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Martina Hoblitz

Nur Seelentröster?


Die Autorin zum Buch: Einfach nur eine Geschichte über die Liebeleien und Intrigen unter Studenten aus reichem Haus.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

NUR SEELENTRÖSTER?

 

 

 

von Martina Hoblitz

 

 

 

Kapitel 1

 

 

 

Die Luft war voller Rauch, aber nicht nur von Zigaretten, auch, oder vor allem, von der Nebelmaschine an der Tanzfläche, auf der sich dicht gedrängt junge Leute zur Musik bewegten. Dazu flackerten unzählige Lichtorgeln.

 

Clarissa Liebig hasste diese Atmosphäre und bereute bereits, mit ihren Freundinnen überhaupt hergekommen zu sein. Am liebsten wäre sie schon am Eingang umgekehrt, aber da hatte die großzügige Brigitte Weigel, ihre vorgeblich beste Freundin, schon den Eintritt bezahlt. Sie war es auch, die Clarissa erbarmungslos voran schob in Richtung Theke.

 

Dort bestellte sie eine Runde teure Longdrinks und drückte Clarissa das Glas entschlossen in die Hand.

 

„Ist da Alkohol drin?“ schrie das Mädchen ihr gegen den Lärm in die Ohren. –

 

„Was glaubst denn du?“ rief Brigitte zurück. „Hier ist doch keine Kinderfete!“

 

Erneut bedauerte es Clarissa zutiefst hier zu sein. Sie mochte den Drink nicht und sah sich verzweifelt um, wie sie ihn schnellstens wieder loswerden konnte. Irgendwie bemerkte Sebastian Brunner, der Barkeeper, ihre Hilflosigkeit. Er beugte sich über die Theke zu ihr herüber und rief: „Was nicht in Ordnung?“

 

Clarissa streckte ihm ihr Glas entgegen und erklärte: „Ich mag das nicht!“ - „Ist aber schon bezahlt!“ wehrte er ab.

 

Energisch stellte sie das Glas auf den Tresen und schüttelte den Kopf.

 

„Darf’s was Andres sein?“ erkundigte er sich darauf.

 

„Ja.“ nickte Clarissa. „Was ohne Alkohol. Vielleicht ´n Orangensaft, damit’s nicht so auffällt?“ -„Aha, Autofahrerin?!“ nahm Sebastian an, und sie ließ ihn in dem Glauben.

 

Er räumte den Drink weg und gab ihr stattdessen ein großes Glas Orangensaft.

 

„Danke!“ lächelte das Mädchen und wandte ihm den Rücken zu, um das Treiben auf der Tanzfläche zu beobachten.

Seltsamerweise konnte Sebastian nicht die Augen von ihr lassen. Er fand sie ganz niedlich und so erfrischend anders, und er erkannte sofort, dass sie nicht in diese Umgebung passte. Gegen das peppige moderne Aussehen ihrer Freundinnen wirkte sie eher bieder. Statt wie die anderen Mädchen in Jeans und T-Shirt war sie gekleidet in einen knielangen, dunkelblauen Faltenrock, weiße Bluse und hellblaue Strickweste. ‚Typisch graue Maus!’ dachte Sebastian und schmunzelte vor sich hin.

 

In diesem Moment stieß Brigitte Clarissa in die Rippen und sagte aufmunternd: „Steh da nicht rum wie Pik 7! Such dir wen zum Tanzen und Flirten!“ - „Danke! Kein Bedarf!“ lehnte Clarissa Stirn runzelnd ab.

 

„Wohl eher keine Ahnung!“ meinte die Freundin lachend. „Pass mal auf, wie man das macht!“

 

Sie blickte sich suchend um und fand schließlich ein geeignetes Objekt schräg gegenüber an der Theke. Der junge Mann mit langen Haaren und Brille stierte trübsinnig vor sich hin und hielt sich an seinem Bierglas fest. Brigitte fixierte ihn so lange mit Blicken, bis er aufschaute und in ihre Richtung sah. Sie probierte ein verheißungsvolles Lächeln. Sofort sprang der Typ auf und kam auf sie zu.

 

„Tanzen?“ fragte er knapp. –

 

Worauf sie antwortete: „Klar!“ und ihm zur Tanzfläche folgte.

 

Clarissa beobachtete Kopf schüttelnd, wie die 2 ohne Körperkontakt zur hämmernden Musik zuckten und zappelten.

 

„Und so was nennen die tanzen.“ murmelte sie verständnislos vor sich hin.

 

Plötzlich wurde sie am Arm gepackt, und eine lallende Stimme sagte auffordernd: „Komm, Süße, ab aufs Parkett!“

 

Clarissa blickte auf einen dunkelhaarigen stark angeheiterten Mann, den eine immense Bierfahne umwehte. - Sie rümpfte angeekelt die Nase und empörte sich: „Was fällt Ihnen ein? Lassen Sie mich los!“

 

Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt sie unerschütterlich fest. -Ungerührt meinte er: „Los, zier dich nicht so!“ und zog sie in Richtung Tanzfläche.

 

Sebastian bemerkte Clarissas Dilemma. Sofort erwachte in ihm der Beschützerinstinkt. Er beugte sich über die Theke und fuhr den angetrunkenen Kerl an: „Hör zu, sie will nicht! Klar? Also zieh Leine! Sonst gibt’s mächtig Ärger.“ - „Etwa mit dir?“ wollte der Typ wissen, ließ Clarissa aber tatsächlich los.

 

„Kannste haben!“ erwiderte Sebastian trocken und krempelte drohend die Ärmel hoch. „Frische Luft wird dir gut tun!“ fügte er noch hinzu und machte Anstalten, einfach über den Tresen zu springen.

 

Doch beim Anblick von Sebastians nicht geringen Muskelpaketen zog sich der Mann kleinlaut zurück und verschwand in der Menge. Lachend schob Sebastian seine Hemdsärmel wieder herunter, während Clarissa erleichtert aufatmete.

 

„Danke!“ hauchte sie verschüchtert, was Sebastian bei dem Lärm nur von ihren Lippen ablas. –

 

Er winkte ab und sagte bescheiden: „Keine Ursache!“

 

Seufzend stellte Clarissa ihr leeres Glas auf der Theke ab und verkündete: „Ich gehe!“

 

Sie lächelte zaghaft und nickte ihm zum Abschied grüßend zu. Dann schlängelte sie sich durch bis zum Ausgang. Plötzlich stand Sebastian neben ihr. Er hatte sich kurzerhand die Kellnerschürze abgebunden, sie seinem Kollegen zugeworfen und gesagt: „Feierabend! Hab noch was zu erledigen.“ und war Clarissa gefolgt.

 

Das Mädchen blickte verwundert zu ihm auf und fragte misstrauisch: „Was wollen Sie denn noch?“

 

Leicht verlegen bot Sebastian an: „Darf ich dich nach Haus begleiten? Nur für den Fall, dass dich wieder so’n Kerl belästigt.“

 

Schmunzelnd entgegnete Clarissa: „Und wer garantiert mir, dass Sie mich nicht belästigen? Danke für das Angebot, aber ich nehm ein Taxi!“

 

Beharrlich erwiderte er: „Dann bring ich dich wenigstens zum nächsten Taxistand! Man kann nie wissen. Und vor mir brauchst du wirklich keine Angst haben!“

 

Nur zögernd erklärte sich Clarissa mit seiner Begleitung einverstanden und wunderte sich im Stillen darüber, dass er sie die ganze Zeit einfach duzte. Wahrscheinlich war das in diesen Kreisen so üblich?

 

Als sie gemeinsam die Diskothek verließen, schlug eine ferne Kirchturmuhr 11 Uhr.

 

„Noch so früh am Abend!“ bemerkte Sebastian. „Willst du tatsächlich schon nach Haus?“ - „Wer sagt denn das?“ meinte Clarissa erstaunt. „Ich will lediglich das Lokal wechseln. Die ganze Atmosphäre da drin behagt mir überhaupt nicht.“

 

Ungeniert musterte er sie von Kopf bis Fuß und nickte. „Ja, mir ist gleich aufgefallen, dass du nicht dahin passt. Wer bist du eigentlich? Und wo kommst du her?“ - „Was interessiert Sie das?“ erwiderte das Mädchen unwillig.

 

Da entdeckte sie zu ihrer Erleichterung den Taxistand an der Straßenecke. Förmlich reichte sie Sebastian die Hand und sagte: „Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe! Leben Sie wohl!“

 

Dann eilte sie davon. - Er rief ihr noch nach: „Nicht Lebwohl, sondern Auf Wiedersehen!“ wusste jedoch nicht, ob sie ihn überhaupt gehört hatte, denn sie stieg bereits in einen der wartenden Wagen, der kurz darauf mit ihr abfuhr.

 

Achselzuckend blickte er dem Auto nach und begab sich zurück in die Diskothek.

 

 

Clarissa trug eine gewisse Verantwortung. Ihrer Herkunft nach stammte sie aus höheren Kreisen, aber dieses Schick-Micki-Leben gefiel ihr überhaupt nicht. Außerdem, was nützte ihr aller Reichtum, wenn sie weder Eltern noch Geschwister hatte und fast ganz allein in der Welt stand?

 

Die einzige noch lebende Verwandte war die ältere Schwester ihres verstorbenen Vaters, eine nörgelige Jungfer, die obendrein nach einem Schlaganfall im Rollstuhl saß und so zum Pflegefall wurde. Und Clarissa kümmerte sich aufopfernd um sie, holte sie aus dem Heim in ihre geerbte Villa, damit sie nicht mehr so einsam war.

 

Gut, sie war nicht ganz allein, denn in dem großen ungemütlichen Haus gab es noch einen Butler und eine Haushälterin, beides ältere Semester, die Clarissa quasi mit geerbt hatte. Obwohl sie sich nicht gern bedienen ließ, brachte sie es nicht übers Herz die beiden zu entlassen und damit auf die Straße zu setzen. Wer sollte sie in ihrem Alter noch einstellen? Zumal Clarissa zu ihnen so viel Vertrauen hatte wie zu lieben Großeltern.

 

Butler George absolvierte als junger Mann seine Ausbildung in England. Dem entsprechend war sein Auftreten und Verhalten, und manchmal musste Clarissa schon über seine etwas steife Art lachen.

 

Die Haushälterin Rosie, eine fröhliche, rundliche, aber resolute Person, regte sich jedes Mal fürchterlich auf, wenn Clarissa in ihr Reich, die Küche, eindrang, sich eine Schürze umband und ihr zur Hand gehen wollte. Sie konnte einfach nicht verstehen, dass dem Mädchen die Hausarbeit Spaß machte.

 

Sonst hatte Clarissa ja auch nichts zu tun! Das vom Vater, einem erfolgreichen Börsenmakler, und von der Mutter, einer gebürtigen Comtesse, hinterlassene beträchtliche Vermögen gab der Tochter die Möglichkeit, gut leben zu können, ohne arbeiten zu müssen. Doch dieses Nichtstun langweilte sie! Also begann Clarissa nach ihrem Schulabschluss, mit einem fabelhaften Abitur in der Tasche ein Studium in Germanistik und Anglistik, ohne recht zu wissen, was sie eigentlich damit anfangen sollte.

 

Auf der Universität lernte sie dann die Freundinnen Brigitte, Vera und Irene kennen, ebenfalls Töchter aus reichem Haus, aber dem genussreichen Leben der High Society nicht abgeneigt, im Gegensatz zu Clarissa. Und bisher war es den Dreien nicht gelungen, das Mädchen zu ihrer Lebensart zu bekehren, obwohl sie sich alle Mühe gaben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

 

 

Am darauf folgenden Morgen, als Clarissa in der Universität die 3 Freundinnen traf, musste sie sich heftige Vorwürfe anhören. - „Wie kann man nur so öde sein?!“ schimpfte Brigitte. „Da war doch Superstimmung!“ - „Genau!“ stimmte Vera ihr zu. „Warum bist du bloß so schnell abgehauen?“

 

Sie bedachte Clarissa mit einem vernichtenden Blick, und Irene fügte hinzu: „Das Beste hast du außerdem verpasst!“ - „So? Was denn?“ fragte Clarissa ziemlich desinteressiert.

 

Brigitte zwinkerte den beiden anderen schelmisch zu und sagte: „Na, die Wahl der <Miss Mauerblümchen>! Du hättest bestimmt gewonnen!“

 

Dann wollten die 3 sich ausschütten vor Lachen, aber Clarissa blieb recht gelassen. „Vereimert jemand anders! Bei mir seid ihr an der falschen Adresse.“

 

Sie runzelte die Stirn und wandte sich ab. -Sofort versuchte Brigitte einzulenken. Sie hielt sie am Arm fest und versicherte: „He, war nicht so gemeint! Sei nicht gleich eingeschnappt!“

 

Clarissa grinste gezwungen. „Bin ich ja gar nicht. Ich hab’s nur eilig. Muss zur nächsten Vorlesung.“

 

Brigitte ließ sie los und meinte amüsiert: „Du nimmst dies blöde Studium ja schrecklich ernst. Wozu eigentlich?“ - „Lass mich doch! Ich lern eben gern.“ - „Mir völlig unverständlich!“ gab Brigitte ehrlich zu. „Naja, unsereins mogelt sich eben so durch.“

 

Darauf bot Clarissa hilfsbereit an: „Wenn du mal Probleme hast, wende dich getrost an mich!“ - „Ich werd zu gegebener zeit darauf zurück kommen!“ lachte Brigitte sorglos und ließ Clarissa ziehen, die es nun wirklich eilig hatte.

 

 

Obwohl die Freundinnen mit Engelszungen auf Clarissa einredeten, ließ sich das Mädchen nicht mehr dazu bewegen, am Wochenende wieder mit ihnen in die Diskothek zu gehen. -Dass es ihrer Tante gerade da nicht besonders gut ging, nahm sie als willkommene Ausrede. Der Zustand der alten Dame war allerdings nicht Besorgnis erregend. Sie fühlte sich nur ein wenig schlapp und schlief auch gleich ein, nachdem Clarissa ihr eine Weile aus ihrem Lieblingsbuch vor gelesen hatte. So zog sich das Mädchen in sein eigenes Zimmer zurück, hörte klassische Musik und lernte dabei fürs Studium.

 

Zur selben Zeit amüsierten sich Brigitte, Vera und Irene in der Diskothek. Das Lokal war wie fast immer am Wochenende recht voll. Auch Sebastian hatte wieder Dienst hinter der Theke. Er erkannte die Freundinnen sogleich, sah sich aber vergebens nach Clarissa um.

 

Kurz entschlossen sprach er Brigitte an: „Wo habt ihr denn die Vierte im Bunde gelassen? Ich mein das verschreckte Mäuschen.“

 

Brigitte lachte herzlich über diese Bezeichnung und erwiderte knapp: „Die hatte keine Lust.“ Dann fügte sie Stirn runzelnd hinzu: „Sie ist überhaupt ziemlich langweilig. Sag bloß, du interessierst dich für die?“ - „Blödsinn! Für so Eine doch nicht!“ versicherte er etwas zu schnell.

 

„Hätt mich auch gewundert!“ grinste Brigitte. „Ein Typ wie du sollte ´nen besseren Geschmack haben.“

 

Dabei schaute sie ihm tief in die Augen. Sebastian erwiderte den Blick und ihm wurde ganz komisch zumute. Er lächelte. „Stimmt schon. So was wie du tät mich schon eher reizen!“ gab er schließlich unumwunden zu und betrachtete sie ungeniert.

 

Was er sah, gefiel ihm außerordentlich, und er nickte anerkennend. Brigitte lächelte geschmeichelt und meinte: „Tja, bloß schade, dass du arbeiten musst!“ - „Ich hab ja auch mal Feierabend!“ erklärte er und blickte auf die Uhr. „Etwa um ½ 1 ist hier Schluss.“ - „Prima!“ zeigte sich Brigitte begeistert. „Und wohin gehen wir dann? Zu dir oder zu mir?“

 

Total verblüfft rief Sebastian aus: „He, du bist aber direkt!“ - „Bin ich immer!“ lachte sie. „Wozu Zeit verschwenden? Komm am besten mit zu mir! Meine Eltern sind verreist und mein kleiner Bruder auf einem Schulausflug. Ich hab also sturmfreie Bude.“

 

Sebastian musterte sie eindringlich und fragte sich, ob sie es wirklich ernst meinte mit ihrem eindeutigen Angebot. Doch Brigitte blickte ihn ganz offen an und wartete geduldig auf seine Antwort. Zögernd meinte er: „Okay, einverstanden!“ - „Fein!“ freute sie sich und verließ die Theke.

 

Sie dachte gar nicht daran, ihm deswegen bis Feierabend Gesellschaft zu leisten. Sie wollte tanzen und flirten, und es ging ihr nur darum, dass sie wieder mal einen Mann für die Nacht gefunden hatte, solange sie allein zuhause war.

 

Das ahnte Sebastian allerdings nicht. Er glaubte, dass sie so spontan reagiert hatte, weil sie ihn mochte. Und er mochte sie auch. Sie faszinierte ihn und war genau der Typ Frau, auf den er schon immer flog; äußerst attraktiv und herrlich unkompliziert! –

 

Nur einen kurzen Augenblick dachte er an Clarissa, dieses ernste, biedere Fräulein, das seine vorsichtigen Annährungsversuche sofort im Keim erstickt hatte. – Doch schnell schüttelte er die Gedanken an sie wieder ab und freute sich stattdessen auf die bevor stehende Nacht mit Brigitte. Im Grunde genommen war er nämlich auch kein Kind von Traurigkeit.

 

Leider waren sie dann doch nicht ganz allein. Auch Vera und Irene hatten sich einen männlichen Zeitvertreib angelacht und schlossen sich ihnen kurzerhand an, weil Brigitte als einzige zurzeit ohne Aufsicht war. Sie hatte in ihrer großzügigen Art nichts dagegen, aber Sebastian fühlte sich peinlich berührt. An einer Gruppenorgie war er wahrhaftig nicht interessiert!

 

Als das Taxi jedoch auf das weitläufige Grundstück fuhr und Sebastians Blick auf den riesigen Bungalow fiel, atmete er erleichtert auf. In diesem Gebäude gab es gewiss jede Menge Möglichkeiten, sich von den Anderen zurück zu ziehen.

 

Die Freundinnen und ihre beiden Begleiter waren dem Taxi im Wagen von Veras Typen gefolgt. Brigitte führte die Gruppe um das Haus herum. Dort befand sich ein Swimmingpool, der einladend vom Mondlicht beschienen wurde.

 

Sogleich rief Brigitte begeistert: „Wie wär’s mit ´ner Erfrischung?!“

 

In Windeseile hatte sie sich ausgezogen und sprang splitternackt ins glitzernde Wasser. Prompt machten es ihr die Freundinnen nach. Sie planschten fröhlich herum und riefen den verdutzt am Beckenrand stehenden Männern zu: „He, was ist los? Seid ihr wasserscheu? Es ist herrlich und gar nicht kalt!“

 

Sebastian und die beiden Anderen blickten sich fragend an, grinsten und folgten schließlich den Mädchen. Sebastian schwamm auf Brigitte zu und sagte mit ehrlicher Bewunderung: „Du bist vielleicht ´ne Marke!“

 

Sie umarmte ihn lachend und presste sich aufreizend an ihn. Dann küssten sie sich leidenschaftlich und tauchten gemeinsam unter.

Wenig später, Brigitte hatte Handtücher und Bademäntel aus dem Haus geholt und auf der Terrasse bereit gelegt, fanden sich langsam die Pärchen zusammen. Während Brigitte neben Sebastian noch einige Runden im Pool schwamm, sah sie, wie Vera und ihr Typ das Wasser verließen und sich in die Hollywoodschaukel zurück zogen. Irene und ihr junger Mann waren schon vor einer ganzen Weile im Haus verschwunden.

 

Entschlossen schwamm Brigitte auf die Treppe zu und forderte Sebastian auf: „Komm, jetzt zeig ich dir mein Zimmer!“

 

Sie warf sich einen der Bademäntel über. Sebastian schlang sich nur ein Handtuch um die Hüfte und betrat hinter ihr das Haus. Als sie den Salon durchquerten, wurden sie im Halbdunkel Zeuge, wie Irene und ihr Typ sich miteinander auf der Couch vergnügten. Brigitte grinste, nahm Sebastian bei der Hand und zog ihn ungeduldig durch eine Art Empfangshalle in ihr Schlafzimmer.

 

Dort warf sie den Bademantel und all ihre Hemmungen ab, riss Sebastian das Handtuch von der Hüfte und kam gleich zur Sache. Zügellos und ohne Skrupel spielte sie sämtliche Varianten mit ihm durch, und er war, obwohl selbst nicht ganz ohne, schier verzückt von ihrer Erfahrung. In diesem Augenblick verlor er sich rettungslos an sie, denn er glaubte, so leidenschaftlich könnte sich nur eine Frau gebärden, die wirklich liebte.

 

Was er nicht ahnte, war die Tatsache, dass bei Brigitte Gefühle keine Rolle spielten. Ihr Verhältnis zu Männern zeigte beinah schon nymphomanische Züge. Hatte sie erstmal mit Einem geschlafen, wurde er schlagartig uninteressant für sie, und sie ging ohne Gewissensbisse zum Nächsten über.

 

Unglücklicherweise wusste Sebastian nichts von seinem bevor stehenden Schicksal, denn während ihres leidenschaftlichen Liebesspiels und in seiner grenzenlosen Ekstase verlor er endgültig sein Herz an sie.

 

 

Kapitel 3

 

 

 

Clarissa schob ihr Tablett an den Vitrinen entlang und belud es mit einem Salatteller, Joghurt, einem Apfel und Mineralwasser. Eigentlich sah es die gute Rosie nicht gern, wenn sie in der Mensa aß, aber manchmal ließ sich das eben nicht vermeiden, falls die Pause zwischen 2 Vorlesungen so war, dass sich die Fahrt nach Hause nicht lohnte.

 

Das Mädchen nahm sein so bestücktes Tablett fest in beide Hände und suchte einen freien Platz an einem der vielen Tische. -Plötzlich wurde sie von einer tiefen Männerstimme angesprochen: „Hallo, wen haben wir denn da? Wir kennen uns doch. Du kannst dich ruhig zu mir setzen, wenn du willst!“

 

Verblüfft schaute Clarissa in Sebastians lächelndes Gesicht. Natürlich erkannte sie ihn auch wieder, obwohl sie sich erst einmal gesehen hatten. Sie wollte sich nur nicht eingestehen, dass er schon da einen tiefen Eindruck auf sie gemacht hatte. Erstaunt fragte sie: „Nanu? Was machen Sie denn hier?“ und setzte sich zögernd ihm gegenüber.

 

„Mittagessen, wie du siehst!“ lachte er und sah auf ihr Tablett. „Meine Güte! Lebst du aber gesund.“

 

Auf seinen Teller waren Fleisch, Gemüse und Kartoffeln gehäuft, daneben stand ein Schüsselchen Cremespeise und dazu trank er Bier, allerdings alkoholfreies. Clarissa registrierte die offensichtlichen Unterschiede in ihrer Ernährung mit einem Lächeln und erklärte: „Ich muss später noch zuhause essen. Für mich wird extra gekocht.“ - „Aha?!“ meinte er nur, und eine Weile aßen sie schweigend.

 

Schließlich versuchte Sebastian, das Gespräch wieder in Gang zu bringen. „Hätt nicht gedacht, dass du Studentin bist. Was sind deine Fächer?“ - „Germanistik und Anglistik!“ gab Clarissa bereitwillig Auskunft. „Und Ihre?“ - „Sport und Mathe. Höheres Lehramt.“ erklärte er knapp und verlangte dann: „Lass doch endlich das blöde <Sie>! Ich heiß Sebastian.“ - „Mein Name ist Clarissa.“ erwiderte sie zaudernd.

 

„Nett.“ meinte er, nur um etwas zu sagen.

 

Da sie keinerlei Anstalten machte, die Unterhaltung fort zu führen, beschäftigte er sich wieder mit dem Essen. Als beide ihren Nachtisch löffelten, er die Cremespeise, sie den Joghurt, fragte Sebastian auf einmal: „Hör mal, du kennst doch Brigitte Weigel? Ist sie nicht ´ne Freundin von dir?“ - „Ja, wir sehn uns ziemlich häufig. Sie studiert auch. Dasselbe wie ich.“ - „Ach nee!“ staunte Sebastian. „Das wusste ich gar nicht. Du kannst ihr mal Grüße von mir ausrichten und sie fragen, warum sie nicht mehr in die Disco kommt!“ - „Ihr kennt euch wohl näher?“ wollte das Mädchen neugierig wissen und erhob sich, um das Tablett zum Geschirrwagen zu bringen.

 

„Ziemlich nah!“ nickte er, grinste vielsagend und stand ebenfalls auf.

 

Clarissa verstand die Doppelbedeutung und wurde rot. Hastig erklärte sie auf dem Weg nach draußen: „Ich frag nur, weil Biggi mir noch nix von dir erzählt hat.“ - „Wir sind ja auch noch nicht lange zusammen!“ sagte Sebastian und hatte es plötzlich recht eilig.

 

Er warf einen Blick auf die Uhr und meinte: „Jetzt muss ich aber los! War nett, dich wieder getroffen zu haben! Vielleicht sieht man sich mal?“

 

Doch er wartete eine Antwort von Clarissa gar nicht ab, sondern lief quer über den Campus davon, und sie schaute ihm verwundert nach.

 

 

Als Clarissa am darauf folgenden Nachmittag bei Brigitte war, um mit ihr für eine Klausur zu lernen, zeigte diese wenig Lust dazu. Sie wollte lieber plaudern. So sprach Clarissa sie auf Sebastian an. -„Ach, eh ich’s vergesse, ich soll dich grüßen, und zwar von diesem großen, muskulösen Barkeeper aus der Disco. Sebastian heißt er.“

 

Verblüfft starrte Brigitte sie an. „Wo hast du den denn getroffen?“ - „Na, stell dir vor, er studiert auch! Ich traf ihn gestern in der Mensa.“ berichtete Clarissa eifrig.

 

„Und da habt ihr über mich gesprochen?“ erkundigte sich Brigitte misstrauisch.

 

„Ach was! Erst als wir gingen, fragte er nach dir und bedauerte, dass du nicht mehr in die Disco kommst.“

 

Brigitte grinste. „Auf Dauer ist der Laden öde! Wir haben am Stadtrand ´nen neuen Schuppen entdeckt. Komm doch mal mit!“ - „Nein danke!“ lehnte Clarissa kategorisch ab. „Um noch mal auf diesen Sebastian zurück zu kommen. Warum hast du mir nicht erzählt, dass ihr zusammen seid?“