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Andy Strauß

Sie grunzen freudig, einige springen sogar hoch

Impressum

1. Auflage September 2013

©opyright 2013 by Autor

Umschlaggestaltung: Melissa Hötger

Lektorat: Miriam Spies

Satz: Fred Uhde (www.buch-satz-illustration.de)

ISBN: 978-3-942920-74-2

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Andy Strauß

Sie grunzen freudig,

einige springen sogar hoch

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Präambel

Laut Gablers Wirtschaftslexikon bezeichnet eine Präambel eine »Einleitung« zu »Gesetzen oder völkerrechtlichen Abmachungen, häufig auch […] Verträgen, in der die Absicht des Gesetzgebers, der Ausgangspunkt der Vertragschließenden etc. dargelegt werden.« Ferner heißt es dort, die Präambel habe »keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit«, diene »aber der Auslegung einer Verfassung, eines Gesetzes oder Vertrages.«*

Nun, Sie halten jetzt aber weder einen Vertrag noch einen Gesetzestext in der Hand. Wie kann es dann sein, dass der Strauß sein nunmehr sechstes Buch mit einer Präambel beginnt, welche zunächst noch erklärt, was eine Präambel ist?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst mal hatte ich in meinen bisherigen Veröffentlichungen schon Vorwort (am Ende des Buches), Vorspiel, Gruß und Eröffnungsaufforderung, eines beginnt sogar mit der etwas kryptischen Widmung »For my Bro, biatch«, obwohl ich keinen Bruder habe und mein Hundekumpane ein Rüde ist. Und wie wir spätestens seit Harold and Maude wissen, ist jeder Tag ein Tag für etwas Neues. Dieses Mal also eine Absicht erklärende Einleitung. Darüber hinaus müssen Sie zugeben, dass Präambel ein wirklich schönes Wort ist. Sagen Sie es einfach mal laut! Wenn Sie keinen fränkischen Akzent haben oder auf andere, dubiose Art und Weise das R rollen, wodurch die erste Silbe erschreckend lang gezogen wird, dann haben Sie gerade ein Wort ausgesprochen, welches sich perfekt zu der Melodie von Ti Amo von Umberto Tozzi, in Deutschland vorwiegend bekannt durch Howard Carpendales Interpretation, trällern lässt. Ich hoffe Ihnen mit dieser Information nicht das Lied versaut zu haben und dass Sie jetzt nicht immer »Präambel« statt Ti Amo singen müssen, wenn Sie gerade bei einer Ü50-Party illuster über den Tanzflur schwofen. Was ich als Letztes noch spannend an der Präambel finde, ist artikelbedingter Stolpersteincharakter. Wenn man Präambel einfach so in der Gegend herumstehen sieht, möchte man am liebsten ein »Das« davor setzen und es aus seiner Spracherfahrung heraus neutrumisieren. Die Präambel ist somit die sprachliche Gegenspielerin zum Konklave, beide dreschen auf ihre jeweils eigene Art gegen den Gemeinsinn. Wenn sich die Präambel und das Konklave auf einen Artikeltausch einigen könnten, wäre der Sprachwelt vielleicht gedient, aber wie oben angemerkt: jeden Tag was Neues, warum nicht mal ein flippiger Artikel?

Ich selbst bin über die Präambel gestolpert, als ich Nutzerprofiltexte in einem Erotikforum, in dem ich seit vielen Jahren zu Recherchezwecken angemeldet bin, studierte. Eine junge, attraktive Frau arbeitet sich dort an einer paragraphierten Präambel ab, die zukünftige sexuelle Abenteuer im Vorfeld regeln soll. In Anbetracht all der Spinner, die auf jener Plattform ihr Unwesen treiben, ein sicherlich gutes Vorgehen. Zwar umtreibt mich nicht die Vermutung, dass dieses Buch in die Hände von Spinnern, die sexuelles Schindluder mit den Seiten treiben wollen, fallen könnte, immerhin habe ich im Titel auf Worte wie »Wanderhure«, »Abstufungen von Grau« oder »Biss« verzichtet, dennoch sollten wir jetzt Grundsätzliches klären.

Zum Beispiel, warum ich jetzt diese Kurzgeschichtensammlung rausbringe. Dazu muss ich sagen, dass ein sehr guter Freund von mir Kunstrestaurator ist und ich häufig mit ihm über das Haltbarmachen von Kunst diskutiere. Mir ist natürlich bewusst, dass einige der Texte, die sich in diesem Geschichtenkonglomerat befinden, besonders von der Live-Aufführung leben. Nun ist es aber ja leider Fakt, dass das Leben vergänglich ist und ich diese Texte nach meinem Ableben nicht mehr auf einer Bühne aufführen kann. Natürlich gibt es dann noch allerhand Videos von den Auftritten, gerade in Zeiten, in denen eigentlich jeder eine Kamera in seinem Mobiltelefon eingebaut hat und diese mittels verschiedener Internetplattformen allen Interessierten zugänglich machen kann. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass Papier immer noch mächtiger ist als irgendwelche Festplatten, die in großen Serverräumen ihr trauriges Dasein fristen. Diese Festplatten werden, im Gegensatz zu einem Buch, nur selten in die Hand genommen, von Händen und Blicken gestreichelt. Wenn ich mir aber testamentarisch etwas für einige meiner Texte wünschen könnte, dann, dass ihnen in gedruckter Form diese Liebe zuteilwird. Auf diese Art konserviere ich einen Teil meines Schaffens in einer angebrachten Form. Dass die Nachfrage dazu besteht, bestätigt mir immer wieder der persönliche Kontakt zu Menschen nach Auftritten, die eben diesen oder eben jenen Text gerne in gedruckter Form besäßen, zumal ich ja auch einige Worte lecker in mich hinein nuschele.

Jetzt wird Ihnen sicherlich noch aufgegangen sein, dass ich diese Präambel mit einer Definition von Präambel beginne, die in einem Wirtschaftslexikon steht. Dazu sei folgendes gesagt: Ich hätte selbstverständlich auch aus der Wikipedia zitieren können, doch wer möchte schon ein Buch lesen, dass mit einem Zitat aus Wikipedia beginnt? Zudem ist es ein kleiner Kunstgriff, denn im Prinzip ist es nicht gerade wirtschaftlich, heute noch ein Buch rauszubringen, besonders nicht in einem Kleinverlag. Der für das Buch erhaltene Lohn wird dabei in keiner Weise dem Aufwand entsprechen, der für die Zusammenstellung des Buches aufgebracht wurde. Aber hey! Fuck the money, ich habe Kunst konserviert! Und da Du dieses Buch anscheinend gerade in der Hand hältst, habe ich es für Dich getan. Nur für Dich! Und ist Dir darüber hinaus aufgefallen, dass ich Dich am Anfang noch gesiezt habe und Dich jetzt duze? Das ist so, weil wir zwei jetzt schon ein bisschen eine persönliche Bindung haben, wie ich finde. Bleibt nur, Dir viel Spaß mit dem zu wünschen, was mein Kopf in den letzten Jahren so ausgespuckt hat, was ich hiermit tue.

* Fußnote: Wäre ich ein Wissenschaftler, stünde hier eine Fußnote mit Auflage usw.

1.

Das Märchen von einem Goldrockmädchen

Es war einmal zu einer Zeit, in der es das Internet noch nicht gab, eine gar fette Glatzenrapunzel, die stets einen goldfarbenen Nylonrock trug. Die Glatzenrapunzel wollte in ihrem Leben immer nur tanzen und hopsen, wie eine Mischung aus einer Ballerina und einem Basketballspieler. Zur Schule war sie nie gegangen. Sie konnte weder schreiben noch lesen, konnte nicht rechnen oder die Hauptstädte der Bundesländer aufsagen, auch konnte sie keine Schleife binden, weswegen sie immer Klettverschlussturnschuhe vom Deichmann klaute.

Da Glatzenrapunzel voll nervig war, allein schon, wie die immer gelabert hat, wurde sie mit dreizehn Jahren von ihren Eltern kurz vor Ladenschluss auf dem Parkplatz eines Netto-Supermarktes ausgesetzt. Die Eltern ließen sie einfach im Einkaufswagen sitzen, schoben diesen dann in das Konvolut der anderen Einkaufwagen, kassierten die eine Mark Pfand wieder ab und fuhren mit ihren Rollschuhen von dannen. Dabei hörten sie auf ihren Walkmans Musik von Abba und drehten freudige Pirouetten.

Erst am nächsten Tag kam Glatzenrapunzel wieder frei. Der Kunde, der sich ihren Wagen schnappte, staunte nicht schlecht, als ihm das goldberockte Wesen plötzlich aus dem Wagen entgegenhüpfte und dann wild über den Parkplatz tanzte. Und sie tanzte und tanzte und hopste und tanzte, bis ein grüner VW Jetta gegen sie rammte. Glatzenrapunzel flog vierzig Meter weit auf das Dach des Supermarktes, wo sie viele andere Kinder traf, die zumeist auf gleiche Art und Weise dort gelandet waren. Die Kinder nannten sich Eins bis Vierunddreißig in der Reihenfolge ihrer Ankunft. Auf dem Dach des Supermarktes hatten sie eine Parallelgesellschaft gegründet. Sie lebten in Behausungen, die sie aus Pappresten, die der Wind ihnen zugespielt hatte, bauten und da es die Satellitenbilder von Google Maps noch nicht gab, blieben sie auf dem Dach unentdeckt. Es war eine friedliche Gesellschaft. Niemand strebte nach Macht und Reichtum, jeder hatte seine kleine, aber feine Aufgabe und man konnte aufbleiben, so lange man wollte, auch wenn man noch nicht groß war. Zu essen gab es auch immer genug, denn Alarmanlagen gab es damals noch nicht und Eins und Zwei, die am selben Tag auf das Dach autogerammt worden waren, hatten schon in der ersten Woche einen Weg gefunden, sich ordentlich mit Futter zu versorgen. Durch einen Lüftungsschlitz im Dach des Kaufhauses konnten sie sich mit einem Angelhaken, den sie in einem Pelikan gefunden hatten, und einer Schnur, die am Handy von Zwei war, denn schnurlose Handys gab es damals noch nicht, fast alle Produkte des Kaufmannsladens unauffällig angeln. Sogar eine der riesigen Tiefkühltruhen hatten sie sich samt Inhalt auf das Dach geangelt, was im Übrigen auch der Grund ist, warum Neun auf dem Dach lebt, denn Neun wurde von seinen Eltern in der Tiefkühltruhe ausgesetzt. Damals wurden generell viel mehr Kinder ausgesetzt, weil es noch kein Aids und somit auch keinen Grund für Kondome gab. Es waren herrliche, gefühlsechte Zeiten damals.

Glatzenrapunzel also landete auf dem Dach und wurde alsbald von Eins bis Vierunddreißig getauft, aber da sie sehr dumm war, konnte sie nicht verstehen, warum sie jetzt Fünfunddreißig heißen solle. Und da sie es nicht verstand, wollte sie es auch nicht akzeptieren, egal, wie freundlich die anderen sie davon zu überzeugen versuchten. »Nein, nein, nein! Ich bin Glatzenrapunzel!«, sagte sie und hopste und tanze zornig gegen all die anderen Kinder. So zornig hopste und tanzte sie, dass nach und nach alle anderen Kinder von ihr angedopst und vom Dach geschleudert wurden. Da die Kinder sich aber nach ihrem Dach sehnten, versammelten sie sich auf dem Parkplatz und warteten auf Autos, die sie auf das Dach zurück rammten. Die ersten, die zurück auf dem Dach landeten, wurden allerdings umgehend wieder von der Hopsenden runtergedopst, also versammelten sich Eins bis Vierunddreißig in einer Hecke, um einen Plan auszugebüschen oder in einem Gebüsch, um einen Plan auszuhecken, das weiß man heute nicht mehr genau, weil es damals noch kein facebook gab, wo dann jeder gepostet hätte, dass er sich gerade zum ausgebüschen eines Planes mit Eins bis Vierunddreißig in eine Hocke geheckt oder eine Hecke gehockt oder wie auch immer hat. Wichtig ist ja auch nur, dass etwas geplant wurde. Die Idee von Vier war, dass sie einfach warten würden, bis Glatzenrapunzel verhungert wäre, da diese ja bestimmt auch zu dumm wäre, auf dem Dach etwas Essbares zu finden. Das fanden schon die meisten gut, aber Neunzehn warf ein, dass man in der Zeit ja auch selbst zu hungern hätte, da man ja in der Zeit auch selbst nicht angeln könne. Siebenundzwanzig schlug dann vor, mit einem Kampfjet dicht über das Dach zu fliegen, damit der Sog der Turbinen Glatzenrapunzel in sich einsaugen würde. Das fanden alle gut. Sie spazierten also rüber zum Stützpunkt des amerikanischen Militärs, von denen es zu jener Zeit in Deutschland noch an jeder Straßenecke welche gab, da der Krieg gerade in einer kalten Phase war, und bestellten sich beim Drive-Thru-Schalter einen Kampfjet mit doppelt Käse. Da sagte der amerikanische Junge hinter der Glasscheibe: »Njet!«, da er eigentlich ein russischer Spion war, wie es sie zu jener Zeit in jeder amerikanischen Kaserne haufenweise gab. Zwölf drohte dem Spion sogleich geistesgegenwärtig, dessen Tarnung auffliegen zu lassen, würde er sie nicht auch fliegen lassen, also ließ er sie fliegen.

Alle Kinder passten in den Kampfjet hinein, aber keiner von ihnen wusste so genau, wie man einen Kampfjet fliegt. Sie hatten zwar alle Erfahrungen mit dem Fliegen auf Dächer, bis auf Neun, der ja mit der Truhe gekommen war, aber Kampfjets waren ein ganz anderes Kaliber als der eigene Körper – irgendwie größer und mit mehr Tasten. Eins bis Vierunddreißig versammelten sich dann um das Cockpit und drückten verschiedene Tasten bis Zweiunddreißig die Taste für den Schleudersitz erwischte – so wurden Eins bis Vierunddreißig auf das Dach der Versorgungshalle der Kaserne geschleudert. Auch dort gab es einen Lüftungsschlitz, aber das Essen, das sie hier angeln konnten, schmeckte total erbärmlich, da es erstens aus Amerika war und zweitens nicht Menschen, sondern Soldaten ernähren musste. Die Kinder aber beschlossen, so lange dort zu bleiben, bis Glatzenrapunzel auf dem Kaufhausdach verhungert wäre, um dann in ihre alte Heimat zurückzukehren. Sie angelten sich ein Fernglas, um damit die Lage auf dem Kaufhausdach gut beobachten zu können. Diese Aufgabe übernahm Vierzehn und was er sah, machte, dass er zu sabbern begann: Glatzenrapunzel saß mit einem Tennisschläger auf dem Dach und schlug damit auf Tauben ein. Vierzehn verkündete es den anderen dreiunddreißig und jeder durfte mal gucken. Sie fragten sich, woher das hässliche Mädchen das Sportgerät hatte und warum es ausgerechnet auf Tauben einprügelte, doch sollte diese Frage nicht beantwortet werden, denn da erhob ich meine Stimme:

»Ihr verdammten Kinder, was macht ihr da oben auf dem Dach meiner Kaserne? Spannert ihr etwa in die Gruppendusche, weil ihr unbedingt mal muskulöse Soldatenmannen ohne Latz und Schabadu sehen wolltet?«

Die Kinder erschraken, kamen herunter und erzählten mir ihren Leidensweg. Da es sich bei ihnen anscheinend um Menschen handelte, die niemand vermissen würde, richtete ich ihnen innerhalb des Kasernengeländes ein Camp ein, in dem sie gut versorgt wurden. Sie lernten aller­hand Spionagetechniken und vermehrten sich zudem prächtig. Immer wenn einer volljährig wurde, setzte ich ihn in einen Zug nach Ostdeutschland, wo sie irgendwann genug waren, um eine friedliche Revolution anzuzetteln und Ost und West wieder zu vereinen. Die Glatzenrapunzel aber lebt immer noch auf dem Kaufhausdach. Sie ist richtig intelligent geworden und kann sich selbst versorgen und so weiter. Dumm war sie nämlich eigentlich nur, weil ihre Eltern einen der ersten Fernseher hatten und sie da immer vor sitzen musste. Dort bekam sie nur schlechte Luft und wenig Aufmerksamkeit. Also liebe Eltern: Wenn ihr Kinder habt, die ihr loswerden wollt, dann ist irgendwo immer ein Kaufhausparkplatz

2.

Die nötigen Mittel

Das gute Leben begann im Jahre 2002. Ich hatte die Keksfabrik zwar schon im Jahre 1999 gegründet, aber erst 2002 warf sie wirklich den erhofften Gewinn ab. Die Ursache war eine bestimmte Rezeptur, auf die mich mein Sohn gebracht hatte. Meine Frau Jalianka hatte immer Probleme damit, ihm das Gemüse in sein Maul zu verfrachten. Gemüse ist wichtig, denn dort sind die Vitamine drin und ohne Vitamine sieht man scheiße aus. In vielen Branchen kann man es sich leisten, scheiße auszusehen, als Hippie oder Schraubenfabrikant zum Beispiel, aber wenn du Kekse produzierst, dann müssen deine Kinder fit sein, sonst sagen die Leute: »Guckt euch den hässlichen Bastard dort an! So sieht man also aus, wenn man als Kind nur die Kekse dieser Firma frisst!«

Das wäre das vorzeitige Aus für die Fabrik gewesen. Jalianka und ich mussten uns also etwas überlegen. Zuerst versuchten wir, mit Lebensmittelfarbe dem Gemüse einen hippen, kindgerechten Anstrich zu verleihen, was uns aber nicht recht gelingen wollte. Das Gemüse sah danach eher aus wie Picassos Guernica. Jalianka hatte, bevor sie mich kennengelernt hatte, schließlich mal vier Semester Kunst studiert und wollte von ihren Ansprüchen beim Malen nicht abweichen. Als ich dann einmal vor Zorn erst auf Jalianka und dann auf das bemalte Gemüse einschlug, hatte ich die Lösung praktisch vor Augen. Wir begannen, Gemüse, Obst und etwas gutes Rindfleisch zu pürieren, machten mit ein paar Eiern, etwas Milch und Vollkornmehl einen Teig draus und formten gesunde Kekse, die wie kleine Roboter und Feen­wesen aussahen. Plötzlich hatten wir etwas Nahrhaftes, das sogar ein Bastard wie mein Sohn essen wollte. Bastard sage ich übrigens, weil ich daran zweifle, dass der Junge wirklich mein Sohn ist, mit seinen roten Haaren und den Sommersprossen.

Die Kekse waren das Prinzip Fischstäbchen. Nimm etwas gesundes, mach, dass es ungesund aussieht und schon wird dein Kind kräftig zulangen. Auf dem Markt liefen die Kekse für gemüseverachtende Kinder besser an, als jeder andere Keks jemals angelaufen ist und ich wurde über Nacht zum Millionär.

Am nächsten Morgen verkaufte ich den Kleinen und seine Mutter an die Russen, denn ich hatte jetzt ja Geld, was sollte ich da noch mit einer Familie, vor allem mit so einer dämlichen? In Geld kann man baden, in einer Familie nicht – zumindest nicht, ohne sie vorher kaputt zu machen. Erst hatte ich noch überlegt, tatsächlich in der Familie zu baden, aber das Angebot der Russen war einfach zu gut, denn für rothaarige, sommersprossige Europajungs gibt es einen großen Markt in der Ukraine. Meine Frau selbst hätte keinen Gewinn gebracht, sondern eher Kosten verursacht. Da die Russen den Jungen aber unbedingt haben wollten, haben sie Jalianka als Bonus umsonst mitentsorgt.

Mit dem Geld begann für mich eine unglaubliche Zeit, außerdem hatte ich in meiner Wohnung jetzt zwei weitere Zimmer frei. Aus dem Kinderzimmer vom Bastard machte ich einen SPA-Bereich mit Swimming- und Whirlpool, vier Saunen und einem Dampfbad. Vorher hatte ich mich immer ärgern müssen, den Keller nicht vernünftig nutzen zu können, kannte aber auch keinen besseren Ort für den Jungen.

Aus Jaliankas Arbeitszimmer machte ich einen riesigen, begehbaren Schrank, den ich mit fast unendlich vielen Tier-, Horror- und anderen Kostümen füllte. Seither trage ich täglich mindestens zwei verschiedene Kostüme.

Auch andere Teile meines Hauses baute ich so um, wie ich sie haben wollte. Das Wohnzimmer wurde zu einer großen Kühlhalle, denn Fernsehen kann jeder, ich wollte lieber Schweine- und Rinderhälften beim Herumbaumeln zuschauen. Das Gäste-WC wurde zu einem öffentlichen Pornokino mit Glory Hole, mein Garten zu einem indianischen Friedhof auf der einen und einer Rennstrecke für Bagger auf der anderen Seite. Aus meinem Wintergarten machte ich eine Art riesiges Marmeladenglas und in dieser Marmelade lies ich Anwälte schwimmen, die mir dafür sehr viel Geld gaben. Es dauerte nicht lange, bis ich durch die Anwälte mehr Geld als mit den Keksen verdiente, also engagierte ich eine Gruppe libyscher Söldner, die die Keksfabrik so sprengten, dass es wie ein Unfall aussah. Ich kassierte die volle Versicherungssumme und musste keinem Angestellten eine Abfindung zahlen, denn über neunzig Prozent der Belegschaft glichen nach der Explosion einem Puzzle und die anderen spielten Statisten auf der indianischen Seite meines Gartens.

Um möglichst lange zu leben, was cool ist mit so viel Geld, beauftragte ich eine Agentur, für mich nach Frauen zu suchen, die frisch geworfen hatten und sich etwas Geld dazu verdienen wollten. Die Milch, die ich aus ihren Brüsten sauge, ist das Einzige, was ich seither esse. Es geht mir wirklich gut.

Als Freizeitspäßchen lasse ich mir sehr dicke Männer kommen, male ihnen eine Dartscheibe auf den Bauch und werfe die Pfeile – trotzdem ins Gesicht. Wenn ich ein Auge treffe, springe ich auf, brülle »Bulls Eye«, ficke den vorher schon Fetten, dann auch noch Halbblinden, in den Arsch und kotze in den Kühlschrank.

Viele Leute sagen, ich hätte mich durch das Geld verändert.

Aber das stimmt nicht.

Ich habe jetzt einfach die nötigen Mittel.