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Mathis Wackernagel & Bert Beyers

Footprint

Die Welt neu vermessen

 

Danksagung

Unzählige fantastische Leute haben dieses Projekt mitgetragen. Dazu gehören unsere Familien, Kollegen, Mentoren, Sponsoren des Global Footprint Network, Partnerorganisationen, Berater, Verlagsmitarbeiter und ein reiches Netzwerk von Freunden, darunter Roland Matter, Peter Schiess, Caroline Wackernagel, die „Aachener Stiftung Kathy Beys“ und „Brot für die Welt“, die die erste Auflage mitgetragen haben. Besonders danken wir in der Textarbeit Tatjana Puschkarsky und Mareike Fricke und für den analytischen Hintergrund den Mitarbeitern des Global Footprint Network.

Mathis Wackernagel & Bert Beyers

Footprint

Die Welt neu vermessen

CEP Europäische Verlagsanstalt

 

ISBN 978-3-86393-535-1

Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter www.europaeische-verlagsanstalt.de

Inhalt

Einleitung

Footprint – Das Instrument

Die Fläche als Währung – Wie viel Biokapazität braucht ein Mensch?

Die ökologische Falle – Wie viel Biokapazität braucht eine Stadt?

Felder, Wälder und Ozeane – Wie viel Biokapazität ist vorhanden?

Wir haben nur diesen einen Planeten – Ökologische Grenzen und darüber hinaus?

Der Footprint als Kompass – Wie viel Biokapazität braucht ein gutes Leben?

Footprint – Herausforderungen im 21. Jahrhundert

Overshoot beenden! – Kommunikation ist der Schlüssel

Gewinner und Verlierer – Worauf ein Land in Zukunft achten muss

Footprint-Szenarien – Wege aus dem globalen Overshoot

Footprint – Case Studies

Footprint-Rechnungen – Individuen, Städte, Länder, Produkte und Unternehmen

Footprint in Architektur und Stadtplanung – BedZED und Masdar City

Chinas Footprint – Ein neues Entwicklungsmodell?

Afrikas Footprint – Eigene Ressourcen sichern

Footprint – Interview

Anmerkungen

Literatur

Die Autoren

Einleitung

Was nutzt ein Flugzeug ohne Navigationsinstrumente? Sicher, es fliegt. Aber wie hoch, wie schnell? Und wie lautet seine genaue Position? Ohne Armaturen weiß der Pilot nicht einmal, wie viel Treibstoff sich noch in den Tanks befindet. Bei schlechtem Wetter oder nachts wird der Flug lebensgefährlich.

Nicht wesentlich anders geht es uns mit dem Naturverbrauch. Wie viele Ressourcen kostet ein Frühstück, ein Urlaub, eine neue Wohnung? Wie viel Natur benötigt eine Stadt, ein Kraftwerk, eine Nation oder die Menschheit als Ganzes? Im Alltag kennen wir den Euro- oder Dollar-Preis der Dinge ziemlich genau. Warum wir das wissen wollen? Ganz einfach: Weil unser Budget beschränkt ist. Wir wollen herausfinden, ob wir uns das leisten können.

Wie unser persönliches Budget ist auch die Natur limitiert. Auch hier stellt sich die Frage: Können wir uns diesen Naturverbrauch überhaupt leisten? Und warum messen wir ihn dann nicht?

Weil wir bisher kein vernünftiges Instrument dafür hatten. Lange Zeit brauchten wir auch keines, da uns die Natur unerschöpflich erschien. Das ist heute anders. Ob beim Klima oder in den Weltmeeren, mittlerweile erleben wir die Grenzen sehr ­deutlich.

Mittels des Ecological Footprint, auf Deutsch Ökologischer Fußabdruck, und hier kurz Footprint genannt, können wir unseren Naturverbrauch berechnen. In erster Linie ist er ein Buchhaltungssystem. In der Wirtschaft nutzen wir für diesen Zweck Geld. Der Footprint verfügt dagegen über eine andere „Währung“: die biologisch produktive Erdoberfläche. Eine Ware oder Dienstleistung kostet dann eben eine bestimmte Menge Natur, genauer: Erträge, die ein Wald, ein Acker oder Weideland in einem Jahr abwirft. Soweit die Nachfrageseite.

Das Angebot der Natur kennen wir dank modernster Technik ebenfalls. Satelliten liefern uns aktuelle Bilder unseres Planeten. Sie zeigen, wo Wälder, Felder, Städte, Straßen, Wüsten, Seen, Weiden oder Steppen zu finden sind. Für die meisten Flächen gibt es zudem Abschätzungen, wie produktiv sie sind. Die Footprint-Buchhaltung führt beide Seiten, Angebot und Nachfrage, zusammen. Das Resultat ist eine wissenschaftliche Beschreibung: Wie viel Natur haben wir? Wie viel brauchen wir? Und wer nutzt wie viel?

Der Naturverbrauch ist dabei dem Geldverbrauch durchaus ähnlich. Wenn wir uns am Automaten mit Bargeld ausstatten, sieht man den Scheinen nicht an, ob unser Konto schwarze oder rote Zahlen schreibt. Geld ist erstmal Geld. Allerdings, irgendwann spuckt der Geldautomat nichts mehr aus.

Das ökologische Kapital unseres Planeten nur aus dem Bauch heraus zu bewirtschaften, macht also keinen Sinn. Ein Vermögensverwalter ohne Buchhaltung ist blind. Niemand brächte sein Geld zu einer Bank, die keine Bücher führt. Ein Kontoauszug gibt uns eine objektive Bestandsaufnahme. Genau das benötigen wir auch für unsere Ressourcensituation. Zu diesem Zweck richtet sich der Footprint an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, aber ebenso an ein breites Publikum. Beide Akteursgruppen gehören zusammen.

Eine wesentliche Stärke des Footprint besteht darin, dass er für jede menschliche Aktivität ausweisen kann, wie viel produktive Fläche dafür benötigt wird. Komplexe Dinge finden ihren Ausdruck somit in einer einzigen Zahl, wie beim Geld. Darüber kann man reden. Der Footprint als intuitiv verständliches Kommunikationsinstrument eignet sich deshalb sehr wohl für eine breite Öffentlichkeit – die wiederum Einfluss nimmt auf ihre Vertreter in Parlamenten und Regierungen, und nicht zuletzt auf die Entscheidungsträger in der Wirtschaft.

Die Zeit ist reif. Der Footprint zeigt mit großer Klarheit, dass wir die biologische Grundlage unseres Lebensunterhalts deutlich schneller verbrauchen, als sie erneuert werden kann. Kurz, wir leben über unsere Verhältnisse.

Als biologische Wesen sind wir eben auf diese biologische Grundlage angewiesen. Es gibt keinen Ersatz. Das merken die Astronauten in der internationalen Raumstation, der ISS, die die Erde mit 27 000 Stundenkilometern auf 370 km Höhe umkreist, noch viel direkter. Haben sie genug Sauerstoff, Wasser und Essen?

Die Folgen der Übernutzung unserer Ressourcengrundlage sehen wir in sozialen Konflikten (wie dem „Arabischen Frühling“ und seinen Spätfolgen) und der andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise. Und doch verblasst die Gefahr einer wirtschaftlichen Rezession gegenüber den ökologischen Herausforderungen. Wer sie als nachgeordnetes Problem behandelt, dem man sich widmen kann, wenn die Wirtschaftsmaschine wieder läuft, manövriert sich selber ins Aus.

Zwischen Ökonomie und Ökologie gibt es durchaus Parallelen. Misswirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass man mehr ausgibt, als man einnimmt; dass man darauf baut, dass der Wert von Immobilien dauerhaft steigt, obwohl sich an den Objekten nichts ändert; wenn man wachsende Schuldenberge aufhäuft, in der vagen Hoffnung, dass sie in der Zukunft schon irgendwie getilgt werden; wenn man Geld in Umlauf bringt, wofür es keinen physischen Gegenwert gibt – und dann noch davon ausgeht, dass alles unendlich so weitergehen kann. Die meisten wissen, dass das nicht funktioniert. Warum sollte es mit den Ressourcen dann anders sein? Warum kurbeln wir die Wirtschaft wieder an, um mit noch höherem Ressourcenverbrauch immer mehr zu produzieren? Warum soll beschleunigter Konsum das Problem lösen, wenn Überkonsum es erst geschaffen hat? Warum vergessen wir so oft, dass Einkommen von Ressourcenverfügbarkeit abhängt?

Nach Footprint-Berechnungen hat die Menschheit das „biolo­gische Budget der Natur“, also die Biokapazität des Planeten, im Jahr 2011 bereits um 54 Prozent überzogen. Also die Menschheit braucht die Natur 54 Prozent schneller, als sie sich erneuert. Unsere Schätzung für 2015 kommt gar auf 62 Prozent, also nochmals 8 Prozent mehr, trotz der Finanzkrise. Dieses Phänomen nennen wir Overshoot. Nach den meisten Prognosen wird die Zahl der Menschen von rund sieben Milliarden bis zum Jahr 2050 auf neun bis zehn Milliarden anwachsen. Und die Bewohner der BRIC-­Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) werden – Krise hin oder her – weiterhin hart dafür arbeiten, ihren Lebensstandard zu erhöhen. Ressourcenknappheit wird zur zentralen Herausforderung des 21. Jahrhunderts.

Manche fragen sich, ob wir in einer Wasser-, Klima-, Fischerei- oder Nahrungskrise stecken. Die Antwort, dass alle diese Krisen in einer Ursache, unserem Ressourcenhunger, wurzeln, liegt auf der Hand. Wir brauchen nur den menschlichen Stoffwechsel mit der Natur (Metabolismus) genauer zu betrachten.

Im 21. Jahrhundert steht das Wort Ökologie für ökonomisches und physisches Überleben, und zwar im eigenen Interesse. Ob Klima, Fischbestände oder biologische Produktivität – viele Ökosysteme des Planeten sind übernutzt und geschwächt. Sollten wir in eine ernsthafte Ressourcenkrise geraten – ob Öl, Wasser oder Nahrungsmittel –, werden wir die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise mit neuen Augen sehen. Manche werden sich danach zurücksehnen.

Die Krise verschafft dem Globus eine kleine Verschnaufpause. Ressourcen- und Abfallströme wachsen nicht ganz so schnell, teilweise sind sie sogar rückläufig. Aber das ist nicht das Ziel. Die Frage ist: Wie können wir den Metabolismus der Menschheit zurückfahren, ohne die Wirtschaft abzuwürgen und ohne die Benachteiligten noch weiter an den Rand zu drängen? Wie können wir uns schnell genug aus dem Overshoot hinausmanövrieren und gleichzeitig die Lebensqualität aller sichern?

Dies ist ein guter Zeitpunkt, innezuhalten. Was wollen wir wirklich? Vielleicht wollen wir ja alles einfach behalten. In Europa kann man den Eindruck gewinnen, das wäre möglich. In vielen architektonischen Details sehen Paris und London aus wie vor 100 Jahren. Der rasche Wandel fällt dort kaum ins Auge – eine Illusion. Dennoch leben wir in einer äußerst dynamischen Zeit: 79 bzw. 82 Prozent aller fossilen Energieträger, die die Menschheit je verbraucht hat, wurden in der Lebenszeit der Autoren verbrannt. Wie viel Prozent der gesamten je genutzten fossilen Energie wurde seit Ihrer Geburt verbrannt? Die Tabelle im Anhang auf Seite 206 zeigt: Wurden Sie 1975 geboren so waren es 67 Prozent bis 2015.

Die Anzahl der Menschen auf dem Globus hat sich mehr als verdoppelt, der Druck auf die Natur verdreifacht. Die Geschichte läuft mit hohem Tempo. Daher wird diese Frage immer wichtiger: Wie können wir es schaffen, innerhalb der Möglichkeiten der Natur zu leben – und zwar gut? Der Footprint liefert uns dafür die erforderlichen Daten.

Zum Beispiel über den Naturverbrauch von Städten, und das für alle grundlegenden menschlichen Bedürfnisse: Nahrungsmittel, Wohnen, Energie, Mobilität und Abfallentsorgung. Wenn der Footprint eines Bewohners von Siena nur ein Drittel von dem eines Bürgers von Houston, Atlanta oder Los Angeles ausmacht, dann ist Siena einfach im Vorteil. Wer sich besser auf das Leben in einer Welt mit knappen Ressourcen vorbereitet, wird zu den Gewinnern gehören. Wer zu lange zögert, zu den Verlierern. Eine vorsorgende Ressourcenpolitik ist im ureigenen Interesse aller Städte, Regionen und Staaten. Und zwar jetzt. Los Angeles kann sich nicht über Nacht in ein Siena verwandeln.

Wenn heute die Mehrzahl der Menschen in Städten wohnt, dann entscheidet sich das Schicksal unserer Zivilisation genau dort. Der Footprint hilft dabei, Infrastruktur und Stadtplanung zukunftssicher zu machen. Beispiel Verkehr: So vielschichtig die Diskussion über Busse, Bahnen und Autos, über Anbindung und Steuerung der Systeme auch sein mag, der Footprint reduziert die Informationen jeweils auf eine einzige Zahl: die notwendige ­Fläche. Damit lässt sich arbeiten. Der Footprint ist also nicht nur ein Indikator, sondern ein Buchhaltungsinstrument und zugleich ein Managementwerkzeug.

Die Fragen, die sich Städte und Kommunen stellen müssen, lauten: Woher beziehen wir unsere Energie? Unsere Nahrung? Wie viel brauchen wir im Vergleich zu unseren Konkurrenten? Wie viel benötigen wir im Verhältnis zu dem, was es pro Kopf auf der Welt gibt? Immer wieder geht es auch um Effizienz: Nutzen wir bereits alle unsere Möglichkeiten, um mit weniger Ressourcen besser zu leben? Oder um Suffizienz: Haben wir nicht bereits genug?

Für Regionen und Länder ist die Angebotsseite, das Flächen- und Ressourcenmanagement, jedoch mindestens so wichtig. Über welche Ressourcen verfügen wir selber? Verbrauchen wir mehr Biokapazität, als in unserm Land zur Verfügung steht, sind wir ein ökologischer Schuldner. Verfügen wir dagegen über mehr Reserven, als wir verbrauchen, sind wir ein ökologischer Gläubiger. Je mehr Länder und Regionen über ihre Ressourcenbasis wissen, desto besser sind sie gerüstet für eine Zeit schneller Veränderungen. Der Wettbewerb um die verbleibenden Ressourcen wird eine zentrale Herausforderung für die Zukunft werden.

Die Botschaft des Footprint lautet: Das Angebot der Natur kann man messen, den menschlichen Naturverbrauch auch. Nur so kann es gelingen, unsere ökologischen Grundlagen abzusichern und vernünftig zu managen. Nicht zuletzt, um den ökologischen Bankrott im 21. Jahrhundert zu verhindern.

Der Footprint verfügt dabei nicht über fertige Lösungen und Rezepte. Im Gegenteil. Seine Mission heißt Information und Kommunikation: sagen, was ist. Ihrem Wesen nach ist die Methode beschreibend wie ein Kontoauszug. Auf dieser Grundlage werden die Beteiligten zu jeweils eigenen Antworten und Strategien gelangen. Das ist der praktische Teil des Prozesses. Der Footprint als Indikator bleibt dabei deskriptiv, er kann den Fortgang der Ereignisse mit einem Monitoring begleiten. So wird deutlich, ob der eingeschlagene Weg erfolgreich ist oder nicht. Der Footprint hat auch keine vorgefertigte Moral. Er sagt nicht, was jemand zu tun oder zu lassen hat. Mit Hilfe der Methode kann man zwar berechnen, wie viel Biokapazität für jeden Menschen durchschnittlich zur Verfügung steht. Der Footprint plädiert aber nicht für Gleichmacherei. Er zeigt lediglich auf, dass es sehr wohl denkbar ist, allen Menschen auf diesem Planeten ein gutes und erfülltes Leben zu ermöglichen, und zwar innerhalb der Kapazitäten des Globusses. Im Englischen gibt es für diese Idee eine griffige Formulierung: One Planet Living.

Letztlich kommen wir nicht an der Tatsache vorbei, dass wir selber, die Menschen mit ihrer Wirtschaft, mit allen ihren Aktivitäten, Teil der Natur sind. Philosophische und religiöse Schriften versuchen uns seit Jahrtausenden etwas anderes zu vermitteln: Dass der Mensch nämlich außerhalb der Natur stehe und sie ihm zu dienen habe, dass er sie in Kultur nehmen und zivilisieren solle. In diesem Sinne haben viele Völker sie immer weiter für sich in Anspruch genommen und die unberührte Natur zurückgedrängt. Dieser Weg ist am Ende angelangt.

Durch die enormen Vorräte an fossiler Energie, die die Menschheit seit der industriellen Revolution entdeckt und nutzbar gemacht hat, war es ihr möglich, mit gespeichertem „Sonnenlicht“ zu leben und ihren Stoffwechsel mit der Natur zu vervielfachen. Eine Folge ist der heutige Klimawandel. Und eine wachsende Abhängigkeit von großen Mengen billiger Energie. Nicht nur werden die entsprechenden CO2-Emissionen zunehmend problematisch, sondern es wird trotz neuer Technologien wie „Fracking“ auch immer aufwendiger, neue Fossilenergien zu finden und auszubeuten. Auf Dauer bleibt nur ein kooperativer Umgang mit der Natur.

Der Footprint ist ein Buchhaltungssystem für unsere ökologischen Möglichkeiten, nicht mehr und nicht weniger. Als solches kann er aber einen Beitrag zu einer nachhaltigen globalen Ökonomie leisten, indem er die Grenzen der Natur benennt. Er offeriert eine wissenschaftlich getestete Bezugsgröße, die dabei hilft, einen Konsens der Beteiligten zu finden. Auf dieser Grundlage können Rahmenbedingungen formuliert werden, Leitplanken, innerhalb derer der ökonomische Wettbewerb stattfindet. Durch Rahmenbedingungen werden die Ziele der Wirtschaft realisiert. Bei falschen Rahmenbedingungen optimiert der Markt genauso effizient das Falsche wie unter richtigen Bedingungen das Richtige. Anders formuliert: Nachhaltigkeit wird nur dann Realität, wenn sie sich für die Investoren rechnet. Noch tut sie das offensichtlich nicht. In gewissen Nischen schon, aber im großen Ganzen noch nicht.

Der Footprint malt nicht schwarz, er beleuchtet vielmehr die ökologische Realität. Damit zeigt er Möglichkeiten auf und benennt die Gefahren, nicht in jedem Detail, wohl aber in der Gesamtheit aller Trends. Die derzeitige Überlastung der Biosphäre ist eine schwere Hypothek. Statt Pessimismus zu verbreiten, nimmt der Footprint eine pragmatische und lösungsorientierte Haltung ein und liefert die benötigten Daten.

Bei alldem ist die Vitalität der Menschen ungebrochen. Sie wollen leben. Es kommt darauf an, wie sie diese Phase ihrer Geschichte meistern. Die Herausforderungen sind beträchtlich. Dafür brauchen sie alle Klugheit und Kreativität dieser Welt. Der Footprint ist in diesem Zusammenhang ein entscheidendes intellektuelles Werkzeug.

Jeder weiß heutzutage, dass wir auf einem begrenzten Planeten leben. Es fällt uns aber schwer, diese Grenzen anzuerkennen. Warum nur? In anderen Bereichen akzeptieren wir sie doch auch. Nur beim Energieverbrauch, beim Reisen, beim Konsum allgemein tun wir so, als hätten wir noch ein paar Planeten im Kofferraum, als gäbe es sie nicht, die „Grenzen des Wachstums“.

Wie beim Geld, sind auch in der Natur die Grenzen dehnbar. Wir können das Konto überziehen – aber nur für eine gewisse Zeit. So können wir die Grenzen der Regenerationsfähigkeit der Biosphäre eine zeitlang ignorieren. Damit sind sie aber nicht einfach verschwunden. Denn während der Übernutzung, steigen die ökologischen Schulden. Und irgendwann melden sie sich zurück. In nicht wenigen Teilen der Welt ist dies schon längst geschehen. Denken wir an den Zusammenbruch ganzer Fischgründe, an Regionen wie Haiti, wo die Zerstörung der lokalen Ökosysteme zu Hunger, Mord und Totschlag führt. Oder an die massive Wasserknappheit in Australien, Jemen oder Kalifornien.

Heute berechnet Global Footprint Network jährlich den Footprint für mehr als 220 Länder. Dazu sind pro Nation mehr als 6000 Daten erforderlich. Die Methode ist nicht alarmistisch, sondern bewusst konservativ gehalten: Die Nachfrage von Seiten der Menschen wird bei mangelnder Datenlage eher unter-, die Biokapazität dagegen überschätzt*. (siehe Anmerkungen S. 239)

Der Footprint ist ein hoch aggregierter Indikator unseres Naturverbrauchs. Diese Buchhaltung fasst viele Aspekte zusammen. Sie umfasst alle Aspekte, die im Wettbewerb um produktive Fläche stehen. Nur so entfaltet die Messmethode ihre kommunikative Stärke, weil sie den gesamten Naturverbrauch auf einen einzigen Nenner bringt und den Verbrauch mit dem Angebot vergleichen kann. Die Nutzung von fossiler Energie, Kohle, Gas und Öl wird in die Methode ebenfalls hineingerechnet: durch die biologisch produktive Fläche, vor allem Wald, die vonnöten ist, um die Menge an Kohlendioxid, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht, der Atmosphäre zu entnehmen. Denn die Absorption von Treibhausgasen ist eine weitere Dienstleistung der Natur die Fläche braucht. Ohne diese Dienstleistung steigt die Kohlenstoffkonzentration in der Atmosphäre, und die ökologische Schuld baut sich weiter auf.

Andere Treibhausgase werden im Footprint noch nicht berücksichtigt. Das soll in Zukunft geschehen. Der Footprint ist nicht perfekt, vielmehr wird er ständig weiterentwickelt.

Die Footprint-Methode wurde in den frühen 1990er Jahren von Mathis Wackernagel und William Rees konzipiert. Mittlerweile ist sie deutlich reifer und wird in Hunderten von Städten und Dutzenden von Ländern und Institutionen genutzt, zum Beispiel von der Europäischen Union und der Biodiversitäts-­Konvention der UN. Die Aufgabe des Global Footprint Network mit Sitz in Oakland (Kalifornien), Brüssel (Belgien), Genf (Schweiz) und Manila (Philippinen) besteht darin, über die Standards der Methode zu wachen und sie in einem offenen Prozess mit um die 60 Partnerorganisationen weiter zu entwickeln und zu optimieren.

Dabei ist der Footprint nicht die einzige ökologische Messgröße. Er stellt keinen Absolutheitsanspruch. Er konzentriert sich vielmehr auf eine spezifische Frage: Wie viel der produktiven Kapazitäten des Planeten wird gebraucht, um menschliches Leben zu unterstützen? Für andere relevante Fragen braucht es weitere Methoden. Wie die einzelnen Anzeigen auf dem Armaturenbrett eines Cockpits: Sie ergänzen sich. Letztlich aber benötigt man eine einfache, eindeutige und robuste Messmethode, eine „Währung“, die die ganze Komplexität des Naturkapitals bündelt, sie vergleichbar macht und auf die sich möglichst viele beziehen. Als Methode empfiehlt sich der Footprint.

Im Jahr 2005 hatte sich Global Footprint Network zum Ziel gesetzt, den Footprint bis 2015 in mindestens zehn Ländern zu verankern und als offizielle Messgröße zu etablieren. Schon 2012 sind die Philippinen und Indonesien als zehntes und elftes Land in die Gruppe der Länder hinzugestoßen, die den Footprint offiziell genutzt haben.

Nun geht der Weg weiter. Neben dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll er in den öffentlichen Statistiken ein entscheidender Indikator werden, um ein klares Bild der eigenen Ressourcensituation und des -verbrauchs zu zeichnen. Die Schweiz ist da schon weit vorne. Mehr als zwölf nationale Regierungen haben den Footprint bereits getestet.1 Sie kommen mehrheitlich zu dem Schluss, dass die Buchhaltung des Footprints die Realität wirklichkeitsnah abbildet. Ein weiterer Durchbruch wäre erreicht, wenn die Vereinten Nationen sich den Footprint in breitem Umfang aneigneten und dazu beitragen würden, ihn zu verbessern und auszubauen, zu standardisieren und anzuwenden. Wenn die Weltgemeinschaft erkennen würde, dass wir ein vergleichbares Instrument für das natürliche Kapital benötigen, wie es das Bruttoinlandsprodukt für das ökonomische Kapital darstellt.

Auch sollten wir es in Einheiten messen, die das zu Messende adäquat beschreiben. Das Bruttoinlandsprodukt in Geld auszudrücken macht durchaus Sinn, denn es geht um Geld. Für das natürliche Kapital aber brauchen wir Messgrößen in physischen Einheiten. Schließlich beschreiben wir die Arbeitslosigkeit oder die Größe einer Bevölkerung auch nicht monetär, die Lebenserwartung wird in Jahren angeben, nicht in Euro.

Solide Information ist entscheidend. Wissen wir alles, was fürs Regieren oder fürs Managen notwendig ist? Und wissen wir auch die richtigen Dinge? Aus vielen Einzelinformation ergibt sich nämlich noch keine konsistente Strategie. Ein wesentlicher Baustein ist, dass wir letztlich alle auf einem Planeten leben. Was bedeutet das für jedes Land und jede Stadt? Wie hängt das alles zusammen?

Das erste Kapitel dieses Buchs beantwortet folgende Fragen: Was ist der Ecological Footprint? Wie viel Biokapazität braucht ein Mensch? Wie viel eine Stadt? Wie viel ein gutes Leben? Wie viel Biokapazität ist vorhanden? Was bedeuten ökologische Grenzen? Das zweite Kapitel führt diese Fragen weiter: Was sind die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts? Wer werden die Gewinner, wer die Verlierer sein?

Und: Welche Szenarien eröffnet der Footprint für die Zukunft? Das dritte Kapitel zeigt anhand konkreter Fallstudien, wie die Methode eingesetzt werden kann, um unsere Nutzung von Naturkapital zu managen. Ein Gespräch der beiden Autoren, Mathis Wackernagel, einem der beiden Erfinder des Konzepts, und dem Journalisten Bert Beyers, rundet die Thematik ab.

Wir leben in einer spannenden Zeit. Unsere Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, sind beträchtlich. Vorausgesetzt, wir verfügen über die richtigen Informationen und den Mut, neue Ideen umzusetzen. Hier ist die gute Nachricht: Der Footprint macht uns das Leben nicht schwerer. Er erlaubt uns, Städte und Länder auch im 21. Jahrhundert lebenswert zu erhalten. Die Biokapazität seines Landes zu kennen und den Footprint zu managen, wird so wesentlich werden, wie es die finanzielle Buchhaltung heute bereits ist. Auch sie arbeitet nicht gegen uns. Im Gegenteil, sie verhilft uns zum Erfolg.