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ISBN (Print): 978-3-625-12030-8
ISBN (Epub): 978-3-8155-7833-9

www.naumann-goebel.de

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Das Römische Imperium

Friedemann Bedürftig

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Inhalt

Vorwort

Die mythischen Anfänge des römischen Gemeinwesens

Etruskische Könige am Tiber

Errungenschaften aus der Königszeit

Politische Neuordnung des Stadtstaates

Vom Stadtstaat zur Territorialmacht

Invasion der Gallier und Plünderung Roms

Frührömische Götterwelt und Verehrung der Ahnen

Kriege gegen die Samniten

Gleichstellung der Plebejer

Zäher Krieg gegen Tarent und Pyrrhus von Epirus

Heerwesen und Bündnispolitik

Der erste Punische Krieg

Ausbruch und Auftakt des zweiten Punischen Kriegs

Entscheidung im zweiten Punischen Krieg

Wachsende Kluft zwischen Arm und Reich

Ausschaltung möglicher Rivalen im Osten

Politik und Militär in Kriegszeiten

Weltmacht als Geldmacht

Griechische Einflüsse auf Kunst und Kultur

Hellenisierung des römischen Götterhimmels

Sozialreform des Tiberius Sempronius Gracchus

Beginn der steilen Karriere des Gaius Marius

Kampf gegen Kimbern, Teutonen und Ambronen

Sulla und der erste Mithridatische Krieg

Sullas Diktatur

Pompeius und Crassus als Erben Sullas

Verfassungskorrektur und Neuordnung Kleinasiens

Crassus, Pompeius, Caesar – das Triumvirat

Eroberung Galliens durch Caesar

Niederlage des Crassus gegen die Parther

Caesars Sieg im Bürgerkrieg gegen Pompeius

Alleinherrscher Caesar als Sozial- und Reichsreformer

Caesars Ende durch Mörderhände

Das 2. Triumvirat und die Caesarmörder

Endkampf zwischen Octavian und Antonius

Der Prinzipat des Augustus

Neue bauliche Akzente für Rom durch Agrippa

Blüte der lateinischen Poesie im Zeitalter des Augustus

Augustus und der Frieden

Bereinigung des Vorfelds in Germanien

Triumph des Arminius über die Römer

Die Epoche des Augustus-Nachfolgers Tiberius

Verfall der julisch-claudischen Dynastie

Der Brand, die Christen und der kaiserliche Prunk

Herrschaft der flavischen Kaiser

Massenunterhaltung in der frühen Kaiserzeit

Der römisch-jüdische Krieg

Der Untergang der Landstadt Pompeji

Die Adoptivkaiser Trajan und Hadrian

Gesellschaftliche Stellung und Behandlung der Sklaven

Die literarische Epoche der silbernen Latinität

Höhepunkt und Ende der Adoptivkaiserzeit

Fortschritte der antiken Medizin

Das Schreckensregiment des Commodus

Thronwirren und der Sieg des Septimius Severus

Untergang des severischen Kaiserhauses

Das römische Recht als Reichsklammer

Badebauten der Severer

Repräsentationskunst der frühen Kaiserzeit

Das Zeitalter der Soldatenkaiser

Zusammenstoß mit dem Reich der Sassaniden

Reichseinheit in Gefahr

Die Ausbreitung des Christentums

Das Jahrzehnt zwischen Aurelian und Diokletian

Die Tetrarchie des Diokletian

Christenverfolgung

Maßnahmen zur Wirtschaftslenkung unter Diokletian

Nachfolgekämpfe um das Erbe Diokletians

Rivalität zwischen Constantin und Licinius

Kaiser Constantin und das Konzil von Nicaea

Entstehung der Eremiten- und Mönchsbewegung

Das Reich unter den Söhnen Constantins

Gefährdete Alleinherrschaft des Constantius II.

Versuch einer heidnischen Restauration unter Julian

Valentinian, Valens, Gratian

Die Ausschaltung aller Rivalen durch Theodosius

Die Rolle des Senatsadels im ausgehenden 4. Jahrhundert

Das große Geschichtswerk des Ammian

Bischof Ambrosius von Mailand und der Kaiser

Die plastische Kunst im 4. Jahrhundert

Infrastruktur in den großen Städten

Die Goten zwischen den rivalisierenden Reichsteilen

Erstürmung und Plünderung Roms durch die Goten 410

Das bewegte Leben der Galla Placidia

Sinnsuche und Bekehrung des Augustinus

Siegeszug der Vandalen unter Geiserich

Der Vorstoß der Hunnen nach Westen

Leo I. und die Wurzeln des Papsttums

Castra Vetera, Colonia Ulpia Traiana, Tricensimae, Xanten

Schrumpfendes Reich unter Marionettenkaisern

Stabilisierung des Ostens durch Leo I. und Zeno

Odoakers Herrschaft und Theoderichs Vormarsch

Das Ostgotenreich unter Theoderich I.

Gesundheitstipps für einen Germanen

Hinrichtung des Boethius

Das Frankenreich unter Chlodwig I.

Die Anfänge der Herrschaft Justinians I.

Rückeroberung Italiens durch Ostrom

Benedikt von Nursia

Übernahme des antiken Erbes durch die Kirche

Zeitleiste

Auswahlbibliografie

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(c) Mauritius – Die Bildagentur: S.

Vorwort

Die moderne westliche Welt ruht auf den Schultern eines Riesen in Gestalt der griechisch-römischen Antike. Während am Griechentum die reiche Kultur und die philosophische Fundierung des Abendlands faszinieren, sind es im Fall Rom die zivilisatorischen, militärischen, rechtlichen und politischen Leistungen. Sie haben aus dem kleinen Gemeinwesen im italischen Latium ein Weltreich wachsen lassen, das zu den mächtigsten der Menschheitsgeschichte gehört und an Dauerhaftigkeit nicht Seinesgleichen hat. Es nahm zudem das große geistige Erbe Griechenlands auf und verbreitete es über die gesamte Ökumene (den seinerzeit bekannten bewohnten Erdkreis). Ohne Kenntnis der römischen Geschichte bleibt die Entwicklung Europas unverständlich.

Roms Karriere war beileibe kein ununterbrochener Triumphzug. Von den im Halbdunkel liegenden Anfängen abgesehen, waren auch die ersten Gehversuche stets gefährdet, und nicht selten stand der kleine Landstadtstaat vor dem Untergang. Immer wieder aber schöpfte er Kraft gerade aus Rückschlägen und wuchs an den ebenso rasch wachsenden Herausforderungen. Selbst in der schwersten Krise, als Rom längst ganz Italien beherrschte und zu einer mittelmeerischen Großmacht geworden war, zerbrach es nicht: Die Katastrophe von Cannae schien vielmehr Kraftreserven mobilisiert zu haben, wie sie die Geschlagenen selbst nicht mehr bei sich vermutet hatten.

Immer wieder fanden sich zudem Persönlichkeiten, an denen sich die Bürger aufrichten konnten und die ihnen neue Visionen vermittelten: Ob Scipio, Caesar, Augustus, Trajan, Diokletian oder Theodosius – Stadt und Reich brachten ragende Gestalten hervor, die bis heute die Gemüter beschäftigen. Denn auch ihre Karrieren waren selten ungetrübte Erfolgsgeschichten. Sie hatten mit heimischen Rivalen, äußeren Feinden und mit widrigen Umständen zu kämpfen. Und manche, dafür steht das Beispiel Caesar, endeten tatsächlich tragisch. Viele hinterließen zudem Lücken, die ihre Erben kaum zu füllen vermochten, so dass oft Wirren und Bürgerkriege folgten, die an die Substanz des Staates gingen wie etwa die Epoche der Soldatenkaiser im 3. Jahrhundert.

Doch Geschichte machen Anführer nicht ohne Volk: Dieser knappe Überblick über das römische Jahrtausend schreitet daher nicht nur die im Vordergrund stehenden politischen Ereignisse ab, sondern er beleuchtet auch den Alltag der großen wie der kleinen Leute: liest in den Werken der Dichter, besucht die Gladiatorenkämpfe in der Arena, beschäftigt sich mit dem Schicksal der Sklaven, assistiert Ärzten und Forschern, beobachtet das Tun der Priester, bewundert die Leistungen der Ingenieure und Architekten, grübelt mit den Philosophen, reist zu den „Barbaren“, behandelt das Eherecht, nimmt Bäder in den großen Thermenanlagen, berichtet von den verfolgten Christen, entziffert Graffiti an den Wänden von Pompeji, macht Krankenbesuche, schaut in die Werkstätten der Künstler, hält sich bei Mönchen auf und tafelt mit den Reichen.

Der chronologische Ablauf liefert zwar den roten Faden für die Darstellung, doch überwölben immer wieder Sonderthemen das Nacheinander. Da sich die handelnden Personen selbst mit Vorliebe auf Beispiele aus der großen Geschichte des Staates bezogen haben, hilft auch hier der gelegentliche Rückblick und Verweis auf Ähnliches oder Kontrastierendes. Nur so erschließt sich die Dramatik der Entwicklung und die schließliche Auflösung des Riesenreiches im Anprall fremder Völkerschaften und revolutionärer Ideen, unter denen das Christentum die wirkmächtigste war. Es schlug die Brücke zum Mittelalter und schied Morgen- und Abendland.

Brudermord am Tiber

Die mythischen Anfänge des römischen Gemeinwesens (753 v. Chr.)

Die Legende hat die Anfänge Roms tief in die Vergangenheit, ins Jahr 753 v. Chr., verlegt, und bis heute hat sich der Merkvers bei den Schülern gehalten: „Sieben-fünf-drei – Rom kroch aus dem Ei.“ In Wirklichkeit hat die Besiedlung der Sieben-Hügel-Landschaft am Tiber schon weit vorher eingesetzt. Grabfunde reichen bis ins 2. vorchristliche Jahrtausend zurück. Richtig hingegen liegt die Legende, wenn sie die Gründung mit dem Griechentum verbindet, denn schon für die früheste Zeit lassen sich Handelsverbindungen Roms mit den griechischen Kolonien und entsprechender kultureller Einfluss nachweisen. Der Geschichtsschreiber Titus Livius (59 v. Chr.–17 n. Chr.) hat die mythischen Ursprünge in seinen „Ab urbe condita libri“ (Bücher von der Stadtgründung an) aufgezeichnet, einer bis ins Jahr 9 v. Chr. reichenden Geschichte von Stadt und Staat.

Forum Boarium

Am Ufer des Tibers ließ der Sage nach schon Halbgott Herkules (griechisch Herakles) seine Rinder weiden, als von Rom dort noch nichts zu sehen war. Und tatsächlich fanden sich da, wo heute die Relikte des Forum Boarium zu besichtigen sind, griechische Gefäße aus vorrömischer Zeit und weitere Hinweise, dass bereits zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. Händler am Tiber- Knie Waren tauschten. Es muss damals auch schon eine Ara Maxima (Altar) des Herkules bestanden haben, der unter anderem für den Schutz der Händler zuständig war. Den Namen aber erhielt dieses Forum nach seinen Tieren (lateinisch bos = Rind). Der Ort war für einen Viehmarkt bestens geeignet, da in der Nähe eine Furt durch den Fluss führte. Auch später behielt er seine Handelsfunktion, obwohl mit der Zeit, in der die Stadt ihn mehr und mehr schluckte, andere Waren die Besitzer wechselten und im nahen Hafen, dem Portus Tiberinus, angelandet und verschifft wurden.

Zuflucht für Verfolgte

Danach waren die Zwillingsbrüder Romulus und Remus, Söhne des Kriegsgottes Mars und einer Sterblichen, der Priesterin Rhea Silvia, Gründer der Stadt. Über ihre Mutter stammten sie aus dem Geschlecht des trojanischen Kriegshelden Aeneas, den es vor Urzeiten in die Landschaft Latium verschlagen hatte. Der jetzige Herrscher des Gebiets, Amulius, missgönnte seiner Nichte Rhea Silvia die Nachkommenschaft und ließ die Säuglinge auf dem Tiber in einem Kasten aussetzen. Das „Schiffchen“ aber wurde an Land geschwemmt, eine Wölfin entdeckte die Knaben und nährte sie, bis ein Hirte sich ihrer annahm und sie großzog. Am Ort ihrer glücklichen Rettung gründeten die Brüder später eine Siedlung und befragten die Götter, nach wem sie die Stadt nennen sollten. Die Götter entschieden für Romulus, und fortan hieß die Siedlung Rom. Der enttäuschte Remus verhöhnte daraufhin den Bruder, indem er über die Furche hüpfte, die dieser gezogen hatte, um den künftigen Befestigungsring anzuzeigen. Wutentbrannt erschlug Romulus den Frevler mit den Worten: „So soll es jedem ergehen, der über meine Mauer springt.“ In der Folgezeit wurde Rom zur Zuflucht für Verfolgte und Unterdrückte. Soweit die Sage. Über die Frühzeit wissen wir sonst nur wenig aus Bodenfunden und durch sprachhistorische Untersuchungen. Danach wurde das Gebiet Roms zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. von den Latinern, einem um 1200 eingewanderten Stamm, bewohnt. Es folgten die Etrusker, die bereits über eine hochentwickelte Zivilisation verfügten. Unter etruskischem Einfluss kam es um 600 v. Chr. zum Zusammenschluss von latinischen Siedlungen auf den Hügeln am Tiber. Der Name dieser Gemeinde, Rom, ist herzuleiten vom etruskischen Geschlecht Ruma.

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Aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. stammt die 75 Zentimeter hohe etruskische Bronzeplastik der Wölfin, die Roms Gründer Romulus und Remus aufgezogen haben soll. Die Figuren der Knaben wurden erst im 15. Jahrhundert durch Antonio de Pollaiuolo (1432-1498) nach römischen Münzbildern hinzugefügt.

(c) dpa/picture alliance, Frankfurt am Main

Unter fremden Herrschern

Etruskische Könige am Tiber (7./6. Jahrhundert)

Den Römern galt Stadtgründer Romulus auch als erster König, dem noch sechs weitere gefolgt seien, ehe es zur Bildung der römischen Republik (lateinisch res publica = öffentliche Angelegenheiten) kam. Vermutlich spielte sich die Strukturierung der Gemeinschaft wie in vielen Gegenden im Verlauf des Anwachsens der Bevölkerungszahl ab: Familien (Clans) mit größerem Landbesitz bildeten mit der Zeit die Elite, ihre Oberhäupter (patres = Väter, daher der Begriff „Patrizier“) bestimmten die Geschicke der Ansiedlungen, und schließlich wählten sie einen zum Wächter über den Kult. Seine Nähe zu den Göttern verschaffte ihm zusätzliche Autorität und damit eine herausgehobene Rolle unter den Clanchefs. Er wurde zum Anführer oder eben König (lateinisch rex, daher der Begriff „regieren“).

Optimale Lage

Die Siebenzahl dieser Könige ist wie die der Hügel, auf und an denen Rom entstand, eher symbolisch zu verstehen. Denn die überlieferten Herrschaftszeiten für die Könige (durchschnittlich über 30 Jahre) sind überdehnt, und was als Hügel in der latinischen Landschaft zu gelten hat, ist Definitionssache. Zutreffend aber dürfte tradiert sein, dass die Nachfolger des Romulus etruskische Herrscher waren, denn dieser Volksstamm, dessen Herkunft noch immer nicht ganz geklärt ist, drängte damals von seinem toskanischen Kerngebiet nach Süden. Zeugnisse lassen sich bis Neapel und noch weiter nachweisen. Rom wird die Begehrlichkeit der Etrusker geweckt haben wegen seiner optimalen Lage für den Handel mit dem griechischen Süden der italienischen Halbinsel und mit dem Landesinneren, wohin von den Salinen an der Tiber-Mündung eine Salzstraße führte. Auch waren die Anhöhen gut zu verteidigen. Problematisch nur, dass der Fluss oft über die Ufer trat; erst mit der Zeit gelang es, dem durch Uferbefestigungen zu begegnen.

Freitod für die Freiheit

Königssohn Sextus Tarquinius verzehrte sich nach der reizenden, aber verheirateten Lukretia. Als deren Mann Lucius Collatinus mit König Lucius Tarquinius auf Kriegszug war, drang der Prinz in die Gemächer der Schönen ein und stellte sie vor die Wahl, sich ihm hinzugeben, andernfalls werde er sie töten und einen erschlagenen Sklaven neben ihre Leiche ins Ehebett legen. Lukretia fürchtete den Tod nicht, aber die Schande und musste die Vergewaltigung erleiden. Danach vertraute sie sich ihrem Vater an und trat mit ihm am Folgetag auf dem Forum vor das Volk. Sie berichtete, wie ihr geschehen sei, forderte in einem flammenden Appell, den Frevler zu bestrafen, stieß sich ein Messer in die Brust und starb vor aller Augen. Erbittert verschworen sich die Bürger gegen das Königshaus, allen voran der Vater, der Witwer und sein von allen hoch geachteter Freund Lucius Iunius Brutus. Die Königsfamilie wurde schließlich entmachtet und verjagt. Den letzten Herrscher verzeichneten die Geschichtsbücher fortan nur noch mit dem Beinamen Superbus („der Überhebliche“).

Das erlaubte die Ausdehnung der Weide- und Anbauflächen und machte die angestammten großen Grundbesitzer noch mächtiger. Konflikte mit dem als fremd empfunden Königtum blieben nicht aus. Sie rührten auch daher, dass die Herrscher den militärischen Oberbefehl beanspruchten und mit der Zeit ein Machtmittel in die Hand bekamen, das sich notfalls auch nach innen nutzen ließ. Die Könige agierten immer selbstherrlicher, nahmen Rat kaum noch an und provozierten damit wachsenden Widerstand bei den Patriziern. Im Jahr 510/509 entledigten sich diese schließlich des etruskischen Königtums, was die Legende später fantasievoll ausschmückte (siehe Kasten).

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Die Schändung der tugendhaften Lukretia durch den ruchlosen etruskischen Prinzen Tarquinius hat die Künstler der Renaissance zu dramatischen Szenen inspiriert: Tintorettos (1518-1594) Gemälde aus dem Jahr 1559 gewinnt seine Dynamik aus dem Kontrast zwischen dem brutalen Finsterling und der sinnlich-reinen Schönheit seines Opfers.

(c) akg, Berlin

Willkommenes Erbe

Errungenschaften aus der Königszeit (6./5. Jh.)

Natürlich versuchte die Herrscherfamilie, die Stadt zurückzugewinnen, doch alle Angriffe scheiterten am Mut der Römer (siehe Kasten). Sie waren nun die etruskischen Könige los, übernahmen aber von den Etruskern viele Errungenschaften wie etwa die hochentwickelte Technik der Metallgewinnung und die Kunst des Schmiedens von Gefäßen und Waffen. Auch politische Muster aus etruskischer Zeit blieben erhalten, zum Beispiel die Purpurgewänder der obersten Beamten oder die Insignien der Liktoren, den Sicherheitskräften zum Schutz hochgestellter Persönlichkeiten. Die Liktoren trugen zum Zeichen ihrer Macht ein Rutenbündel (fasces) über der Schulter, außerhalb der heiligen Grenze der Stadt (urbs) mit einem Beil darin. Auch diese Grenze, das sogenannte pomerium (von post murum = hinter der Mauer), stammte aus der Etruskerzeit; es umfriedete ein Kernareal, das – modern gesagt – entmilitarisiert war.

Die Rechte geopfert

Einer der etruskischen Herrscher, die gegen Rom vorgingen, war Porsenna von Clusium (Chiusi) in der südlichen Toskana. Er schloss die aufsässige Stadt ein, so dass die Versorgungslage der Römer bald prekär wurde. Der junge Gaius Mucius Cordus beschloss daher, sich ins Lager der Etrusker zu schleichen und den feindlichen König zu töten. Hinein kam er zwar, doch sein Dolch erwischte den Falschen. Mucius wurde ergriffen und vor den König gebracht, der ihn mit Folter und Hinrichtung bedrohte. Der Attentäter hielt daraufhin seine rechte Hand in ein Altarfeuer und ließ sie unbewegten Gesichts verbrennen. Porsenna sah dem mit wachsender Bewunderung zu und ließ Mucius schließlich frei. Die Belagerung hob er auf; ihn hatte die Drohung des jungen Römers beeindruckt, es gebe noch Hunderte ebenso tapfere Männer in der Stadt, die ihn rächen würden. Mucius Cordus trug seitdem den Beinamen Scaevola („Linkshand“). Diese von römischen Historikern gern erzählte Legende diente der Propaganda, wonach Römer geborene Sieger seien, weil sie sich selbst zu besiegen verstünden.

Wohlstand dank Kriegsbeute

Und das sich neu formierende römische Gemeinwesen kam natürlich auch in den Genuss der Machtfülle, die ihm die Könige erkämpft hatten. Die Stadt hatte inzwischen gut 35 000 Bewohner und kontrollierte ein Gebiet von annähernd 900 Quadratkilometern in Latium; ihr Einfluss reichte noch darüber hinaus. Belegen lässt sich diese Vormachtstellung in Mittelitalien durch Funde aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., die vom großen Reichtum zeugen. Den konnten die Römer kaum allein aus landwirtschaftlichen Überschüssen und durch Handel erwirtschaftet haben, er war wohl eher, dafür sprechen auch die gefundenen Gegenstände selbst, in erster Linie auf Kriegsbeute zurückzuführen.

Verräterischer Tempelbau

Auch dem Ausbau der Stadt war der herbeigesiegte Wohlstand zugute gekommen. Noch in die Zeit der etruskischen Könige fielen einige Tempelbauten sowie erste Bemühungen um eine Befestigung des Tiber-Hafens. Überhaupt beeinflusste die etruskische Kultur die römische Religion nachhaltig, was die spätere umfassende Anlehnung an die griechische Götterwelt begünstigte. Das war schon zur Königszeit bemerklich geworden, als der „überhebliche“ Tarquinius mit dem Bau eines großen Jupiter-Tempels begonnen hatte. Mit der Verehrung eines höchsten Gottes nach dem Beispiel des Zeus strebte er eine Hierarchisierung des Himmels an und spiegelbildlich die sakrale Verankerung seines Königtums. Vielleicht auch das ein Auslöser der Revolte der Großen Roms gegen ihn.

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Etruskerkönig Tarquinius Superbus: Er ließ auf dem Kapitol einen Tempel für den höchsten Gott Jupiter errichten. Das auf Leinwand übertragene Fresko von Perino del Vaga (1501-1547) stellt die feierliche Grundsteinlegung dar.

(c) akg, Berlin

Sicherungen vor Machtmissbrauch

Politische Neuordnung des Stadtstaates (um 500 v. Chr.)

Die Beseitigung der Monarchie war eine Art Revolution von oben. Als Gewinner konnten sich die Patrizier fühlen, also die aufgrund ihres Besitzes führenden Sippen. Hatten sie allerdings die Rückkehr zu informellen Zuständen der Frühzeit, als der Stadtverband noch lose war, angestrebt, so ließ sich dies in der bedrohten Lage nicht verwirklichen. Man brauchte klare Regelungen, wer die Führung beanspruchen durfte, und einigte sich auf ein Modell, das gegen missbräuchliche Amtsführung Sicherungen einbaute: An die Spitze des Stadtstaates traten zwei von den Vertretern der Patrizier gewählte Konsuln, die beide autonom alle politischen Fragen entscheiden durften und sich darin nur gegenseitig blockieren konnten. Außerdem erhielten sie ihr Mandat immer nur für ein Jahr, damit sich gefährliche Seilschaften erst gar nicht bildeten.

Wir sind das Volk

Die Erbitterung der Volksmasse (plebs) nahm solche Formen an, dass die Leute ihre Streitigkeiten begruben, im Jahr 494 zur Durchsetzung ihrer Forderungen einträchtig die Stadt verließen und auf den Heiligen Berg, den mons sacer nördlich der Mauern zogen. Das brachte die verbliebenen Adligen (patricii) in Bedrängnis, und sie entsandten Menenius Agrippa, der selbst aus bescheidenen Verhältnissen stammte, zu den Plebejern. Mit politischen Zugeständnissen (u. a. Schaffung des Amts der Volkstribunen) und einem plastischen Gleichnis konnte er die Menschen schließlich zur Rückkehr in die Stadt bewegen: Die Glieder des Körpers, so führte er aus, waren es leid, immer nur für den faul genießenden Magen zu arbeiten, und stellten die Tätigkeit ein. Die Finger griffen keine Speise mehr, die Hände führten sie nicht mehr zum Mund, und die Zähne hörten auf zu kauen. „Wir werden es dem fetten Fresser schon zeigen!“ sagten sie zueinander. Bald aber merkten sie, dass sie immer schwächer wurden, weil der Magen nicht mehr verdaute und keine Energie mehr lieferte. Da besannen sie sich auf ihre Aufgaben und übernahmen sie wieder mit neuem Fleiß zum gemeinsamen Wohl.

Innere Konflikte

Allenfalls halbhistorisch ist die Bestellung der Lukretia-Rächer Brutus und Collatinus zu den ersten Anführern der jungen Adelsrepublik. Sie stehen für viele Mitwirkende an der Neuordnung der römischen Verhältnisse und dafür, dass diese im Sinn einer Oberschicht geschah, was innere Konflikte programmierte. Die plebs (= Masse) nämlich blieb weitgehend rechtlos und war von politischer Mitwirkung ausgeschlossen. Das warf in einer höchst unruhigen Zeit schwere Probleme auf, in der gerade die Plebejer für die Kriegführung dringend gebraucht wurden und die aus ihnen gebildeten Fußtruppen gegenüber der adligen Reiterei an Gewicht gewannen. Der Unmut – heute hieße das Politikverdrossenheit – spitzte sich zu; vereinzelt zunächst, dann anschwellend kam es zu Befehlsverweigerung, von der Legende als eine Art Aufstand überliefert (siehe Kasten).

Weitere Vorschriften schürten die Unzufriedenheit der kleinen Leute: So waren Eheschließungen zwischen Plebejern und Patriziern verboten. Erobertes Land wurde nur an patrizische Familien verteilt. Plebejer konnten ihre Sache nicht selbst vor Gericht bringen, sondern mussten sich vom adligen Patron vertreten lassen. Ein Diktator (von dictare = ansagen, befehlen) konnte natürlich auch nur aus der Führungsschicht kommen. Das war ein in Krisenzeiten zu wählender Oberkommandierender, der die gesamte Macht von den beiden Konsuln übernahm und alle notwendigen Maßnahmen bis hin zu Zwangsverpflichtungen zum Schutz des Volkes ergreifen konnte. Nach sechs Monaten aber endete auch sein Mandat.

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Allenfalls halbhistorisch ist die Gestalt des Lucius Iunius Brutus, der entscheidend am Sturz der etruskischen Könige in Rom mitgewirkt haben und danach erster Konsul des Stadtstaates gewesen sein soll. Die 35 Zentimeter hohe Büste, einst Teil einer Ganzstatue, galt lange als das Porträt des sittenstrengen, mutigen Mannes. Vermutlich aber entstand das faszinierende Antlitz mit dem entschlossenen Blick erst im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. (Konservatorenpalast in Rom).

(c) Interfoto, München

Gegen Bergvölker und Etrusker

Vom Stadtstaat zur Territorialmacht (5. Jh.)

Ein so dramatischer politischer Umbruch, wie er sich in Rom um die Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert abgespielt hatte, ließ Nachbarn Morgenluft wittern. Gemeinden in Latium, denen Roms Dominanz schon lange lästig war, versuchten, dem angeschlagenen Stadtstaat Positionen im Tibertal abzujagen. Daraus entwickelte sich seit 498 Roms Latinerkrieg. Er zog sich fünf Jahre lang hin und brachte dennoch keine militärische Entscheidung. Es wuchs aber die Erkenntnis, dass die investierten Mittel besser anderweitig eingesetzt würden. Das fruchtbare Latium sah sich nämlich immer häufigeren Angriffen der sogenannten Bergvölker ausgesetzt, die zu Beutezügen vorstießen. Der Latinerkrieg endete schließlich mit einem Bündnis der bisherigen Gegner, dem nach dem römischen Unterhändler Spurius Cassius benannten foedus Cassianum. Es begründete eine Wehrgemeinschaft der sprachlich und kulturell eng verwandten Latiner, in der Rom die Führung übernahm.

Wehrhafte Außenposten

Das Zusammengehen bewährte sich. Volsker, Sabiner und Aequer, um nur die drei wichtigsten der wilden Bergstämme zu nennen, konnten nicht bloß in Schach gehalten, sondern zurückgedrängt werden. Die besetzten Gebiete teilten sich Latiner und Römer und besiedelten sie. Die Bewohner der so im Verlauf des 5. vorchristlichen Jahrhunderts entstehenden Gemeinden erhielten dieselben Rechte wie die Stadtrömer. Damit und mit geschickt dosierten weiteren Zugeständnissen (siehe Kasten) an die Plebejer motivierte die regierende Schicht ihre Kolonisten in diesen Außenposten für den riskanten und aufreibenden Dienst, ohne an der überkommenen Staatsarchitektur grundsätzliche Änderungen vorzunehmen.

Während der ständig aufflackernden Kämpfe musste sich Rom weiterhin vor den Etruskern in acht nehmen. Ihr Einfluss auf die Geschicke der Stadt war beseitigt, doch ihre Handelskonkurrenz und ihr territorialer Appetit blieben eine Gefahr. Verkörpert wurde sie durch die Stadt Veji, die kaum anderthalb Dutzend Kilometer nördlich von Rom lag und den Tiber in Reichweite hatte. Da kam es oft zu bewaffneten Konflikten, nach der Legende sogar zu Kriegen, von denen sich aber nur der letzte um 400 erbittert ausgefochtene als historisch gesichert ansehen lässt. Mindestens ein Jahrzehnt lang wechselte das Kriegsglück, ehe Veji 391 (römische Überlieferung 396) bezwungen war. Rom verleibte die Konkurrenz dem eigenen Gebiet ein und war damit zu einer beachtlichen Territorialmacht in Mittelitalien herangewachsen.

Zwölftafelgesetz

Wachsende Lasten, wie sie im waffenklirrenden 5. Jahrhundert zu tragen waren, ließen sich dem Volk nur aufbürden, wenn ihm die Führungsschicht sozial und rechtlich entgegenkam. Vor allem nach Rechtssicherheit verlangten die Menschen. Im Jahr 450 berief man daher zehn Männer zur Niederschrift des geltenden Rechts. Auf zwölf öffentlich ausgestellte Tafeln wurde die Gleichheit von Patriziern und Plebejern vor dem Gesetz festgeschrieben. Allerdings blieb es bei einem harten Schuldrecht, das die ärmere Bevölkerung weiterhin disziplinierte: „Wenn jemand dem Spruch zur Zahlung seiner Schuld nicht nachkommt, so mag man ihn mit sich nehmen und fesseln mit Beinschellen und Fußblock, 15 Pfund schwer, nicht weniger, eher, wenn man will, noch schwerer.“ Im Gefolge dieses Zwölftafelgesetzes kam es bald zu weiteren Zugeständnissen. So fiel das Heiratsverbot zwischen den Gesellschaftsschichten, und es öffnete sich für wohlhabende Plebejer der Zugang zu ehrenvollen Ämtern. Bis zur Zulassung zum Konsulat sollte es allerdings noch fast ein Jahrhundert dauern.

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Einer, dem die Aufwertung der Plebejer gegen die patrizische Ehre ging, war Schlachtenheld Gnaeus Marcius Coriolanus. Er wurde 491 v. Chr. ausgewiesen. Mit den feindlichen Volskern kehrte er zurück, Rom zu vernichten. Das Gemälde (Ausschnitt) von Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770) hält die Szene fest, in der Mutter und Ehefrau den Wüterich anflehen, die Stadt zu verschonen. Die Sage berichtet, Coriolan sei abgezogen und von den Volskern ermordet worden.

(c) dpa/picture alliance, Frankfurt am Main

Wehe den Besiegten!

Invasion der Gallier und Plünderung Roms (387 v. Chr.)

Nur wenige Jahre konnte Rom die Ausschaltung des Rivalen Veji genießen. Von Norden nahte eine neue Bedrohung in Gestalt der Kelten oder Gallier. Dieses ursprünglich am Niederrhein siedelnde Volk hatte sich süd- und westwärts nach Burgund und bis Spanien ausgedehnt und drang um 390 über die Alpen nach Norditalien vor. Etrurien wurde sein erstes Opfer, wobei die kriegerischen Kelten keine dauerhafte Landnahme planten, sondern in erster Linie an Beute interessiert waren. Rom, darüber machte sich niemand Illusionen, würde über kurz oder lang auch in ihr Visier geraten. Als daher das von den Galliern bedrängte Clusium (Chiusi) die Stadt um Hilfe bat, zog ein römisches Heer von angeblich 40 000 Mann den Eroberern entgegen und erlitt an der Allia (Fosso di Bettina), einem linken Tiber- Zufluss, eine vernichtende Niederlage. Das Datum der Schlacht, nach römischer Überlieferung der 18. Juli 387 v. Chr., ging als „Schwarzer Tag“ (dies ater) in die Geschichte ein und begründete die notorische Gallierfurcht (metus Gallicus) der Römer.

Kapitolinische Gänse

Kleinster der klassischen sieben Hügel Roms ist der mons capitolinus, kurz Kapitol genannt, auf dem von früh an ein Tempel für den obersten römischen Gott Jupiter stand. Auch seine Gattin Iuno wurde hier in einem eigenen Heiligtum verehrt. Ihr Attribut war die Gans und ihr Beiname entsprechend Moneta (von monere = warnen, mahnen). Die heute gern als „dumm“ bezeichnete Gans galt den Römern als höchst aufmerksames Tier, das einem Wachhund im Zweifel vorzuziehen war. Dass sie damit durchaus richtig lagen, weiß die Legende, die erklärt, warum zwar ganz Rom beim Gallier-Einfall im Jahr 387 v. Chr. in die Hand des Feindes geriet, nicht aber die Kultstätten auf dem Kapitolshügel. Die im Iuno- Tempel gehaltenen Gänse vereitelten den nächtlichen Angriff der Gallier auf diese letzte römische Bastion durch aufgeregtes Schnattern und Trompeten. Das weckte den Konsul Marcus Manlius, der in letzter Minute eine erfolgreiche Verteidigung organisieren konnte.

Die Stadt ein Trümmerhaufen

Die versprengten römischen Soldaten suchten Zuflucht in Rom, das aber nicht mehr die Mittel zu effektiver Verteidigung besaß. Nur auf dem Kapitol konnte sich eine Garnison verschanzen und soll dort sogar eine siebenmonatige Belagerung überstanden haben (siehe Kasten). Ohnmächtig allerdings mussten die dort Ausharrenden mit ansehen, wie Rom geplündert und verwüstet wurde. Die Gallier transportierten alles ab, was sie irgend zu brauchen meinten. Die Frauen hatten allen Schmuck abliefern müssen, und ganz zum Schluss verlangte der Gallier-Anführer Brennus noch eine riesige Lösegeldsumme für den Abzug. Über die Höhe der Zahlung soll es dabei zu so heftigen Beschwerden der Römer gekommen sein, dass Brennus erbost sein Schwert als Gegengewicht zusätzlich in die Waagschale legte und damit die Forderung nochmals erhöhte mit den grimmigen Worten: „Vae victis!“ (Wehe den Besiegten!).

Die Berichte wissen aber auch von einem letzten römischen Aufgebot, das Rom schließlich befreit haben soll. Das lässt sich allerdings nicht belegen und sollte vermutlich auch nur die verwundete römische Heldenseele besänftigen. Ihr drohte schon bald neue Gefahr, denn die bisherigen latinischen Bundesgenossen begannen sich gegen die Führung der geschwächten Stadt aufzulehnen. Der Konflikt ließ sich lange unter Kontrolle halten, eskalierte aber im Jahr 340 und führte zu heftigen Kämpfen, aus denen Rom 338 als Sieger hervorging. Es löste den Latinerbund auf und dehnte seine Macht auf ganz Latium aus.

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Dass wenigstens die Kultstätten auf dem Kapitol, dem Herz der Stadt, von den Galliern verschont geblieben waren, erfüllte die Römer mit großer Dankbarkeit. Sie verewigten die wachsamen Gänse der Göttin Iuno lebensecht auf einem Relief; heute im Museum von Ostia zu bewundern.

(c) dpa/picture alliance, Frankfurt am Main

Aufs Praktische gerichtet

Frührömische Götterwelt und Verehrung der Ahnen

In der Prägephase Roms, also während der Königszeit und in der frühen Republik, stand der Stadtstaat unter dem Einfluss überlegener Kulturen. Von Süden machten sich griechische Impulse bemerkbar, von Norden strömte etruskisches Gedankengut in die noch lange bäuerisch geprägte religiöse Vorstellungswelt der Römer. Sie formten allerdings das Fremde so um, dass es zu ihrer einfachen, nüchternen und aufs Praktische gerichteten Lebensweise passte. Deren Säulen waren Respekt vor den Göttern, Hochschätzung der Leistungen der Vorfahren, Achtung vor Gesetz und Recht, Wahrung von Tugenden wie Treue, Fleiß, Wahrhaftigkeit und Familiensinn.

Auguren und Haruspices

Ihren Willen taten die Götter nach römischem Glauben durch allerlei Zeichen kund. Zu ihrer Deutung bedurfte es spezieller priesterlicher Kenntnisse. So entschlüsselten die Auguren, deren Amtszeichen der Krummstab war, Geschrei und Flug der Vögel in der Morgendämmerung als Götterwinke, welche Aussichten eine anstehende Unternehmung hatte. Und so lasen die Haruspices (Einzahl: Haruspex) in den Eingeweiden von Opfertieren, ob mit einem glücklichen Verlauf einer Reise, eines Handels oder eines Feldzugs zu rechnen war. Die Lage der Organe, ihre Größe und Gestalt, insbesondere die der Leber als Sitz des Lebens, waren dabei zu beachten. Die Kunst der Eingeweideschau hatten die Römer von den Etruskern übernommen und sie anfangs auch etruskischen Experten überlassen (daher als disciplina Etrusca bezeichnet); erst mit der Zeit übernahmen auch Stadtrömer diese Aufgabe. Schließlich hatte jeder größere Truppenverband einen eigenen Haruspex, was bei gegensätzlichen Interpretationen der göttlichen Zeichen zu lähmenden Debatten oder unkoordiniertem Vorgehen führen konnte.

So entsprachen zwar viele Gottheiten im römischen Himmel direkt denen der Griechen, doch fehlte ihnen die pralle Pracht der „Kollegen“ auf dem Olymp. Indogermanischer Herkunft wie der griechische Zeus war Roms oberster Himmelsherrscher Jupiter, und auch seine Frau Iuno hatte in Hera ihre olympische Entsprechung, doch ihre Verehrung trug ernstere Züge als in Griechenland. Mythen von den erotischen Eskapaden der obersten Gottheiten und ihren Zwistigkeiten waren bekannt, aber nicht Teil des Kultes. Der konzentrierte sich auf die Pflege der Bindung (religio kommt von religare = festbinden) an die Himmlischen und auf Bitten um Beistand bei der Bewältigung des Alltags oder besonderer Herausforderungen. Kein Wunder, dass sich eine vielfältige Schar von „niedrigeren“ Gottheiten bildete mit je spezieller Zuständigkeit: Janus bewachte die Schwelle des Hauses und hielt Dämonen wie Feinde fern, Terminus schützte die Grenzen und das Eigentum, die Laren nahmen sich der Reisenden, der Familien und der Feldfluren an. Die Göttin Vesta hielt das Herdfeuer in Gang, und die Penaten behüteten die Vorräte.

Die Ahnen waren immer anwesend

Alle Götter verlangten Opfer und dankten dafür mit Hinweisen darauf, was in dieser oder jener Lage zu tun war. Vor Kriegszügen und möglicherweise folgenschweren Entscheidungen befragten Priester die entsprechende Gottheit mit Hilfe besonderer Techniken (siehe Kasten). In familiären Angelegenheiten oblag dem Oberhaupt (pater familias) das Opfer für die Hausgötter und für die Ahnen, deren Bilder in einem Vorraum aufgestellt waren. Ging es bei den Göttern darum, sie günstig zu stimmen, so verehrte man die Vorfahren aus Dank. Auf sie und ihre Tüchtigkeit führte die Familie ja ihren sozialen Rang zurück. Zum Zeichen der ewigen Verbundenheit wurden bei Beerdigungen Bilder der Ahnen mitgeführt, zu denen der Verstorbene nun aufrückte.

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Viel geändert hat sich in den Jahrhunderten bis zur Zeitenwende an der Opferpraxis der römischen Priester nicht. Insofern spiegelt das lebendige Wandbild aus Pompeji durchaus den frühen Ritus: Bekränzt macht sich der Opferwillige mit dem geschmückten Stier auf den Weg zum Tempel. So große Tiere wurden nur bei bedeutenden Anlässen dargebracht.

(c) akg, Berlin

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Kriege gegen die Samniten (4./3. Jh.)

Konflikte mit den Samniten, Angehörigen von Bergstämmen aus dem mittleren und südlichen Apennin, gab es schon früher. Der Bericht über einen ersten Krieg zwischen Rom und den Samniten in den Jahren 343 bis 341 hat wohl hier seine Grundlage, denn historisch zu belegen ist er nicht. Es ging bei den ersten Zusammenstößen um den wachsenden Einfluss Roms in Kampanien (Landstrich an der Südwestküste bis südlich von Neapel), auf dessen fruchtbare Böden auch die Samniten ein Auge geworfen hatten. Sie hatten aber Rom mit ihren eigenen Vorstößen Richtung Küste selbst auf den Plan gerufen, denn die dort betroffenen Städte wie etwa Capua suchten bei den mächtigen Römern um Hilfe nach, die diese nur zu gern gewährten. Sie erhielten so Gelegenheit, ihre Strategie des Vorschiebens von Wehrsiedlungen auch gegen die Samniten zu praktizieren. Dadurch fühlten sich diese wiederum provoziert, und es kam seit 326 zum (zweiten) Krieg. Er zog sich fast zwei Jahrzehnte lang hin, obwohl er schon 321 mit dem Sieg der Samniten bei den Kaudinischen Pässen (furculae Caudinae, eigentlich kaudinische Gabeln) östlich von Neapel beendet schien. Das römische Heer war in eine Falle geraten und seine Reste mussten unter demütigenden Bedingungen abziehen (siehe Kasten). Es wären aber keine bäuerisch-zähen Römer gewesen, wenn sie nicht umgehend und nun gerade auf Revanche gesonnen hätten. Allerdings mussten dafür erst neue Rüstungen in Angriff genommen und die Ausgangspositionen verstärkt werden, worüber ein Jahrzehnt unter vereinzelten Gefechten verging (z.B. römische Niederlage bei Lautulae 315). Dann ging Rom in die Offensive und konnte die Samniten nach der Einnahme ihrer Hauptstadt Bovianum im Jahr 304 zu einem Frieden zwingen, der die römische Herrschaft in Kampanien bestätigte.

Kaudinisches Joch

Durch eine Kriegslist sollen die Samniten im Jahr 321 die aus Capua vorrückenden Römer zu einem Eilmarsch nach Osten bewegt haben. Dabei zogen diese durch eine enge Passstraße beim Ort Caudium, daher Kaudinische Pässe genannt. Die Samniten riegelten beide Ausgänge ab, so dass die römische Truppe hilflos den von den Höhen drohenden Feinden ausgeliefert war. Der Samnitenführer Gaius Pontius schreckte aber vor einem Gemetzel zurück und schlug den hungernden und dürstenden Römern vor, entwaffnet abzuziehen und ihre vollständige Niederlage dadurch anzuerkennen, dass sie einzeln unter einem aus drei Speeren gebildeten Joch hindurch kröchen. Der Geschichtsschreiber Livius berichtete darüber: „Unter dem Murren der Soldaten brach die Stunde der Schmach an. Zunächst wurden die Konsuln, beinahe halbnackt, unter dem Joch hindurch geschickt. Dann traf die Schande jeden in der Reihenfolge seines Ranges … Ringsum standen höhnend die bewaffneten Feinde.“ Die Redewendung „sich unter ein Kaudinisches Joch beugen“ wurde sprichwörtlich für „sich tief erniedrigen“.

Sieg nach einem halben Jahrhundert

Er hielt nicht lange, denn die Samniten standen den Römern an Hartnäckigkeit nicht nach. Sie verbündeten sich mit den Gegnern Roms im Norden und nahmen 298 die Feindseligkeiten wieder auf. Rom verließ sich bei diesem (dritten) Waffengang im Süden auf seine Kolonien und wandte sich zunächst gegen Etrusker und Umbrer im Norden. Bei Sentinum (nahe dem heutigen Sassoferrato) in den umbrischen Bergen gelang den Römern 295 der entscheidende Sieg, der ihnen die Umgruppierung ihrer Truppen nach Süden erlaubte. Obwohl nun ohne Unterstützung, hielten die Samniten noch bis 290 durch, ehe sie sich der römischen Übermacht beugten und Roms Vorherrschaft anerkannten.

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Nur Säulenstümpfe und Reste gepflasterter Straßen zeugen vom antiken Sentinum südlich von Sassoferrato in Umbrien. Neben diesen immobilen Spuren sind im Palazzo dei Priori Fundstücke ausgestellt, die einen Eindruck vom Leben in der alten Stadt vermitteln, deren Name mit dem römischen Sieg über die Samniten und ihre Verbündeten im Jahr 295 v. Chr. verknüpft ist.

(c) Mauritius – Die Bildagentur

Bildung eines Amtsadels

Gleichstellung der Plebejer (bis um 300 v. Chr.)

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