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Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Mai 2014

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E-Book 978-3-644-51651-9

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ISBN 978-3-644-51651-9

Was hatte das Kaninchen zu bedeuten?

Eine schwarze Katze, die den Weg von links nach rechts kreuzt, verheißt nichts Gutes, das weiß jeder. Oder von rechts nach links? Egal, dachte Jannike, darauf kam es wirklich nicht an, sie hatte es ja schließlich nicht mit einer schwarzen Katze zu tun, sondern mit einem ziemlich fetten, graubraunen Kaninchen, das auch weder von links nach rechts oder umgekehrt huschte, dafür aber geradewegs auf sie zugeschossen kam und sich ohne Umschweife in den Stoff ihrer Jeans verbiss.

«Hau ab!», versuchte Jannike es erst mal im Guten. Doch das Monster zeigte sich unbeeindruckt, die Nagezähne gaben keinen Millimeter nach. Zudem begann es, mit seinen Pfoten auf den sandigen Boden zu trommeln, was tatsächlich bedrohlich wirkte. «Lass meine Hose los!» Keine Reaktion. Obwohl Jannike laut geworden war und den freien Fuß dazu nutzte, den pelzigen Angreifer vorsichtig abzuwehren.

Das glaubt mir kein Mensch, dachte Jannike. Ich komme auf eine kleine Nordseeinsel, die mir vom Immobilienmakler meines Vertrauens als «Oase der Ruhe und des Friedens» angepriesen wurde, und werde als Erstes in den Dünen von einem Wesen angefallen, das normalerweise wegen seiner Niedlichkeit als Schnuffeltier oder Schokoladenspezialität herhalten muss.

Jetzt mal konkret: Was hat es zu bedeuten, wenn man vor den Scherben eines vormals tollen Lebens steht, sich etwas Entspannung wünscht und dann von einem hässlichen Langohr angefallen wird, als gäbe es kein Morgen?

«Frau Loog, da sind Sie ja schon», hörte Jannike die Stimme des Maklers, die sie bislang nur vom Telefon kannte. Und als habe diese eine magische Wirkung, ließ Hasibal Lecter das Hosenbein los, schnüffelte kurz mit seinem Schnäuzchen und hoppelte dann schwerfällig hinter die knorrige Kastanie, die rechts vor dem Eingang wuchs.

«Mistvieh!», murmelte Jannike.

«Was haben Sie gesagt?» Inzwischen stand Joachim Hagelitz neben ihr. Ein stattlicher Mann mit Wetterjacke über dem obligatorischen Immobilienmakler-Outfit.

«Hallo Herr Hagelitz!» Jannike reichte ihm die Hand. «Ich habe mich spontan entschieden, die frühe Fähre zu nehmen. Ich wollte mich vor unserem Termin schon mal etwas umschauen.»

«Sehr löblich», sagte Hagelitz. «Die Umgebungssituation ist bei dieser Immobilie natürlich auch etwas ganz Besonderes. Dafür sollte man sich unbedingt Zeit nehmen!» Er machte eine große Geste, die an den Moses in einer Hollywoodverfilmung erinnerte, wenn er seinem Volk das Gelobte Land präsentierte. «Fast ein Hektar unberührte Natur, zur Nordseite direkt an den Strand grenzend, nach Süden hin als uriger Inselgarten bewachsen.»

«Wilde Tiere inklusive», warf Jannike ein.

Hagelitz zog eine Augenbraue hoch.

«Eben bin ich von einem Kaninchen gebissen worden!»

Die zweite Augenbraue folgte. Doch er sagte nichts.

Damit hatte Jannike gerechnet. Die Geschichte klang ja auch dermaßen bescheuert, dass sie sich inzwischen selbst nicht mehr ganz sicher war, ob sie sich wirklich so abgespielt hatte. Von nun an würde sie die Sache mit dem Nagetier mit keiner Silbe mehr erwähnen, schwor sich Jannike im Stillen.

Der Makler betrachtete sie noch immer skeptisch. «Wo sind Ihre blonden Locken hin?»

Die Leier wieder. Jannike konnte es nicht mehr hören. «Die waren nicht echt.»

«Wirklich nicht? Hat man nicht gemerkt.»

«Kameras sind da gnädig.»

Jetzt erinnerte Hagelitz sich anscheinend daran, dass er hier war, um das Vertrauen einer potenziellen Käuferin zu wecken. Eine Diskussion über fehlende Haarpracht war da ein denkbar schlechter Eisbrecher. Etwas hilflos startete er eine Rettungsaktion mit dem Satz: «Dunkelblond und kurz steht Ihnen aber auch, das ist so schön natürlich!»

Jannike nickte. Natürlich – auch das hatte man ihr in den letzten Tagen mehrfach gesagt. Ein anderes Wort für unscheinbar.

«Wollen wir?» Hagelitz klimperte mit einem Schlüsselbund. «Das Haus des Leuchtturmwärters, eine Oase der Ruhe und des Friedens!» Hagelitz schien jetzt sicherheitshalber auf bewährte Floskeln zu setzen.

Und tatsächlich wirkte dieses Fleckchen Erde, als könnte einem hier nichts Schlimmeres passieren als ein Regenschauer oder vielleicht verstärkter Pollenflug im Frühling. Die dicken Äste der Kartoffelrose hatten den kleinen Steinweg, der zum Haus führte, fast zuwachsen lassen. Der Duft ihrer Blüten mischte sich mit den salzigen Aerosolen, die das nahe Meer an die Luft verschenkte. Im Hochsommer würden die Büsche dicke, rote Hagebutten tragen. Jannike erinnerte sich noch gut: Als Kind hatte sie die Sommerferien hier auf der Insel verbracht, und ihre Brüder hatten die prallen Früchte mit dem Taschenmesser aufgeschlitzt und die Samen herausgepult. Eins-a-Juckpulver für den Ausschnitt der Schwester! Jannike musste lachen, wenn sie daran dachte, wie sie sich damals hysterisch das T-Shirt über den Kopf gezogen hatte, mitten im Kurpark. Vor ewigen Zeiten, um genau zu sein, vor mindestens dreißig Jahren!

«Schauen Sie hier, die großzügige Südterrasse.» Hagelitz zeigte auf das von einem rustikalen Lattenzaun eingefasste, rot gepflasterte Plateau vor bodentiefen Fenstern. Bis man hier gemütlich sitzen konnte, müsste eine Menge Sand aus den Mauerecken geschaufelt werden. Aus den Fugen der Steine wuchs bereits der Strandhafer. Wären sie nur wenige Wochen später gekommen, wäre dieser Platz womöglich von der angrenzenden Düne verschluckt gewesen. «Als mich Ihre Immobilienanfrage erreichte, hab ich mir gleich gedacht, dass dieses Haus etwas für Sie sein könnte», sagte er so begeistert, als sähe er sich hier schon bei Kaffee und Kuchen sitzen.

Nun, da war Jannike sich nicht so sicher. Zwar war das Gebäude wirklich hübsch: Backsteinromantik mit einem weiß getünchten Vorbau, dunkelgrüne Fensterläden, alte, geschwungene Ziegel auf dem Dach. Und als Krönung erhob sich hinter dem Haus der imposante Leuchtturm in den Himmel, der dem Immobilienmakler den Gefallen tat, ausgerechnet heute mal hochglanzprospektblau und fast wolkenlos zu sein. Wirklich schön! Und weitab vom Schuss. Nicht nur das Haus, von dem aus man mit dem Fahrrad zehn Minuten bis zum Dorf radeln musste. Sondern auch die Insel an sich, die nur bei Hochwasser mit der Fähre zu erreichen war und am nordwestlichsten Ende der Republik lag, die nächste Autobahn war fast fünfzig Kilometer entfernt. Ja, Hagelitz hatte recht, dieses Haus war etwas für sie.

Wenn da nur nicht dieses eine Manko wäre. «Und man muss die Zimmer wirklich ganzjährig vermieten?»

Hagelitz seufzte. «Ja, eine unabänderliche Vorgabe des Gemeinderates. Damit wollen die Insulaner verhindern, dass die schönsten Gebäude von reichen Festländern gekauft und dann nur in den Sommermonaten bewohnt werden.»

«Wie viele Betten sind es?»

«Acht Doppelzimmer, alle mit eigenem Duschbad.» Er öffnete seine Ledertasche und holte das Exposé heraus. Der Grundriss war unhandlich, er musste die Seite aufklappen und legte die Pläne auf einem verwitterten Mauervorsprung ab. «Bis auf zwei kleinere Räume im Erdgeschoss befinden sich alle Gästezimmer in der ersten Etage. Im zweiten Obergeschoss haben wir dann die Wohnung, die Sie für sich privat nutzen können. Groß genug für Sie und Ihren Verlobten.»

Jannike schwieg dazu. Es ging Hagelitz nichts an, dass für Danni eigentlich kein einziger Quadratmeter vorgesehen war. «Das ist bestimmt eine Menge Arbeit», lenkte sie ab.

«Sie können sich doch einen oder zwei Angestellte nehmen, unter dem Dach sind zu diesem Zweck entsprechende Zimmerchen ausgebaut worden. Kein Luxus, aber …»

Angestellte? Auf diesen Gedanken war Jannike noch gar nicht gekommen. Die Vorstellung, am Morgen zwei verschüchterte Zimmermädchen anzuweisen, wie sie tagsüber die Betten, das Frühstück und die Wäsche zu machen hatten, war ihr komplett fremd.

«… mit ein bisschen organisatorischem Geschick und der einen oder anderen Modernisierung lässt sich aus diesem kleinen Hotel eine wahre Goldgrube machen.» Er zwinkerte ihr zu. «Vor allem mit Ihrem Namen! Die Leute werden Ihnen die Bude einrennen!»

Jannikes Knie wurden weich, sie musste sich auf das kleine Mäuerchen setzen, direkt neben den Grundriss. «Herr Hagelitz, Sie sind doch ein Profi, nicht wahr?»

Ein bisschen nervös schien ihn der scharfe Ton schon mal zu machen. Er spielte mit dem Bändchen seines Anoraks. «Selbstverständlich. Warum fragen Sie?»

«Wenn ich Ihnen sage, ich suche ein Haus, in dem ich nach dem ganzen Theater – ich vermute, Sie haben davon gehört – zur Ruhe kommen kann, dann liegt es doch auf der Hand, dass mein Name nicht bekannt werden soll, oder?» Sie schaffte ein Lächeln. Aber keines, das beruhigend wirken sollte. Hagelitz musste hier und jetzt klargemacht werden, worum es ging.

«Ähm …» Er geriet leicht ins Stottern. «Natürlich sind wir diskret, Frau Loog!»

«Wie Sie sich vorstellen können, ist es für mich und meinen Verlobten sehr anstrengend, dauernd im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Insbesondere nach den Vorwürfen, die man mir macht.»

Er nickte betroffen.

«Und die übrigens völlig aus der Luft gegriffen sind», stellte Jannike noch klar und ärgerte sich im selben Moment, weil das schon wieder nach Rechtfertigung klang. Wahrscheinlich war es sowieso egal, was sie ihm erzählte, Hagelitz hatte sich seine Meinung doch längst gebildet. Bestimmt dachte er, der Hauskauf würde mit ebendiesen Geldern getätigt werden, um die es bei der ganzen unschönen Geschichte ging. Der hatte sich doch nicht zufällig heute diese Wetterjacke angezogen, ausgerechnet von Springtide. Hagelitz fummelte an dem Kapuzenbändchen herum, so als wolle er sagen: Ist mir doch egal, woher meine Kunden ihr Geld haben, Hauptsache, sie kaufen mir diese Oase der Ruhe und des Friedens ab, am liebsten heute noch.

«Mein Name ist Jannike Loog, und ich bin eine Geschäftsfrau aus Köln. Das können Sie jedem, der es wissen oder nicht wissen will, erzählen. Aber mehr bitte nicht!»

«Selbstverständlich», murmelte er. Dann packte er die Papiere zusammen, holte tief Luft und verwandelte sich im Handumdrehen wieder in einen Makler, der den Ruf zu verlieren hatte, den Reichen und Schönen dieses Landes zu passendem Wohnambiente zu verhelfen. «Wenn Sie so weit wären, Frau Loog, dann schauen wir uns das Schätzchen doch mal von innen an!»

Das Erste, was ihnen aus dem Haus entgegenwehte, war der Muff einer Sommersaison, die schon Jahre zurückliegen mochte. Das klassische Frühstück mit Ei, Weißbrot und Filterkaffee ließ sich noch flüchtig erahnen, ebenso die ungelüfteten Federbetten, die Kernseife im Putzraum und das Terpentin gegen Teerflecke. Kaum war Jannike in den Flur getreten, hatte sie augenblicklich ein Bild vor Augen: Kinder in Kniebundhosen, die schon die Plastikeimer in den Händen hielten und endlich zum Strand aufbrechen wollten. Natürlich war in Wirklichkeit alles menschenleer, der rot geflieste Fußboden von dünnem, fast makellosem Staub bedeckt, die weißen Steinwände ohne Bilder, die Glühbirne, die von der hohen Decke baumelte, nackt. Doch es bereitete keine Mühe, sich vorzustellen, wie das Haus aussah, klang und roch, sobald es von Leben erfüllt war.

Diese Vision überraschte Jannike. Überrumpelte sie fast. Was war denn hier los?

Natürlich blieb eine solche Reaktion einem Vollblutmakler wie Hagelitz nicht verborgen. «Ist es nicht schön?», fragte er überflüssigerweise.

«Da muss aber noch viel reingesteckt werden», sagte Jannike.

«So können Sie Ihr kleines Inselhotel ganz nach Ihren Vorstellungen einrichten.»

Zugegeben, das war ihr weitaus lieber, als wenn sich hier irgendwelche Furniermöbel breitgemacht hätten. Da am Treppenaufgang würde sich eine Kommode gut machen, schlichtes Holz, darauf vielleicht ein paar Blumen und ein Spiegel oder so. Jannike war zwar keine Abonnentin von Schöner Wohnen, in Köln hatte Danni die Inneneinrichtung übernommen, aber dass man hieraus etwas machen könnte, war nicht zu übersehen.

Hagelitz wollte sich ein Grinsen nicht verkneifen. «Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen den Frühstücksraum!» Er öffnete die linke Glastür und lief leichtfüßig voraus. Konnte es sein, dass er sich bereits sicher war, heute ein gutes Geschäft abzuschließen? Wie das denn, wo Jannike doch selbst überhaupt nicht wusste, was sie hier gerade machte.

Wenn ihr jemand vor zwei Monaten prophezeit hätte, dass sie jemals ernsthaft in Erwägung ziehen würde, ein Hotel auf der Insel ihrer Sommerferienerinnerungen zu eröffnen, sie hätte einen Lachanfall bekommen. Vor acht Wochen war sie noch sicher gewesen, für den Rest ihres Lebens in Köln zu wohnen und wochentags zwischen ihrem Altbaupenthouse in Rodenkirchen und den Studios in Bocklemünd zu pendeln. Sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn es so geblieben wäre. Doch nach dem Springtide-Skandal war das undenkbar geworden. In den letzten Wochen hatte so ziemlich jeder, mit dem sie gut, mäßig oder auch nur flüchtig bekannt war, sie darauf angesprochen. «Mein Gott, was ist dran an den Gerüchten?» – «Wir glauben ja nicht eine Sekunde, dass du dir da was zuschulden hast kommen lassen, aber …» – «Und was hast du jetzt vor?» Immer klang die stille Frage im Hintergrund mit: «Was will man denn mit so viel Geld …?»

«Frau Loog? Haben Sie das phantastische Parkett gesehen?», rief Hagelitz. «Fischgrät, Eiche, müsste man mal abschleifen und neu versiegeln, aber dann …»

Sie trat in den Frühstücksraum, Tische und Stühle waren vorhanden, nicht schön, aber stabil, in neutralem Beige lackiert. Wenn ihr Orientierungssinn sie nicht täuschte, war der Raum geradezu perfekt gen Süden ausgerichtet, sodass hier drin immer die Sonne scheinen würde, vielleicht sogar bei Sturm und Regen. Zudem gelangte man direkt auf die versandete Terrasse, wodurch Hagelitz sich zu weiteren begeisterten Gestaltungsvorschlägen hinreißen ließ. Inzwischen hatte Jannike ihre Ohren auf Durchzug gestellt. Was sie sah, reichte ihr: Der Frühstücksraum war schön, die Küche daneben nicht gerade neu und praktisch, wohl aber mit dem Nötigsten ausgestattet. Sie brauchte keine Aufklärung über die «Bewirtungssituation», und dass es hier himmlisch ruhig war, wusste sie auch ohne seine Ausführungen zur «Geräuschsituation».

Genauso wusste sie aber auch, dass es völliger Quatsch war, ein Hotel zu kaufen. Sie war Sängerin und Moderatorin. Im Gastgewerbe war sie – bis auf die lange zurückliegenden Erfahrungen als Thekenkraft in einer Kellerkneipe während des Studiums – absolute Debütantin. Zudem hatte sie noch nie an einem so winzigen Ort gelebt. Auf dieser Insel gab es kein Fitnessstudio, keine Sushibar, kein Programmkino und keinen Wochenmarkt mit frischem Gemüse der Saison. Was also hoffte sie hier zu finden?

Ruhe! Ja, das wünschte sie sich mehr als alles andere.

Der Rundgang durch die einzelnen Zimmer der ersten Etage entmutigte Jannike. Hier standen zwar noch eine Menge Möbel, allerdings handelte es sich dabei um dermaßen belangloses Hotelinterieur, dass bei ihr die Lust auf die professionelle Gastfreundschaft nicht so recht aufkommen wollte. In einem Doppelbett mit oberschenkelbreiter Besucherritze würden selbst Flitterwöchner wie Geschwister nebeneinanderliegen, Romantik undenkbar. Die großzügigen Schränke hatten unmoderne Leistenbeschläge, was wohl rustikal wirken sollte, aber eigentlich nur eine weitere Fläche bot, wo der Staub es sich gemütlich machen konnte. Natürlich brauchte ein Hotelzimmer Vorhänge, aber diese hier waren aus fadenscheinigem Baumwollgemisch, bedruckt mit Tulpen, Segelbooten und Grammophonen – wer dachte sich solche Muster aus? Wie sollte man einen entspannten Urlaub verbringen, wenn man vierzehn Tage lang beim Einschlafen und Aufwachen zwanghaft grübeln musste, was diese drei Dinge miteinander zu tun hatten? Keine Frage, das meiste hier müsste man entsorgen. «Gibt es auf der Insel eigentlich eine Sperrmüllabfuhr?», wollte Jannike wissen. Da war Hagelitz jedoch überfragt.

Die Etage darüber versöhnte Jannike wieder: Die Privatwohnung war hell, hatte drei Zimmer mit Dachschrägen, und aus den meisten der Sprossenfenster genoss man einen ziemlich tollen Blick auf Dünen, Leuchtturm und einen Zipfel vom Strand. Es gab sogar eine Ecke, die groß genug wäre, den Steinway-Flügel aufzustellen, sollte er es mit Hilfe eines genialen Tricks die enge Treppe erst einmal hinaufgeschafft haben, was eher unwahrscheinlich war. Besser, sie würde das Instrument in Köln lassen, Danni brauchte schwarz-weiße Tasten in der Wohnung, schließlich war er Pianist. Sie könnte sich auch ein einfaches Klavier kaufen, das sähe schön aus, dahinten in der Ecke zwischen den beiden kleinen Dachgauben.

Moment, was denke ich da eigentlich?, schreckte Jannike auf. Ich fange ja schon an, die Bude einzurichten. Dabei habe ich noch nicht einmal nach dem genauen Preis gefragt.

«Fünfhunderttausend für alles, so wie Sie es sehen», sagte Hagelitz, als hätte er ihr geradewegs in den Kopf geschaut. Jannike schnappte nach Luft, also versuchte er zu beschönigen: «Für die Insel ist das ein Schnäppchen. Normalerweise liegt der Quadratmeterpreis deutlich höher.»

«Das kann ja sein, aber ich wollte eigentlich gar kein komplettes Hotel kaufen. Eine Wohnung hätte mir auch gereicht!»

«Aber Frau Loog!» Er schüttelte entgeistert den Kopf. «Erstens gehört eine besondere Frau wie Sie in eine besondere Immobilie.» Ein dicker Schleimpunkt für den Makler! «Zweitens zahlt man hier für eine Dreizimmerwohnung ungefähr dasselbe. Drittens habe ich eine solche ohnehin gerade nicht im Angebot, die meisten Objekte dieser Art gehen unter der Hand weg.»

«Und dieses Haus nicht? Ist es ein Ladenhüter?»

«Es hat eine hervorragende Bausubstanz!» Hagelitz war eingeschnappt, das war nicht zu übersehen. Krampfhaft hielt er die Aktentasche unter seinen Arm geklemmt wie ein Mittelstufenschüler, dessen Einladung in die Eisdiele man ausgeschlagen hatte. Da tat er Jannike fast schon ein bisschen leid.

«Mit einer halben Million ist es hier doch noch lange nicht getan», argumentierte sie. «Man muss quasi alles neu einrichten!»

Jetzt kam wieder Bewegung in den Mann. «I wo, das brauchen Sie nicht! Im Sommer ist auf der Insel ohnehin alles ausgebucht, keine Sorge, selbst wenn Sie die Matratzen auf den Fußboden legen und Apfelsinenkisten als Mobiliar benutzen. Da lässt sich ohne großen Aufwand ein bisschen Kapital erwirtschaften, um im Winter die kleinen Schönheitsfehler zu beheben.»

Jannike war kein Ass in Mathematik, aber dass Hagelitz hier eine allzu positive Bilanz aufstellte, war sogar ihr klar. Wahrscheinlich dachte er, dass sie in Geld schwamm und es auf den Euro nicht ankam. Das dachten schließlich alle.

«Außerdem gibt es noch eine zusätzliche Möglichkeit, das Taschengeld ein bisschen aufzubessern …» Er machte ein Gesicht wie ein Zauberer, der gleich ein Kaninchen aus dem Zylinder ziehen würde.

Kaninchen? Wie kam sie ausgerechnet darauf?

«… der Leuchtturm!»

«Wie bitte? Der Leuchtturm ist im Preis inbegriffen?»

Das brachte Hagelitz zum Lachen. «Natürlich nicht! Der wäre unbezahlbar! Aber die Kurverwaltung erstattet Ihnen eine kleine Aufwandsentschädigung, wenn Sie die Verwaltung des Turmes übernehmen.»

«Soll ich das Licht anknipsen?»

Irgendwie hatten sie beide nicht denselben Sinn für Humor, denn Hagelitz schien sich noch immer zu amüsieren, dabei war Jannikes Frage gar nicht als Witz gemeint gewesen. «Aber das geht doch heute automatisch, Frau Loog! Da sitzt keiner mehr oben am Schalter …» Er kicherte sich kurz in Rage und beendete seinen Anfall mit einem verlegenen Räuspern. «Also … was ich sagen wollte: Der Leuchtturm ist dreimal die Woche für Touristen zugänglich, und zwar dienstags, donnerstags und am Sonntag. Und ab und zu wird da oben geheiratet. Da müssten Sie dann jeweils die Tür auf- und abschließen und vor Feierabend kontrollieren, ob noch jemand oben ist.»

«Mehr nicht?»

«Genau. Und wenn Sie clever sind, bieten Sie an diesem Tag noch leckeren Tee und Kuchen auf Ihrer Sonnenterrasse an. Der Turm hat eine Menge Treppenstufen, die meisten Besucher werden sich nach der Besteigung ein paar Kalorien gönnen wollen. Und das landet dann alles schön versilbert in Ihrer Kasse!»

Fast hätte Jannike ihn gefragt, warum er nicht selbst den Laden übernahm, wo er doch so gute Ideen hatte und eigentlich am allerbesten wusste, wie man das Ganze hier in Schwung bringen könnte. Aber sie hatte keine Lust mehr auf Streit. Den hatte sie in den letzten Tagen im Überfluss gehabt. Er war im Grunde doch nur ein Immobilienmakler, der seinen Job anständig machen wollte.

«Kann ich mir den Leuchtturm mal ansehen?»

Damit hatte er wohl nicht gerechnet. «Sie wollen da rauf?»

«Ja, Sie nicht?»

«Ich hab es nicht so mit der Höhe.»

«Nicht so schlimm. Das schaffe ich auch allein!»

Nur zögerlich überließ er ihr einen Schlüssel, der so alt und schwer und langstielig war, wie man sich den Schlüssel für einen Leuchtturm vorstellte. Das Ding löste ein komisches Gefühl in Jannike aus, fast als hätte es auch in ihrem Inneren etwas geöffnet. Eine lange verschlossen gewesene Tür zur Lebensfreude vielleicht, oder die vergessene Pforte zur guten Laune. Mensch, sie hatte die Möglichkeit, Leuchtturmwärterin zu sein! Na ja, zumindest so etwas Ähnliches. Das klang doch wie einer dieser Kindheitsträume, die sich eigentlich nie erfüllten. Zugegeben, als kleines Mädchen hatte Jannike Sängerin oder Schauspielerin werden wollen, Hauptsache große Bühne. Und der Traum hatte sich schließlich erfüllt, war dann aber irgendwie nur halb so toll wie gedacht. Aber Leuchtturmwärterin? Na, das war doch echt was. Allein die Schlüsselgewalt zu einem solch riesigen Gebäude zu haben …

Jannike lief die Treppen hinunter, rannte durch den Flur und zur Haustür hinaus. Die Aussicht auf Aussicht machte sie ungeduldig. Warum auch immer sie es so eilig hatte, diese Wendeltreppe hinaufzusteigen, war ihr schleierhaft, aber es war eine Weile her, dass sie einen solchen Ansporn verspürt hatte.

Der Weg zum Turm verlief rechts am Hotel vorbei und endete an einer kleinen Steintreppe. Wenn man hier stand und nach oben guckte, konnte man die Spitze schon nicht mehr sehen, und die blau-weißen Streifen schienen immer schmaler zu werden, verliefen irgendwo in der Höhe ineinander. Vorhin, als sie mit dem Leihfahrrad hierhergeradelt war, hatte sie nur auf das Haus geachtet, das da im Dünental lag. Wenn sie gewusst hätte, dass der Leuchtturm quasi dazugehörte, wäre ihre Aufmerksamkeit natürlich abgelenkt gewesen. Dann hätte sie nur Augen für dieses schöne, schlanke, große Seezeichen gehabt.

Der Schlüssel fand ohne großes Gefummel seinen Weg und ließ sich auch anstandslos drehen, das Quietschen der Türscharniere hallte im Innern wider, echote an den gerundeten Wänden die Wendeltreppe nach oben. Wahnsinn! Jannike trat ein. Ein Schild am Aufgang verriet, was man vor sich hatte, wenn man unten stand: 172 Stufen bis zur Aussichtsplattform, die in knapp 50 Metern Höhe lag.

Jannike zögerte keinen Moment.

Vielleicht lag es daran, dass in letzter Zeit alles nur bergab gegangen war. Ihre Karriere, ihre Beziehung, vor allem ihr Selbstwertgefühl. Da verursachte jede einzelne Stufe nach oben so etwas wie ein Triumphgefühl. Warum nicht, dachte Jannike, warum sich nicht wirklich einen Kindheitstraum erfüllen, dessen man sich nie bewusst gewesen ist? Wenn man alles gehabt hat – eine eigene Fernsehsendung, einen tollen Mann, jede Menge Fans – und davon irgendwann nichts mehr übrig war, dann konnte man sich in einem Loch verkriechen oder losrennen und etwas völlig Neues beginnen. Das klang wie der Tipp eines Motivationstrainers in der Apothekenumschau, nur gewannen die Worte hier auf einmal an Substanz.

Sie erreichte das erste Zwischenplateau und konnte durch ein kleines, kreisrundes Fenster nach draußen spähen. Der Blick ging Richtung Dorf, zwischen den Dünen war die Spitze der Inselkirche zu erkennen – sie hatte dieselbe Höhe. Auf, weiter!

Jannike wunderte sich selbst, dass ihr nicht die Puste ausging. Seit man ihr vorgeworfen hatte, in der Sendung ungenehmigte Schleichwerbung für eine Freizeitbekleidungsfirma zu machen, hatte sie sich kaum mehr vor die Tür getraut. Da war das Joggen am Rheinufer ausgefallen, ebenso der regelmäßige Abstecher zu ihrem Personaltrainer. Jannike war lieber im Bett geblieben, hatte alle halbe Stunde im Internet recherchiert, was die Yellow Press über ihre angeblichen Verfehlungen schrieb – und Danni anschließend die Ohren vollgejammert, dass sie nicht nur blass und unglücklich, sondern auch noch pummelig werden würde.

Von wegen! Bislang trabte sie auf den Turm wie eine Zwanzigjährige. Das zweite Plateau, und sie schwitzte noch nicht einmal! Hinter der salzverkrusteten Glasscheibe sah sie die Brandung weit unten am Strand, und eine Möwe schwebte eine Armlänge entfernt an ihr vorbei.

Wenn Clemens mich jetzt sehen könnte, dachte Jannike, der würde seinen Augen nicht trauen: Jannike Loog lässt sich nämlich nicht kleinkriegen. Sobald endlich Ruhe eingekehrt war daheim in Köln, würde Clemens sich auf den Weg zu ihr machen und dann staunend feststellen, dass sie trotz naturblonder Kurzhaarfrisur und fehlendem Fernseh-Make-up eine verdammt tolle Frau war! Jawohl!

Clemens – autsch, der Stachel saß doch tiefer als gedacht. Jannike wurde langsamer. Natürlich wusste sie, dass er nicht anders hatte handeln können, meine Güte, er war der Produzent, da musste er knallhart reagieren und ihr die Sendung entziehen. Wie hätte das sonst ausgesehen? Nein, sie durfte von ihm keine Spezialbehandlung erwarten, offiziell war sie eine Vertragspartnerin wie alle anderen, mehr nicht. Aber es tat weh, verdammt noch mal. Irgendwie hatte sie gehofft, dass er sie beschützen würde vor den falschen Anschuldigungen. Er wusste schließlich am allerbesten, dass an der Sache nichts dran war, Jannike trug diese Jacken eben, weil man sie ihr zur Verfügung gestellt hatte, und nicht, weil sie dadurch ein Nebeneinkommen von der Herstellerfirma einheimste. Was für ein Unsinn! Aber Clemens hatte sich nicht eingemischt, hatte sie weder beschuldigt noch ihre Verteidigung übernommen. Auf gut Deutsch: Er hatte sie alleingelassen! Und das tat weh. Noch immer.

Jetzt war Jannike doch drauf und dran, stehen zu bleiben, auf halber Höhe. Die Enttäuschung machte ihr die Schritte schwer. Sie blickte nach oben: noch drei Windungen mindestens. Wie sollte sie das bloß schaffen?

Nicht nur die Stufen, nein, wie sollte sie es schaffen, einen kompletten Neustart hinzulegen, wo noch so viele Altlasten an ihr hingen? Auch wenn die Katastrophe erst gut fünf Wochen zurücklag und das wahrscheinlich eine lächerlich kurze Zeit war, in der nicht mal der optimistischste aller Menschen darüber hinweggekommen wäre – jetzt gerade glaubte Jannike, dieses miese Gefühl würde sie ewig quälen.

Trotzdem schlich sie weiter, Stufe für Stufe, Plateau für Plateau, bis sie den Wind schon um die Turmspitze pfeifen hörte.

Sie könnte auch umdrehen. Runter ging schneller als rauf, das wusste sie bereits. Also raus aus dem Turm, weg vom Hotel, gleich mit dem Schiff zum Festland, rein ins Auto, rauf auf die Straße … Quatsch, das war wirklich eine hundsmiserable Alternative!

Noch ein Absatz. Zwölf Stufen. Das Leuchtfeuer kam in Sicht. Unter einer gläsernen Haube erkannte Jannike gewundene Drähte, dick wie Paketband, deren Enden verkabelt waren. Fächerartige Lamellen umhüllten die riesige Glühbirne, sortierten bei Nacht das Licht in Bündel, bevor es auf das Meer hinausgeschickt wurde. Die Mechanik war leicht zu durchschauen, Jannike verstand, es war gar nicht das Licht, das sich hier oben drehte, sondern das ganze Drumherum. Das Leuchtfeuer selbst stand still und unbeweglich. Was für eine Täuschung!

Warum ist mir das so wichtig, wunderte sich Jannike. Sie war jetzt oben angekommen, die gebogenen Außenfenster zeigten ihr verzerrtes Spiegelbild, dahinter lag nichts als Weite. Ihr Atem ging schnell und flach, auf der Stirn hatten sich nun doch ein paar Schweißtropfen gebildet. Und dann fiel es ihr ein: Klar, im Grunde bin ich doch auch noch immer dieselbe, die ich vor zwei Monaten gewesen bin. Ich bin unverändert, bloß das ganze Drumherum zeigt der Welt ein anderes Bild von mir.

So philosophisch war Jannike sonst nie. Das eigene Leben mit einem Leuchtfeuer zu vergleichen, darauf würde sie normalerweise nicht kommen. Lag es an der Höhenluft?

Ringsherum war das Turmzimmer von einer zwei Meter breiten, durch ein hohes Geländer gesicherten Aussichtsplattform umgeben. Jannike fasste nach der Türklinke. Der Wind schien von der anderen Seite gegen die Tür zu drücken, es entbrannte ein kleiner Wettkampf zwischen ihm und der Frau, die hier vielleicht in Zukunft das Sagen haben würde. Und Jannike gewann!

Belohnt wurde der Sieg mit einer Extraportion Frischluft und dem Gefühl, der Sonne von hier oben aus per Handschlag guten Tag sagen zu können.

Und mit einem atemberaubenden Panorama: im Norden das Meer, unendlich, grau und schwer wie eine Satteldecke, bis es an die Küste stieß und dort vom weißen Sand in lange Schaumfransen zerteilt wurde. Weit hinten am Horizont machten sich Containerschiffe auf den Weg in die Welt und verrieten, dass die Erde eben doch keine Scheibe und nirgendwo zu Ende ist. Jannike atmete tief ein. Wow!

Eine Vierteldrehung weiter nach rechts überblickte sie den östlichen Teil der Insel, in dem auch das kleine Dorf lag. Rote Häuschen zwischen den Hügeln der Dünen verteilt, als wären sie eben aus einem überdimensionalen Würfelbecher gefallen. Nur knapp über tausend Einwohner gab es hier, und vielleicht würde bald eine Neuinsulanerin dazukommen …

Der kleine Hafen, in dem sowohl die weißen Fährschiffe wie auch Segelboote festmachen konnten, lag im Süden, am Watt, das so etwas wie der Schatten der Nordsee war. Jetzt musste Niedrigwasser sein, denn der schwammige Grund zwischen hier und dem Festland zeigte sich nackt und trocken. Ein paar Seevögel flogen darüber hinweg, man hörte das Kreischen bis zur Turmspitze. In westlicher Richtung war die Insel dann auch schon bald zu Ende, die wilden Sandberge, teils angefressen von der Flut, endeten in einem knappen Kilometer Entfernung. Die Nachbarinsel, die wesentlich größer, mondäner und angesagter war, schien in Rufweite zu liegen. So präsentierte sich die Welt in diesem Moment. Ganz klar, ganz aufgeräumt, alle vier Himmelsrichtungen auf einen Streich.

Jannike atmete wieder aus. Sie musste eine Ewigkeit lang die Luft angehalten haben.

«Und?», hörte sie von ganz weit unten eine Stimme. Hagelitz stand im Garten neben dem Kastanienbaum und hatte seine Hände muschelförmig um den Mund gelegt, eine freundliche Windböe trug seine Worte herauf. «Wie ist es da oben?»

Jannike winkte ihm zu. Dann holte sie ihr Handy aus der Jackentasche. Es war kurz nach eins. Normalerweise machte sich Clemens genau jetzt auf den Weg in die Mittagspause. Das Freizeichen klang irgendwie seltsam hier oben, passte nicht zum übrigen Soundtrack, der aus Wellenrauschen, Möwenlachen, Windgeheul und ihrem Herzschlag komponiert war.

«Janni? Du, tut mir leid, ich habe gerade überhaupt keine …»

«Hör mir zu!», unterbrach sie ihn. «Ich brauche eine halbe Million. Jetzt! Sofort!»

«Wie bitte?»

«Wenn ich jetzt fünfhunderttausend zusammenkratzen kann, dann packe ich es!»

«Was redest du da?»

Ja, was redete sie da? Es gab tausend Gründe, die gegen einen Kauf sprachen. Und einen einzigen dafür. Aber der war einfach zu überzeugend! Jannike wusste, es bot sich gerade eine Chance, die sie nutzen musste. Nur hier wäre sie in der Lage, endlich wieder die Übersicht zu gewinnen. «Ich möchte ein Haus, also … eine Art Firma kaufen, und dafür brauche ich Geld, das ich nicht habe.»

Clemens sagte nichts. Das war typisch für ihn. Er war ein Mann, der immer schwieg, wenn es drauf ankam.

«Ich will das nicht geschenkt haben, Clemens, nur geliehen, zu den üblichen Zinsen. Wenn ich erst mal eine neue Aufgabe habe, bin ich raus aus dem Moderationsvertrag, versprochen. Dann mache ich keinen Ärger mehr, kein Anwalt, keine Klage, gar nichts!»

Noch immer kein Wort.

«Dich lasse ich auch in Ruhe, Clemens, falls du das willst.» Fast hoffte sie, er würde jetzt Einwände erheben, etwas sagen wie: «Hey, da liegst du völlig falsch, ich will von dir nicht in Ruhe gelassen werden, du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, Janni, und ich pfeif auf meinen Ruf als Produzent genau wie auf meine verkorkste Ehe, wenn ich nur bei dir sein darf!» Aber das sagte er nicht. Natürlich nicht. Jannike hatte auch nicht ernsthaft damit gerechnet.

Stattdessen ein Räuspern. «Abgemacht!»

«Echt?» Sollte sie sich jetzt freuen oder nicht?

«Lass mir Zeit bis nächste Woche, dann hast du die Kohle. Und danach ist hoffentlich ein für alle Mal Funkstille …»

Jannike biss sich auf die Lippen und wartete, dass ihrem Geliebten auffiel, was er da gerade gesagt hatte. Doch die Verbindung knackte, und dann piepte das Besetztzeichen gnadenlos in ihr Ohr. Funkstille! Langsam steckte sie das Telefon wieder ein.

Unten stand Hagelitz, die Hände in die Hüften gestemmt, den Kopf im Nacken, Warteposition. So ein kleiner Kerl, sollte sie ihm einfach mal von hier oben auf seinen korrekten Scheitel spucken?

«Was ist?», rief er mit dem Wind.

«Ich habe mich entschieden!», rief Jannike zurück.

«Ich kann Sie nicht verstehen!»

Jannike schaute sich um, lief die Aussichtsplattform entlang, um den Turm herum, einmal, zweimal, Norden – Osten – Süden – Westen – Norden – Osten – Süden – Westen – Meer – Dorf – Watt – Dünen …

«Ich nehme das Hotel, so wie es ist! Nächste Woche ziehe ich ein!»

Es gab zwei rosarote Stapel. Der linke war eindeutig höher. Auf ihm lagen die Beschwerden.

Siebelt Freese, seit zwei Jahren Inselbürgermeister und Kurdirektor in Personalunion, verwünschte den Tag, an dem er die Idee gehabt hatte, allen Gästen bei der Abreise die Gelegenheit zu bieten, ihre Meinung kundzutun. Auf extra dafür vorbereiteten blasspinken Zetteln, die am Hafen verteilt wurden, bevor die Touristen an Bord gingen. Darauf stand eine eigentlich ganz harmlose Frage:

Wie hat Ihnen der Aufenthalt auf unserer Insel gefallen?

Wer konnte denn ahnen, dass so etwas dabei herauskam? Freese hatte eigentlich damit gerechnet, dass höchstens jeder Hundertste sich überhaupt die Mühe machte, Lob und Kritik aufzuschreiben und dann als Postkarte zurückzuschicken, mit Briefmarke und allem Drum und Dran. Nein, es gab keine Möglichkeit, online abzustimmen, wohlweislich nicht, man wollte schließlich den altersschwachen Rathausrechner nicht überfordern. Und es war noch nicht einmal ein Preisausschreiben damit verknüpft, es gab weder eine Woche Familienurlaub noch einen Eintrittsgutschein für das Meerwasserwellenbad zu gewinnen, noch nicht einmal eine billige Fahrradklingel. Da sollte man doch eigentlich glauben, dass sich die Beteiligung in Grenzen hielt. Aber Pustekuchen: Seitdem die Aktion kurz vor Ostern zeitgleich mit der Saison gestartet war, musste der Inselrat bei jeder Sitzung mehr als hundert schweinerosa Meckerbriefe durchackern. Das machte weder Spaß, noch brachte es neue Erkenntnisse. Es war – auf gut Deutsch – einfach nur ätzend!

«Nummer 26: Das Wetter war die ganze Zeit schlecht!», las seine Sekretärin Uda mit monotoner Stimme vor.

Der Inselrat stöhnte unisono auf. Schon wieder das elende Wetter! Ja, okay, es hatte an keinem der drei verlängerten Feiertagswochenenden die Sonne geschienen. Himmelfahrt hatte ein Sturm mit Orkanstärke die ersten Strandzelte durch die Luft geschleudert, Pfingsten war die Kanalisation nach verschärftem Dauerregen übergelaufen, und Fronleichnam hüllte ein dermaßen suppiger Seenebel die Touristen ein, dass man froh sein konnte, keine Fahrrad-Auffahrunfälle auf der Dorfstraße beklagen zu müssen.

«Woher kommt die Post?», fragte Freese.

Uda drehte die Karte um. «Aus der Oberlausitz!»

«Haben die nicht gerade mit Hochwasser zu kämpfen? Wegen des Dauerregens im Mai?» Freese konnte es manchmal nicht fassen. «Würde mich interessieren, ob sich die Touristen in Bayern auch ständig über das Wetter beklagen.»

«Wir sollten ernsthaft überlegen, die Insel komplett zu überdachen», scherzte Gerd Bischoff. «Mit Wärmepilzen auf der Promenade und Infrarotbestrahlung beim Kurkonzert!»

Niemand lachte.

Es war ja auch nicht das erste Mal, dass auf der Inselratssitzung Witze dieser Art gerissen wurden. Wie üblich saß man im Rathaussaal zusammen, auf taubenblau gepolsterten, etwas zerschlissenen Stühlen, zwischen Ölgemälden, auf denen pfeifenrauchende Kapitäne abgebildet waren. Freese sah diesen maritimen Männern inzwischen fast ein bisschen ähnlich. Seine Sekretärin Uda hatte ihm den Tipp gegeben, dass ein grau melierter Vollbart ihn eventuell insulaniger wirken lassen könnte. Ein Bürgermeister habe so auszusehen, als hätte er die halbe Welt umsegelt, bevor er im Hafen der Bürokratie vor Anker ging. Nicht wie einer, der in der Kreisverwaltung Aurich arbeitete, seit er zwanzig war. So einen wollen die Touristen nicht. Und tatsächlich, seit Freese dieses Fell am Kinn hatte, ließen sich die Stammgäste, denen er wöchentlich die silberne oder goldene Anstecknadel für jahrelange Inseltreue überreichte, auch mit ihm fotografieren. Inzwischen hatte er sogar die Krawatte gegen ein rotes Halstuch getauscht, sein neues Markenzeichen. Ja, natürlich war das albern. Aber Freese, der mit seiner Körpergröße von knapp eins siebzig nicht gerade Eindruck schinden konnte, wollte alles geben. Musste alles geben. Die Situation war zu prekär für halbe Sachen.

Die Luft im Rathaussaal wurde immer dicker, doch es war draußen zu windig, um die Fenster zu öffnen. Die Zeiger der Standuhr rückten vor, und die Nerven der Ratsmitglieder lagen blank.

«Mal ehrlich, Siebelt, wollen wir diesen sinnlosen Mist echt bis November durchziehen?», fragte Hanne Hahn, die Gleichstellungsbeauftragte. «Ich könnte längst meine Mangelwäsche fertig haben, die Füße hochlegen und ein Glas Prosecco trinken. Stattdessen hocken wir hier, um uns mit dem Gejammer unzufriedener Inselgäste zu beschäftigen.»

«Ändern können wir ja eh nichts», kam Zustimmung aus der Ecke, wo die Fraktion der freien Wähler ihre Stammplätze hatte. «Das hätten die Herren von der konservativen …»

Sofort sprang Bischoff auf, er war der Dienstälteste hier, stellvertretender Bürgermeister, zudem Ratsvorsitzender und leicht reizbar: «Wenn die Ökofuzzis damals nicht so stur …»

«Ökofuzzis? Was soll das denn …» Schon schwoll der Lärmpegel bedrohlich an. Naturschutzgebiet contra Hundestrand, Seniorenrabatt contra Kindergarten, Sparzwang contra Investitionsstau – alles wurde auf den ovalen Tisch gebracht, teilweise aufgewärmt, mitunter brandheiß, oft durcheinandergerührt, aber immer einen zünftigen Schlagabtausch wert. Langweilig waren die Ratssitzungen eigentlich nie.

In diesem Moment klopfte jemand mit der Faust auf die Tischplatte, sodass der rosarote Stapel Beschwerdebriefe umkippte. «Bürgermeisterchen, Hand aufs Herz, wann willst du endlich mal eine sinnvolle PR-Aktion starten?»

Jetzt ging das wieder los! Freese hasste es, wenn Bischoff ihn in der Verniedlichungsform ansprach, das tat der Ratsvorsitzende immer dann, wenn er zu einem Rundumschlag ausholen wollte. Es war wirklich nicht einfach mit den gewählten Ortsvertretern. Das Problem: Hier im Rathaus stritten sie, regten sich auf, warfen sich gegenseitig die dollsten Sachen an den Kopf. Doch sobald die Sitzungen beendet waren, wanderten sie alle schön einträchtig in die Schaluppe, tranken Bier und wurden sich regelmäßig ziemlich schnell einig, dass an der ganzen Misere eigentlich die Verwaltung schuld war, genau genommen er, Siebelt Freese, Bürgermeisterchen und Sündenbock der Insel.

Klar hatte Freese anfangs gedacht, wenn er nur mitgeht, mittrinkt, vielleicht sogar eine Runde spendiert, würde es besser. Doch das Gegenteil war der Fall gewesen: Wenn sie erst ein paar Promille intus hatten, rotteten sie sich meist zusammen und beschimpften ihn. Was sie ihm jeweils vorwarfen, hatte er nie so genau verstanden, denn zum einen war die Sprache der Ratsmitglieder dann schon etwas verwaschen, zum anderen war die Schlagermusik in der Schaluppe dermaßen laut, dass sie alles übertönte. Egal, böse war das sowieso nicht gemeint, und er konnte immer sicher sein, dass ihn schon am nächsten Tag jeder Einzelne von ihnen auf der Straße wieder mit einem freundlich-abgehackten «Moin» grüßen würde.

«Ich weiß gar nicht, was ihr wollt: Das hier ist eine PR-Aktion!» Jetzt atmete Freese erst einmal tief durch. «Wir haben zugesagt, dass wir uns eine Saison lang jeden einzelnen dieser Briefe durchlesen werden, selbst wenn es zum x-ten Mal ums Wetter geht.»

Zum Glück kehrte Ruhe ein.

Uda nahm den nächsten Zettel: «Nummer 27: Die Brötchen sind zu teuer!» Darüber wollte wie üblich niemand diskutieren, die hohen Preise waren tabu. Die erklärte man mit den hohen Frachtkosten, den teuren Ladenmieten und der Tatsache, dass ein Insulaner in neun Monaten genug Geld verdienen musste, damit es fürs ganze Jahr reichte.

«Nummer 28: Auf den Straßen stinkt es nach Pferdeäpfeln …»

«Wollen wir zur Abwechslung mal wieder eine vom positiven Stapel nehmen?», schlug Hanne Hahn vor, die es immer gern harmonisch mochte.

«Nummer 10: Ich liebe es, dass hier alles noch genau so ist wie in meiner Kindheit.»

Und genau da lag das Problem, wusste Freese. Die Autofreiheit muss bitte schön bestehen bleiben, aber die Kutschpferde dürfen die Straßen nicht mit ihren Hinterlassenschaften verunstalten. Kein Sendemast soll die Landschaft verschandeln, aber das Funkloch ist wirklich das Allerletzte. Die Schizophrenie der Ansprüche: Alles so wie immer, nur moderner …

«Unsere Nachbarinsel hat ein Plus an Übernachtungszahlen vorzuweisen», merkte Bischoff wichtig an. «Fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und die haben dasselbe Wetter wie wir, daran kann es also nicht liegen.»

Alle Augen richteten sich auf Freese. Was sollte er sagen? Er hatte doch keine Ahnung, warum es bei den Nachbarn brummte und hier nicht. «Na ja, vielleicht … Es gab eine Sondersendung von diesem Reisemagazin, ihr wisst schon, mit dieser blond gelockten Moderatorin …»

«Liedermeer!», wusste Hanne Hahn.

«Genau. Die haben immer eine Sommerausgabe, und im letzten Jahr wurde die eben auf der Nachbarinsel gedreht. Bombastische Einschaltquoten. Direkt danach sind die Buchungen in die Höhe geschossen.»

Angeblich hatte niemand der Anwesenden diese Sendung gesehen, schon aus Prinzip nicht. Alles, was mit dem ungeliebten Eiland im Westen zu tun hatte, wurde geflissentlich ignoriert. Doch Freese war skeptisch, denn dafür, dass keiner an diesem Abend den Fernseher angeschaltet haben wollte, wurde doch ganz schön viel gelästert, wie hässlich und etepetete und verbaut alles ausgesehen hätte.

«Na, dann ruf doch da mal an bei dem Fernsehsender und frag, ob die ihre Sondersendung dieses Jahr nicht bei uns drehen wollen.» Dieser Vorschlag kam von Uda, und Freese war ein bisschen sauer auf seine Sekretärin, dass die mit einer solchen Idee aufwartete, obwohl sie selbst am besten wusste, wie viel lästige Klinkenputzerei bei den Medien das bedeuten konnte. Die Zustimmung sämtlicher Ratsmitglieder war ihr jedoch sicher.

«Ja, das soll unser Bürgermeister doch mal machen!», rief einer und erhielt Beifall.

«Da stelle ich gleich mal einen offiziellen Antrag!», sagte Bischoff.

«So eine schöne Sendung, mit wunderbarer Musik und tollen Bildern und …»

«Ist die nicht abgesetzt?», fragte Hanne Hahn. «Die Moderatorin wurde gefeuert, soviel ich weiß, wegen Schleichwerbung. Hab ich im Wartezimmer beim Zahnarzt gelesen.»

«Ruhe!» Sobald die Gleichstellungsbeauftragte anfing, aus Close Up oder dem Silbernen Blatt zu zitieren, war die Zeit reif, als Bürgermeister ein Machtwort zu sprechen, sonst würden sie morgen früh noch hier sitzen. «Einverstanden, ich werde Kontakt zur Produktionsfirma aufnehmen. Aber versprechen kann ich nichts. Zumal die meines Wissens immer einen besonderen Aufhänger für ihre Sondersendung brauchen. Letztes Jahr war beispielsweise zeitgleich die Regatta.»

«Dann sollen die einfach zum Leuchtturmfest kommen», schlug Bischoff vor. «Das ist doch wohl Anlass genug.»

Freese seufzte. «Ihr wisst so gut wie ich …»

«Der Shantychor könnte auftreten!», rief Hanne Hahn begeistert. Ihr Mann sang Tenor.

«… dass wir momentan keinen Verwalter für den Leuchtturm haben. Oder will sich einer von euch das Fest ans Bein binden?»

Sofort waren alle still und schauten in verschiedene Richtungen, als wären sie nur aus Versehen hier gelandet. Das verdammte Leuchtturmfest war schon im letzten Jahr zum nervigsten Thema überhaupt geworden. Alle wollten es feiern, aber keiner wollte die Verantwortung übernehmen. Seit das kleine Hotel am Leuchtturm leer stand, hatte das fröhlichbunte Inselfest nicht mehr stattgefunden, aber alle sprachen ständig davon, dass man doch mal wieder müsste und könnte und sollte …

«Da wohnt wieder jemand!» Es gab auch im Inselrat Menschen, die sagten so gut wie nie etwas, und wenn sie dann doch einmal den Mund auftaten, war ihnen die Aufmerksamkeit aller sicher. So ein Mensch war Okko Wittkamp. Er war unabhängig in seiner politischen Meinung, unaufdringlich beim Diskutieren – soweit Freese sich erinnerte, nahm er noch nicht einmal an den anschließenden Treffen in der Schaluppe teil. Ein stiller, kluger Mann und einer der wenigen, die in den Rat gewählt worden waren, ohne dass die halbe Insel mit ihm verwandt war. Wenn Okko Wittkamp sagte, dass das Haus des Leuchtturmwärters wieder bewohnt war, würde das wohl stimmen. Zumal er gar nicht so weit entfernt von dem kleinen Gasthaus lebte.

«Eine alleinstehende Frau vom Festland», berichtete er.

«Au Backe!», sagte Hanne Hahn. «Doch nicht etwa eine von der Sorte, die sich ihren Kindheitstraum erfüllen will?»

Wittkamp zuckte die Achseln. «Ich hab sie noch nicht kennengelernt.»

«Wie alt?», fragte Bischoff.

«So um die vierzig, schätze ich.»

Die Ratsmitglieder nickten sich vielsagend zu. So um die vierzig – das waren oft Menschen, die sich eine Immobilie auf der Insel anschafften, weil der Makler ihnen diese als Oase der Ruhe und des Friedens angepriesen hatte. Die warfen meistens schon nach der ersten Saison das Handtuch.

«Dann sollten wir die Dame direkt mal auf den Pott setzen!» Bischoff schien sich zu freuen. «Die bekommt doch sowieso ihre monatliche Gefahrenzulage, oder wie wir das nennen.»

«Aufwandsentschädigung», korrigierte Freese. «Die ist aber nur für den Schlüsseldienst und alles, was mit den Besuchstagen am Leuchtturm zu tun hat. Für die paar Euro können wir niemanden verpflichten, eine solche Veranstaltung zu stemmen.»

«So, können wir nicht?» Bischoff hob seinen Arm und schaute sich auffordernd um, ein Finger nach dem anderen hob sich. «Der Vorschlag gilt als angenommen!»

Freese war Bürgermeister und Kurdirektor, er war der erste Mann im Rathaus und in der Tourismusverwaltung. Aber bei Abstimmungen im Inselrat spielte er keine Rolle. Niemand hörte auf seine Einwände, und nur selten waren die Entscheidungen, die von den Ratsmitgliedern getroffen wurden, aus seiner Sicht vernünftig und durchdacht. «Gibt es vielleicht eine Gegenstimme?», fragte er der Form halber.

Nur Okko Wittkamp hob die Hand.

Manchmal war es wirklich hoffnungslos.

Bischoff zeigte sich natürlich hochzufrieden mit dem Ergebnis. «Gut, Okko, und weil du die Leuchtturmwärterin in spe schon ein bisschen kennst und quasi ihr Nachbar bist, kannst du ja morgen mal da hin und ihr vom Fest erzählen!»

«Und sag ihr gleich, der Shantychor soll singen!», ergänzte Hanne Hahn.

Na toll!

«Hier ist Jannike Loog, entschuldigen Sie, wenn ich schon wieder nerve, aber …»

«Übermorgen!», unterbrach sie der Mitarbeiter der Reederei in einem Ton, der ihn eher nicht für die Auszeichnung zum Servicemann des Monats qualifizierte.

«Das haben Sie vorgestern schon gesagt!»

«Und ich habe auch schon mehrfach versucht, Sie auf dem Handy zu erreichen, um Ihnen mitzuteilen, dass es heute mit dem Frachtschiff wieder nichts wird.»

«Mein Telefon hat aber nicht geklingelt!»