VVorwort

Der „Praxisratgeber Existenzgründung“ ist bis ins Detail mit großer Sorgfalt erstellt worden. Es kann aber – wie allgemein üblich – keine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Inhalte übernommen werden. Auch kann und soll der Ratgeber eine individuelle Beratung nicht ersetzen.

Bitte beachten Sie auch, dass einige Themengebiete – wie z. B. das Internetrecht – einer ungeheuren Dynamik unterliegen. Es ist daher auf jeden Fall empfehlenswert, die in dem Ratgeber aufgeführten Beratungs- und Informationsangebote zu nutzen.

Dazu passt folgender „Beipackzettel“:

Marl, im Januar 2014

Sandra Bonnemeier

11. Kapitel

Gründungsgeschehen in Deutschland

Kleinere und mittelständische Unternehmen werden immer wieder als der „Motor der Wirtschaft“ bezeichnet. Zu Recht. Sie machen in Deutschland, wie in den meisten anderen Industriestaaten, mehr als 90 % aller Unternehmen aus – Jungunternehmer und Existenzgründer mitgerechnet. Es kursieren verschiedene Zahlen über die durchschnittliche Anzahl von Arbeitsplätzen, die eine Existenzgründung mit sich bringt. Laut Unternehmensregister gab es im Jahr 2009 in Deutschland rund 3,597 Mio. Unternehmen, darunter 99,7% kleine und mittlere Unternehmen (KMU). KMU beschäftigen mit rund 60% seit Jahren auch den größten Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland. Im Jahr 2009 lag der Anteil der kleinen Unternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten und einer Mio. € Jahresumsatz bei 14,3 %. Selbst wenn „nur“ der Arbeitsplatz des Gründers selbst geschaffen wird, ist dies positiv zu sehen und es herrscht Einigkeit darüber, dass Deutschland Existenzgründer braucht. Aus diesem Grunde gibt es hierzulande zahlreiche Aktivitäten und Förderprogramme, die Existenzgründer auf ihrem Weg in die Selbständigkeit und auch danach unterstützen sollen. Um effiziente Fördermaßnahmen anbieten und fundierte, wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen zu können, benötigt man aussagekräftige Informationen über das Gründungsgeschehen – optimalerweise unter Einbeziehung internationaler Vergleichswerte. Eine internationale Gründungsstatistik gibt es jedoch noch nicht. Seit 1998 beschäftigt sich daher ein internationales Forschungsteam im Rahmen 2des so genannten Global Entrepreneurship Monitor (GEM) mit dieser Aufgabe. Der Länderbericht 2011 wurde erneut unter der Leitung von Prof. Dr. Rolf Sternberg – Professor für Wirtschaftsgeographie an der Leibniz Universität Hannover – und Dr. Udo Brixy, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erarbeitet. Es handelt sich nicht nur um eine umfassende Analyse des Gründungsgeschehens in mehr als 30 Ländern, sondern die Untersuchung erlaubt auch Aussagen zu regionalen Unterschieden innerhalb Deutschlands.

Seit Beginn der Untersuchungen im Jahr 1999 ist die Neigung, ein Unternehmen zu gründen, in Deutschland deutlich geringer als in den meisten Vergleichsländern. Deutschland liegt auf Platz 20 von 23 untersuchten und als vergleichbar eingestuften Ländern. Tatsächlich sind nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM) im Jahr 2009 rund 399.000 Unternehmen neu gegründet worden. Eine beachtliche Anzahl, aber der niedrigste Stand seit 1990. Der Gründungssaldo, also die Differenz aus Neugründungen und Liquidationen, war im Jahr 2008 erstmals seit Mitte der 1970er Jahre negativ. Im Jahr 2012 war der Gründungssaldo erneut negativ (–26.400). Die Zahl der gewerblichen Existenzgründungen ist im Jahr 2012 um 51.000 oder 12,8% gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Sie lag bei 350.000. Dabei lag der Anteil der Kleingewerbegründungen im 1. Halbjahr 2012 bei 63,1%. Weitere Ergebnisse:

Neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse werden zum Großteil von Existenzgründern und Kleinbetrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern geschaffen. Während mittlere und große Betriebe per Saldo Stellen abbauen, sieht das Ergebnis bei Existenzgründern und Kleinunternehmern positiver aus – „unter dem Strich“ schaffen sie neue Arbeitsplätze.

Die Autoren des Länderberichts 2011 kommen zu dem Schluss, „dass in der Summe klassisch motivierte Gründungen eher zum strukturellen Wandel und wirtschaftlichen Wachstum beitragen als necessity-Gründungen.“ Letztere sind Gründungen aus der „Not“ heraus, also z. B. aus der Arbeitslosigkeit oder einer unbefriedigenden, beruflichen Situation. Als die „besseren“ Motive und potenziell erfolgreicheren Gründungen gelten solche Vorhaben, bei denen es z. B. primär darum geht, eine gute/innovative Idee in die Tat umzusetzen. Im internationalen Vergleich gibt es hierzulande u. a. aufgrund der vorhandenen Förderung relativ viele Gründungen aus der Not heraus. Trotzdem betonen die Autoren des Länderberichts die Legitimation und hohe Bedeutung der Unterstützung von Gründern aus der Arbeitslosigkeit, die zuletzt im Jahr 2012 erheblich gesunken ist.

„Als sozialpolitisches Instrument hat sich die Förderung zuvor arbeitsloser Gründer bewährt. Ob die mit der in 2011 von der Bundesregierung beschlossenen Kürzung des so genannten Gründungszuschusses intendierten Ziele erreicht werden, scheint fraglich, eine gründungshemmende Wirkung dagegen plausibel.“

Die Ergebnisse sind in der täglichen Beratungspraxis spürbar, etwa durch rückläufige Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit und 4einer geringeren Beratungsnachfrage. Die Gesamtergebnisse bleiben abzuwarten.

Die Deutschen sind insgesamt vergleichsweise pessimistisch und haben größere Angst vor dem Scheitern als die Einwohner anderer europäischer Staaten.

Der Frauenanteil am Gründungsgeschehen ist gestiegen, aber insgesamt in Deutschland vergleichsweise gering und liegt wie in allen GEM-Ländern deutlich unter dem Anteil der Männer. Frauen haben bezüglich einer Existenzgründung eher Vorbehalte und ein geringeres Selbstvertrauen als Männer. Aber auch Männer haben im internationalen Vergleich eher wenig Vertrauen in ihre eigene Gründungsfähigkeit.

Insgesamt sind wir hierzulande von einer „Gründungskultur“ noch weit entfernt und nur langsam und vereinzelt spielt das Thema Existenzgründung auch in den Schulen eine Rolle. Noch längst wird eine selbständige Tätigkeit nicht als ganz selbstverständliche berufliche Option angesehen. Immerhin betrachten aber mehr als die Hälfte der Deutschen die Selbständigkeit als gute berufliche Option, wenn auch nicht immer für sich selbst.

Der GEM-Länderbericht 2011 unterscheidet sich in punkto Stärken und Schwächen des Gründungsstandortes Deutschland nicht wesentlich von den vorherigen Berichten:

Im Wesentlichen werden dieselben Stärken und Schwächen genannt: „Die Expertenurteile im Jahr 2011 bestätigen die bereits in den vergangenen Jahren diagnostizierten Stärken des Gründungsstandortes Deutschland … Dazu gehören insbesondere die physische Infrastruktur …, die Verfügbarkeit und Qualität öffentlicher Förderprogramme … und der Schutz geistigen Eigentums.“

Eine weitere Stärke des Gründungsstandortes Deutschland ist laut Expertenmeinung die Verfügbarkeit und Qualität von Beratern und Zulieferern für neue Unternehmen …, bei der im länderübergreifenden Vergleich lediglich die Schweiz signifikant bessere Expertenbeurteilungen erhält. So erfreulich sich die sechs Stärken des Gründungsstandortes Deutschland darstellen, die mit Ausnahme der physischen Infrastruktur und der Konsumentenakzeptanz von Innovationen 5auch im internationalen Vergleich Maßstäbe setzen, so nachdenklich können die Expertenurteile zu den übrigen 10 Rahmenbedingungen stimmen.

„Insbesondere die schulische … und im geringeren Maße die außerschulische … Vorbereitung auf unternehmerische Selbstständigkeit gelten traditionell als Schwächen des Gründungsstandortes Deutschland. Darüber hinaus wird den in Deutschland vorherrschenden gesellschaftlichen Werten und Normen ein schlechtes Urteil hinsichtlich unternehmerischer Selbstständigkeit ausgestellt …“

Die Initiative „Gründerland Deutschland“ soll seit 2010 „… die Menschen für unternehmerisches Denken und Handeln sensibilisieren. Sie soll ihnen die Chancen und Möglichkeiten der Selbständigkeit besser vermitteln. Politik und Wirtschaft werden eng zusammenarbeiten, um Gründerinnen und Gründer zielgerichtet zu unterstützen.“

Inzwischen heißt es auf der Internetseite der Initiative: „Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Maßnahmen zur Stärkung der Gründungskultur in Deutschland zu entwickeln, zu bündeln und für mehr Unternehmergeist zu werben. Vier Themen stehen dabei im Fokus:

Die Initiative beinhaltet wenig Neues. Die Internetseite bündelt im Wesentlichen vorhandene Informationen, zeigt dafür aber ganz deutlich die Schwerpunkte in der Gründungsförderung wie z. B. innovative Gründungen, Gründungen aus der Hochschule, aber auch Gründungen durch Unternehmensübernahmen. Das entspricht den Aussagen des GEM-Reports, wonach insbesondere „klassische Gründungsmotive“ und innovative Gründungen z. B. den Strukturwandel unterstützen. Die Unterstützung für Existenzgründer aus der Arbeitslosigkeit ist erheblich gesunken. Diese Gründer haben es inzwischen noch schwerer und zwar unabhängig von ihren Gründungsmotiven, 6Qualifikationen und dem Innovationsgehalt ihrer Gründungsidee.

Ernst gemacht hat man dagegen mit der in 2010 angekündigten Möglichkeit einer verkürzten Restschuldbefreiung von drei Jahren (auch) für Existenzgründer, wenn die Voraussetzungen vorliegen. So müssen z. B. ein Viertel der Forderungen und die Verfahrenskosten bezahlt sein.

Als Existenzgründer müssen Sie die Rahmenbedingungen nehmen, wie sie sind, aber Sie können vieles tun, um Ihr Gründungsvorhaben auf eine solide Basis zu stellen. Dazu gehört in erster Linie eine sorgfältige Planung und Informationsbeschaffung.

Informationsdefizite und ihre Folgen gehören mit zu den häufigsten – aber vermeidbaren – Gründen, aus denen junge Unternehmer scheitern. Bedenkt man, dass nicht einmal die Hälfte aller Unternehmen überhaupt ihren 5. Geburtstag erleben und in den meisten Fällen die Gründe hausgemacht sind, ist jeder Gründer gut beraten, sich bestmöglich im Vorfeld zu informieren und vorzubereiten, um sich nicht in aller Kürze in der jährlichen Insolvenzstatistik wieder zu finden.

Für das Jahr 2012 meldet „Creditreform“ geschätzte 29.500 Insolvenzen. Traditionell besonders gefährdet sind die so genannten „Mikrobetriebe“ mit bis zu 5 Beschäftigten. Am stärksten gefährdet sind die Unternehmen in den ersten Jahren nach der Gründung.

Die Risiken des Scheiterns können durch eine sorgfältige Vorbereitung und Planung zwar nicht ganz ausgeschlossen, wohl aber erheblich reduziert werden.

Links zum Thema

http://www.wigeo.uni-hannover.de – Global Entrepreneurship Monitor (GEM) – Länderbericht Deutschland, http://www.ifm-bonn.org/ – z. B. Mittelstandsmonitor, Untersuchung zu Unternehmensgrößen in Deutschland und mehr, http://www.creditreform.de – z. B. Informationen zum Insolvenzgeschehen, http://www.bmwi.de – z. B. Broschüre „Gründerland Deutschland: Zahlen und Fakten“, http://bmj.de – Suche z. B. mit Stichwort: Restschuldbefreiung.

72. Kapitel

Woran Gründer scheitern – die häufigsten Fehler

Angesichts der niedrigen Gründungsquote und der wirtschaftlichen Probleme in Deutschland sind die Bemühungen um mehr Wachstum und Beschäftigung durch Neugründungen nachvollziehbar. Allerdings wäre es fatal, Existenzgründungen um jeden Preis zu fördern und zu forcieren. Weniger als die Hälfte aller neu gegründeten Unternehmen überleben die ersten 5 Jahre. Diese Erfolgsquote verschlechtert sich, je mehr Unternehmen auf den Markt drängen. Eine höhere Gründungsrate (Anzahl der Gründungen je 1.000 Erwerbspersonen) geht also einher mit einer schlechteren 5-Jahres-Bilanz, weil mehr Konkurrenten die Überlebenschancen verringern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Bonn und der Bergakademie Freiberg in Sachsen. Allerdings überraschen diese Erkenntnisse nicht, sondern bestätigen eher die Ergebnisse früherer Untersuchungen.

Ein positives Gründungsklima wirkt sich also nicht automatisch auch günstig auf das unternehmerische Umfeld und die Überlebenschancen junger Unternehmen aus. Genau das Gegenteil kann der Fall sein. Die Studie kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass junge Dienstleister in städtischen Ballungsgebieten, in denen die Gründungsaktivitäten traditionell hoch sind, aufgrund der Konkurrenzsituation geringere Überlebenschancen haben als Dienstleister im ländlichen Raum.

Die Tatsache jedoch, dass sehr viele Existenzgründer scheitern, ist weniger interessant als die Frage nach dem „warum“. Nur wer im 8Vorfeld die typischen und existenziellen Fehler kennt, kann sie bei der eigenen Gründung bestmöglich vermeiden.

Welche Probleme am häufigsten für das Scheitern junger Unternehmen mitverantwortlich waren (Mehrfachnennungen möglich), zeigt eine Untersuchung der ehemaligen Deutschen Ausgleichsbank (nun KfW-Mittelstandsbank):

Die tatsächlichen Einflussfaktoren auf den Erfolg junger Unternehmen stellen sich allerdings deutlich komplexer dar, als die oben genannten Problembereiche vermuten lassen. Hinter den genannten Stichworten verbergen sich eine Vielzahl von Einzelproblemen und möglichen Fehlerquellen. Zudem gibt es zahlreiche Überschneidungen und Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ursachen.

Planungsmängel scheinen „nur“ in rund 30% der Fälle eine entscheidende Rolle zu spielen, obwohl letzten Endes die meisten Schwierigkeiten auf Planungsmängel und eine unzureichende Vorbereitung zurückzuführen sind. Dabei liegt im Falle eines Scheiterns nicht immer eine schlechte Planung zugrunde. Oftmals wird die gute Planung schlichtweg nicht eingehalten, dann z. B., wenn ein Businessplan nur für einen Zweck erstellt wird: um ihn der Bank vorzulegen oder andere Kapitalgeber zu überzeugen.

Die an erster Stelle genannten Finanzierungsmängel lassen sich beispielsweise durch eine sorgfältige Planung und Vorbereitung nahezu ausschließen, wenngleich sich der Zugang zu Fremdkapital für Existenzgründer in den letzten Jahren auch spürbar verschlechtert hat. Was in der täglichen Arbeit mit Gründern schon klar zutage tritt, spiegelt sich auch in verschiedenen GEM-Länderberichten wider. Aus einer im internationalen Vergleich relativen Stärke wurde eine 9relative Schwäche. Die hohe Anzahl von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit und andere Faktoren tragen zu einer geringen Eigenkapitalausstattung bei und erschweren die Situation noch. Gerade deswegen aber kommt einer bestmöglichen Planung eine besondere Bedeutung zu.

Gleiches gilt für Qualifikationsmängel. Eine ehrliche Selbsteinschätzung – ggf. mit professioneller Hilfe – deckt fachspezifische, kaufmännische oder persönliche Qualifikationsdefizite im Vorfeld auf und versetzt den Gründer in die Lage, diese rechtzeitig zu beheben oder sich einen passenden Partner zu suchen, der die fehlenden Qualifikationen mitbringt.

Angesichts der Vielzahl zur Verfügung stehender Informationsmöglichkeiten ist es schwer zu glauben, dass Informationsdefizite mit mehr als 60% am Scheitern junger Unternehmen beteiligt sind. Die Problematik besteht jedoch einerseits darin, aus der vorhandenen Informationsflut die wirklich wichtigen und für das Vorhaben relevanten Informationen herauszufiltern, zu strukturieren und für das eigene Vorhaben dann auch umzusetzen. Andererseits unterschätzen immer noch min. 50% der Existenzgründer ihren eigenen Informations- und auch Beratungsbedarf. Es ist sicher auf den ersten Blick nicht schwierig, sich selbständig zu machen – eine Meldung bei dem zuständigen Finanz- bzw. Gewerbeamt reicht in den meisten Fällen (theoretisch) erst einmal aus. Dies reicht aber in keinem einzigen Fall aus, um ein langfristig erfolgreiches und wirtschaftlich tragfähiges Unternehmen zu gründen. Selbstständig werden und selbständig bleiben sind eben zwei Paar Schuhe.

Die Überschätzung der Betriebsleistung hängt wiederum mit den Planungsmängeln zusammen und führt zu Finanzierungsproblemen. Allzu häufig werden die späteren Umsätze und Gewinne zu optimistisch eingeschätzt, während die laufenden Kosten unterschätzt werden. Erfahrungen zeigen, dass der von Gründern im Rahmen der Planung angenommene, schlechteste Fall (worst case) in der Praxis eher der realistische Fall ist. Zu hohe Gewinnerwartungen und zu niedrige Kostenansätze führen in der Folge sodann zu einem falsch einschätzten Finanzierungsbedarf und damit schlimmstenfalls auf direktem Wege in die Insolvenz. Aus diesem 10Grunde ist Vorsicht einer der wesentlichsten Planungsgrundsätze . Die Kosten sind eher großzügig und die Umsätze eher pessimistisch anzusetzen.

Auch die recht häufig genannten familiären Probleme lassen sich durch entsprechende Vorbereitung und Planung zumindest deutlich verringern. Schon in der Vorgründungsphase muss die Familie einbezogen werden, weil die familiären Belastungen gerade in der ersten Zeit immens sein können. Dem sehr hohen Arbeitsaufwand und der geringen Freizeit stehen in aller Regel zunächst nur unsichere und schwankende Einnahmen gegenüber – eine Situation, welche die Familie mittragen muss.

Die scheinbar unvermeidbaren äußeren Einflüsse (z. B. technischer Fortschritt, verändertes Kundenverhalten etc.) können ebenfalls zu einem guten Teil durch die vorherige Planung abgefedert werden. Schließlich berücksichtigt eine solide Gründungsplanung auch absehbare Trends und künftige Entwicklungen. Änderungen im Kundenverhalten (wie stärkeres Preisbewusstsein, höhere Qualitätsansprüche…) ergeben sich z. B. in aller Regel nicht kurzfristig. Auch existenziell bedrohlichen Forderungsausfällen kann durchaus effizient vorgebeugt werden. Und schließlich sollte sich die Persönlichkeit des Existenzgründers auch durch die nötige Flexibilität auszeichnen, sich an veränderte Bedingungen anzupassen – oder sogar Trends mitzugestalten. Hierzu gehört jedoch eine konsequente, kontinuierliche und gründliche Marktbeobachtung und solide Marktkenntnisse. Fehlt es hieran, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Angebot an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbeigeht. Die äußeren Einflüsse als Gründe für das Scheitern hängen demnach wiederum stark mit Informationsdefiziten (z. B. zu geringe Marktkenntnis) und Planungsmängeln zusammen.

Fehlentscheidungen werden sich auch durch die sorgfältigste Vorbereitung nicht immer ausschließen lassen. Schließlich ist ein Existenzgründer auch nur ein Mensch und die Zukunft naturgemäß unsicher. Fehler unterlaufen auch gestandenen und erfolgreichen Unternehmern. So lange sie aber nicht die Existenz bedrohen, kann man Fehlern auch etwas Positives abgewinnen. Fehler bieten die Chance, aus ihnen zu lernen und erweitern den Horizont. Glücklicherweise 11muss man jedoch nicht alle (teuren) Fehler selbst machen. Es gibt keine bessere und preiswertere Möglichkeit, als aus den Fehlern Anderer zu lernen.

Als Fazit kann deshalb festgehalten werden, dass eine gründliche Vorbereitung, professionelle und vorsichtige Planung sowie die umfassende Information zu den ganz entscheidenden Erfolgsfaktoren gehören. Jeder einzelne Existenzgründer hat es somit ganz maßgeblich und höchstpersönlich in der Hand, sein Unternehmen zum Erfolg zu führen.

Jeder potenzielle Existenzgründer hat es auf dieser Basis aber gleichfalls in der Hand, eine gut fundierte Entscheidung gegen den Schritt in die Selbständigkeit zu treffen und sich somit vor finanziellen Problemen und großen Enttäuschungen zu bewahren. Nicht jeder Mensch ist als Existenzgründer geeignet und nicht jede, auf den ersten Blick gute, Idee ist auch wirtschaftlich tragfähig.

img

Abb. 1: Woran Gründer scheitern (Datenquelle: (ehemalige) Deutsche Ausgleichsbank)

133. Kapitel

Die Gründerperson – einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren

Seit Jahren versuchen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, die entscheidenden Erfolgsfaktoren für den unternehmerischen Erfolg zu ergründen. Der Persönlichkeit des Gründers widmet sich vor allem die Sozialwissenschaft. Insbesondere für Kapitalgeber wäre es in der Tat ausgesprochen interessant, anhand bestimmter Persönlichkeitsmerkmale den späteren Erfolg zu prognostizieren.

Doch obwohl die Persönlichkeit des Existenzgründers unstreitig zu den bedeutendsten Erfolgsfaktoren zählt, konnte bislang nicht abschließend ermittelt werden, welche konkreten Eigenschaften ein erfolgreicher Unternehmer mitbringen muss. Nichtsdestotrotz helfen die bisherigen Erkenntnisse Existenzgründern, eine Stärken-Schwächen-Analyse zu erarbeiten, um auf dieser Basis die Stärken auszubauen und die wichtigsten Schwächen rechtzeitig auszugleichen.

3.1 Wie wichtig sind Motive und Motivation?

Der Wunsch, eine selbständige Existenz zu gründen, kann auf sehr unterschiedlichen Motiven beruhen, wobei eine insgesamt starke Eigenmotivation zu den wichtigsten Eigenschaften eines künftigen Unternehmers gehört. Mit Motiven sind die einzelnen Beweggründe gemeint, während Motivation die Handlungsbereitschaft an sich meint.

14Kommt der Wunsch nach einer selbständigen Tätigkeit nicht aus dem tiefsten Innern und steht der Gründer nicht ohne Einschränkungen hinter seinem Vorhaben, kann dies auch durch das beste Geschäftskonzept nicht ausgeglichen werden. Spätestens bei den ersten Rückschlägen oder Frustrationen besteht die große Gefahr der vorzeitigen Aufgabe – ein häufiger Fehler junger Existenzgründer. Nicht selten wird die benötigte Anlaufzeit unterschätzt, mit der Folge, dass aus finanziellen oder persönlichen Gründen die selbständige Existenz beendet wird, bevor sie überhaupt zum Erfolg führen kann.

Für eine erfolgreiche Existenzgründung sind zahlreiche fachliche und persönliche Kompetenzen notwendig, die zu einem guten Teil erlernt werden können. Nicht jedoch die Eigenmotivation. Darum sollte am Anfang einer Gründungsplanung stets die Frage nach den persönlichen Motiven und der Eigenmotivation ehrlich beantwortet werden. Ohne eine ausgeprägte Eigenmotivation wird jede Existenzgründung zu einer halbherzigen Angelegenheit, die nur unnötig Zeit, Energie und Geld kostet.

Neben das gemeinsame Merkmal der starken Eigenmotivation treten individuell unterschiedliche Motive, eine selbständige Existenz aufzubauen.

Sie variieren zwischen unterschiedlichen Gruppen von Existenzgründern.

Beispielsweise verfolgen wissenschaftliche Mitarbeiter an Hochschulen primär andere Ziele mit ihrer Existenzgründung als Menschen, die eine Gründung aus der Arbeitslosigkeit oder einer unbefriedigenden, beruflichen Situation heraus anstreben. Man spricht auch von so genannten positiven Motivatoren (z. B. der Wunsch nach Selbstverwirklichung, eine günstige Gelegenheit ergreifen) und negativen Motivatoren (Gründung aus der Not). Die Fachhochschule Jena hat im Rahmen einer internationalen Studie unter anderem die Gründungsmotive von Hochschulwissenschaftlern untersucht. Danach stellen innerhalb dieser Gruppe das Streben nach Selbstverwirklichung, die Verwertung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen, die produktivere Nutzung der eigenen Fähigkeiten sowie die Ausnutzung einer Marktlücke die am häufigsten genannten Gründe 15für den Schritt in die Selbständigkeit dar. Drohende Arbeitslosigkeit oder Unzufriedenheit im aktuellen Beschäftigungsverhältnis spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

Frauen setzen häufig andere Schwerpunkte als Männer. Sie verfolgen mitunter eher immaterielle als wirtschaftliche Ziele. Einer Studie der ehemaligen Deutschen Ausgleichsbank zufolge steht das Streben nach Unabhängigkeit an erster Stelle.

Je nach Alter können die mit der Gründung verbundenen Vorstellungen, Wünsche und Motive andere sein. Zwar ist die Gründungsneigung und die Gründungsquote älterer Personen insgesamt sehr gering, allerdings verzeichne ich persönlich in der Beratung eine steigende Anzahl älterer Existenzgründer, die berufserfahren, ausgezeichnet qualifiziert sind und dennoch aufgrund ihres Alters kaum auf eine adäquate Festanstellung hoffen können. Hier ist häufig die Selbständigkeit die einzige Alternative zu einer Langzeitarbeitslosigkeit oder dem Vorruhestand (verbunden mit empfindlichen Einkommenseinbußen). In dieser Situation sind die Sicherung des Lebensstandards und die Übernahme einer sinnvollen Aufgabe oft die ausschlaggebenden Motive, ein eigenes Unternehmen zu gründen oder auch zu übernehmen.

Weitere mögliche Motive für eine Existenzgründung sind z. B.:

Die Motivation allein macht jedoch noch keinen erfolgreichen Unternehmer aus, sie ist lediglich eine wesentliche Voraussetzung. Die individuellen Motive aber wirken sich unterschiedlich auf das Geschäftskonzept und dessen Umsetzung aus. Darum stellt sich die Frage, ob es Motive gibt, die den späteren Erfolg positiv oder negativ beeinflussen können.

Weil die Gründung oder Übernahme eines Unternehmens ein sehr komplexer Vorgang ist und der Erfolg oder Misserfolg von zahlreichen Faktoren abhängt, ist es in der Praxis nicht möglich, einzelne Einflussfaktoren wie die Gründungsmotive isoliert zu betrachten. Hinzu kommt, dass auch der Begriff „Erfolg“ in unterschiedlicher Weise definiert werden kann – je nach Zielsetzung des Existenzgründers.

Ist beispielsweise eine Existenzgründerin, die Beruf und Familie optimal in ihrem kleinen Home-Office vereinen kann, weniger erfolgreich als der geschäftsführende Gesellschafter eines mittelständischen Unternehmens mit zahlreichen Mitarbeitern, einer 70-Stunden-Woche und beeindruckenden Gewinnen?

Wirtschaftlich betrachtet steht die Gründerin auf der Erfolgstreppe sicher deutlich unter dem Geschäftsführer – aber persönlich ebenfalls? Hier käme es auf die individuellen Ziele an, die mit der Existenzgründung verfolgt werden. Welche Ziele Sie allerdings auch immer für sich persönlich formulieren, ohne den unabdingbaren Willen zum Erfolg werden diese Ziele stets in weiter Ferne bleiben.

In den einschlägigen Untersuchungen werden als Erfolgsfaktoren verständlicherweise eher Faktoren betrachtet, die rasch zu erfassen und unmittelbar vergleichbar sind wie z. B. Umsatz, Gewinn oder Mitarbeiterzahl. Wenn von Auswirkungen der Motive auf den unternehmerischen Erfolg die Rede ist, so ist demnach in aller Regel der wirtschaftliche Erfolg gemeint, der an unterschiedlichen Kriterien gemessen werden kann. Ihre eigenen Erfolgskriterien können völlig andere sein – je nachdem welche Ziele Sie mit ihrer Existenzgründung verfolgen. So scheint das Motiv der Selbstverwirklichung 17insgesamt einen eher negativen Einfluss auf den Gründungserfolg zu haben, aber auch hier ist der wirtschaftliche Erfolg gemeint. Gleiches gilt auch für Gründungen, die primär aus dem Motiv heraus erfolgen, „etwas für die Gesellschaft“ zu tun oder sich „sozial zu engagieren“. Sie sind wirtschaftlich oft weniger erfolgreich.

Die isolierte Betrachtung des Einflusses einzelner Motive ist nicht möglich und daher erscheint es nicht weiter verwunderlich, dass es unterschiedliche Expertenauffassungen zu diesem Thema gibt. Die Bedeutung einzelner Motive ist nicht zweifelsfrei auszumachen.

Während beispielsweise einerseits eine Gründung aus der Arbeitslosigkeit mit ihren negativen Motivatoren als nicht besonders erfolgreich angesehen wird, kommen andere Wissenschaftler zu einem genau gegenteiligen Ergebnis. So sieht der Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen von der Freien Universität Berlin die so genannten „Notgründungen“ als überdurchschnittlich erfolgreich an. Auch andere Untersuchungen zeigen ein durchaus positives Bild. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass mit Überbrückungsgeld geförderte Gründer aus der Arbeitslosigkeit nach etwa 3 Jahren die gleichen „Überlebensraten“ aufweisen wie nicht geförderte Existenzgründer. Die vorübergehende Arbeitslosigkeit und der „negative Motivator“, dieser Situation durch eine Existenzgründung zu entrinnen, scheinen demnach den unternehmerischen Erfolg nicht zu beeinflussen. Dennoch werden ganz überwiegend den so genannten Notgründungen eine schlechtere Perspektive und geringere Überlebenschancen eingeräumt. Das kann jedoch – wenn überhaupt – nicht den Gründungsmotiven allein zugeschrieben werden. Beispielsweise spielt auch die in aller Regel schlechtere Kapitalausstattung eine Rolle.

Obige Widersprüche in den Einschätzungen zeigen, dass es gerade nicht einzelne Faktoren sind, welche den Ausschlag geben und die Erfolgschance deshalb nicht allein mithilfe der unterschiedlichen Motive beurteilt werden kann.

Selbst der ausgeprägteste und unbedingte Wille nach persönlicher und unternehmerischer Freiheit (positiver Motivator) kann nicht 18zum Erfolg führen, wenn wesentliche fachliche/persönliche Kompetenzen fehlen oder die sonstigen Voraussetzungen nicht stimmen.

Umgekehrt kann bei sonst guten Voraussetzungen und sorgfältiger Planung eine Gründung aus der Not heraus sehr erfolgreich verlaufen.

In meinen Beratungen und Seminaren hat sich gezeigt, dass gerade die fehlende berufliche Perspektive in Verbindung mit der Notwendigkeit oder zumindest dem starken Wunsch, den Lebensstandard zu halten, ein durchaus starkes Motiv ist. Hierdurch entsteht ein gewisser „Erfolgsdruck“, der dazu führt, das Gründungsvorhaben bestmöglich und mit aller Sorgfalt vorzubereiten und so den Grundstein für den späteren Erfolg zu legen. Dieses Motiv wirkt sich positiv auf die Motivation an sich aus.

Umgekehrt gehen ausschließlich positive Motivatoren manches Mal mit Problemen wie Selbstüberschätzung bzw. Unterschätzung des Beratungsbedarfs, der zu geringen Auseinandersetzung mit fachlichen/persönlichen Schwächen und einer dementsprechend unzureichenden Vorbereitung einher. Wer sich nicht zutreffend und realistisch einschätzen kann, neigt mitunter dazu, den „schnellen Erfolg“ und das „schnelle Geld“ zu erwarten, ohne die entsprechende Handlungsbereitschaft an den Tag zu legen. Dabei sind gerade in der Anfangszeit ein unregelmäßiges, meist bescheidenes Einkommen bei einer Wochenarbeitszeit von 65 Stunden oder mehr eher die Regel als die Ausnahme. Wer dies nicht von vornherein berücksichtigt, wird allzu schnell enttäuscht und gibt nicht selten demotiviert auf, bevor sich überhaupt nur ansatzweise der Erfolg einstellen kann.

Der unternehmerische Erfolg hängt also nicht allein und auch nicht ausschlaggebend von einzelnen Motiven ab. Eine starke Eigenmotivation, also Handlungsbereitschaft, ist hingegen unerlässlich.

Ich persönlich vertrete aufgrund meiner Erfahrung die These, dass es weniger auf das Motiv an sich ankommt, als vielmehr auf dessen Intensität. Es ist weniger wichtig, warum ein Existenzgründer die Selbständigkeit anstrebt, sondern wie stark seine Beweggründe sind, weil hiervon seine so wichtige Eigenmotivation abhängt. Je stärker 19sich ein Mensch etwas wünscht, umso mehr Einsatz wird er an den Tag legen, um seinen Wunsch zu erfüllen – vorausgesetzt dieser ist überhaupt realistisch und erfüllbar.

Sie sollten sich also nicht entmutigen lassen, wenn Sie vorwiegend von negativen Motivatoren angetrieben werden und auch ungünstige Rahmenbedingungen bedeuten nicht automatisch, dass eine Existenzgründung nicht erfolgreich verlaufen kann. Mit einem starken Willen, Durchsetzungsvermögen, Einsatzbereitschaft und guter Vorbereitung können auch aus einer schwierigen Situation heraus erfolgreiche Unternehmen entstehen, wie das folgende Praxisbeispiel zeigt:

Pia sieht auf den ersten Blick nicht aus, wie eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Mit jedem Wort aber, das die kleine, zunächst eher unscheinbar wirkende Frau von sich gibt, wachsen der Respekt und die Achtung vor ihr. „Ich hatte damals gar keine andere Chance, als mich selbständig zu machen“, erzählt sie. „Alternativ hätte ich mich und meine Kinder nur mithilfe von Sozialhilfe ernähren können – dafür bin ich aber kein Typ.“

Die allein erziehende Mutter war insbesondere durch ihr behindertes Kind in den beruflichen Möglichkeiten stark eingeschränkt. Sie konnte nicht in vollem Umfang arbeiten und nicht jede Stelle mit starren Arbeitszeiten kam in Betracht. War doch einmal ein interessantes Angebot dabei, trauten ihr die Arbeitgeber nicht zu, ihre schwierige private Situation mit den beruflichen Anforderungen zu vereinbaren. „Was sollte ich machen? Mich stellte niemand ein, aber von irgendetwas mussten wir doch leben. In dieser Situation habe ich mir überlegt, ob es nicht möglich wäre, meine Arbeitskraft auf selbständiger Basis verschiedenen Stellen anzubieten – quasi ohne Risiko und feste Verpflichtungen für die Auftraggeber. Ich habe mich ernsthaft informiert, ob ich mich nicht als,Putzfrau‘ selbständig machen kann.“ Sie konnte. Das Gewerbe war rasch angemeldet und die „Investitionen“ hielten sich natürlich auch in Grenzen (Putzmittel etc.). Jetzt fehlten „nur noch“ die Kunden. Pia telefonierte Kirchengemeinden, Firmen und Institutionen ab und stellte sich persönlich vor. Intuitiv war ihr klar, dass nicht jeder potenzielle Nachfrager dieser Dienstleistung auch zu ihrer Zielgruppe gehören würde. Dementsprechend legte sie sich auch die richtigen Verkaufsargumente zurecht. Es ging nicht um die möglichst schnelle, billige und dafür oberflächliche Reinigung, sondern Pia wollte gute und zuverlässige Arbeit 20gegen ein angemessenes Entgelt leisten. „Putzservice nach Hausfrauenart“ nennt man diese Dienstleistung heute und wie bei jeder anderen Leistung kommt es auch hier darauf an, dem Kunden einen besonderen Vorteil zu verkaufen und dessen Vertrauen zu gewinnen. Pia ist bei manchen Gesprächspartnern mit ihrem Angebot auf offene Ohren gestoßen, weil diese schon seit geraumer Zeit mit dem bisherigen Dienstleister unzufrieden waren. Der Schmutz wurde vielfach eher verteilt als beseitigt.

Neben dem eigentlichen Angebot war jedoch stets Pias Persönlichkeit entscheidend für die Auftragsvergabe. Putzen ist Vertrauenssache und sie versteht es, durch ihr angenehmes Auftreten zu überzeugen. Niemand würde ernsthaft an ihrer Vertrauenswürdigkeit zweifeln. Schon bald hatte Pia so gut zu tun, dass sie sich einerseits um ihre Familie kümmern, aber andererseits auch ihren Lebensunterhalt einigermaßen bestreiten konnte. Auch hier zeigte sich wieder einmal, dass zufriedene Kunden „Gold“ wert sind. Durch Empfehlungen bekam Pia zunehmend mehr Anfragen und Auftragsangebote, die sie nicht mehr allein bewältigen konnte. Sie beschäftigt heute mehrere Mitarbeiterinnen auf 450-Euro-Basis, die sie gut bezahlt. „Ich denke, dass man Mitarbeiter ordentlich bezahlen und nicht ausnutzen sollte“, sagt Pia aus voller Überzeugung. „Dafür erwarte ich aber auch absolute Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und ordentliche Arbeit – ohne Kompromisse.“

Pias Erfolg basiert nicht auf der Art ihres Motivs, sondern vielmehr auf dessen Intensität. Sie war und ist bereit, alles zu tun, um den Lebensunterhalt für sich und ihre kleine Familie zu verdienen und zu sichern. Dazu gehört auch kontinuierliche Weiterbildung. „Wer – wie ich zu Beginn – glaubt, es reiche aus, nur ordentlich zu putzen, hat sich gründlich getäuscht. Das ist mir heute klar und deswegen halte ich mich auch im kaufmännischen Bereich auf dem Laufenden, so gut es geht. Ich muss zumindest einige Grundlagen in den Bereichen Buchführung, Marketing, Vertragsgestaltung, Personalwesen usw. beherrschen.“

Pia sieht nach wie vor nicht aus, wie eine erfolgreiche Geschäftsfrau, sie ist es aber – und das obwohl es sich in ihrem Fall um ein „Paradebeispiel“ einer Notgründung handelt.

Die folgende Checkliste soll Ihnen helfen, Ihre eigenen Motive zu ermitteln. Überprüfen Sie später auch noch einmal, ob Ihre anfänglichen Motive noch dieselben sind, ob sie zu den später zu formulierenden Zielen passen und schließlich: ob Sie Ihre Ziele durch die 21selbständige Tätigkeit erreichen können. Die Zahlen 1–6 geben die Priorität von sehr wichtig (6 Punkte) bis unwichtig (1 Punkt) an.

Bitte denken Sie auch daran: Sie sind niemandem Rechenschaft über Ihre Eintragungen schuldig. Es geht nur darum, dass Sie ganz persönlich mehr Klarheit bekommen. Ich erwähne dies deshalb, weil sich Menschen erfahrungsgemäß oft scheuen, sich selbst bestimmte Wünsche einzugestehen – selbst dann, wenn niemand sonst davon erfährt. Dabei ist es keineswegs verwerflich und überhaupt kein negatives Motiv, wenn Sie beispielsweise den starken Wunsch haben, reich zu werden oder Macht auszuüben. Denken Sie daran, dass es im Gegenteil den wirtschaftlichen Erfolg eher negativ beeinflusst, wenn Sie primär allzu soziale Beweggründe haben.

Checkliste: Motive

Ich möchte

1

2

3

4

5

6

– persönlich und wirtschaftlich unabhängig sein

– dass meine Leistung endlich angemessen anerkannt wird

– einen höheren sozialen Status erreichen

– entscheiden können, ohne vorher andere Personen fragen zu müssen

– ein sicheres Einkommen

– ein höheres Einkommen

– reich werden

– mehr Freizeit

– flexible Arbeitszeiten

– zu Hause arbeiten

– neue Herausforderungen meistern

– Macht ausüben

– mich insgesamt beruflich verbessern

22– eigene Ideen umsetzen

– mein Hobby zum Beruf machen

– Familie und Beruf besser vereinbaren

– meiner Familie Sicherheit und Wohlstand bieten

– meinem Chef oder anderen Personen zeigen, was in mir steckt

– mich selbst verwirklichen

– meiner Arbeit mehr Sinn geben

– eine günstige Gelegenheit nutzen

– eine gute Geschäftsidee realisieren

– den Familienbetrieb erhalten

Links zum Thema

http://www.ifh.wiwi.uni-goettingen.de Universität Göttingen – Profile und Motive der Existenzgründer im Handwerk, http://www.f-bb.de – Forschungsinstitut Betriebliche Bildung – Motive und Erfolgsfaktoren bei niederschwelligen Existenzgründungen.

3.2 Was macht einen erfolgreichen Unternehmer aus?

Es leuchtet unmittelbar ein, dass die für das Gründungsvorhaben erforderliche fachliche Eignung vorhanden sein muss. Niemand kann eine Leistung anbieten, ohne das „Handwerk“ zu beherrschen. Mit der benötigten fachlichen Qualifikation setzen sich daher die meisten Existenzgründer auch in ausreichender Weise auseinander. Die fachliche Qualifikation reicht jedoch für eine Erfolg versprechende Existenzgründung nicht aus.

Sie muss ergänzt werden durch entsprechende persönliche Kompetenzen und betriebswirtschaftliches bzw. kaufmännisches Know-how. 23Die Bedeutung der Persönlichkeit und der betriebswirtschaftlichen Kenntnisse wird regelmäßig ganz erheblich unterschätzt – oft mit der Folge, dass hieran die (Fremd-)Finanzierung des Vorhabens scheitert. Für bestimmte Förderprogramme werden – je nach Vorhaben mehr oder weniger ausgeprägte – kaufmännische Kenntnisse vorausgesetzt. In vielen Fällen kann der Gründer sich fehlende Kenntnisse durch den Besuch von (teilweise kostenfreien) Seminaren im Vorfeld der Gründung aneignen. Eine kaufmännische Ausbildung ist natürlich immer eine gute, aber nicht zwingende Voraussetzung – auch wenn dies mitunter behauptet wird. Sofern das Vorhaben aufgrund seiner Größe umfassende betriebswirtschaftliche Kenntnisse erfordert, kann das fehlende Know-how des Gründers durch einen geeigneten Geschäftspartner kompensiert werden, der das vorhandene Wissen ergänzt.

Die Fähigkeit zu unternehmerischem Handeln ist wohl eine der wichtigsten Schlüsselqualifikationen – sowohl für Existenzgründer als auch zunehmend für Menschen in abhängiger Beschäftigung.

Erfolgreiche Unternehmer zeichnen sich nicht durch einzelne Merkmale, sondern durch die Summe bestimmter, spezifischer Persönlichkeitseigenschaften aus, wie verschiedene Studien belegen. Um welche Eigenschaften es sich genau handelt und welche Rolle das soziale Umfeld spielt, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Das Online-Magazin „BerliNews“ jedenfalls überschreibt einen Bericht mit dem Titel: „Der Boss hat 2,6 Geschwister“. Nun ist Ihr Vorhaben gewiss nicht zum Scheitern verurteilt, wenn Sie keine Geschwister haben. Allerdings werden bestimmte Persönlichkeitsmerkmale schon in der Kindheit geprägt. Die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit beispielsweise werden ausgeprägter sein, wenn jemand nicht als Einzelkind aufgewachsen ist.

Auch eine höhere Schulbildung und die anschließende, qualifizierte Ausbildung wirken sich offenbar positiv auf den unternehmerischen Erfolg aus. Eine Vielzahl von Unternehmern hat bereits in der Schulzeit Führungserfahrung erworben – als Klassensprecher.

Darüber hinaus wird erfolgreichen Unternehmern eine gewisse Aggressivität – im positiven Sinne – zugeschrieben. Tatsächlich scheinen 24ein besonders freundliches Wesen und wirtschaftlicher Erfolg sich eher im Wege zu stehen. Mit anderen Anbietern zu konkurrieren bedeutet auch, diese in wirtschaftlicher Hinsicht zu „bedrohen“ und daher bedarf es eines gewissen Aggressionspotenzials, um sich durchzusetzen.

Als weiteres Merkmal findet sich in der Literatur immer wieder die „Fähigkeit zur Hingabe“. Ein angehender Unternehmer muss sich der Aufgabe voll und ganz widmen und die Bereitschaft mitbringen, dieser die oberste Priorität einzuräumen – ohne natürlich die eigenen Bedürfnisse, die der Familie und der Mitarbeiter aus den Augen zu verlieren.

Häufig genannte Eigenschaften erfolgreicher Unternehmer sind darüber hinaus:

Hinzu kommt die Fähigkeit und Bereitschaft zu erfolgreichem Networking, eine Kompetenz, die häufig unterschätzt wird und doch von entscheidender Bedeutung ist. Gerade – aber nicht nur – im 25Dienstleistungsbereich bestimmen Kontakte in besonderem Maße den unternehmerischen Erfolg mit. Über persönliche Empfehlungen kommen bei guten Netzwerkern 80–100% der Aufträge zustande.