intelligent ist, kann sich in andere Wesen hineinversetzen, empathisch sein und rettet, wenn er Not sieht – ist das die Antwort?

Nun sind Delphine intelligent, aber wie sieht es mit anderen tierischen Lebensrettern aus, denen wir weniger Intelligenz zubilligen? In der näheren Verwandtschaft der Delphine finden sich Wale, und auch sie mögen Menschen, scheint es. So rettet Mila, der Beluga-Wal, die Taucherin Yang Yun, als diese bei einem Tauchwettbewerb in einem Aquarium, von Krämpfen geschüttelt, droht zu ertrinken. Mila schnappt sich ein Bein der Taucherin und schiebt sie behutsam zurück an die Wasseroberfläche. „Mila erkannte das Problem vor uns“, gesteht einer der Organisatoren des Wetttauchens.

Die Heldin des Jahres

Nicht nur zur See, auch an Land sind Tiere Lebensretter. Beispielsweise Binti Jua, eine acht Jahre alte Gorilla-Dame im Zoo von Brooklyn: Als ein kleiner Junge in den Gorilla-Käfig fällt, nimmt sie den bewusstlosen Jungen in ihre Arme – doch statt ihn zu zerreißen, wie die schockierten Zuschauer befürchten, schützt sie ihn vor ihren Artgenossen, die mit dem vermeintlichen Eindringling offenbar genau das vor haben. Sie trägt den Jungen vorsichtig zur Eingangstür, wo Wärter ihn abholen. Das Magazin Newsweek erklärt Binti zur Heldin des Jahres.

Bei einem Gorilla-Weibchen kommt man rasch auf eine einfache Erklärung: Sie sieht in dem kleinen Jungen einen Artgenossen. Vermutlich waren ihre Mutterinstinkte ohnehin stärker als üblich: Binti hat zum Zeitpunkt des Unfalls eine 17 Monate alte Tochter, die sich die ganze Zeit auf ihrem Rücken festklammert. Kein Wunder, dass ihre Mutterinstinkte Alarm schlagen, wenn ein Kleinkind ins Gehege fällt.

Aber die Idee, dass Tiere in Menschen einen Artgenossen sehen und sie deswegen retten, lässt sich schwer glauben, wenn man den unglaublichen Fall von Polly kennt. Polly ist 12 Jahre alt, als sie entführt wird. In Äthiopien, wo Polly lebt, ist das kein Einzelfall: Immer wieder entführen Männer junge Mädchen, schlagen sie und zwingen sie mit Gewalt zur Ehe. Polly wird verschleppt, ihr droht ein Schicksal, das viele Mädchen in Äthiopien kennen – doch sie hat Glück. Das ehemalige Wappentier Äthiopiens rettet sie. Als ihre Entführer sie aus der Hütte zerren, in der sie Polly festhalten, tauchen drei Löwen auf, die Männer fliehen in Panik. Polly krümmen die Löwen kein Haar, laut Aussage des Mädchens bleiben sie einen halben Tag bei ihr, und als die Polizei kommt, stehen sie – so sagt es ein Polizeioffizier – bei ihr Wache und hinterlassen sie wie ein Geschenk. Als die Retter kommen, verschwinden die Löwen im Busch.

Wenn diese Geschichte stimmt – zwar berichten renommierte Nachrichtenagenturen darüber, verwenden aber stets die Wendung „Berichten zufolge“ – wie sieht es dann mit der Idee der Ähnlichkeit aus? Löwen können ein kleines Mädchen nicht für einen Artgenossen halten, oder? Möglicherweise doch. Vielleicht, so sagen Experten, erinnert ein wimmerndes Kind die Löwen an ein junges Löwenbaby, was sie zu dieser ungewöhnlichen Schutzaktion veranlasst. Eine andere Erklärung wäre nicht ganz so freundlich: Ein Ratschlag an Safari-Abenteurer ist, sich ruhig zu verhalten, wenn man Löwen begegnet, nicht wegzulaufen, keine Panik zu zeigen. Polly läuft nicht weg, sie ist wie gelähmt, Berichte sprechen davon, dass sie zeitweise bewusstlos ist. Vielleicht rettet das ihr Leben. Das würde bedeuten, dass die Löwen das Kind nicht beschützt haben, sondern nur noch nicht gefressen haben. Sie haben möglicherweise die Absicht, das Mädchen zu fressen, aber erst später. Und bevor es dazu kommt, werden sie von der Polizei gestört. Und da er satt ist, legt der König der Tiere keinen Wert auf eine Auseinandersetzung mit einem Rudel aufgeregt herbeistürmender Menschen – zu viel Stress. Dann wäre die vermeintliche Lebensrettung nur Ergebnis königlicher Bequemlichkeit. Kritische Geister hinterfragen die Lebensretter-Hypothese – in ihren Augen ist das eher ein Missverständnis. Delphine wollen nur ein wenig spielen und retten den Menschen das Leben unbeabsichtigt, lautet die weniger schöne Erklärung ihres Verhaltens. Vielleicht ist es auch Neugier – man sieht etwas Komisches im Wasser schwimmen und schaut sich das mal näher an, rettet dabei zufällig Menschenleben. Zudem, so eine weitere Idee, attackiere nicht jeder Hai automatisch Menschen, und dass Delphine in der Nähe von Haien auftauchen, sei nicht ungewöhnlich, da sie bisweilen die gleiche Beute jagen. Und der Hai, der Todd Endris angreift, lässt vielleicht von seiner Beute ab, weil er keine Surfbretter mag. Er beißt ins Brett und stellt fest, dass seine potentielle Beute nicht so gut schmeckt (Surfbretter gibt es nur in den Geschmacksrichtungen Holz und Glasfaser). Also beschließt er, ein anderes Restaurant aufzusuchen. Zudem tritt Endris nach dem Hai, als dieser sich seines Beines bemächtigen will – das mag alles dazu beitragen, dass der Hai von ihm ablässt. Dann wäre die Rolle des Delphins bei Endris Lebensrettung weniger spektakulär.

Sozialer Kitt

Es bleibt noch eine Erklärung, die auch für Menschen gilt: Altruismus, Kooperation, das Bedürfnis auch anderen zu helfen – vielleicht ist das ein wichtiges Element im Bauplan des Lebens. Es ist nicht nur Egoismus und Eigennutz, die für die Verbreitung des Lebens sorgen, sondern auch Kooperation, Hilfsbereitschaft und soziale Konventionen. Das ist der soziale Kitt, der eine Gruppe, eine Herde zusammenhält und die Überlebenschancen der ganzen Gruppe verbessert. Ein einzelnes Mitglied der Gruppe opfert sich, um den Rest der Gruppe zu retten und damit den gemeinsamen Genpool; oder man rettet andere Mitglieder der Gruppe in der Hoffnung, dass andere dies tun werden, wenn man selbst in Not ist – Lebensrettung und Kooperation als eine Art gegenseitige Versicherung. Als evolutionär sinnvolle Strategie.

Einfache Laborexperimente – ausnahmsweise mit Menschen – zeigen das: In einfachen Spielen – beispielsweise dem sogenannten Ultimatum-Spiel, dem Diktator-Spiel oder dem Gift-exchange-Spiel – zeigen Forscher, dass Menschen Wert auf Fairness legen, dass sie Großzügigkeit mit Großzügigkeit beantworten und unfaires Verhalten bestrafen. Kooperation und Hilfsbereitschaft sind vielleicht im Bauplan des Menschen verankert, weil es evolutorisch sinnvoll ist. Hilfst Du mir, helfe ich Dir. Und das sichert unser beider Überleben.

Wenn Kooperation und Hilfsbereitschaft im Bauplan des Menschen verankert sind, weil es dem Erhalt der Spezies dient – warum sollte dieses Verhalten nicht im Verhaltensrepertoire von Tieren etabliert sein? Es wäre dann weniger Ausdruck einer höheren Intelligenz oder Moral, sondern eher automatisch, reflexartig – Millionen Jahre Evolution haben uns gelehrt, dass bestimmte Verhaltensprogramme gut fürs Überleben sind, auch Kooperation oder Hilfsbereitschaft. Bleibt nur noch die Frage, warum dieses Verhaltensprogramm abgespult wird, wenn es nicht die eigene Spezies betrifft. Warum sollte man einer anderen Spezies helfen?

Eine mögliche Antwort – neben der einfachen Antwort, dass man die fremde Spezies irrtümlich für einen Artgenossen hält – besteht darin, dass man speziesübergreifende Koalitionen schmiedet gegen gemeinsame Feinde – man hilft den Feinden seiner Feinde, ein evolutorischer Vorteil, keine Frage. Möglicherweise kann man auch speziesübergreifend auf Futtersuche gehen – Arbeitsteilung bei der Futtersuche ist im Tierreich ebenso wie beim Menschen nichts Ungewöhnliches, wie wir später noch sehen werden. In manchen Fällen allerdings dürfte es weniger um die Spezies, sondern um das Rudel gehen – in solchen Fällen wie dem von Hero Cat.

Auftritt Hero Cat

Ihr richtiger Name: Tara Triantafilo. Tara ist eine grau-weiß gestreifte kalifornische Durchschnittskatze. Und eine Heldin. Als der kleine Jeremy, der Sohn der Familie, von einem Hund attackiert wird, kommt Tara wie ein Blitz aus dem Nichts, attackiert und vertreibt den verdutzten Hund. Das Video von Taras Heldentat wird auf You Tube mehr als 20 Millionen Mal geklickt. Vermutlich hat Hero Cat ein Mitglied ihres eigenen Rudels beschützt – Evolution bei der Arbeit. Ähnliche Fälle von Hunden oder Katzen, die Mitglieder der Familie beschützen, gibt es viele. Da ist beispielsweise die Heldentat von Khan, dem Wunderhund, der die 17 Monate alte Tochter der Familie an der Windel packt und sie vor einer tödlichen Schlange in Sicherheit bringt. Khan, das glaubt seine Familie, dankt ihnen damit, dass sie ihn aus dem Tierheim geholt haben. Oder aber Kahn hat instinktiv ein Mitglied des Rudels beschützt. Hunde oder Katzen, die Menschen vor Feuern, Feinden oder anderen Gefahren warnen, gibt es viele. Tara, genannt Hero Cat, wird für ihre Heldentat belohnt: Sie darf beim ersten Ball des Spiels der heimischen Baseballmannschaft Bakersfield Blaze den ersten Ball werfen (gut, so richtig werfen können Katzen nicht, der Ball wird an einer Schnur befestigt und Hero Cat schlägt danach). Davon träumt jeder Amerikaner.

Verwechslung, Irrtum, Kooperation, Evolution – wenn Tiere Menschen retten, spielen möglicherweise all diese Faktoren eine Rolle. Aber für uns ist es netter, darin einen Akt universeller Sympathie zu sehen – eben weil diese universelle Sympathie der Evolution entgegen kommt. Vielleicht mögen wir diesen Gedanken, weil die Natur uns gelehrt hat ihn zu mögen. „Es ist ein netter Gedanke, dass sie vielleicht gedacht haben, dass sie einem Kumpel durch den Ozean helfen“, sagt Adam Walker. So oder so – Adam Walker ist durch den Ozean gekommen.

Rats’n’Drugs and Alcohol

Ein Massensterben in Wien. 3000 Kilo schwere Halbstarke auf Reisbier. Rüpelnde Bären im Vorgarten.

Eine hochprozentige Palme und rationale Säufer. Warum die Natur uns Alkohol gegeben hat.

Der 15. Januar 2006 sieht in Wien ein Massensterben: Rund 40 Leichen säumen den Weg der U-Bahn-Linie U3 in den Bezirken Wien-Landstraße und Penzing. Panik bricht aus. Die Opfer: Knuddelige Federbälle aus der Familie der Sperlingsvögel. Seidenschwänze. Sie werden bis zu 18 Zentimeter groß, wiegen zwischen 50 bis 60 Gramm und sind eher unscheinbare Darsteller in der Vogelwelt. Gelten als gesellig. Vielleicht wird ihnen gerade diese Geselligkeit zum Verhängnis.

Die Panik besorgter Bürger ist berechtigt, es sind die Tage der Vogelgrippe, und viele fürchten, dass diese nun die Donau erreicht. Hat die Vogelgrippe das Massaker an der U3 angerichtet? Vielleicht sind Überreste mittelalterlichen Aberglaubens für die Panik unter den Wienern verantwortlich, denn im Mittelalter gelten Seidenschwänze als Unheilbringer, als Pestboten. Doch die Panik ist unangebracht. Keine Pest. Die gefiederten Sänger machen immer einen Abstecher nach Deutschland, wenn der Winter in ihrer Heimat besonders hart ist und sie nicht genügend zu fressen finden. Sie kommen nicht, weil sie schlechte Nachrichten im Gepäck haben. Und: Es ist auch nicht die Vogelgrippe.

Keine Krankheit. Keine Umweltgifte. Keine Jäger. Keine Erdstrahlen. Also muss eine andere Erklärung her: Man vermutet, dass die Tiere sich in Städten nicht auskennen und Probleme mit Fensterscheiben haben. Auch diese Hypothese wird bezweifelt. Die Todesursache der Seidenschwänze scheint banaler und menschlicher: Alkohol. Die Tiere waren betrunken. Nach menschlichen Maßstäben sogar sturzbetrunken.

Gefiederte Trunkenbolde

Alkohol ist kein Spaß: Mehr als drei Millionen Menschen, sagt die Weltgesundheitsorganisation, sterben weltweit jedes Jahr an den Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum. Die Bevölkerung über 14 Jahren konsumiert im Schnitt mehr als sechs Liter reinen Alkohol im Jahr, das entspricht 13,5 Gramm reinem Alkohol am Tag. In Deutschland sind es sogar 11,8 Liter pro Kopf und Jahr. Bei den Männern ist in mehr als sieben Prozent aller Todesfälle Alkohol die Ursache, vier Prozent sind es bei den Frauen. Auch bei Vögeln gibt es offenbar alkoholinduzierte Todesfälle. Seidenschwänze gelten als elegante Flieger, aber mit einem Blutalkoholgehalt, der nicht im Promille-, sondern im Prozentbereich liegt, streckt auch der eleganteste Flieger die Federn. Im Suff brettern die gefiederten Trunkenbolde gegen Fenster, Äste oder andere Hindernisse und brechen sich den Hals.

Aber wie sind die Seidenschwänze an den Stoff gekommen? Jedenfalls nicht an der Autobahnraststätte: Auf ihrem Weg von der Taiga nach Mitteleuropa genehmigen sich die gefiederten Schnapsdrosseln überreife Weintrauben und Ebereschenbeeren, die im Magen der Vögel gären und ihnen einen veritablen Rausch bescheren. Natürlich kann man das als Betriebsunfall abtun – schließlich hat so ein Vogel keinen Abschluss in Chemie und versteht wenig von Gärprozessen. Kein Wunder, dass dieser Unfall kein Einzelfall ist: Im Spätherbst 1993 fliegen auf der Autobahn 661 bei Frankfurt Hunderte von Vögeln in Autos und damit in den Tod. Die Tiere haben sich Weißdorn und Heckenrose genehmigt, die bis zu fünf Prozent Alkohol enthalten – das ist etwa so viel wie Bier. Alkohol im Straßenverkehr fordert einmal mehr seine Opfer.

Betrunkene Tiere sind spätestens seit dem legendären Disney-Film „Die Wüste lebt“ ein Klassiker – wenngleich bisweilen zu Unrecht: So gehören die betrunkenen afrikanischen Elefanten, die sich im Film angeblich an den gegorenen Früchten des Marula-Baums berauschen, wohl ins Reich der Legende. Geht man von der menschlichen Physiologie aus, so müsste ein 3000-Kilo-Elefant zwischen zehn und 27 Liter 7-prozentigen Ethanols zu sich nehmen, damit er alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigt. So viel Alkohol kann ein ausgewachsener Elefant in freier Wildbahn nicht zu sich nehmen – das teilweise aggressive Verhalten der Elefanten in der Nähe der Marula-Bäume halten manche Forscher eher für Revierverteidigung, andere sprechen davon, dass die Rinde des Baumes es in sich habe. Immerhin weiß man aus Indien, dass Elefanten ein Faible für Reisbier haben, dabei ist es schon zu schweren Zwischenfällen mit betrunkenen Elefanten gekommen, die sich der Alkoholvorräte in den Dörfern angenommen haben. Stellen Sie sich einfach vor, 3000 Kilo schwere Halbstarke klauen den Biervorrat aus dem Keller der Eltern.

Neun Drinks pro Nacht

Etwas komfortabler leben die Besucher der Bertram-Palme, die im malaysischen Regenwald zu Hause ist. Die Palme produziert – man mag es kaum glauben – Nektar mit einem Alkoholgehalt von rund 3,8 Prozent und etwas, das an Bierschaum erinnert. Kein Wunder, dass Forscher sieben verschiedene Säugetierarten finden, die regelmäßig zur Palme pilgern und sich einen hinter selbige gießen. Manche schauen sogar zwei- oder dreimal die Nacht vorbei – obwohl die Leuchtreklame fehlt und keine Band spielt. Das entspricht in menschlichen Dimensionen etwa neun Drinks die Nacht (allerdings ohne Schirmchen und Cocktail-Kirsche). Doch während das bei Menschen rasch zu Handgreiflichkeiten führt, sind die meisten Besucher der Bertram-Palmen-Bar friedfertige Genossen, ganz im Gegensatz zu den betrunkenen Bären, die in der Slowakei für Ärger sorgen – um sich für den Winter in Form zu fressen, plündern sie die Obstgärten und berauschen sich am gärenden Fallobst. Für die Besitzer der Obstgärten eine eher unerfreuliche Veranstaltung: Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Horde wilder, betrunkener Bären in Ihrem Garten. Das arme Rosenbeet.

Könnte man die Bären dafür belangen? In Deutschland schon: Das deutsche Strafrecht versteht unter einem Rausch eine durch Alkohol oder andere berauschende Mittel hervorgerufene Vergiftung; sie vermindert die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit des Menschen. Paragraph 323a des deutschen Strafgesetzbuches sieht Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor, wenn man im berauschten Zustand eine Straftat begeht. Die Bären wird das vermutlich nicht interessieren. Auf Tiere warten härtere Strafen: Wer sich im Tierreich fahrlässig berauscht, läuft Gefahr, mit dem Tod bestraft zu werden.

Als Bär kann man sich sicher fühlen – ein Mensch muss selbst ordentlich blau sein, um einen alkoholisierten Bären anzugreifen. Da kann man sich als Bär den ein oder anderen Vollrausch leisten, ohne gefressen zu werden. Aber was ist mit kleineren, wehrloseren Tieren? Für sie ist ein Vollrausch gefährlich – wer ohne Kampfsportausbildung betrunken eine Kneipenschlägerei anfängt, kann das nachvollziehen. Warum also sollten Tiere sich einen Affen antrinken? Wo liegt der Sinn des Alkohols, wenn es einen gibt?

Zunächst einmal ist überraschend, wie trinkfest manche Spezies ist. So können unsere Seidenschwänze – so wie beispielsweise auch Drosseln – Alkohol im Prozentbereich zu sich nehmen (Menschen sterben schon im Promille-Bereich), weil ihre Leber so viel Alkoholdehydrogenase erzeugt, dass sie mit hohen Alkoholmengen fertig werden. Umgerechnet auf das Gewicht eines normalen Menschen könnte ein Star alle acht Minuten eine Flasche Wein kippen, ohne betrunken zu werden (oder den Führerschein zu verlieren). Deswegen vermuten Experten, dass nicht der Alkohol die Federtrinker an der A 661 getötet hat. Die Ursache der Todesfälle sei eher darin zu suchen, dass die Vögel an der Autobahn tief fliegen, um Räubern zu entgehen – und dann mit den Autos kollidieren. Nicht nur Vögel, auch andere Tiere, beispielsweise Fledermäuse, zeigen bemerkenswerte Trinkfestigkeit, wie Untersuchungen zeigen: Fledermäuse können trotz erhöhter Alkoholdosis immer noch gut fliegen, was ein evolutionärer Vorteil ist – man kann reifere Früchte verdauen und dennoch weite Flugstrecken zurücklegen, statt nach einem Alkoholflug im Magen eines Feindes oder an einer Felswand zu enden. Oder auf der A 661.

Welchen Sinn hat Alkohol?

Wenn Tiere so alkoholfest sind