cover
cover

Für Barbara Ruth, Annemarie, Ursula und Corina

INHALT

Vorwort
Kapitel 1:Sehnsucht nach echtem Leben und Sinn
Kapitel 2:Sich für den Heiligen Geist öffnen
Kapitel 3:Bei Gott und bei mir selbst zu Hause sein
Kapitel 4:Glück und Gnade verstehen
Kapitel 5:Von den Heiligen lernen – Ausstrahlung gewinnen
Kapitel 6:Entscheiden, wem ich diene
Kapitel 7:Gott ein Gegenüber werden
Kapitel 8:Meine Berufung entdecken
Kapitel 9:Täglich von Jesus lernen
Kapitel 10:Klären, was ich wirklich will
Kapitel 11:Sich an Gott und am Leben freuen
Kapitel 12:Durch »Sterben« zum Leben kommen
Kapitel 13:Dem Weg des Lebens folgen
Kapitel 14:Dranbleiben
Fragen zur persönlichen Vertiefung
Dank
Anmerkungen

Vorwort

Mit wenigen Personen außerhalb meiner Familie hatte ich in den dreißig Jahren, seit ich Peter Höhn kenne, so viele fruchtbare Gespräche über grundsätzliche Fragen des Glaubens und Lebens. Oft dachte ich dabei, wenn doch nur mehr Menschen von Peters tiefer Kenntnis der Bibel und seinem Streben nach dem Echten und Wahrhaftigen profitieren könnten! Wiederholt bin ich ihm in den Ohren gelegen, er sollte seine wichtigsten Erkenntnisse in einem Buch zusammenfassen, um Anstöße zu geben, wie man vom Gemachten, Aufgesetzten zum Echten und Tragenden durchdringen kann. Häufig haben wir uns miteinander ausgetauscht, wie eine tiefe Herzensbeziehung mit Gott gewonnen und vertieft werden kann und wie wir uns lösen können von den unseligen Treibern in unserem Leben, auch den ganz frommen!

In der Leitung unseres Missionswerkes Campus für Christus in der Schweiz war Peter für mich über all die Jahre eine große Unterstützung. Als Mitglied des Leitungsteams hat er uns von der Bibel her ermutigt, auf die feine Stimme Gottes in unserem Herzen zu hören und mutig anzupacken, wenn Gott einen Auftrag zu einer Sache gegeben hat, aber auch abzuwarten, wenn wir noch kein grünes Licht von oben erhalten hatten. Peter hat die Gabe des Lehrens in großem Maße. Aber diese Gabe wird erst richtig fruchtbar durch sein Bestreben, ein authentisches, Gott wohlgefälliges Leben zu leben, in stetiger Abhängigkeit vom Heiligen Geist, der uns allein das Wort Gottes öffnen und auslegen kann.

Es gibt viele Lehrer im Reich Gottes, aber es gibt nur wenige, die zuerst ihre Knie beugen vor Gott und seinem Wort, bevor sie es für ihre Mitmenschen auslegen. Und Peter ist so eine Person. Sehr eindrücklich für mich war, wie er vor Jahren seinen Sabbaturlaub, der Mitarbeitenden von Campus für Christus alle zehn Jahre zusteht, dazu benutzte, um intensiv die Bibel zu studieren, und wie er anschließend einiges Gelernte an die Mitarbeiter un seres Missionswerks weitergab. Gott benutzte dies zu einer tief greifenden Erneuerung der Mitarbeiterschaft.

Peter ist eine wandelnde Konkordanz. Er weiß, wo welches Bibelwort zu finden ist. Viel wichtiger dünkt mich jedoch seine Fähigkeit, den Sinn der Bibelverse vom Ursinn des Wortes und vom biblischen und historischen Kontext her aufzuschließen. Dabei kommt ihm sein lebenslanges Streben nach einer authentischen Jesus-Nachfolge sehr zugute, weiß er doch tiefe biblische Wahrheiten mit persönlicher Erfahrung zu kombinieren und so verständlich und umsetzbar zu machen.

Das vorliegende Buch ist insofern autobiografisch geschrieben, als dass es uns Leser einbezieht in Peters persönliche Entwicklung mit Gott und seinen Nächsten. Deshalb ist es auch für Nichttheologen sehr verständlich. Ich wünsche dem Buch eine große Leserschaft. Keinen Leser, keine Leserin mit einem Verlangen nach einer herzhaften, lebendigen Gottesbeziehung und nach einem fruchtbaren Dienst wird dieses Buch unberührt lassen. Dabei ist vieles, was Peter Höhn mit uns teilt, gar nicht so neu. Aber vielen Lesern wird es wie mir gehen, dass sie beim Lesen manch überraschende Aha-Erlebnisse haben und einen Hunger bekommen, die eigene Verbundenheit mit dem lebendigen Gott zu erneuern und zu vertiefen.

Hanspeter Nüesch, Leiter von Campus für Christus Schweiz

Kapitel 1

Sehnsucht nach echtem Leben und Sinn

Was bringt’s? Was soll’s?« sind wohl die häufigsten Fragen, die ich in meinem Leben mit mir rumgetragen und anderen Leuten gestellt habe: sei es früher in der Schule, später im Beruf, in Beziehungen, im Urlaub und in der Freizeit, ja sogar im Zusammenhang mit meinem Glauben an Gott.

Manchmal klang mein Fragen zynisch, häufig ratlos, aber immer war es Ausdruck tiefster Sehnsucht nach Leben und Sinn. Was früher erst ein dumpfes Gefühl war, ist im Lauf der Jahre zur erschreckenden Einsicht gereift: Ich kann mir selbst kein Leben verschaffen. Ich habe und kann zwar vieles: Ich bin gesund und funktioniere ziemlich gut. Ich bin mit meiner fantastischen Gefährtin Barbara gesegnet, die mir mit ihrer Frohnatur auch nach 32 Jahren eine tägliche Quelle der Freude ist. Ich habe drei wunderbare Töchter, eine Arbeitsstelle und gute Freunde; materiell fehlt es mir an nichts und ich darf in einem der schönsten Länder der Welt zu Hause sein – aber selbst all das kann mir weder Leben vermitteln, noch kann ich es selbst mit Leben füllen! Ich kann mein Leben würzen mit schönen Dingen, Abwechslung, Amüsement und Adrenalinkicks, aber echtes Leben und Sinn kann ich ihm nicht verleihen.

Das ist es wohl, was ich intuitiv schon in frühen Jahren spürte und später klar erkannte: Leben und Sinn kann ich mir weder ausdenken noch machen, weder kaufen noch verdienen. Ich kann es mir nur schenken lassen – vom Ursprung und Schöpfer des Lebens, von Gott selbst. Die Sehnsucht nach Leben und Sinn hat mich denn auch wie nichts anderes dazu getrieben, Gott zu suchen. Ein Durchbruch war, als ich mit 22 Jahren begriff, welche Schlüsselrolle Jesus Christus dabei spielt, von dem die Bibel sagt, dass wir im Glauben Leben haben in seinem Namen (Johannes 20,31). Ich habe diesen Glauben angenommen und folge Christus seither mit Freude und Überzeugung nach.

Allerdings musste ich mit den Jahren feststellen: Auch meinen Glauben kann ich nicht mit Leben füllen! Da gibt es zwar viel Schönes und Sinnvolles, aber auch vieles, das sozusagen »nicht lebt«: Es gibt viel Aufgesetztes und Halbherziges, das ich tue, viel Gesetzliches und Religiöses, viel Gemachtes und Nachgemachtes, und es gibt auch mühsame und beschämende Seiten, die ich nicht nur vor anderen Menschen, sondern auch vor Gott lieber verdränge.

Ein Samstagmorgen ist mir in besonderer Erinnerung, an dem mir all das in heilsamer Weise gespiegelt wurde. Ich war früh aufgestanden, um die Bibel zu lesen und zu beten, während meine Frau Barbara friedlich ausschlief. Wir waren damals seit gut einem Jahr im vollzeitlichen Dienst bei Campus für Christus,1 und ich hätte es schon lange gerne gesehen, wenn meine Liebste ein bisschen mehr Geistlichkeit gezeigt und sich mehr Zeit für die Bibel und das Gebet genommen hätte. Kein Wunder, dass wir nicht mehr mit Gott erlebten! Doch Barbara schien nicht im Sinn zu haben, meinen Erwartungen zu genügen. Um neun Uhr hörte ich sie aufstehen und fröhlich die Kinder begrüßen. Ein vergnügter Lärm erfüllte das Haus. Frustriert kroch ich aus meinem Zimmer. Nun wurde auch ich freundlich zum neuen Tag begrüßt. Ich war irritiert. Auf einmal wurde mir bewusst: Ich bin nach eineinhalb Stunden Bibellesen und Gebet mürrisch und verdrossen, während Barbara ohne ihre Stille Zeit und mit Ausschlafen fröhlich und herzlich den neuen Tag anlacht. Da konnte doch irgendetwas nicht stimmen, aber wohl nicht bei meiner Frau, sondern eher bei mir! Wenn meine Frömmigkeit dazu führt, dass ich meinen Nächsten gegenüber mürrisch und verdrossen bin, dann ist mit meinem Glauben etwas auf dramatische Weise nicht in Ordnung.

In die Schule des Herzens eintreten

Dieser Samstagmorgen hat eine Weiche gestellt. Von da an habe ich Barbara fröhlich ausschlafen lassen und stattdessen mein ei genes Leben und meinen Glauben unter die Lupe genommen. Ich fing an zu begreifen, dass Gott meine Sehnsucht nach Leben und Sinn wirklich ernst nimmt, aber dass er dafür den Hebel ganz woanders ansetzt, als ich dachte, nämlich bei meinem Innenleben. Dass er sich mit den Dingen befassen will, die mich vom Leben abschneiden: mit meinem mürrischen und grüblerischen Wesen, mit meinen verwirrten Gefühlen, mit meinen inneren Treibern und Motiven, wie etwa meinen Minderwertigkeitsgefühlen und der daraus folgenden Gefallsucht, aber auch mit meinen Ängsten und Abgründen. Gott forderte mich gleichsam auf, zu ihm in die Schule des Herzens zu kommen, um von Grund auf leben zu lernen und ihm zu vertrauen, dass er mir die Sättigung, das Leben und den Sinn erschließen wird, so wie ich es brauche. Ich habe mich auf diesen Weg gemacht und staune, welche Welt sich mir aufgetan hat.

In dieser Schule des Herzens orientiere ich mich an zwei zentralen Bibelworten; das erste ist der Rat: Mehr als alles, was man sonst bewahrt, behüte dein Herz! Denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens (Sprüche 4,23). Das sagt mir: Ich kann mein Aussehen, meine Figur, meinen guten Ruf, meinen Stolz, mein Image, meine Karriere, mein Konto und noch vieles gut behüten. Aber will ich die Bestimmung meines Lebens in dieser Welt erfüllen, dann muss ich mehr als alles andere mein Herz behüten. Von dort aus fließt das echte Leben; und wenn ich mein Herz verschließe, unterdrücke, verstecke, wird das Leben, das Gott mir geben will, nicht recht zum Durchbruch und zum Fließen kommen.

Das zweite Bibelwort, das mich begleitet, kommt aus der Einsicht, dass ich mein Herz nicht alleine »bewahren« und behüten kann, sondern genau dazu Gott brauche. Psalm 16,11 (HFA) versichert mir seine Hilfe: Du zeigst mir den Weg, der zum Leben führt.

Ich mache die Erfahrung, dass Gott dieses Versprechen hält und mir Stück für Stück zeigt, wie ich lernen kann zu leben. Aber mir fällt auf, dass es selten um die Frage geht: Was könnte ich noch Großartiges oder Nützliches tun? Eher geht es um solche Dinge: Wie komme ich als der, der ich bin, zum Leben? Wie kann ich authentisch sein und so andere »beleben«? Wie kann ich dazu beitragen, dass Menschen zum Blühen, Wachsen und Reifen kommen und selbst wieder Leben vermitteln als die, die sie sind?

Mein Glaube und mein Beten haben sich immer mehr gewandelt und sind zu einem spannenden und intensiven Dialog mit Gott über das Leben geworden. In allen Dingen dem Leben nachzuspüren und Leben zu finden, ist für mich heute die Motivation zum Gebet schlechthin: Für mich ist Gebet das Herzensgespräch mit Jesus auf dem Weg zum Leben. Seit ich in dieser Art mit ihm über das Leben rede und gut hinhöre, was sein Wort zur Stunde ist, erfahre ich, wie Ängste vor Gott und vor Menschen verschwinden, wie Klarheit in mein Denken und Freimut in mein Reden kommt, wie Herzenswünsche in Erfüllung gehen, wie ich schwierige Situationen mit Mitarbeitern und Vorgesetzten meistern kann, wie ich meine Frau besser verstehen und lieben kann. Und es geschieht das, wonach ich mich immer gesehnt habe: Ich kann endlich als der, der ich bin, leben. Deswegen kann ich heute sagen: Ich bin, weil ich bete. Und: Ich bete, also bin ich.

In dieser Weise mit Jesus unterwegs zu sein und dem echten Leben nachzuspüren, ist zu meiner Leidenschaft geworden, die mich auch im Begleiten und Beraten anderer Menschen prägt und motiviert. Ich freue mich an nichts anderem so, wie wenn andere Menschen den Zugang zu ihrem eigenen Herzen finden; wenn sie Jesus in ihrem eigenen Herzen begegnen lernen und entdecken, wie er ihnen in allen Dingen den Weg zeigt, der zum Leben führt. Und besonders freue ich mich, wenn ich etwas davon miterlebe, dass immer mehr das Beste aus ihrem Leben herausfließt: Ströme lebendigen Wassers!

Den Dialog mit Gott lernen

Die Frage ist nur: Wie führen wir ganz praktisch diesen Dialog mit Gott? Wie redet er zu uns und wie hören wir seine Stimme? Vielleicht haben wir beim Gedanken, mit Jesus so offen ins Gespräch zu kommen, gewisse Vorbehalte. Vielleicht ist uns der Gedanke fremd, dass Gott redet. Vielleicht haben wir schlechte Erfahrungen gemacht. Oder wir haben versucht, auf seine Stimme zu hören, aber alles blieb still. Fest steht: Die Bibel ist voller Verheißungen, dass Gott redet und dass er uns antwortet, wenn wir ihn fragen. Dazu nur drei Beispiele:

•  Ich suchte den HERRN, und er antwortete mir; und aus allen meinen Ängsten rettete er mich (Psalm 34,5).

•  Ich bin der HERR, dein Gott, der dich lehrt zu deinem Nutzen, der dich leitet auf dem Weg, den du gehen sollst (Jesaja 48,17).

•  Jesus spricht: »Meine Schafe hören meine Stimme« (Johannes 10,27).

Wie wir diesen Dialog mit Gott, insbesondere das Hören auf sein Reden, lernen und üben können, möchte ich in den folgenden Kapiteln weiter entfalten. Hier erst mal einige Hinweise, die uns helfen, das »Hören auf Gott« etwas aus dem mystischen Nebel zu holen und auf den Boden unserer täglichen Wirklichkeit zu bringen.

Wir müssen vertrauen, dass Gott antwortet

Fragen wir Gott aufrichtig, so versprechen uns die oben genannten Verse, dass er uns antworten wird. Doch wie erhalten wir Antwort? Einen hilfreichen Hinweis dazu gibt uns Psalm 138,3: An dem Tag, da ich rief, antwortetest du mir. Du vermehrtest mir in meiner Seele die Kraft.

Als Erstes lernen wir aus diesem Psalmvers: Es gilt zu vertrauen, dass Gott antwortet, wenn wir rufen, aber wir müssen zuerst rufen, bevor er antwortet. Wir sind herausgefordert zu vertrauen, dass unser »Rufen« wirklich einen Unterschied bewirkt und eine Antwort bringt, die weiterhilft, eine Lösung, auf die wir nicht gekommen wären, hätten wir nicht gebetet. So wie es in Hebräer 11,6 heißt: … wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner sein wird. Gott glauben heißt nichts anderes als Gott vertrauen – und zwar dass er da ist und es hört, wenn wir beten, und dass er unser Gebet belohnen wird.

Genau damit tun wir uns aber häufig schwer. Wir sind darauf fixiert, in welcher Art und Weise Gott antworten müsste. Oder wir befürchten, seine Antwort werde uns nicht in den Kram passen (deswegen fragen wir ihn lieber erst gar nicht). Oder wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass Gott uns etwas mitteilen könnte, was wir nicht eh schon gewusst oder befürchtet haben. Natürlich ist Gott kein Automat, der alle unsere Wünsche erfüllt, wenn wir nur genügend lange und richtig beten würden. Aber, und darauf gilt es zu vertrauen: Er wird uns belohnen, er wird uns in unserer Seele stärken und einen Schritt weiter auf dem Weg zum Leben führen, wenn wir ihn im Gebet suchen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mein Wissen, »wie’s ginge, wenn’s ginge«, zurückstellen muss, bevor ich Gott ein Problem oder eine Frage vorlege. Ansonsten stehe ich mir nur selbst im Weg.

Wir müssen uns bei Gott aussprechen

Darüber hinaus ist es für uns wichtig, dieses Rufen zu Gott, nämlich unseren Glauben, ganz schlicht und einfach zum Ausdruck zu bringen. Rufen zu Gott und »Glauben« ist im Grunde ein und dasselbe! Psalm 116,10 sagt, dass sich das Wesen des Glaubens genau in diesem Rufen zu Gott erweist: Ich habe geglaubt, darum kann ich sagen: »Ich bin sehr gebeugt gewesen!« Dieses Wort finden wir als Zitat auch im Neuen Testament; hier schreibt Paulus im 2. Korintherbrief 4,13 etwas verschachtelt: Da wir aber denselben Geist des Glaubens haben – nach dem, was geschrieben steht: »Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet« –, so glauben auch wir, darum reden wir auch.

Was ist nun damit gemeint? Es bedeutet ganz einfach: Der Glaube redet. Der Glaube bleibt nicht stumm. Wer glaubt, spricht sich aus – und zwar bei Gott. Glauben heißt, Gott einfach mitzuteilen, in welcher Weise ich sehr gebeugt bin. Für mich ist das eine extrem entlastende Botschaft! Ich muss mich vor Gott nicht stark und triumphalistisch gebärden. Ich muss nicht »Glauben demonstrieren«, sondern mich nur mit dem Herrn aussprechen. Glaube heißt: zu Jesus kommen, ihm mein Herz ausschütten und ihm sagen, was mich plagt, aufwühlt oder umtreibt. Mehr muss ich nicht tun, aber das kann und soll ich tun. Es wird ein Unterschied sein, ob ich es für mich behalte bzw. anderen Menschen klage oder ob ich es Jesus erzähle! Und habe ich Letzteres getan, werde ich erleben, wie daraus plötzlich eine überraschende Lösung entsteht.

Wir müssen verstehen, wie Gott antwortet

Ein zweiter wichtiger Aspekt, den wir aus Psalm 138,3 lernen, betrifft die Art und Weise, wie Gottes Antwort aussieht: Er vermehrt in unserer Seele die Kraft. Das heißt, Gott antwortet nicht von außen, sondern er lässt die Antwort in unserem Inneren, in unserer Seele entstehen, in unserem Denken, Fühlen und Wollen.

Gott stärkt uns im Denken: Er gibt uns neue Gedanken, Ideen und Einsichten; er lässt uns etwas in den Sinn kommen, das uns für das Leben weiterhilft. Er stärkt uns in den Emotionen: Er gibt uns innere Ruhe, erfüllt uns mit Frieden, gibt uns neue Hoffnung. Er stärkt unseren Willen: Er gibt uns neuen Mut, Entschlossenheit, Willenskraft und, wo es notwendig ist, Gelassenheit und die Tapferkeit loszulassen. In dieser Weise beteiligt uns Gott an der Erhörung unserer Gebete.

Ich erlebe das in der Regel so, dass ich Jesus im Gebet eine Frage oder ein Problem vorlege und bete, dass er zu mir spricht. Ich bitte ihn, dass er meine Gedanken leitet, und achte dann einfach auf das, was mir spontan in den Sinn kommt oder »einfällt«. Das kann ein einzelnes Wort sein oder ein gedanklicher Eindruck, manchmal ein Bibelvers, ein Bild, das vor meinem inneren Auge entsteht, ein Traum, eine bildhafte Erinnerung oder eine Idee.

Zwei Dinge sind dabei wichtig: Erstens, dass ich offen und unbefangen wahrnehme, was in meinen Gedanken lebendig wird, und zweitens, dass ich mit dem, was mir in den Sinn kommt, gleich weiterbete und frage, was Jesus denn damit sagen will. Sonst besteht die Gefahr, dass ich den Eindruck als unwichtig, banal oder selbst gemacht verwerfe.

Nicht immer kommt etwas »spontan« in meinen Sinn, manchmal auch erst nach einiger Zeit, zum Beispiel wenn ich »darüber geschlafen habe«. Entscheidend ist für mich geworden, dass ich zuvor meinen Teil geleistet habe, nämlich Jesus spezifisch wegen dieser Sache anzurufen. Dann habe ich in der überwiegenden Anzahl meiner Anliegen früher oder später einen Gedanken (und auch den zugehörigen Mut) bekommen, der mir wieder einen wichtigen Schritt weitergeholfen hat.

Manchmal scheint Gott auch zu schweigen. Oder wir hören einfach nichts. Das kann verschiedene Gründe haben. Einer ist, dass wir uns noch nie in eine verbindliche Beziehung mit Gott auf der Grundlage der Erlösung durch Jesus Christus eingelassen haben.2 Ein anderer ist, dass Gott uns schon lange etwas gezeigt hat und wir es endlich tun sollten. Ein dritter Grund könnte sein, dass wir uns zuerst in Bewegung setzen sollen, und während wir gehen, spüren wir, wo es langgeht. Ein weiterer Grund, warum Gott schweigt, kann darin liegen, dass er uns die freie Wahl lässt. Gott muss nicht immer mit uns reden, er will es aber vor allem dann tun, wenn es in unserem Inneren rumort und wir am fehlenden Leben leiden.

Wir müssen vertrauen, dass wir Gottes Antwort verstehen

Erfahrungsgemäß machen wir es uns beim Hören auf Gott häufig zu schwer. Dabei ist Gott nicht kompliziert. Wir dürfen davon ausgehen, dass er natürlich redet und so, dass wir es fassen können. Er überfordert uns nicht, sondern begegnet uns da, wo wir auf unserer geistlichen Reise jetzt stehen. Jesus sagte zu seinen Jüngern: Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten (Johannes 16,12-13). Mit anderen Worten: Was Jesus zu jenem Zeitpunkt seinen Jüngern sagen wollte, hat er ihnen gemäß ihrer Möglichkeit, was sie in diesem Moment verstehen konnten, mitgeteilt. Er versicherte ihnen, dass er sie später durch seinen Heiligen Geist weiter Schritt für Schritt in die ganze Wahrheit führen würde. So redet er auch zu uns einfach das, was wir jetzt auf unserem Lebensweg wissen müssen.

Das Hören auf Gottes Stimme ist niemals ein Frage-und-Antwort-Spiel, sondern Leben in einer verbindlichen Beziehung. Wichtig ist, dass wir uns immer wieder mit offenem Herzen, entspannt, ehrlich und lernbereit in diese Beziehung hineingeben und auch da dranbleiben, wo wir (noch) nicht alles verstehen.

Wir müssen die Eindrücke prüfen

Natürlich dürfen wir im Umgang mit dem Hören auf Gottes Stimme experimentierfreudig sein, sollten aber gleichzeitig auf folgende Punkte achten: Das Reden Gottes steht immer im Einklang mit der Bibel (vgl. 2. Timotheus 3,16-17) und mit dem Charakter von Jesus (vgl. Hebräer 1,1-3); es ist verbunden mit Friede und Freude (vgl. Kolosser 3,15; Galater 5,22-23); es ist naheliegend, natürlich, lebensnah und tief in unserem Herzen zu finden (vgl. Römer 10,8); es wirkt aufbauend, ermutigend und tröstend (vgl. 1. Korinther 14,3). Wenn es einem dieser Merkmale zuwiderläuft, ist Vorsicht geboten! Wir sollen und dürfen um ein Wachstum im Hören von Gottes Stimme und in der prophetischen Wahrnehmung beten (vgl. 1. Korinther 14,1-3). Wir sollten aber besonders bei schwerwiegenden Entscheidungen immer offen sein, alles durch zwei oder drei Zeugen (vgl. 2. Korinther 13,1) bestätigen zu lassen, sowie immer alles prüfen und das Gute behalten (vgl. 1. Thessalonicher 5,19-21).

Leben von dem, was Gott in unser Herz hineinspricht

Ich habe weiter oben erwähnt, dass es im Dialog mit Gott überwiegend um unser Innenleben geht. Der Weg zum Leben ist eine Schule des Herzens und des Hörens auf Gottes Stimme. In 5. Mose 8,2-3 (LUT) lesen wir, dass schon das Volk Israel in dieser Schule war:

Und gedenke des ganzen Weges, den dich der HERR, dein Gott, geleitet hat diese vierzig Jahre in der Wüste, auf dass er dich demütigte und versuchte, damit kundwürde, was in deinem Herzen wäre, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht. Er demütigte dich und ließ dich hungern und speiste dich mit Manna, das du und deine Väter nie gekannt hatten, auf dass er dir kundtäte, dass der Mensch nicht lebt vom Brot allein, sondern von allem, was aus dem Mund des HERRN geht. (Hervorhebungen durch den Autor)

Gott möchte auch uns auf unserer Lebensreise wie die Israeliten erziehen, damit wir erkennen, wovon wir wirklich leben und wovon nicht oder nur teilweise. Unsere Wüstenerlebnisse, unsere Krisen, Nöte, Fragen und Probleme sind der Ort, wo wir beides lernen können, sowohl zu erkennen, was in unserem Herzen ist, als auch die gewaltige Erfahrung zu machen, was geschieht, wenn Gott sein Leben schaffendes Wort in unsere Situation hineinspricht.

Zu beidem will ich in diesem Buch inspirieren und anleiten. Ich tue das zum einen durch manch persönlichen Einblick in meine Dialoge, die ich mit Gott auf dem Weg zum Leben geführt und manchmal auch richtig »ausgefochten« habe. Anlass für diese Dialoge war meistens ein »Leiden«: ein schlechtes Gefühl, Leere, Einsamkeit, Entmutigung, Wut, Trauer, Verwirrung – wie damals an jenem Samstagmorgen. Meine Herzensprozesse haben mich immer wieder in zentrale geistliche Wahrheiten geführt, die nun plötzlich mit Leben gefüllt wurden. Deswegen werde ich zum anderen einige dieser geistlichen Wahrheiten entfalten, und ich hoffe, dass Sie dadurch viele Anstöße bekommen, über Ihr eigenes Leben mit Gott ins Gespräch zu kommen und zu staunen, wie befreiend und zum Leben bevollmächtigend er in unser Herz hineinspricht.

Kapitel 2

Sich für den Heiligen Geist öffnen

Ihr seid ein Brief Christi, ausgefertigt von uns im Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf Tafeln, die fleischerne Herzen sind.

2. Korinther 3,3

Damit wir Gott als einen Gott erfahren, der sein Leben schaffendes Wort in unser Herz hineinspricht, ist es zuerst und im wahrsten Sinn des Wortes lebens-notwendig, dass der Heilige Geist in unserem Leben wirksam wird. Der Heilige Geist ist es, der uns die persönliche Herzensbeziehung zu Gott überhaupt erst erschließt und den Dialog mit ihm lebendig werden lässt. Er ist es, der in unserem Inneren die Kraft vermehrt (vgl. Psalm 138,3; Epheser 3,16). Er ist es, der uns Gottes Gegenwart und Liebe im Herzen spüren lässt (vgl. Römer 5,5). Er ist es, der uns im Leben in die ganze Wahrheit leitet dadurch, dass er uns Gottes Reden übermittelt und verkündigt (Johannes 16,13-15).

All dies tut er aber nicht ungefragt. Er tut es nur, wenn wir es auch wünschen und im Gebet darum bitten, zum Beispiel dann, wenn wir spüren, dass uns Gott noch so fern oder fremd ist. Wenn wir im Gebet Gott um das Wirken des Heiligen Geistes bitten und unser Herz dafür öffnen, wird er uns gerne Stück für Stück zeigen, was wir von Gott erkennen und erfahren sollen: zunächst ganz besonders, weshalb Jesus Christus für unsere Beziehung zu Gott so entscheidend ist (vgl. Johannes 16,7-11), dann aber auch, wie Gott in unserem Leben spezifisch wirkt, welche Begabungen er uns gegeben hat und wie er sie zu seiner Ehre einsetzen will (vgl. 1. Petrus 4,10; Römer 12,6-8; 1. Korinther 12,1-11).

Anhand einiger biografischer Stationen möchte ich davon erzählen, wie ich dieses vielfältige Wirken des Heiligen Geistes erlebt habe und wie mir dabei in den verschiedenen Lebensphasen vor allem eines wichtig geworden ist: Der Heilige Geist will mit jedem von uns eine einmalige und persönliche Geschichte schreiben – unsere Geschichte mit Gott. Diese Geschichte gilt es, zu entdecken und zuzulassen.

»Es glaubt in mir!«

Meine bewusste Geschichte mit dem Heiligen Geist begann, als ich 22 Jahre alt und vom Leben das erste Mal so richtig desillusioniert war. Eine mehr als vierjährige Freundschaft, in die ich alles investiert hatte, war an innerer Leere gestorben. Dazu hatten neun Monate Militärdienst voller Mühsal und Frust mein Menschenbild arg erschüttert; und im Hinblick auf die Zukunft fehlten mir weitgehend Sinn und Perspektive. Meine Gemütslage trug mit dazu bei, dass ich an jenem Dezemberabend die Ohren spitzte, als mir mein Studienkollege Edi erzählte, warum und wie er kürzlich zum Glauben an Jesus Christus gefunden hatte. Edi war ein stattlicher, lebensfroher Typ; wir waren im Sommer eine Woche auf Bergtour in Südtirol gewesen, und ich dachte: Wenn der gläubig ist, dann muss mehr dran sein. Das Ganze begann mich zu interessieren. Edi meinte: »Du kannst es auch erfahren. Fang an zu beten und sprich mit Jesus; er ist der Weg zu Gott!« Das ließ mich nicht mehr los. Im stillen Kämmerlein fing ich an zu beten: »Jesus, wenn das wahr ist, was Edi erzählt, wenn du wirklich der lebendige Gott bist, dann möchte ich dich kennenlernen. Ich möchte, dass du mir zeigst, was du mit meinem Leben vorhast!«

Ich weiß noch, wie peinlich es mir war, auf gut Glück diesen Jesus anzurufen, aber gerade die Tatsache, dass es mir so schwerfiel, schien nur umso mehr für den Glauben zu sprechen. Ich kramte das Neue Testament aus der Sonntagsschule hervor, las zeitweilig darin, betete, wie mir gerade zumute war – und kam dann nach neun Monaten an einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab: Ich spürte, Gott zog mich zu sich, aber gleichzeitig zögerte ich: Würde ich diesen Glauben »durchziehen« können? Was, wenn mir morgen alles abhandenkäme?

Eine junge Frau sagte mir: »Du musst es nicht allein bewerk stelligen; du bekommst den Heiligen Geist; er hilft dir zu glauben, er gibt dir innere Gewissheit, dass Jesus lebt und bei dir ist.«

es glaubt