SIBYLLE TOBLER

Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen

oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern

Impressum

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Klett-Cotta

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Gesetzt in den Tropen Studios, Leipzig

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Printausgabe: ISBN 978-3-608-86051-1

E-Book: ISBN 978-3-608-10824-8

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20275-5

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Schnelleinstieg

Inhalt

Einleitung: Veränderung wagen und dabei Schwierigkeiten meistern

Wie gelingt ein Neuanfang?

I. Teil: Die Kunst des (Neu-)Anfangens: Alles beginnt mit genau hinschauen

1 »Wo fange ich hier nur an?!«

»Baustellen« einen guten Anfang finden

2 »Alles muss sofort anders werden!«

Alternativen zu impulsiver Flucht aus einer unbefriedigenden Situation

3 »Das Leben ist doch kein Wunschkonzert!«

Lebensorientierungen, die Ausrichtung auf Erfolg verhindern, ändern

II. Teil: Die Kunst des Aufbrechens: Sich auf den Weg machen in Richtung eines motivierenden Horizonts

4 »Keine Ahnung, wohin weiter …«

Alternative Zugänge zu einem motivierenden Horizont

5 »Das geht nicht!«

Die »Geht-nicht«-Falle verlassen

6 »Reaktionen anderer verunsichern mich«

Klug mit Bemerkungen aus dem sozialen Umfeld umgehen

III. Teil: Die Kunst, Vertrauen ins Gelingen aufzubauen

7 »Da ist dieser innere Kritiker …«

Mit / trotz angeschlagenem Selbstvertrauen Veränderung wagen

8 »Wo ist hier das Ende des Tunnels?!«

Was weiterführt, wenn Erfolg auf sich warten lässt

9 »Soll ich, soll ich nicht …«

Von Zögern und Zweifeln zu Klarheit

Eine Checkliste für unterwegs

Dank

Bücher zum Weiterlesen

für Bert

&

für alle Menschen, die den Mut haben,

ihr Leben in die Hand zu nehmen,

sich für wichtige Lebensziele einzusetzen

und auch dann dranzubleiben,

wenn es unterwegs holprig wird

Einleitung: Veränderung wagen und dabei Schwierigkeiten meistern

»Jede Schwierigkeit ist ein Sprungbrett.«

Johannes von Müller (1752–1809)
Schweizer Historiograf

Wer Veränderung angehen will oder muss, wird oft konfrontiert mit Stolpersteinen, wenn es um die Umsetzung geht – egal, um welche Veränderung es sich handelt, etwa einen Jobwechsel, Verlust von Gesundheit, eine Trennung, Änderung im Lebensstil oder die Erfüllung eines Lebenstraums.

Mit diesem Buch möchte ich Sie ermutigen, sich von Schwierigkeiten nicht einschüchtern oder von Veränderung abhalten zu lassen, sondern sich damit auseinanderzusetzen; gerade so können Sie Ihren Weg motiviert und erfolgreich gehen. Dazu nehme ich neun der häufigsten Stolpersteine unter die Lupe, die Umgang mit Veränderung erfahrungsgemäß erschweren oder gar verhindern. Sie erfahren, woran diese zu erkennen sind, was ihnen zugrunde liegt und wie sie beseitigt werden können.

Diese neun Stolpersteine sind in drei Teile gruppiert:

TEIL I »Die Kunst des (Neu-)Anfangens« bezieht sich auf die Wichtigkeit, genau hinzuschauen und förderliche Wahrnehmungen zu entwickeln, um Veränderung gut angehen zu können:

1 »Wo fange ich hier nur an?!«: Wenn vieles ansteht, ist oft nicht klar, wo am besten anzufangen ist. Hier erfahren Sie, wie man dann Überblick und Klarheit gewinnt sowie gezielt ins Handeln kommt – ohne sich in »Feuerlöschen« zu erschöpfen.

2 »Alles muss sofort anders werden!«: Manchmal ist es verlockend, das Leben auf den Kopf zu stellen. Dies kann vom Regen in die Traufe führen. Hier erfahren Sie, wie man Veränderung mit Elan und Klarheit über eigene Motive und Ziele wagen kann.

3 »Das Leben ist doch kein Wunschkonzert!«: Lebensorientierungen, die suggerieren, dass es nicht zulässig und / oder nicht möglich ist, sich für wichtige Ziele und Lebensqualität einzusetzen, blockieren produktives Verändern. Hier erfahren Sie, wie man solche Auffassungen erkennt und andere entwickelt; solche, die ermöglichen, Kurs zu nehmen auf erstrebenswerte Ziele.

TEIL II »Die Kunst des Aufbrechens« bezieht sich auf die Wichtigkeit, motivierende Perspektiven zu entwickeln, sich zum Aufbruch zu entscheiden und auch dann dranzubleiben, wenn es unterwegs Verunsicherndes gibt:

4 »Keine Ahnung, wohin weiter …«: Manchmal scheint es keine (neuen) Perspektiven zu geben. Hier erfahren Sie, wie man einen Kurs bestimmen und einschlagen kann, der einen motiviert und einem entspricht – ohne künstlich Ziele erzwingen zu wollen.

5 »Das geht nicht!«: Wer sich von Argumenten wie »Ist in meiner Situation unmöglich«, »Ist schwierig« vom Handeln abhalten lässt, bringt sich um die Erfahrung, dass oft mehr möglich ist, als man denkt. Hier erfahren Sie, was aus der »Geht-nicht«-Falle hinausführt.

6 »Reaktionen anderer verunsichern mich.«: Reaktionen aus dem sozialen Umfeld können gerade in Veränderungssituationen verunsichern oder bewirken, Neustarts gar nicht erst zu wagen bzw. abzubrechen. Hier erfahren Sie, wie man solchen Reaktionen begegnet, ohne sein Veränderungsvorhaben zu gefährden.

TEIL III »Die Kunst, Vertrauen ins Gelingen aufzubauen« schließlich bezieht sich auf die Wichtigkeit, zu lernen, das Vertrauen zu entwickeln, positive Resultate erzielen zu können. Dieses Vertrauen befähigt, Veränderung zu wagen und Durststrecken durchzuhalten:

7 »Da ist dieser innere Kritiker …«: Wer sich Veränderung nicht zutraut oder sich mit übermäßig hohen Anforderungen an sich selbst belastet, beeinträchtigt sich. Oft ist dann das Selbstvertrauen angeschlagen. Hier geht es darum, wie man den Teufelskreis von wackligem Selbstvertrauen, destruktiven Gedanken und sich selbst sabotierendem Verhalten verlässt und so nicht nur freier wird, zu verändern, sondern zugleich das Selbstvertrauen stärkt.

8 »Wo ist hier das Ende des Tunnels?!«: Wenn der Erfolg auf sich warten lässt, kann dies beträchtlich verunsichern oder gar zum Aufgeben von Begonnenem führen. Hier erfahren Sie, wie man Durststrecken realistisch und authentisch bewältigen kann.

9 »Soll ich, soll ich nicht …«: Zögern und Zweifeln können positive Erfahrungen im Umgang mit Veränderung verhindern. Hier erfahren Sie, wie Sie Zögern und Zweifeln nutzen können, um zu einer für Sie passenden Entscheidung und ins Handeln zu kommen.

Bevor ich Ihnen diese neun Stolpersteine vorstelle, ist es nützlich zu schauen, worauf es im Kern ankommt, damit Veränderung gelingt. Wer die essentiellen Faktoren kennt, versteht und umsetzt, hat eine solide Basis für einen produktiven Umgang mit Hindernissen und wird erfahren, dass es zu vielen Knacknüssen, mit denen Menschen sich in Veränderungssituationen oft schwertun, gar nicht erst kommt. Daher erläutere ich als Erstes im Kapitel Wie gelingt ein Neuanfang? die drei Schlüsseldimensionen erfolgreichen Umgangs mit Veränderung: »Bereitschaft, genau hinzuschauen«, »Entschlossenheit & Mut, vorwärts zu gehen« sowie »Vertrauen, ›anzukommen‹«. Diese drei Dimensionen habe ich in meinem Buch »Neuanfänge – Veränderung wagen und gewinnen« ausführlich beschrieben. Hier halte ich die Essenz fest.

Dieses Buch ist als Praxisbuch gemeint für Menschen, die Veränderung nicht nur wagen, sondern auch in der Lage sein wollen, Schwierigkeiten unterwegs zu bewältigen. Es will Sie »empowern«, Veränderung erfolgreich anzugehen.

Vielleicht wollen Sie von vorne nach hinten lesen. Vielleicht wollen Sie auch beim Kapitel einsteigen, das im Inhaltsverzeichnis Ihr Interesse weckt. Oder Sie wollen als Erstes mit der Checkliste im Schlusskapitel klären, welche Kapitel in Ihrer spezifischen Situation weiterführen.

Der Inhalt des Buches ist vielseitig anwendbar. Richte ich mich hier an Menschen, die motiviert sind, Veränderung anzupacken und dabei Stolpersteinen kompetent zu begegnen, so wird das Buch auch all denen Impulse geben, die solche Menschen begleiten.

Ich freue mich, wenn Sie in diesem Buch Mut schöpfen für Ihren Umgang mit Veränderung und für Ihre ganz eigene Art, Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.

Wie gelingt ein Neuanfang?

»Das Gesetz des Schwimmens wurde nicht entdeckt durch die Betrachtung sinkender Dinge, sondern durch die Betrachtung von Dingen, die auf natürliche Weise schwimmen.«

Thomas Troward (1847–1916)
Englischer Richter, Philosoph, Maler

Wer schwimmen lernt, übt Bewegungen, die ermöglichen, nicht unterzugehen und auch noch im Wasser voranzukommen. Wer Veränderung erfolgreich angehen will, tut nichts anderes: Man lernt und übt zu tun, was positive Resultate ermöglicht. Es ist nützlich zu wissen, worauf es dabei ankommt.

Die drei Schlüsseldimensionen erfolgreichen Umgangs mit Veränderung

Drei Merkmale zeichnen Menschen aus, die in Veränderungssituationen »auf natürliche Weise schwimmen« bzw. bewusst oder auch intuitiv tun, was sie vorwärtskommen lässt:

  • Sie bringen die Bereitschaft auf, genau hinzuschauen: Sie setzen sich mit sich und Ihrer Situation auseinander. Sie fragen sich: Was ist hier los? Worum geht es hier? Und Sie finden Antworten, die ermöglichen, produktiv zu handeln.
  • Sie bringen Entschlossenheit und Mut auf, in eine Richtung aufzubrechen, die Sie motiviert und die Ihnen entspricht. Sie fragen sich: Wo will ich hin? Was will und kann ich hier tun? Und Sie finden Antworten, die Sie motiviert und fokussiert handeln sowie positive Resultate erzielen lassen.
  • Sie haben oder entwickeln das Vertrauen, dass Sie »ankommen« bzw. Erfolg erzielen werden. Sie fragen sich: Wie kann ich dieses Vertrauen stärken? Und Sie finden Antworten, die sie aktiv und zugleich offen zu einem erfreulichen Verlauf der Dinge beitragen lassen, ohne Resultate abzwingen zu wollen. Positive Erfahrungen und Erfolgserlebnisse stärken Ihr Vertrauen ins Gelingen.

Was ist damit gemeint und warum ist dies wichtig?

Erfolgreich verändern kann, wer sich ein Bild der Ausgangslage macht und klärt, wo am besten anzusetzen ist.

Die gleiche Ausgangslage kann ganz unterschiedliche Hintergründe haben. Um effektiv handeln zu können, ist es wichtig, differenziert vorzugehen und Klarheit zu gewinnen, was genau spielt. Lassen Sie mich das an einem Beispiel veranschaulichen: Stress am Arbeitsplatz. Sich vorzunehmen, »weniger gestresst« zu sein, wird kaum helfen. Die Stelle zu kündigen kann vom Regen in die Traufe führen. Sich mit unbezahltem Urlaub eine Ruhepause zu gönnen, verschafft Erleichterung; irgendwann kommt man an den Arbeitsplatz zurück. Sinnvoller ist es, zu schauen: Wie kommt es zu diesem Stress? Sind es zu viele Anforderungen in zu kurzer Zeit, unrealistische Ziele, ineffiziente Arbeitsabläufe oder Personalmangel? Sind es Sicht- und Denkweisen, die einen konstant zu Höchstleistung antreiben, etwa »Ich bin nur gut, wenn ich 200% leiste.« oder »Ich mache die Arbeit lieber selbst; meine Kollegen können das nicht.«? Arbeitet man in einem Bereich, der einem nicht entspricht? Flüchtet man aus einer Beziehungskrise in die Arbeit? Es dürfte deutlich sein: Je nachdem führen ganz andere Schritte weiter.

Die gleiche Ausgangslage kann zudem unterschiedlich wahrgenommen werden. Während die eine Person bei einer Kündigung mutlos wird oder über den Arbeitsmarkt schimpft, sieht die andere darin eine Möglichkeit, die Weichen neu zu stellen. Es sind nicht Herzinfarkt, Scheidung oder Arbeitsüberlastung, die bestimmen, wie man diesen Situationen begegnet. Es sind die eigenen Sicht- und Denkweisen. Daher ist es wichtig zu realisieren, welche Haltung man gegenüber einer Situation einnimmt, worauf die Aufmerksamkeit liegt, welche Anschauungen, Überzeugungen, Gefühle dominant sind und ob diese befähigen, Möglichkeiten zu erkennen, Ideen zu entwickeln und produktiv zu handeln. Die gute Nachricht: Sicht- und Denkweisen können geändert werden! Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, Situationen zu begegnen. Wer sich z. B. als Opfer der Umstände sieht, kann ab heute eine neue Haltung einüben, etwa: »Ich habe nicht immer in der Hand, was mir widerfährt. Aber ich habe es in der Hand, wie ich den Umständen begegne. Ich fokussiere jetzt darauf, was ich tun kann, um vorwärtszukommen.« Wenn Sicht- und Denkweisen unproduktiv sind, ist zu erkunden: Welche anderen Sicht- und Denkweisen sind hier hilfreich und motivierend?

Genau hinschauen fällt nicht immer leicht. Es kann ungewohnt, unangenehm, konfrontierend sein. Doch wer sich z. B. der Auseinandersetzung mit einer Krankheitsdiagnose stellt, wird feststellen, dass Wissen befähigt, angemessen vorzugehen. Wer in einer chaotischen Situation innehält, statt irgendwie weiterzumachen, kann umso gezielter handeln. Wer Mut und langen Atem aufbringt, förderliche Wahrnehmungen einzuüben, wird belohnt: Statt sich etwa mental endlos um Probleme zu drehen, kann Zeit und Energie für neue Ziele genutzt werden. Statt sich zu bemitleiden oder Schuldige zu suchen, ermöglichen neue, praxisorientierte Ideen, zu handeln.

Wer sich Zeit nimmt, in Veränderungssituationen Überblick zu schaffen und Klarheit zu gewinnen, und sich nicht scheut, die eigene Haltung kritisch unter die Lupe zu nehmen, kann effektiv handeln.

In Abbildung 1 finden Sie eine kleine Checkliste zu dieser Schlüsseldimension erfolgreichen Umgangs mit Veränderung.

Bereitschaft, genau hinzuschauen: Was ist hier los?

  • Fakten erkunden: Wie / wo ist für mich Veränderung jetzt ein Thema? Wie ist es dazu gekommen? Was / wer ist beteiligt? Wie bin ich selber beteiligt?
  • Wahrnehmung erkunden: Welche Haltung nehme ich dieser Situation gegenüber ein? Sind meine Anschauungen motivierend und hilfreich? Oder sind sie das nicht? Welche Sicht- und Denkweisen ermöglichen mir, produktiv zu handeln?
  • Worum geht es jetzt im Kern? Wo will / muss ich ansetzen?
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Erfolgreich verändern kann weiter, wer motivierende Perspektiven entwickelt und sich bewusst entscheidet, in diese Richtung aufzubrechen.

Um motiviert und erfolgreich Veränderung angehen zu können, braucht es Perspektiven, die für einen attraktiv sind, einem entsprechen und für die man sich einsetzen will und auch kann. Wie soll man die Energie mobilisieren, die jede Veränderung erfordert, wenn es keine solchen Perspektiven gibt? Wer steht schon früh auf, wenn es nichts gibt, wozu sich das lohnt? Wer nach einem Herzinfarkt Fitnesstraining machen muss, wird dies nur mit Widerwillen absolvieren, wenn es keine Idee gibt, was damit gewonnen wird. Beispielsweise, mit dem Enkel wieder Fußball spielen zu können, was einem immer so viel Freude gemacht hat.

Ich nenne diese Perspektiven »motivierender Horizont«. Ein solcher Horizont kann sich auf einen Lebenstraum beziehen, etwa ein Hobby zum Beruf zu machen. Er kann sich auf Vorstellungen von Lebensqualität beziehen, etwa darauf, was mit und trotz einer Krankheit das Leben sinnvoll und lebenswert bleiben lässt. Ein motivierender Horizont kann sich auf etwas beziehen, das einem hilft, eine schwierige Phase durchzustehen. So ist der motivierende Horizont einer Bäuerin, die nach einem Hirnschlag ein anstrengendes Training durchlaufen muss, wieder Auto fahren zu können. Das ist für sie als Bäuerin wichtig und zudem verbunden mit dem Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Ein motivierender Horizont kann sich auch auf kurze Zeiträume beziehen: »Wie müsste der heutige Tag aussehen, dass ich am Abend sagen kann: ›Es war ein guter Tag!‹?« Die Antwort wäre z. B., sich mitten im Umsetzen von Veränderungsschritten Zeit zu nehmen, im Lieblingsstraßencafé in der Nachmittagssonne einen Kaffee zu genießen. Ein motivierender Horizont liegt oft näher, als man denkt.

Doch es braucht auch die bewusste Entscheidung, in Richtung dieses Horizonts Schritte zu unternehmen. Mit dem inneren Bild einer glücklichen Partnerschaft etwa ist diese noch nicht Realität. Obwohl sich der Traumprinz nicht herbeizaubern lässt, gilt es, die Regie zu übernehmen und aktiv dazu beizutragen, dass ein Leben Form annehmen kann, in dem man sich glücklich fühlt; der beste Boden, auf dem sich auch eine glückliche Partnerschaft ergibt. Das beinhaltet etwa: Keine falschen Kompromisse eingehen, auch wenn man allenfalls länger Single bleibt, kein Selbstmitleid pflegen, die eigenen Stärken zum Ausdruck bringen, Interessen und Freundschaften pflegen usw. sowie bei allem offen bleiben; oft lässt einen das Leben auf überraschende Weise erreichen, was man sich wünscht.

Wer in Veränderungssituationen Entschlossenheit und Mut aufbringt, selbstverantwortlich in Richtung eines motivierenden Horizonts Schritte umzusetzen, kann motiviert und fokussiert handeln und wird in Richtung seines Horizontes vorwärtskommen. Wer Kurs nimmt nach Norden, erreicht zu gegebener Zeit den Nordpol bzw. nähert sich diesem an. Auch wenn es unterwegs Hindernisse und Durststrecken geben mag, Kurskorrekturen nötig sein können.

In Abbildung 2 finden Sie eine kleine Checkliste zu dieser Schlüsseldimension erfolgreichen Umgangs mit Veränderung.

Entschlossenheit & Mut, vorwärts zu gehen: Wo will ich hin?

  • Einen motivierenden Horizont entwickeln: Was sind (neue) Perspektiven, die mich motivieren, mir entsprechen und es sinnvoll machen, vorwärtszugehen?
  • Selbstverantwortlich entscheiden und ins Handeln kommen: Was sind Möglichkeiten, um in diese Richtung vorwärtszugehen? Zu welchen Schritten entscheide ich mich? Wie beginne ich?
  • Was will und kann ich hier tun?
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Erfolgreich neu anfangen kann schließlich, wer das Vertrauen aufbaut, dass es immer wieder Möglichkeiten und Lösungen gibt und dass man aktiv zum positiven Verlauf der Dinge beitragen kann, ohne Resultate erzwingen zu wollen.

Veränderung beinhaltet immer Risiko und Ungewissheit: Werde ich innerhalb einer vertretbaren Frist eine interessante neue Stelle finden? Wird das Zusammenziehen mit meinem Partner gut gehen? Werde ich es schaffen, nach der Trennung ein gutes neues Leben aufzubauen? Werde ich es vielleicht einmal bereuen, wenn ich jetzt die vertraute Wohnumgebung, in der ich mich wohlgefühlt habe, verlasse für die größere Wohnung? Werde ich es schaffen, trotz dieser Krankheit Lebensqualität zu erfahren? Jede Veränderung erfordert das Vertrauen, dass das, worauf ich mich jetzt einlasse, zu positiven Resultaten führen wird, auch wenn diese zu einem anderen Zeitpunkt eintreffen und anders ausfallen mögen, als ich es mir jetzt vorstelle und wünsche.

Wie lässt sich Vertrauen aufbauen? Ist dies überhaupt möglich? Kann man vertrauen lernen? Ja. Nicht, indem man sich anstrengt »Ich muss vertrauen«. Das wird kaum funktionieren. Vertrauen lässt sich nicht erzwingen. Aber es gibt ganz konkrete Schritte, womit man Vertrauen aktiv fördern kann. Die wichtigsten:

  • Bewusster Umgang mit Angst: Veränderung erfolgreich angehen bedeutet nicht, keine Angst zu haben. Veränderung erfolgreich angehen bedeutet, der Angst keine Macht über das Handeln zu geben. Wenn ich Angst vor den Risiken einer Trennung habe, brauche ich nicht in der frustrierenden Partnerschaft zu verharren. Nützlicher ist es, diese Angst unter die Lupe zu nehmen, sich mit den »Worst- case«-Situationen zu beschäftigen, Ideen zu sammeln, wie man dann vorgehen kann. Wer dann Veränderung wagt, wird dies nicht nur bewusster und entschlossener tun, sondern auch das Vertrauen aufbauen, dass man der Angst produktiv begegnen kann und so frei wird für entschlossenes Handeln.
  • Offen bleiben für das, was unterwegs geschieht: Wer offen ist, erfährt, dass sich immer wieder Ideen, Möglichkeiten und Lösungen ergeben, oft unerwartet. Dies stärkt das Vertrauen, dass man nicht alles »machen« und Resultate schon kennen muss und doch – oder gerade so – erfolgreich ist. So kann etwa Offenheit für den Tipp des Nachbarn, dass eine Stelle frei wird in einer interessanten Firma, der Anfang einer erfreulichen Wende in der beruflichen Laufbahn sein.
  • Positive Erfahrungen wahrnehmen und wertschätzen: Wer auf dem Weg in Richtung motivierender Perspektiven Fortschritt und Erfolgserlebnisse sieht und sich daran freuen kann, stärkt das Vertrauen, dass entschlossene Schritte in die richtige Richtung tatsächlich vorwärtskommen lassen. Wer sich bei einer Diät über eine erreichte Zwischenetappe freuen kann und sich dafür etwa mit einem schönen Kleidungsstück belohnt, aktiviert positive Gefühle, neue Motivation und Vertrauen, das Ziel zu erreichen.
  • Negative Erfahrungen zum Anlass nehmen, erneut genau hinzuschauen: Enttäuschungen, Rückfälle und Komplikationen lassen sich nicht ausschließen. Dass man nach x Absagen bei der Stellensuche enttäuscht ist und vielleicht auch zweifelt, ist verständlich. Wer dann überprüft, ob etwas am Vorgehen verbessert werden kann oder ob alles im grünen Bereich ist, und es darum geht, hilfreiche Strategien fürs Dranbleiben zu entwickeln und allenfalls auch Alternativen in den Blick zu nehmen, wird nicht nur angemessen handeln können, sondern auch erfahren, Schwieriges zu bewältigen. Dies stärkt Vertrauen.

Wer dies in den Umgang mit Veränderung einbezieht, wird sehen, dass durch die damit gemachten Erfahrungen Vertrauen ins Gelingen wächst und dies ermöglicht, stets gelöster und flotter zu handeln.

In Abbildung 3 finden Sie eine kleine Checkliste zu dieser Schlüsseldimension erfolgreichen Umgangs mit Veränderung.

Vertrauen, »anzukommen«: Mit welchen Schritten stärke ich Vertrauen ins Gelingen?

  • Bin ich offen für Ideen, Möglichkeiten und Lösungen?
  • Wie gehe ich mit Angst, Unsicherheit, Risiko um?
  • Sehe und schätze ich positive Erfahrungen, Erfolgserlebnisse, Fortschritt – auch wenn diese unscheinbar sind?
  • Nehme ich negative Erfahrungen, Misserfolge und Durststrecken zum Anlass, erneut genau hinzuschauen?
  • Wie trage ich dazu bei, dass Vertrauen wachsen kann?
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Menschen, die erfolgreich Veränderung angehen, werden auch mit Schwierigem konfrontiert, verlieren etwa die Stelle, müssen eine Trennung verarbeiten oder werden krank. Auch diese Menschen durchleben Momente, in denen sie sich mies fühlen, traurig sind oder nicht wissen, wie weiter. Doch sie finden immer wieder den Dreh, weil sie diese drei Dimensionen berücksichtigen: Sie setzen sich mit Schwierigem auseinander und richten dennoch rasch den Blick auf neue Möglichkeiten und Lösungen. Sie fokussieren entschlossen auf Lebensqualität, entwickeln einen »motivierenden Horizont« und haben nicht nur den Mut zum eigenen Weg, sondern übernehmen auch die Verantwortung dafür und werden aktiv. Sie folgen dem Sprichwort: »Ich kann den Wind nicht bestimmen. Aber ich kann bestimmen, wie ich die Segel setze.«

In den »Veränderungskreis« finden

Wo diese Schlüsseldimensionen erfolgreichen Umgangs mit Veränderung kontinuierlich in die eigene Situation übertragen werden, wird es zu Erfolgserlebnissen und erfreulichen Wendungen kommen. Dies wiederum fördert erneut Bereitschaft, Entschlossenheit & Mut und Vertrauen. Es setzt ein nicht endender positiver Kreislauf ein. Ich nenne diesen positiven Kreislauf »Veränderungskreis« ©.

Wer genau hinschaut, wird erfahren, dass dies zu Erkenntnissen führt und Ansatzpunkte fürs Handeln erschließt. Das motiviert, bei Bedarf erneut genau hinzuschauen. Mit der Zeit und mit Übung wird man immer natürlicher genau hinschauen und stets rascher Überblick und Klarheit gewinnen, wo jeweils am besten anzusetzen ist. Damit kann man zugleich stets besser effektiv handeln.

Wer einen »motivierenden Horizont« entwickelt, wird erfahren, dass dies Energie freisetzt, Prioritäten deutlich macht und dem Handeln nicht nur Richtung, sondern auch Sinn verleiht. Das ermutigt, die Regie im eigenen Leben zu übernehmen und selbstverantwortlich zu handeln. Wer dies auch tut, wird stets selbstverständlicher Schritte umsetzen, die zu einem passen, hinter denen man steht, und erfahren, dass dies zu positiven Resultaten führt. Dies stärkt zugleich zunehmend das Vertrauen, dass es möglich ist, den Gang der Dinge zu beeinflussen und Wichtiges im Leben zu erreichen.

Wer sich darin übt, offen zu bleiben sowie Erreichtes wahrzunehmen und zu schätzen, wird erfahren, dass sich so wichtige Informationen fürs Weitergehen erschließen und dass es immer wieder und oft unerwartet zu Ideen, neuen Möglichkeiten und guten Lösungen kommt. Das stärkt das Vertrauen ins Gelingen und motiviert, sich weiter darin zu üben, entschlossen zu handeln, ohne Resultate erzwingen zu wollen, oder bei Hindernissen den Mut zu verlieren. Damit kann man stets gelöster und offener vorwärtsgehen und wird gerade so immer öfter positive Resultate erzielen. Dies wiederum bestärkt, den »Veränderungskreis« stets selbstverständlicher zu durchlaufen.

Ist man einmal im »Veränderungskreis« unterwegs, wird dies motivieren, gemachte Erfahrungen auf weitere Bereiche zu übertragen. Wer z. B. einmal erfahren hat, unter Berücksichtigung dieser drei Dimensionen eine berufliche Krise zu bewältigen, kann auf diese Erfahrung zurückgreifen, etwa wenn eine Krankheit herausfordert.

So wird das Durchlaufen dieses Kreises zunehmend die Lebensgestaltung prägen und in einem nicht endenden Prozess kontinuierlich in Situationen führen, die von (mehr) Lebensqualität geprägt sind. Es wird langsam Teil der eigenen Persönlichkeit und »empowert« strukturell, erfolgreich mit Veränderung umzugehen.

Den »Veränderungskreis« wird jeder intuitiv begreifen. Personen, die sich vertieft mit den drei Schlüsseldimensionen dieses Kreises beschäftigen wollen, finden in meinem Buch »Neuanfänge – Veränderung wagen und gewinnen« weitere Informationen und Anregungen für die praktische Umsetzung.

»Stolpersteine« (er)kennen

Manche Menschen kommen intuitiv in den »Veränderungskreis«: Sie richten sich von Natur aus auf neue Möglichkeiten aus und haben Perspektiven, für die sie sich einsetzen wollen. Sie rappeln sich nach negativen Erfahrungen wieder auf, freuen sich an Erfolgserlebnissen und schöpfen daraus Kraft und Vertrauen fürs Weitergehen.

Doch bei vielen Menschen erfolgt dies nicht automatisch. Sie kommen nicht ohne Weiteres in diesen Prozess. Sie sind sich der entscheidenden Faktoren nicht bewusst. Oder es treten unterwegs Hindernisse auf, und sie bleiben stecken, geben vielleicht auf.

In der Praxis des alltäglichen Umgangs mit Veränderung gibt es immer wieder Stolpersteine, die es erschweren oder verhindern, den »Veränderungskreis« zu durchlaufen. Der damit verbundene Prozess kommt nicht in Schwung oder wird vorzeitig abgebrochen. Wenn in diesem Buch die neun häufigsten Stolpersteine beschrieben werden, so soll dies dazu beitragen, auch dann im »Veränderungskreis« vorwärtszukommen, wenn sich unterwegs Hindernisse in den Weg stellen.

Wir alle werden im Umgang mit Veränderung früher oder später und wiederholt mit einigen dieser Stolpersteine konfrontiert. Dieses Buch ist als »Praxisbuch« gemeint für Menschen, die üben wollen, diese Hindernisse und Blockaden zu erkennen und zu beseitigen. Das Buch kann gelesen werden ohne detaillierte Vorkenntnis des »Veränderungskreises«. Beides ist möglich: Wer den »Veränderungskreis« kennt, versteht und in die eigene Situation »übersetzt«, sorgt präventiv dafür, es mit weniger Hindernissen zu tun zu bekommen. Und umgekehrt: Wer sich mit Stolpersteinen auseinandersetzt, findet in den »Veränderungskreis« und übt, diesen immer selbstverständlicher zu durchlaufen.

Teil I: Die Kunst des (Neu-)Anfangens:
Alles beginnt mit genau hinschauen

Manchmal wird bereits das »Anfangen« zu einem Stolperstein in einem Veränderungsprozess. Wie sich dies äußern kann und wie es auch dann möglich ist, auf gute Weise den (Neu-)Anfang zu finden, erfahren Sie in den folgenden drei Kapiteln.

1 »Wo fange ich hier nur an?!«

Bei zu vielen »Baustellen« einen guten Anfang finden

»Bist du in Eile, so geh langsam.«

Chinesisches Sprichwort

In diesem Kapitel geht es um Veränderungssituationen, die unübersichtlich sind und bei denen unklar ist, wo man am besten beginnt. Etwa, weil so vieles gleichzeitig ansteht, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht.

Je anspruchsvoller die Situation ist, desto wichtiger ist es, einen klaren Kopf zu bewahren und sich ans oben zitierte Sprichwort zu halten: »Bist du in Eile, so geh langsam.«

Doch wie kommt man zu einem »klaren Kopf«, wenn dieser so voll ist, wenn man von Herausforderungen überrollt wird und Handlungsbedarf besteht? Im Kern geht es darum, erst einmal nichts zu tun! Bzw. mental in einen Helikopter zu steigen und sich die Situation genau anzuschauen: Was ist hier eigentlich los? Und was ist jetzt in welcher Reihenfolge wichtig? Das schafft Überblick und fördert Ruhe im Kopf. So können Ideen entstehen, wo anzufangen ist. Dieses Kapitel handelt davon, wie dies gelingt.

»Wo fange ich hier nur an?!«