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Martina Hoblitz

Küstennebel





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Das Buch und die Autorin

Das Buch

Die quirlige Schülerin Eva Froehlich lernt auf einem Volksfest den 10 Jahre älteren Urlauber Fabian Traunstein kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Nach einer Reihe tragischer Schicksalsschläge steht sie zwischen ihrer großen Liebe Fabian und ihrem Schulfreund Rolf Brandner.

 

Die Autorin Martina Hoblitz

Geboren und aufgewachsen ist Martina Hoblitz in einer beschaulichen Kleinstadt im schönen Kreis Höxter. Seit vielen Jahren ist sie glücklich verheiratet und hat eine wundervolle erwachsene Tochter.

Bereits als 16jährige Schülerin begann Sie mit dem Schreiben. Mit viel Hingabe und Gefühl schrieb sie Zeile um Zeile und genoss dabei jedes einzelne Wort.

Sie hat viel erlebt, viele schöne Augenblicke, aber auch schwere Momente betrübten ihr Herz.  So entstanden über die Jahre viele wundervolle Liebesgeschichten, die zum Teil bereits als E-Books erhältlich sind.

 

 

 

Das sagt die Autorin über diesen Roman:

Dieser wundervolle Roman entstand nach einer traumhaften Urlaubsreise auf meiner liebsten Urlaubsinsel Norderney. Bei der Entwicklung einzelner Figuren habe ich mich an Personen meiner Umgebung orientiert. Auch gewisse Ereignisse haben Bezug zur Wirklichkeit. Aber der vorwiegende Teil der Geschichte entsprang meiner Fantasie. Viel Spaß!

 

 

 

 

1. Auflage

Verfasst 1997

E-Book-Ausgabe September 2015

Copyright Text und Bilder © by Martina Junker 2015

Kapitel 1

 Eva Froehlich machte ihrem Namen alle Ehre; sowohl dem Vor- als auch dem Nachnamen. Eva – der Inbegriff der Weiblichkeit. Sie war das Sinnbild der Traumfrau schlechthin. Tadellose Figur mit Modelmaßen. Dazu lange, glänzende, honigblonde Haare, sowie babyblaue Augen und ein herzförmiger Mund in einem ebenmäßigen Gesicht. Und die Bezeichnung <fröhlich> war eigentlich viel zu wenig für ihr sonniges Gemüt. Wo Eva auftauchte, verbreitete sie gute Laune. Stets war sie strahlender Mittelpunkt in Gesellschaften.

Eva wuchs als einziges Kind wohlbehütet in einem guten Elternhaus auf. Die Mutter, eine durchschnittliche, angepasste Hausfrau, bewunderte vor allem Evas Schönheit und träumte, ihre Tochter würde Karriere machen als Fotomodell oder Schauspielerin. Doch das Mädchen lachte über ihre Wunschträume. Ihr Berufsziel war Anwältin, um später in der Kanzlei ihres Vaters, eines beliebten und bekannten Rechtsanwalts und Notars, mit arbeiten zu können. Die Schule bereitete Eva keine Schwierigkeiten, und ihr Vater, der stolz auf das kluge Köpfchen seiner Tochter war, sah keinen Grund, dass Evas Berufswunsch nicht in die Tat umgesetzt werden sollte. – Aber es kam dann doch alles ganz anders!

Als Eva zu einem ausgesprochen hübschen Teenager heran reifte, begannen auch die Jungen sich für sie zu interessieren. Allen voran Einer aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Rolf Brandner war ebenfalls Einzelkind, seine Eltern beide berufstätig. Er ging schon zusammen mit Eva in den Kindergarten und besuchte nun wie sie das Gymnasium, allerdings eine Klasse über ihr. Doch Eva merkte nicht, oder wollte nicht bemerken, dass sich aus Rolfs freundschaftlichen Gefühlen für sie langsam eine tiefere Empfindung entwickelte. Und Rolf war zu schüchtern, um sie ihr offen zu gestehen.

Eva amüsierte sich insgeheim über die ständigen Beziehungskisten ihrer Freundinnen. Sie selbst hatte damit überhaupt noch nichts im Sinn. Eva war nun 17 Jahre alt und hatte noch keinen Jungen näher an sich heran gelassen. Für ihre Freundinnen galt sie als Spätzünder, doch sie vertrat die Meinung, es gäbe eine große, wahre Liebe! Und auf die wartete sie geduldig, auch wenn ihre Freundinnen sie deswegen auslachten und für verrückt erklärten. – Und ausgerechnet kurz vor dem Abitur erwischte es Eva plötzlich und mit aller Macht!

 

 

Er hieß Fabian Traunstein, war sehr groß, von kräftiger Statur, mit pechschwarzen Locken und rehbraunen Augen in einem männlich-markanten Gesicht.

Als er Eva kennen lernte, war er gerade 28 Jahre alt geworden und gönnte sich zum Geburtstag eine 14tägige Urlaubsreise in die Oberpfalz, Eva’s Heimat. Er stammte von der Nordseeinsel Norderney, wo seine Eltern ein großes Hotel führten und außerdem noch eine ganze Ferienhaussiedlung besaßen. Der Fremdenverkehr bot eine sichere Existenz auf der Insel, aber zu Herrn Traunsteins großer Enttäuschung zeigte keins seiner Kinder Ambitionen, das was er sich in jahrelanger Mühe aufgebaut hatte zu übernehmen. Fabian hatte noch 3 Geschwister. Der älteste Sohn, Lothar, studierte Medizin und arbeitete in einer großen Klinik in Hamburg. Er heiratete eine Krankenschwester, und aufgrund ihrer stressigen Berufe verzichteten die beiden auf Kinder. – Der 2.Sohn, Herbert, wanderte gleich ganz aus nach Australien. Dort kaufte er sich eine Schaffarm und meldete sich nur noch 2x im Jahr, an Weihnachten und Ostern. – Die einzige Tochter, Felizitas, ging zwar nach Emden auf die Hotelfachschule, aber dort lernte sie einen Bankangestellten kennen, heiratete ihn von Fleck weg, bekam kurz hintereinander 3 Kinder und führte ein zufriedenes Leben als Mutter und Hausfrau. Sie blieb auch die Einzige, die wirklich regelmäßigen Kontakt zur Familie hielt. – Nur Fabian, Nachkömmling und Nesthäkchen (zwischen ihm und Felizitas lag ein Altersunterschied von über 10 Jahren) lebte immer noch zuhause. Allerdings legte auch er keinen großen Wert darauf, Nachfolger seines Vaters zu werden. Er half gezwungenermaßen hin und wieder im Hotel aus, oder kümmerte sich um die Instandhaltung der Ferienhäuser, aber seine Vorliebe galt der Fotografie. Er träumte davon, ein berühmter Kunstfotograf zu werden. Doch leider blieb es nur bei dem Traum. Stattdessen half er stundenweise beim alten Herrn Moser aus, der ein kleines Fotogeschäft auf der Insel besaß. So knipste Fabian auf Hochzeiten oder Jubiläen oder machte Passbilder, alle Tätigkeit, die weit entfernt waren von seinen Wunschvorstellungen. Insgeheim gab er sein Ziel aber noch nicht ganz auf.

Kapitel 2

 Eva und Fabian sahen sich zum 1.Mal auf einer Kirchweih im Dorf nicht weit entfernt von Neustadt, dem Ort in dem Eva lebte.

Wie immer tauchte das Mädchen in einem ganzen Trupp junger Leute auf, die mit 2 Autos angekommen waren. Fabian saß allein an der äußersten Ecke eines der langen Biergartentische, direkt vor der speziell aufgebauten Bretterbühne, die als Tanzfläche diente, als die Jugendlichen eben diesen Tisch belagerten. Der Zufall wollte es, dass Eva dann genau ihm gegenüber saß. Fabian war sofort fasziniert von dem hübschen Mädchen, zückte seinen Fotoapparat und knipste sie, ohne um Erlaubnis zu bitten.

Eva lächelte nur und fühlte sich geschmeichelt, aber als sie in seine von lauter Lachfältchen umrahmten Augen sah, spürte sie plötzlich ihr Herz schneller schlagen.

Auch Fabians Blick versank in ihren strahlenden Augen, und ein wohliger Schauer lief ihm über den Rücken. Tatsächlich war es bei beiden Liebe auf den 1.Blick! Und sie saßen unbeweglich da und starrten sich fasziniert an, alles um sich herum vergessend.

Jäh wurden sie aus ihren Träumen gerissen, denn als die kleine Dorfkapelle zu spielen begann, sprang Evas Tischnachbar Rolf auf und fragte eifrig: „Tanzt du mit mir, Eva?“ - Das Mädchen wurde ungewollt rot und schüttelte den Kopf. „Sei nicht böse, Rolf, aber ich hab keine Lust. Jedenfalls im Moment nicht. Tanz doch mit einer andern!“

Achselzuckend wandte sich Rolf ab und forderte eine von Evas Freundinnen auf, die sofort ja sagte. Minuten später drehten sich alle aus Evas Clique auf der Tanzfläche, und sie saß mit Fabian allein am Tisch. Lächelnd beobachtete Eva ihre Freunde und sagte leise, wie zu sich selbst: „Eigentlich geb ich nix umso hausbackene Veranstaltungen. Bin lieber in der Disco. Die Musik geht mir eher in die Beine.“ - Schüchtern, beinah entschuldigend, erklärte Fabian: „Ich kann leider überhaupt nicht tanzen.“ - Eva sah ihn an und fragte: „Sie sind wohl nicht von hier?“ - Kopfschüttelnd erwiderte Fabian: „Bin auf Urlaub. Ich leb auf Norderney.“

Verlegen wich Eva seinem intensiven Blick aus und schwieg. Auch Fabian wusste nichts mehr zu sagen und musterte nur lächelnd ihr Profil. Nach und nach kehrten Evas Freunde an den Tisch zurück. Sie waren fröhlich und ausgelassen und es fiel ihnen gar nicht auf, dass Eva nicht recht mithielt.

Plötzlich stand Fabian auf und verließ ohne ein Wort den Tisch. Verwundert blickte Eva ihm nach. Der neben ihr sitzende Rolf wandte sich an sie: „Was war denn das für’n komischer Kauz?“ - Doch das Mädchen ging gar nicht auf seine Frage ein, sondern erhob sich ebenfalls und meinte: „Bin gleich wieder da!“

Suchend sah sie sich nach Fabian um und entdeckte ihn schließlich am Schießstand, wo er gerade das Gewehr aus der Hand legte und bezahlte. Als sie sich zögernd zu ihm gesellte, streckte er ihr lächelnd eine rosa Plastikrose entgegen.

 

 

„ Für mich?“ staunte Eva und griff nach der Blume.

Dabei berührten sich ihre Hände und beide zuckten wie unter einem Stromschlag zusammen. Die Rose fiel zu Boden. Gleichzeitig bückten sie sich danach, und plötzlich waren ihre Gesichter ganz nah voreinander. Es kostete Fabian einige Beherrschung, sie nicht einfach an sich zu reißen und zu küssen. Und Eva sah ihn so hingebungsvoll an, als würde sie nur darauf warten. Gleichzeitig griffen sie nach der Plastikblume und richteten sich gemeinsam auf. Endlich ließ Fabian die Rose los, und Evas Hand zitterte leicht, als sie sie nun allein festhielt. Sie fanden keine Worte und sahen sich nur völlig versunken an.

Plötzlich krachte es! – Beide hatten nicht bemerkt, wie sich schon seit geraumer Zeit der Himmel bezog, und nun brach ein Gewitter los, das sich gewaschen hatte. Es begann zu regnen, als hätte der Himmel sämtliche Schleusen geöffnet.

Vor Schreck war Eva direkt in Fabians Arme geflüchtet. Entschlossen nahm er sie bei der Hand und rannte mit ihr vom Marktplatz in den nächsten Hauseingang. Dort standen sie aneinander geschmiegt und beobachteten, wie die Budenleute hektisch zusammen räumten und versuchten, ihre Waren in Sicherheit zu bringen. Ihre Freunde hatte Eva aus den Augen verloren. Sie lag in Fabians Armen und blickte mit großen, ängstlichen Augen zu ihm auf. Da konnte sich Fabian nicht länger beherrschen. Er musste sie einfach küssen! Und Eva erwiderte diesen, ihren 1.Kuss, voller Inbrunst.

So standen sie lange Zeit völlig Welt vergessend, während Evas Freunde verzweifelt nach ihr suchten. Die Gruppe war vor dem Unwetter in die Dorfkneipe geflüchtet und stellte erst dort fest, dass Eva nicht bei ihnen war. Evas beste Freundin Anna war ganz unruhig.

„ Ich hab sie zuletzt am Schießstand gesehn. Mit dem Mann, der vorher bei uns am Tisch saß. Eva schien ganz fasziniert von dem Kerl.“ - Rolf nickte bedächtig und runzelte die Stirn. „Ja, ich hatte auch den Eindruck, sie war von ihm ganz angetan. Mir völlig unverständlich! Der Typ ist doch bestimmt 10 Jahre älter als wir. Hätt nie gedacht, dass Eva auf so alte Knaben steht!“ - Da warf ein Mädchen aus der Gruppe ein: „Was ihr euch für Gedanken macht! Nur weil Eva mit ´nem fremden Mann spricht, glaubt ihr gleich da wär was.“ - Worauf Anna entgegnete: „Nun, euch ist’s vielleicht nicht aufgefallen, aber die beiden haben sich regelrecht mit Blicken verschlungen. Und Eva war so komisch. Gar nicht so lustig wie sonst.“ - Ungeduldig meinte Rolf: „Was machen wir denn jetzt? Wir können doch nicht einfach abhaun und sie hier lassen! Wie soll sie denn dann nach Haus kommen?“

Die Freunde sahen sich fragend und leicht bedrückt an. Schließlich stand Rolf auf und meinte entschieden: „Na, ich geh sie mal suchen! So groß ist dies Kaff ja nicht. Und nasser als ich schon bin, kann ich eh nicht mehr werden.“

Keiner der jungen Leute hielt ihn zurück, als er das Lokal verließ. – Eva und Fabian standen noch immer in dem Hauseingang, eng umschlungen und schweigend. Der Regen hatte nachgelassen, das Gewitter sich verzogen. Nur hin und wieder gab es etwas Wetterleuchten am Horizont.

Eva seufzte. „Ich glaub, ich sollt mal nach den andern schaun. Mit ihnen bin ich gekommen, und mit ihnen muss ich auch wieder nach Haus.“ - „Du wohnst nicht hier im Ort?“ erkundigte sich Fabian. - „Nein, in Neustadt, etwa 20 km von hier. Ich bin auf Rolf und sein Auto angewiesen.“ - „Bleib doch noch!“ bat Fabian.“ Ich kann dich auch heimbringen.“ - „Wie denn?“ staunte Eva. - Er lachte: „Na, mit dem Auto. Es steht vor meiner Pension.“

Da sah Eva Rolf durch den leichten Nieselregen über den Marktplatz eilen. Sie befreite sich aus Fabians Arm und lief auf ihn zu.

„Hey, Rolf! Suchst du mich?“

Verblüfft blieb Rolf stehen und sah erst Eva an und dann an ihr vorbei zum Hauseingang, aus dem sie gekommen war und wo immer noch Fabian stand und sie beobachtete.

Rolf runzelte die Stirn und sagte: „Ja, Eva, wir haben dich schon vermisst. Die Clique sitzt in der Dorfkneipe. Wir wollen gleich nach Haus.“ - „Gut, dann fahrt! Ihr braucht euch um mich keine Sorgen machen.“

Sie drehte sich um und lächelte Fabian an. Dann wandte sie sich wieder an Rolf: „Ich bleib noch ein bisschen. Er bringt mich dann nach Hause.“

Sie deutete in Fabians Richtung. Neugierig und leicht besorgt erkundigte sich Rolf: „Wer ist der Typ?“ - „Ein Urlauber.“ - „Lass dich bloß nicht mit dem ein!“ warnte er. - Worauf Eva empört erwiderte: „He, wie sprichst du denn mit mir?! Du bist weder mein großer Bruder noch mein Vater!“ - „Aber dein Freund!“ - Eva grinste. „Wohl eifersüchtig, wie?“ - Beleidigt machte Rolf auf dem Absatz kehrt und murrte: „Ach, mach doch was du willst, dumme Pute!“

Ohne sich noch einmal umzusehen, rannte er quer über den Marktplatz davon, und das Mädchen kehrte zurück zu Fabian. Sie lächelte ihn zaghaft an. „Ich hab grad meinen Chauffeur verärgert. Jetzt hoff ich, du machst dein Versprechen war und bringst mich nach Haus!“ - „Sofort?“ fragte Fabian. - Doch Eva schüttelte den Kopf. „Es eilt nicht! Wenn das Wetter nicht plötzlich verrückt gespielt hätte, wären wir auch länger geblieben. Meine Eltern erwarten mich erst zum Abendbrot.“ - Erfreut legte er den Arm um ihren Schultern und erklärte: „Dann gehen wir jetzt zu meiner Pension. Da steht ja auch mein Auto. Und meine nette Wirtin hat bestimmt Kaffee und Kuchen für uns.“

Eva nickte nur zustimmend und Arm in Arm bummelten sie die Straße entlang. Es hatte aufgehört zu regnen, und die Sonne versuchte sich wieder durch die grauen Wolken zu kämpfen.

Kapitel 3

 Eva kannte Fabians Wirtin Frau Leubel. Ihr Vater hatte einmal eine Erbschaftsangelegenheit für sie geregelt. Und Fr. Leubel war hocherfreut, die nette Tochter des Rechtsanwalts wieder zu sehen. Sie fragte nicht lange, weshalb und wieso, sondern verwöhnte die beiden, wie von Fabian voraus gesagt mit Kaffe und selbst gebackenem Kuchen. Dabei unterhielten sie sich angeregt über Gott und die Welt, und so verging der Nachmittag wie im Flug.

Schon war es Abend. Als Eva zufällig auf die Uhr sah, erschrak sie und sprang auf.

„Herrjeh, schon so spät! Bin schon eine stunde über die Zeit. Meine Eltern werden sich Sorgen machen.“ - „Ruf sie doch einfach an!“ schlug Fr. Leubel vor. „Und richte deinem Vater herzliche Grüße von mir aus!“ - Fabian erhob sich ebenfalls. „Sag ihnen, du bist bald da! Ich bring dich.“

Eva nahm das Angebot von Fr. Leubel dankbar an und telefonierte. Es stimmte, dass die Eltern sich Sorgen gemacht hatten, zumal Rolf bei ihnen aufgetaucht war, um ihnen mitzuteilen, dass Eva nicht mit ihm zurückgekehrt war.

„Der olle Spinner!“ empörte sich das Mädchen. „Muss er euch denn so beunruhigen? Ich sitze hier bei der netten Fr. Leubel. Wir haben Kaffee getrunken und dabei die Zeit vergessen. Jetzt bringt mich ihr Feriengast nach Haus. Keine Sorge, in ´ner ½ Stunde bin ich da!“

 

 

Nach Evas genauen Anweisungen fand Fabian auch im Halbdunkel den Weg zu ihrem Elternhaus. Als er am Bordstein parkte, wollte Eva gleich aussteigen, aber er hielt sie zurück und meinte bittend: „Sehn wir uns wieder?“ - Eva lächelte. „Gern. Wie lange bist du denn noch hier?“ - „Eine Woche.“ - „Gut. Ruf mich morgen an! Fr. Leubel hat die Nummer.“

Er beugte sich zu ihr hinüber und wollte sie küssen, aber sie wehrte ab: „Nicht hier! Meine Mama steht am Fenster.“

Hastig stieg sie aus. Und während sie auf die Haustür zu lief, fuhr Fabian bereits davon. Zwar überschüttete die Mutter sie mit Fragen, warum sie nicht zusammen mit den Freunden heim gekommen war, wie sie ausgerechnet zu Fr. Leubel kam, und wer der junge Mann war, der sie nach Hause brachte. Doch Eva schwieg sich aus und verzog sich auf ihr Zimmer.

Dort setzte sie ihren Walkman auf und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Noch war sie sich über ihre Gefühle zu Fabian nicht im Klaren. Er hatte sie schwer beeindruckt. Aber was wusste sie denn von ihm? Mal gerade seinen Namen. Und den hatte er ihr auch erst genannt, nachdem sie sich bereits innig geküsst hatten. Außerdem wusste sie noch, dass er auf Norderney lebte und einige Jahre älter war als sie. Wie viele genau wusste sie wiederum nicht. Und es schien ihr auch nicht besonders wichtig.

Er hatte in ihr Empfindungen geweckt, die sie vorher nicht kannte und die sie verwirrten. Am liebsten wäre sie nur noch mit ihm zusammen!

Seufzend zog sich Eva aus, stopfte ihre Sachen in den Wäschekorb, warf sich ihr Nachthemd über und krabbelte ins Bett. Als die Mutter eine Weile später nach ihr schaute, war sie schon fest eingeschlafen und lächelte im Traum selig vor sich hin.

 

 

Auch Fabian lag in seinem Pensionszimmer auf dem Bett, die Hände im Nacken verschränkt, starrte an die Decke und dachte über Eva nach.

So etwas war ihm noch nie passiert! Dass ihn gleich vom 1.Moment an ein weibliches Wesen dermaßen faszinierte. Und dabei wusste er kaum etwas über sie. Eigentlich nur ihren Namen.

„ Eva!“ flüsterte er verträumt vor sich hin.

Sie konnte keinen passenderen Namen haben. Sie war so süß, so hübsch, und --- so schrecklich jung! – Er ahnte, dass sie noch zur schule ging. Konnte, ja durfte er es wagen, einem so jungen Mädchen Avancen zu machen?

Wie hingebungsvoll sie seine Küsse erwidert und sich in seine Arme geschmiegt hatte! Sie schien ihn wirklich zu mögen. Er konnte es in ihren Augen lesen.

Fabian hatte noch nie eine feste Freundin gehabt. Bisher interessierten ihn Frauen eben nicht so sehr. Und nun verguckte er sich ausgerechnet in einen Teenager! Wie sollte es nur weiter gehen? Konnte daraus eine dauerhafte Beziehung werden?

Fragen über Fragen. Und keine Antwort. Und während Fabian noch so vor sich hin grübelte, schlief er unverhofft ein.

Kapitel 4

Fabian entschloss sich Eva nicht anzurufen. Den ganzen Morgen hatte er darüber nachgedacht. Noch war es Zeit für ihn, über seine verwirrten Gefühle hinweg zu kommen. Aber bei einem erneuten Treffen mit ihr wäre er rettungslos verloren.

Sicher, sie hatte seinen Kuss erwidert und schien ihn zu mögen, aber sie war noch so jung. Wie weit reichten ihre Gefühle für ihn? – Nein, er durfte sie nicht wieder sehen!

Trotzdem fuhr er am Nachmittag nach Neustadt und an Evas Elternhaus vorbei. Einen Moment kämpfte er mit sich, einfach anzuhalten und zu läuten. Doch dann gab er Gas und fuhr weiter.

 

 

Und im Haus saß Eva im Wohnzimmer, blätterte lustlos in einer Zeitschrift und ließ das Telefon nicht aus den Augen.

Als es endlich klingelte, sprang sie wie elektrisiert auf, nahm hastig ab und meldete sich etwas atemlos. Evas Enttäuschung war riesengroß, als sie Rolfs Stimme vernahm, der sich erkundigte, wann sie denn am Tag zuvor nach Hause gekommen war. Ärgerlich machte sie ihm Vorwürfe, weil er ihre Eltern beunruhigt hatte, worauf sich Rolf recht zerknirscht bei ihr entschuldigte.

Nun, Eva war nicht nachtragend, und als Rolf sie zum Eis einlud, nahm sie ohne Zögern an. Außerdem versicherte er ihr sogleich, dass sie wie üblich zu mehreren sein würden.

Nachdem Eva aufgelegt hatte, seufzte sie abgrundtief. Ja, sie musste unbedingt raus, sonst würde sie noch verrückt vor lauter Warten auf Fabians Anruf!

In der Eisdiele war Eva längst nicht so gut aufgelegt wie sonst. Das fiel schließlich ihrer Freundin Anna auf.

„Sag mal, was ist los mit dir? Du wirkst so bedrückt. Hast du Probleme?“ - Eva seufzte und meinte: „Nichts, was du verstehst! Ich versteh mich ja selbst nicht.“ - Anna grinste. „Ich nehm mal an, es handelt sich um einen Jungen. Hat’s dich endlich auch erwischt! Wer ist denn der Glückliche? Etwa Rolf?“ - „Unsinn!“ sagte Eva empört.“ Wie kommst du denn auf den?“ - „Na, das ist doch offensichtlich! Schon seit geraumer Zeit scharwenzelt er um dich rum wie’n liebeskranker Kater.“ - Darauf meinte Eva achselzuckend: „Sein Pech! Nein, um Rolf geht’s nicht!“ - Da runzelte Anna die Stirn und vermutete: „Es ist doch wohl nicht dieser Typ von gestern?“ - Eva nickte mit traurigem Blick. „Eben der!“ - „Du spinnst doch!“ regte sich Anna auf. „Dieser alte Knacker!“ - „Nana, so alt ist er nun auch wieder nicht! Du tust grad so, als würd ich mich mit ´nem Opa einlassen.“ - Mit einem verblüfften Seitenblick fragte Anna neugierig: „Hast du dich etwa schon mit ihm eingelassen?“ - „Ach was! Wir haben uns lediglich geküsst.“ - Darauf Anna ironisch: „Na klasse! Was weißt du überhaupt von ihm?“ - „Zugegeben, recht wenig. Er heißt Fabian, stammt aus Norderney und macht hier Urlaub.“ - Entsetzt rief Anna aus: „Ach, du Scheiße! Auch noch’n Preuße!“ - Rolf, durch Annas Ausruf aufmerksam geworden, wandte sich um und fragte: „Wer ist ein Preuße?“ - Ehe Eva es verhindern konnte, erklärte Anna grinsend: „Evas Typ von gestern. Stell dir vor, der Kerl ist ein Nordlicht! Noch dazu Insulaner!“ - „Na und?“ entgegnete Rolf achselzuckend. „Deswegen muss er doch kein schlechter Mensch sein.“ -

Er warf Eva einen verständnisvollen Blick zu, den das Mädchen dankbar lächelnd erwiderte. Anna staunte: „He, wie kommst du denn dazu, den Knaben zu verteidigen?“ - Rolf gleichgültig: „Wenn Eva ihn mag, lass sie doch! Dauert eh nicht lange. Wenn er wieder zuhause ist, ist die Sache doch gegessen.“ - Da sprang Eva wütend auf und fuhr Rolf an: „Ach, so ist das? Du denkst wohl, gönnen wir ihr ruhig so ´nen kleinen Urlaubsflirt! Wenn er weg ist, liegen die Chancen dann wieder bei dir. Stimmt’s oder hab ich Recht?“

Vor lauter Verwunderung wusste Rolf nichts zu erwidern und hielt Eva auch nicht auf, als sie noch immer zornig die Eisdiele verließ. Erst auf dem Bürgersteig atmete Eva einmal tief durch. Dann ging sie langsam und Gedanken verloren die Straße entlang in Richtung Zuhause.

Plötzlich hielt ein Wagen neben ihr am Bordstein. Eva erkannte Fabian, strahlte und stieg sofort zu ihm ein. Mit leichtem Vorwurf in der Stimme fragte sie: „Warum hast du nicht angerufen?“ - Fabian warf ihr einen traurigen Blick zu und erwiderte bedrückt: „Eigentlich wollte ich dich nicht wieder sehen.“ - Worauf Eva verdutzt ausrief: „Ja, warum denn nicht?“

Fabian gab keine Antwort, sondern fuhr los. Schließlich bat er leise: „Lass uns irgendwo hin fahren, wo wir ungestört reden können!“

Eva nickte nur verwundert. Schweigend steuerte Fabian den Wagen aus der Stadt hinaus in Richtung des Dorfes, wo sein Quartier war. Sie fuhren durch ein Waldgebiet. Auf einmal verlangte Eva: „Gleich kannst du rechts abbiegen. Da ist ein geteerter Waldweg.“

Fabian kam ihrem Wunsch nach und folgte dem Weg bis zu einer kleinen Blockhütte. Dort hielt er an, und sie stiegen aus. Vor der Hütte stand eine stabile Holzbank. Die beiden gingen darauf zu und setzten sich nebeneinander. Eva sah Fabian fragend an. Unsicher rückte er ein Stück von ihr ab. Zaghaft meinte das Mädchen: „Was ist los, Fabian? Was hast du plötzlich gegen mich?“ - „Aber ich hab doch nichts gegen dich!“ versicherte er eifrig und seufzte. „Eher im Gegenteil.“ - Nach einem schmachtenden Blick fragte er unvermittelt: „Eva, wie alt bist du?“ - Verblüfft antwortete das Mädchen: „17. Wieso?“ - „Nun, ich bin 28.“ - „Na und?“ - Wieder sah er ihr tief in die Augen. „Und du gehst noch zur Schule?“ - „Ja, in 2 Jahren mach ich Abi.“ - „Hab ich mir gedacht.“ seufzte Fabian. „Und danach willst du sicher studieren?“ - „Genau. Jura. Ich will Anwältin werden. Wie mein Vater.“ - „Siehste! Du hast noch soviel vor. Und ich passe nicht in deine Pläne!“ - „Was soll das heißen?“

Eva verstand die Welt nicht mehr! Da überhäufte er sie mit Fragen, ohne dass sie sich deren Zweck und Sinn erklären konnte. Was hatten denn ihre Zukunftspläne mit Fabian zu tun?

Doch Fabian sah sie nur gequält an und brachte kein Wort heraus. Da sprang Eva auf und verlangte: „Bring mich nach Haus! Diese ganze Unterhaltung war völlig nutzlos.“

 

Als sie in den Waldweg einbogen, fuhr Rolf zunächst vorbei. Doch bei der nächsten Gelegenheit wendete er und kehrte zurück. Er bog ebenfalls in den Waldweg ein, hielt aber nach ein paar Metern an und überlegte.

Rolf wusste weder ein noch aus. Unbewusst startete er das Auto und fuhr weiter. Er entdeckte Fabians Wagen vor der Blockhütte, und im Näherkommen sah er, wie Eva von der Bank aufsprang. Sie schien wütend zu sein. Gerade als Rolf anhielt und ausstieg, stand auch Fabian auf. Eva blickte Rolf erstaunt entgegen.

Misstrauisch blickte er von Eva auf Fabian. Die beiden sahen nicht sehr glücklich aus. Mit leicht ironischem Unterton wandte sich Rolf an Eva: „Willst du mich nicht deinem neuen Freund vorstellen?“ - Eva zog die Augenbrauen hoch. „Sei nicht albern, Rolf!“ Dann drehte sie sich zu Fabian um. „Komm, wir fahren! Er will ja gern hier allein sein.“

„Verdammter Mist! Da hab ich mich ja schön blamiert!“

 

„Wer war der Junge?“ wollte er von Eva wissen. - „Rolf Brandner. Ein Mitschüler und Nachbarsjunge.“ erwiderte das Mädchen und fügte lächelnd hinzu: „Er bildet sich ein, ich würd mit ihm gehn.“ - „Aber das tust du nicht!“

Da fragte Fabian unvermittelt: „Würdest du denn mit mir gehen?“ - „Wie meinst du das?“ erkundigte sich Eva mit erstauntem Seitenblick. - „Ich möchte dich mitnehmen. Nach Norderney.“ - „Aber das geht doch nicht! Wie stellst du dir das vor? Wir kennen uns ja kaum.“ - Da seufzte Fabian und erwiderte: „Du hast Recht! Eine blöde Idee! Vergiss, was ich eben gesagt hab!“

Sie hatten bereits den Stadtrand erreicht, und Fabian hielt sofort am nächsten Bordstein. Er wartete kaum ab, bis Eva ausgestiegen war und brauste dann davon. Und Eva blickte ihm traurig nach.

Nur wenige Minuten später hielt Rolf neben ihr. Er hatte sich wieder an ihre Fersen geheftet und triumphierte innerlich, als er Eva aussteigen sah. Er beugte sich hinüber und öffnete von innen die Beifahrertür.

Er wendete den Wagen und fuhr wieder aus der Stadt hinaus.

„Möchtest du auch was essen?“ fragte Rolf, als die Wirtin zu ihnen kam.