image

image

TOMMIE GOERZ

In fränkischen

WIRTSHÄUSERN

Mit Fotos von WALTHER APPELT

image

Bei der Realisierung dieses Buches ließen wir größtmögliche Sorgfalt walten. Falls dennoch Informationen falsch oder inzwischen überholt sein sollten, bedauern wir dies, können aber auf keinen Fall eine Haftung übernehmen. Korrekturvorschläge und Anmerkungen an: lektorat@arsvivendiverlag.de

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (Erste Auflage November 2019)

© 2019 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

Covergestaltung, Layout und Satz: ars vivendi

eISBN 978-3-7472-0118-3

image

INHALT

Einleitung

1 Schlappeseppel – Aschaffenburg

2 Schloss Saaleck – Hammelburg

3 Michelskeller – Sulzfeld

4 Zur Weimarschmiede – Fladungen

5 Zum Schwarzen Adler – Unfinden/Königsberg

6 Schloss Gereuth – Untermerzbach

7 Goldener Löwe – Drügendorf/Eggolsheim

8 Gasthaus Zum Harbach – Baad/Neunkirchen am Brand

9 Gasthaus Zur Wolfsschlucht – Muggendorf/Wiesenttal

10 Pöhlmann’sche Gastwirtschaft – Limmersdorf/Thurnau

11 Gasthof Gradl – Leups/Pegnitz

12 Gasthof Napoleon – Selbitz

13 Wirtshaus Zur Mauth – Nagel

14 Gasthaus Zur Traube – Ziegenbach/Markt Bibart

15 Reindler Bräu – Jochsberg/Leutershausen

16 Gasthaus Limbacher – Herrieden

17 Gasthaus Zur Rose – Heidenheim

18 Gasthaus Zum Schloss – Tennenlohe/Erlangen

19 Albrecht-Dürer-Stube – Nürnberg

Biografien

Wirtshäuser

image

IN FRÄNKISCHEN WIRTSHÄUSERN

Nah nah, des mohch ihch ned. Wemmir in soam Buch senn, ner kummer bloß die Leud« – eine Antwort, die ich so oder ähnlich nicht nur einmal zu hören bekam, bei meinen Anfragen für ein Gespräch zu diesem Buch. Schön fränkisch, ehrlich und geerdet. An vielen Orten dreht sich die Welt hier halt noch langsam und ist überschaubar, und man will, dass das so bleibt. Zumindest für die eigene Lebenszeit.

Ein Gastwirt im Wiesenttal bellte mich an: »Nah, bleims mer ner fodd. Ihch bin ja bloßnu der Dinnsdleisder für di Leud, ka Weadd mehr. ’s hoggd si ja kahner mehrei, kahner hodd mehra Dseid. Muss immer allers scho feaddi sei und schnell geh, hobbhobb, neifressn, a Bier und fodd. Di sollnsi ihr Fressn doch beim Mäggdonnlds hulln, wenns ka Dseid hamm, oder besser nu glei vom Vabbiano bringer lossn, ner mäins ned erschd fodd vo dahahm. Des sohch ihch denner scho ah, wennsi kummer. Ihch gebner sugoar di Nummer. Sua Gschwerdl brauch ihch ned.« Ganz klar: Man mag die Gäste, aber nicht jeden Gast. Der, der keine Zeit mitbringt, auch mal zum Waafn, soll besser gleich daheim bleiben. Man will ja mit dem Gast Zeit verbringen und auch mit ihm reden.

Doch die meisten der Wirtinnen und Wirte, mit denen ich zusammengesessen habe, waren sehr mitteilsam. Sie hatten etwas zu sagen. Ihnen ging es um ihre Wirtsstube und das Leben darin – um ihren Alltag, ihr Leben. Und die Veränderungen, die die Zeit mit sich bringt.

So war auch die Intention dieses Buches. In fränkischen Wirtshäusern ist kein neuer Gastroführer, keine Zusammenstellung von »Entdeckungen«, von ausgefallenen Küchen oder Wirtshäusern, »die man gesehen haben muss«. Nichts dergleichen, schon gar keine Sammlung von »Geheimtipps«. Ich müsste ja in den Sudbottich gefallen sein, wenn ich die preisgeben würde! Niemals.

Was aber ist dann diese kleine Sammlung fränkischer Wirtshäuser? Und warum sind es neunzehn und nicht, wie geplant, zwanzig?

Die Antwort auf die zweite Frage zuerst: Es sind neunzehn, weil wir, der Fotograf Walther Appelt und ich, in einundzwanzig Wirtshäusern gewesen waren, wir einundzwanzig Wirtshäuser und Wirtsleute interviewt und fotografiert hatten, zwei aber, nachdem die Artikel fertig geschrieben waren, wieder einen Rückzieher machten. Man bleibt dann doch lieber unbekannt. Auch so ist der Franke. Es könnte sich ja etwas ändern durch das Buch, und das will man nicht. Lieber nicht. »Wennsd doch über uns schreibsd, konnsd is näggsdermoll in di Dischbladdn baißn, wennsd kummsd, ohber a Bier griegsd dann doh nemmer«, drohte mir eine Wirtin, nachdem sie es sich noch einmal überlegt hatte. »Ner kummer blohs die aus der Schdadd un hoggn doh un gloddsn.« Akzeptiert. Aber vielleicht lag’s ja auch an der Art, wie ich hier die Wirte zu Wort kommen lasse. Mit viel O-Ton. Ich weiß es nicht … So also bloß neunzehn.

Und damit zur ersten Frage. Was ist diese »kleine Sammlung fränkischer Wirtshäuser«? Mein Ansatz war die »Wirtsstube«, besser: die »Weadsschduhm«. Sie ist im Wortsinn die Stube der Wirtsleute. Ihr Wohnzimmer. Hier empfangen sie ihre Gäste, waafn mit ihnen, bekochen sie, verfluchen sie und zapfen ihnen das eine oder andere Seidla, machen sie fügsam, zahlbereit und betrunken. Hier verbringen sie einen Großteil ihres Lebens, von früh bis spät, oft von Kindheit an bis ins hohe Alter. Grund genug, hier einmal die Wände zu betrachten und die Wirte zu befragen. Worum es im Kern geht, sagt sehr schön ein Zitat aus dem Film Der Knochenmann mit Josef Hader. Da weist der Wirt einen Gast zurecht mit dem Hinweis auf die Aufschrift draußen vor der Tür: »Geh mal raus und schau, was da steht. Da steht Wirtshaus, und nicht Gasthaus.«

Doch wie kam die Auswahl der Wirtshäuser zustande? Nach welchen Kriterien wurden sie ausgesucht?

Ganz einfach. Wer wie ich Romane schreibt, deren Handlung die Kriminalitätsrate in Franken exorbitant nach oben fantasiert, und das auch noch mit einem Kommissar, der explizit in der fränkischen Lebensart beheimatet ist und oft gar nicht anders kann, als sich ins Halbdunkel eines Wirtshauses zurückzuziehen oder den sommerlichen Baumschatten eines Kellers zu nutzen, um zur Ruhe zu kommen und seine Fälle zu lösen, der muss viel raus und in die Wirtshäuser, also »vor Ort« recherchieren. Das ist das Eine.

Auch schnalle ich zusammen mit meiner Frau oder mit Freunden oftmals die Räder auf den Heckgepäckträger, und wir tuckern irgendwo naus. Dann zwei, drei Tage radeln, am Main entlang oder an der Ehe, an Tauber, Itz, Regen oder sonst einem heimischen, der Weite des Meeres zustrebenden Fließgewässer. Und dabei hocken wir uns natürlich notgedrungen auch in die Wirtshäuser. Oder wir wandern »einfach so«, laufen irgendwo eine Runde über die fränkischen Hubberla, ein paar Kilometer, dies aber ausgeprägt selten ohne Zwischenstopp oder abschließend krönenden Wirtshausbesuch. Wir kommen also herum.

Ich bin auch den gesamten »Fränkischen Gebirgsweg« gegangen, locker 430 – nicht selten zäh sich auf Forstwegen durch Franken und Randgebiete der Oberpfalz entlang windende – Kilometer von Blankenstein bis Hersbruck. Auch etliche Etappen des 520 Kilometer langen »Frankenweges« habe ich abgestiefelt – unausweichlich mit den sich am Weg befindlichen Wirtshäusern.

Aus diesem Fundus speist sich diese Auswahl. Es sind ausnahmslos »ganz normale« Wirtshäuser, eher zufällig am Wegesrand entdeckt oder in einem für die Touren ausgewählten Ort gelegen. Diese Sammlung bietet also keine wie auch immer geartete »Best-of-Parade«, eher im Gegenteil, vielleicht läge ja jeweils gleich ums Eck oder nur übern Berg ein weltbekanntes oder bislang unentdecktes Wirtshausjuwel, das man unbedingt gesehen und besucht haben muss. Das aber spielte für mich und die Auswahl hier keine Rolle.

Und dann haben mir die Kollegen Helmut Haberkamm und Klaus Schamberger jeweils noch einen Tipp gegeben, deshalb an dieser Stelle auch diesen beiden meinen Dank – und natürlich dem großartigen Fotografen Walther Appelt, der mich bei meinen Besuchen begleitete und dem wir all die herrlichen Bilder verdanken!

Ich will es einmal so sagen: Die Wirtshäuser dieser Sammlung stehen exemplarisch für sämtliche Wirtshäuser in Franken. Es sind, wie gesagt, keine »Geheimtipps«, aber immer Orte der Gastlichkeit. Jedes Haus hat seine ganz eigene Geschichte, seine ganz eigene, manchmal vielleicht nur leise Besonderheit, die man bisweilen erst auf den zweiten Blick erkennt. Oder den dritten. Oder nach dem zweiten Seidla. Oder dritten. Das alles ist legitim. Aber jedes dieser Wirtshäuser ist ein Dokument der Wirtshauskultur Frankens. Jedes für sich ist eine Einladung in Wirtshäuser ganz allgemein: sie alle immer und immer wieder zu besuchen. Denn unsere Wirtshauskultur ist bedroht. Ihr hier ein Denkmal zu setzen, auch das ist ein Anliegen dieses Buches. Und da kann es nicht um ein »Best of« oder Ähnliches gehen, sondern nur um die Vielfalt und Breite. Und ums ganz Normale.

Auch das will dieses Buch: noch mehr Lust machen auf Franken. Nicht immer nur die immer gleichen Hotspots hervorzuheben und zu besuchen, sondern auch einmal dorthin zu gehen oder fahren, wo nichts zu sein scheint oder man nichts vermutet. Denn gerade dann wird man in diesem schönen Landstrich immer wieder überrascht. Meist positiv, ich spreche da aus Erfahrung. Allerdings, und das erlebt man in den letzten Jahren leider auch immer häufiger, ist oftmals ein Wirtshaus zu. Endgültig geschlossen. Verrammelte Türen, geschlossene Fensterläden, tot. Die herkömmliche Wirtshauskultur ist bedroht. Deshalb an dieser Stelle ein ausdrücklicher Dank an alle Wirtinnen und Wirte Frankens, die ihre Wirtshäuser weiterführen und sich nicht unterkriegen lassen – und ein ganz großes Danke an die, die bei diesem Buch mitgemacht und ihre Häuser auf diese besondere Weise zur Verfügung gestellt haben!

Denn die Wirtinnen und Wirte haben es nicht leicht. Man redet längst vom »Wirtshaussterben«, und die Zahlen sind besorgniserregend: Laut Statistischem Bundesamt hat Bayern allein zwischen 2006 und 2015 ein Viertel seiner Schankwirtschaften verloren. 500 von knapp über 2 000 Gemeinden haben gar kein Wirtshaus mehr – was sich als umso dramatischer darstellt, wenn man sich bewusst macht, dass bei dieser Zahl die Städte mit ihrer oft großen Wirtshausdichte mit eingerechnet sind. Das sind Zahlen für Bayern, also auch für Franken. Oder schauen wir auf Gesamtdeutschland: 1994 gab es hier noch um die 70 000 Schankwirtschaften, heute sind es nur noch 30 000. Die Lage ist so dramatisch, dass Politiker schon Unterstützung für die traditionelle ländliche Gastronomie im zweistelligen Millionenbereich fordern und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) gar die bayerische Wirtshauskultur von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklären lassen will.

Ich wünsche viel Erfolg, doch sollten die Politiker nicht vergessen, dass gerade sie es sind, die einen gehörigen Teil Schuld am Wirtshaussterben tragen. Die Wut unter den Wirten auf die ständig sich verschärfenden Gängelungen durch die Politik ist groß, sehr groß, und die Lust, überhaupt weiterzumachen, klein. »Es wird eim nicht leichd gemachd, des mussi ah dazu sohng, da machn die Behördn vill dazu, dass uns ned langweilich wird. Des konnsd du alles garnicht schaffm so als Famülienbedrieb. A großer Betrieb, der konn zwah Leid eischdölln, aber als Famülienbedrieb isses nicht machbar.« Diese Aussage eines Wirtes, von ihm sehr dezent formuliert, steht exemplarisch für alle. Kaum eine Wirtin, kaum ein Wirt, der mir gegenüber so etwas nicht gesagt hätte. Oft sehr viel derber, wütender, verständnisloser. Hoffnungsloser. Bei allem Verständnis, das sie für manch eine Regelung zeigen und die sie befürworten. Es scheint absurd: Die Politik, die Gelder für den Erhalt der Wirtshauskultur fordert und/oder bereitstellt, trägt mit die Hauptschuld an deren Niedergang.

Dabei sind Wirtshäuser ungemein wichtig. Soziologen sprechen von einem »Dritten Ort« neben dem Zuhause und der Arbeit, einem Ort, an dem der Austausch zwischen den unterschiedlichsten Gesellschaftsgruppen möglich ist. Ein Wirt sagte mir, »a Dorf braucht a Kerng und a Weadshaus«, nur deswegen sei er heute Wirt – weil es sonst im Ort kein Wirthaus mehr gäbe. Wirtshäuser fördern das Reden miteinander, sie sind ein Kontrapunkt zu den meisten Social Media, in denen bekanntlich mehr über- als miteinander »geredet« wird. Und, auch das schon fast absurd: Bereits heute hocken viele im Wirtshaus und »wischn« nur noch, reden überhaupt nicht mehr miteinander. »Dann könners ah gleich dahamm bleim«, so immer wieder die Wirte.

Die Wirtshauskultur jedoch ist durch viel mehr bedroht. Einiges davon klingt in den Gesprächen dieses Buches an … Noch aber sind sehr viele Wirtshäuser voller Leben, und man kann nur hoffen, dass das noch sehr lange so bleibt. Was erleben die Wirte im Lauf der Jahre mit ihren Gästen? Was macht ihnen Freude und über was klagen sie? Dieses Buch erzählt die Geschichten dazu.

Aber, noch ein weiterer wichtiger Punkt: Was ist überhaupt ein fränkisches Wirtshaus? Hier mache ich es mir ganz einfach: Es ist ein Wirtshaus innerhalb der politischen Grenzen Frankens, das von Einheimischen betrieben wird. Also ein traditionelles. Punkt. Nein, Zusatz: Von Einheimischen ja, aber nicht von Einheimischen im Sinne der Blauen von Rechtsaußen. Punkt.

Bleibt noch eine letzte Frage: Handelt es sich hier um ein fränkisches Heimatbuch? Nein. Denn was, bitte, soll denn Heimat sein? Der Heimatbegriff wird mir viel zu oft instrumentalisiert und benutzt, vereinnahmt und vor allem missbraucht. Damit habe ich nichts am Hut. Ich halte es da lieber mit dem großen Anarchisten und erklärten Bierfreund Herbert Achternbusch, der einmal sagte, Heimat komme von »Hemmerd«, also von Hemd. Es ist das, was man am Leib trägt. Leicht verschwitzt, manchmal fadenscheinig oder eingerissen, oftmals muffig oder verdreckt. Aber es ist etwas, mit dem man sich zeigt und das einem am nächsten ist. Nach dem man riecht. Mit diesem Begriff von Heimat kann ich leben, sehr gut sogar.

Übrigens: Ich habe ganz bewusst die meisten Gespräche im Originalton belassen, also auf Fränkisch. Aufgezeichnet und nur transkribiert. Das liest sich zwar schwieriger (Tipp: laut lesen), aber die Authentizität der Aussagen bleibt – so hoffe ich – erhalten. Wenn ein Typ spricht, und man nimmt ihm seine Sprache, ist der Typ tot. Hier aber soll er leben.

Bleibt mir nur noch, Ihnen viel Spaß und große Entdeckerlust zu wünschen. Und: Fahren Sie lieber einmal durch Franken und dort über die Dörfer, nicht wieder in die Toskana, nach Thailand, Namibia, Südfrankreich oder sonst wohin in der Welt. Auch Franken ist eine große Welt. Und gehen Sie dort öfter ins Wirtshaus – in die Wirtsstube, zum Wirt in die Stube.

Ein Wirt, Sie finden ihn hier in diesem Buch, brachte es mit seiner Antwort auf die Frage, was er seinen Gästen mit auf den Weg geben würde, auf den Punkt: »Dasse viel ins Wirtshaus genn. Dass die Gastronomie wirklich erhalten bleibt und auch dass de Dorfwirtschaften überleb könne. Die solln dochemal überleg, wo isses schönner. Wenn ich mich gemüdlich nei na Wirtshaus hogg oder ob ich ins ›Goldene M‹ neirenn und fress dieses Convenience-Zeuch da, auf Deutsch gsochd. Die solle doch wiedermal guck, wie a Schweinebrode schmeckt oder a gscheider Kloß und a Rehbrodn dazu. Is alles nur immer schnell, schnell, schnell. Jeder rennd auf die Maloche, dann ham, Mikrowelle an, so. Bei uns haben zehn Wirtschaften zugemacht.«

Damit ist alles gesagt. Und jetzt wünsche ich Ihnen nochmals viel Spaß – und auch ein bisschen Nachdenklichkeit.

Tommie Goerz

image

image

SO, WIE ES SEIN MUSS – UND DOCH IRGENDWIE AUCH GANZ ANDERS

image

Der Schlappeseppel in Aschaffenburg

Was hat die Satirezeitschrift Titanic mit dem Schwedenkönig Gustav Adolf und dem ersten China-Restaurant Aschaffenburgs zu tun? Was der zweimalige Schützenkönig Kleinostheims mit einem Bierstreit, für den er gar nichts kann? Was ein gewissenhafter Stadthistoriker, der von manchen als Spaßverderber bezeichnet wird, mit der Auszeichnung eines Bieres durch den Pro-Bier-Club als »Bestes Bier Deutschlands 2017«? Wenn man sich in den Aschaffenburger Schlappeseppel setzt, kriegt man auf all diese Fragen eine Antwort.

Als ich das erste Mal den Schlappeseppel betrat, hatte ich von all dem noch keine Ahnung. Ich war mit meiner Frau auf einer unserer zwei- oder dreitägigen Städtetouren unterwegs, die wir gerne unternehmen, um uns Städte, Städtchen oder Orte der näheren Umgebung anzusehen und sie kennenzulernen. Man kennt seine Heimat meist viel zu wenig und muss nicht immer Tausende Kilometer fahren oder fliegen, um Neues zu entdecken. Zwischen seinen Hügeln und Buckeln, an seinen mäandernden Flüsschen, ja selbst im Schatten seiner uralten Hautfalten zeigt sich Franken immer wieder so betörend, seine Küche ebenso, auch seine Getränke – und: Man versteht die Sprache. Und die Menschen. Es gibt hier noch so viel zu entdecken.

Wir hatten uns also Aschaffenburg vorgenommen, für uns so eine typische Stadt der Kategorie: Ja, haben wir schon mal von gehört, aber was sollen wir da? Wir hatten von der Stadt absolut keine Ahnung, außer dass sie auf dem Weg nach Frankfurt liegt und man sie dort links liegen lässt, auch, dass man dort durch einen Lärmschutztunnel fährt, und das war’s dann auch schon. Doch hinfahren? Nie im Leben.

Also fuhren wir hin. Sahen uns das Schloss Johannisburg an, das Pompejanum, tappten am Stadion vorbei – ja, stimmt, die Viktoria 01 war in den 1980er-Jahren mal Zweitligist gewesen, blubberte es trüb aus dem Sediment meines Fußballwissens herauf – hinüber zum Schloss Schönbusch, später noch in die alte Stiftskirche St. Peter und Alexander samt Kreuzgang, auch in die Muttergottes-Pfarrkirche Unsere Liebe Frau – was man sich halt so ansieht, wenn man als Tourist unterwegs ist. Die Stadt selber? Na ja, die Aschaffenburger mögen es mir verzeihen, aber sie wurde auch zwischen 1940 und 1945 durch rund zwanzig Bombenangriffe gründlich plattgemacht. Man sieht es der Stadt bis heute an.

Am Abend dann zogen wir los, wollten irgendwo etwas essen und trinken. Aber alles war voll, nirgendwo ein Plätzchen frei. So landeten wir schließlich ganz am Ende einer Gasse, längst mutlos und schon fast am Schloss Johannisburg, im Schlappeseppel – und schon mit Eintritt in diese Lokalität geschah etwas, was mir nur selten widerfährt, was aber immer ein gutes, ein sehr gutes Zeichen ist: Obwohl es fast brüllend laut war und voll, legte sich etwas wie eine warme, weiche Hand um mich und spendete sofort Frieden. Hier saßen in warmem gelben Licht die Menschen an den Tischen, wie Menschen nur sitzen, wenn sie durchströmt sind von Zufriedenheit. Einzelne Stimmen stachen aus dem Meer der anderen heraus, Lachen setzte immer wieder fröhliche Spitzen, der verlockend würzige Geruch von Bier und wohlbekannten Speisen waberte betörend durch den Raum und malte die farbigen Welten goldgelber Klöße, tiefbrauner Soßen und knuspriger Krusten aufs innere Auge. Drüben schlugen fleischige Hände Karten auf einen langen Holztisch, Kleingeld wurde hin und her geschoben, es wurde nachgekartelt und gelacht, Männer kamen, sich die Hände an der Hose trocken wischend, von einer gewissen Örtlichkeit, dunkles Holz umrahmte alles und gab einer Gutbürgerlichkeit Halt, wie man sie nur noch selten antrifft. Holzvertäfelung, Bilder und Wände erzählten unaufdringlich von weit zurückreichender Geschichte, die Erdung ausstrahlte und Heimeligkeit. Das hier war ein Wohnzimmer der bürgerlichen Seele, der unaufgeregten, so wohltuenden Normalität. Und sicher auch der Klein- wie der Großgeistigkeit. Das mag kitschig klingen, wenn ich es so schreibe, aber es war so. Überflüssig zu erwähnen, dass wir im hinteren Teil noch einen Platz fanden und auch noch bestens tranken und speisten. Das Leben kann manchmal so schön sein.

image

Kein Pomp im Schlappeseppel – aber in Sichtweite das berühmte Pompejanum

Als ich am darauffolgenden Vormittag, ich hatte meine Mütze vergessen, noch einmal kurz in dieses Gasthaus sah, war es genau so, wie es sein musste: Schon um halb elf saßen mindestens zwanzig Männer – zum Teil zusammen, zum Teil einzeln – an den Tischen, plauderten, lachten, einige lasen Zeitung, alle tranken Bier.

Das Bild des Gasthauses prägte sich mir tief ein, und als der Entschluss zu diesem Buch feststand, war es keine Frage: der Schlappeseppel muss mit hinein. So saß ich eineinhalb Jahre später wieder dort, diesmal zusammen mit dem Wirt, und tauchte erneut ein in diese zauberhafte Welt. Und in die Geschichten rund um das Wirtshaus.

Aber: Zählt denn der Schlappeseppel überhaupt noch als fränkisches Wirtshaus? Das ist ja eine uralte Frage: Kann man Aschaffenburg noch zu Franken zählen, oder gehört die Stadt schon zu Hessen? Ist sie nicht eher ein Vorort von Hanau oder Frankfurt? Geht man nach dem Dialekt, ist die Antwort eindeutig: Hessen – in »Aschebersch schbreschese wie de Hessebebsche«. Man sagt auch »Schlabbesebbl«, das hat vom Zungenschlag her nichts Fränkisches, man denkt eher an Heinz Schenk. Oder besser an Matthias Beltz, der einmal die Frage stellte, ob das Böse darin läge, einst für die Revolution gewesen zu sein, oder darin, sie nicht gemacht zu haben. Also die Frage nach den Grenzen des Politischen. Und politisch betrachtet ist bei Aschaffenburg die Antwort klar: Wir sind in Franken. Also hat der Schlappeseppel als Wirtshaus in Franken hier, in diesem Buch, seine Berechtigung. Und es schdehn ohch kehne Bembl ofn Tisch, sondern Gläser und Krüge mit Bier aus der – gerade eben noch so – fränkischen Faust-Brauerei der Staffelbrunserstadt Miltenberg. Doch warum nicht das der Brauerei Schlappeseppel?

Damit sind wir schon mitten im Knotenpunkt der eingangs gestellten Fragen – und derjenige, der mich durch die damit zusammenhängenden Anekdoten führt, ist Johnson Chu, seit fünfzehn Jahren Pächter und Wirt des Schlappeseppel. Es ist kurz nach elf Uhr vormittags, und die Szene ist identisch mit der eineinhalb Jahre zuvor: Am Stammtisch sitzen zehn, zwölf Männer beim Bier und plaudern, an weiteren Tischen jeweils zwei oder drei, an manchen einzelne und lesen Zeitung. Gemütlich-geruhsame Vormittagsstimmung, und während wir uns unterhalten, tönen ständig Lachen und hin und wieder ein etwas lauter werdender Diskussionsbeitrag vom langen Tisch der Stammtischbrüder herüber. Die Welt will ja besprochen werden, und jeder hat da seine eigene Sicht.

»Die, die da vonne sitzn«, Chu deutet hinüber zum Stammtisch, »die komm’ um zehn Uhr hier rein und trinkn ihr ersdes Bier. Und dann sitzen die da.«

Was das für Leute sind, frage ich. »Zum größdnteils sind des Rendner, die könn sisch des leistn, von der Zeit her.« Und es sei alles dabei: Rechtsanwälte, Bauarbeiter, Doktoren, Stadträte, ehemalige Beamte, Handwerksmeister, ein Querschnitt durch die Gesellschaft. »Das is wie eine Kommunikationszentrale hier«, sagt Johnson Chu und lächelt, »und abends, wenn die Berufstätigen kommen, dann geben die sich die Türklinke in die Hand.« Als Wirt sitzt er auch öfter bei ihnen – »oder wennse draußen ne Zigarette rauchn, dann setz isch misch mit dazu. Am Stammtisch sind auch Kollegen, die andere Wirtshäuser hier haben, die kommen am Vormittag auf ein Bier oder zwei und gehen dann zur Arbeit. Auch andere trinken eins oder zwei und gehen dann zur Arbeit.« Dann ist, Kommunikationszentrale, alles besprochen.

Chu deutet auf einen der Männer. »Der is einer der Äldesdn. Der is schon als Lehrbube hierhergekomm. Und dann haben wir noch einn, der hat seinen Stammtisch hier, wo wir sitzen, der kommt regelmäßisch einmal die Woche, der is hundert!« Dann wird er nachdenklich. »Die Leute sterben zurzeit schneller, als dass sie nachkommen. Isch war, glaubisch, leddsdes Jahr auf sechs Beerdichunge.« Aber Chu ist sofort wieder beim Leben. »Am interessantesten ist es, wenn di Leude da vonne ihre Anegdodn erzählen, da lachd man sisch manchmal kabutt.« Der Stammtisch ist ganz klar eine Institution, ist Teil des Schlappeseppel, ohne ihn wäre das Wirtshaus nicht, was es ist, auf jeden Fall sehr viel weniger.

Über den Stammtisch kommen wir auch direkt zur Titanic: Achim Greser aus Lohr am Main und der Schweinfurter Heribert Lenz, also beide Franken, Träger unter anderem des Deutschen Karikaturpreises 2018, leben beide in Aschaffenburg. Greser und Lenz zeichnen regelmäßig für die FAZ, den Stern und eben auch für das Satiremagazin Titanic. Sie kommen oft und gern hierher, weil’s hier so ist, wie es ist. Berichteten sie zumindest im Februar 2016 in der SZ: »Dieser Rumor schon um die Mittagszeit, ein wunderliches Gebräu aus Gebrabbel, exaltierten Kartenspielreaktionssignalen, verfrühtem Suff und Extremäußerungen.« Besser hätte ich es auch nicht sagen können.

Doch schlage ich mich gerade mit einem ganz anderen Gedanken herum, denn irgendwie ist es eigenartig. Da sitze ich in einem fränkischen Wirtshaus, plaudere mit dem Wirt – und der ist so gar nicht, wie man sich einen fränkischen Wirt vorstellt: Er hat eindeutig asiatische Züge. Aber darf ich das ansprechen? Er spricht reinstes, nein, nicht Fränkisch, aber den einheimischen Dialekt, also Ascheberscherisch. Zwei Tage vor meinem Besuch hatte ich in der Süddeutschen Zeitung einen Essay von Jagoda Marinić gelesen, Schriftstellerin und Kulturmanagerin, Tochter jugoslawischer Gastarbeiter aus Dalmatien. Über die Problematik der Frage »Woher kommst du?«, die oft, im Rahmen von Rassismus-Debatten, als ausgrenzend empfunden wird. Du, Einzelner, bist anders als wir, die Mehrheit, sage man damit. Darf man also überhaupt direkt die Frage nach der Herkunft stellen? Oder soll man sich besser ans soziologische Konzept der Color Blindness halten, wie es vor allem die politische Linke der USA propagiert? Also die augenscheinlichen Unterschiede wegschieben und vortäuschen, sie nicht wahrzunehmen? Also Gleichheit behaupten, wo Differenzen bestehen, und zwar unübersehbar? Jagoda Marinić, aufgrund ihrer Herkunft selbst davon Jahrzehnte betroffen, plädiert hier für Unverkrampftheit. Weil Verkrampftheit lügt und verlogen ist. Wer mit Vielfalt nicht offen umgeht, bejaht sie nicht, sondern spricht sich gegen sie aus. Wer sie, und sei es aus bester Absicht, bewusst übergeht, handelt genauso. Verarmt geistig, negiert Geschichten, fördert kollektives Verstummen und Verschweigen – und damit Missachtung. Es geht um ein Grundverständnis: Vielfalt ist nicht die Abweichung von der Norm, sie ist die Regel. Wo jemand seine Heimat hat, ist nicht abhängig vom Aussehen, sondern vom Aufwachsen. Aber hinter dem Aussehen können sich viele Geschichten verbergen. Sie erst werden den Menschen gerecht und bringen Buntheit, Vielfalt ins Leben. Meine Eltern beispielsweise kommen aus Hessen und Sachsen, man sieht es mir nur nicht an. Ich selber aber fühle mich als Franke, ich bin Franke. Und Johnson Chu? Ich spreche ihn direkt darauf an. Ob er aufgrund seines Aussehens auf Schwierigkeiten stößt oder gestoßen ist? Er schüttelt den Kopf. »In dem Sinne ned. Es kommd hald auch drauf an, wiemer sisch den Leudn gegnüber verhäld.« Außerdem: Er sei ja hier bekannt, »die Leute sagen, ach ja, di Mudder hadde des Restaurang.« Ja, seine Mutter hatte das erste chinesische Restaurant Aschaffenburgs – damit ist das auch geklärt. Und nein, er fühle sich auch nicht ausgeschlossen.

image

Gemütlich ist’s auch im Nebenraum, im umgebauten alten Sudhaus

image

Vormittags im Schlappeseppel – das ganze Gewicht der Welt

Ob er sich aber auch als Franke fühle? »Jah, isch bin hier großgewodde, bin zwar geborn in Hannoverschmündn bei Kassl, mid fünf Jahrn abber hierhergekomm.« Johnson Chu ist, wie so viele Gastwirte, als Kind in der Wirtsstube aufgewachsen – und wurde, wie so viele Kinder von Gastwirten, auch wieder Gastwirt. Sein Werdegang im Schnelldurchlauf:

»Meine Mudder hadde des ersde Kinaresdorant hier in Aschaffebursch, da hadde isch aber keine Lusd dazu gehabd. Isch bin dann nach der elften Klasse aus dem Gymnasium raus. Danach binnisch in die Bundeswehr, dann habisch den Industriekaufmann gemachd und danach im Bereisch Textil gearbeidet. Und wie des so is, als Azubi brauchd mer hald Geld, und dann hab ich als Aushilfe gearbeidet.«

Und so »landete« Chu wieder dort, wo er herkam: in der Gastronomie. Zusammen mit Freunden betrieb er eine Zeit lang diverse Bars und Lokalitäten in Aschaffenburg, irgendwann trennte man sich, und 2004 übernahm er als Pächter den Schlappeseppel. Seitdem ist er hier. Und zweifacher Schützenkönig Kleinostheims, eines Markts im Landkreis Aschaffenburg. Durch Zufall. Er sei über einen Freund zum Schützenverein gekommen. »Da hieß es plötzlich, am Sonntach hier antansn und schießen, da frag ich, ›Was isn des etz?‹ Und dann ging’s auf die Königsscheibe. Isch hatte ja keine Ahnung. ›Ja was mussischn mache?‹ ›Ach ziel einfach auf de Mitte.‹ Das hab ich gemacht und getroffe. Des war des ersde Mal. Beim zwotn Mal, da binnisch dann in de Vorschdand gewähld worde. Vorher schon. Hab ich dann im dritten Anlauf widder getroffe. Is wirklich lusdisch, echd lusdisch. Mir machdes Schbass.« So ist der Wirt des Schlappeseppel schon zweimal hintereinander Schützenkönig geworden. Kein Wunder übrigens, er war bei der Bundeswehr Scharfschütze.

DIE GEFAKTE GESCHICHTE VOM SCHLAPPESEPPEL

Wer schon einmal Bier gebraut hat, weiß: Alleine für den Sud braucht man schon einmal fünf bis sechs Stunden. Dann muss der noch vergären, das dauert bei einem Hausbrauer vier bis sechs Wochen … Und jetzt zur Geschichte vom Schlappeseppel. Offizielle Version: 30-jähriger Krieg, 1631, der Schwedenkönig Gustav Adolf nimmt Aschaffenburg ein und will im Schloss Johannisburg feiern. Aber stellt fest: kein Tropfen Bier da, nirgendwo ein Fass. Doch man findet schnell jemanden, der Bier brauen kann: einen der Soldaten, Joseph Lögler. Der macht das auch, Siegesfeier gerettet. Lögler gefällt es in der Folge in Aschaffenburg, er bleibt, braut weiter Bier und eröffnet ein Wirtshaus. Das wird im Volksmund dann Schlappeseppel genannt, weil Joseph »gnabbd«, wie man in Franken sagt, also hinkt, auf Aschaffenburgerisch »schlabbd«. Hat man jahrzehntelang so erzählt, und alle haben es geglaubt. Bis der Historiker und Stadtarchivar Hans-Bernd Spies kam, dem anscheinend als Erstem auffiel, dass ein Bier nicht einfach »mal so über Nacht« fertig sein kann, selbst den Brauern war dies bis dato durchgerutscht. Außerdem, so Spies, habe es diesen Lögler niemals gegeben, und eine Wirtschaft zum Schlappeseppel wurde erstmals 1925 namentlich erwähnt. Der Name könne darauf hindeuten, dass der Wirt in Hausschuhen, sogenannten Schlappen, bedient habe. Also Spaß verdorben. Und die nächste Frage geklärt.

Den Aschaffenburgern ist das aber egal. »Es is ja ne schöne Geschischde. Und des is auch, glaubisch, de besde Werbung, die wir da haben«, lacht Johnson Chu. Sie wird also immer weitererzählt.

IM SCHLAPPESEPPEL GIBT’S KEIN SCHLAPPESEPPEL

Auch so eine kuriose Geschichte: Im Schlappeseppel gibt es kein Schlappeseppel-Bier, zum Ausschank kommen die Biere des über 360 Jahre alten Brauhauses Faust aus dem dreißig Kilometer südlich gelegenen Miltenberg. Vom Fass Spezial, Bayrisch Hell, Pilsener, Weissbier, das dunkle Schwarzviertler und naturtrübes Kräusen, aus der Flasche das dunkle Weizen sowie die Craftbiere Auswandererbier, Hochzeitsbier, Jahrgangsbock, Eisbock und Brauerreserve.

Warum kein heimisches Schlappeseppel-Bier, das, so die Brauerei, noch immer und seit 1631 in Aschaffenburg gebraut wird?

Weil die Besitzer des Schlappeseppel das Braurecht verkauften und irgendwann alles im Streit endete. Die Kurzversion erzählt Johnson Chu: »Hier war Brauerei bis seggsesibbzisch, die ist dann verkauft worde, also das Braurecht, das ist dann weidergereischd worde, anscheinend ist auch die Marke mit übergegangen, des haddmer ned gewussd, und dreinzwanzisch Jahre später, 1999, is des bei de Eder und Heylands gelanded. Und dann hat sich der Herr Vogel (Familie Vogel ist seit Generationen Besitzer des Schlappeseppel, Anm.) mal Gedanken darüber gemacht, weil der Name Schlappeseppel ja immer mehr vermarktet worden ist, und da haben sie gesagt, ›Was halten Sie davon, wenn wir ein anderes Bier suchen?‹ So hat das dann angefangen, dass 2011 dann ne regionale Brauerei gesucht worde ist.« Also gibt es jetzt im Schlappeseppel kein Schlappeseppel mehr.

Das also war oder ist der Bierstreit. Fehlt bloß noch die Auszeichnung eines Bieres durch den Pro-Bier-Club als »Bestes Bier Deutschlands 2017«. Die Rede ist vom »Hellen Bayrisch Mild« der Schlappeseppel-Brauerei. Auch das gibt es nicht im Schlappeseppel, dafür aber, wie gesagt, die breite Palette der Biere von Faust samt deren Craftbieren. Ebenfalls prämiert: Faust wurde 2018 »Brauerei des Jahres«, die Craftbiere räumten allein 2018 je einmal Platin und Gold ab, die vier anderen Biere Silber, auch 2019 wurde man acht Mal international ausgezeichnet.

MIT BRAUEREIMUSEUM

Johnson Chu hat in den bisher fünfzehn Jahren, die er den Schlappeseppel führt, schon viel verändert, und trotzdem gibt er sich bescheiden: »Des hat sisch, auch schon vorher, seid wir des übernomm haben, nicht großardisch veränderd. Vielleischd sind mah’n paar neue Bilder dazugekomm …« Aber er hat das Sudhaus hinten ausgebaut und damit einen neuen Raum mit circa fünfzig Plätzen geschaffen. »Da wurde früher gebraut, da war vorher noch ne Empore drin für den Läuderbottich, die hammer rausgenomm, der is jetzt drüben im Museum.«

Das Biermuseum gehört mit zum Schlappeseppel, ausgebaut und eingerichtet wurde es von Besitzer Konrad Vogel, mit einer kleinen Sudanlage für fünfzig bis sechzig Liter Bier, vielen originalen Exponaten aus der alten Schlappeseppel-Brauerei und weiteren Museumsstücken. Man kann es jederzeit für Führungen buchen.

Während des Umbaus des alten Sudhauses übrigens, erzählt Chu noch stolz, im März 2006, wurde sein Sohn geboren, und er hat im Schlappeseppel auch seine »Lebnsgefährtin kenngelernt, am Fasching. Fasching feiern wir hier nur sonntags, am Faschingssonntag. Da wird alles rausgeräumt, und dann wird Halligalli gemachd.«

Geschlossen hat der Schlappeseppel nie. »Wir haben durschgehend offen, durschde Bank.« Täglich von 10 Uhr bis 1 Uhr, einzige Ausnahme: »Heiligabend nur bis 16 Uhr, an Silvester genauso, an den Feiertagen aber alls offen.«

Ja, und das ist ihm noch sehr wichtig: »Schafkopf ist sehr erwünscht, ich bitte drum! Das stirbt ja alles aus. Isch hab da kein Problem damit, dasses da lauder wirdd.«

image

image

ESSEN WIE BEIM STERNEWIRT – MIT FRÄNKISCHEN PORTIONEN

image

Bei Ewald Hupp auf Schloss Saaleck, Hammelburg

Hier isst man wie beim Sternewirt – aber mit fränkischen Portionen.« Ein Wirt, der solch ein Lob bekommt, macht nicht viel falsch. Und Ewald Hupp, Schlossherr und Küchenchef auf Schloss Saaleck hoch über Hammelburg, kriegt dieses Lob nicht selten. Auch weil zu seinen Kunden viele Soldaten zählen. »Bei mir komme di Soldate, di wolle was aufm Teller ham.«

Militär bis hinauf in die internationale Generalität ist keine Seltenheit bei Ewald Hupp, was auch kein Wunder ist, denn erstens stimmt offensichtlich die Qualität der Küche, und zweitens ist in Hammelburg seit 1999 das Vereinte Nationen Ausbildungszentrum der Bundeswehr untergebracht, »VNAusbZBw« auf gut Deutsch.

»Erst letzte Woche hattmer 28 Nationen im Haus. Das war auch des erste Mal, dassi des gsehng hab: Ne Frau aus Pakistan mibm Kopftuch und a Barett drauf, hammse des amoll gsehng? Das siehd außerirdisch aus.« Er lacht, rührt sich einen Löffel Honig in den Espresso und sitzt leicht schief, »mir is aweng di Hex neigschosse.«

Trotzdem nimmt Hupp sich Zeit, er hat die Ruhe weg. »Also de Verteidigungsminister warn alle da, die letzte war die Uschi von der Leyen« – auch die wegen des Standortes, wegen der Küche – und weil das Schloss »was hermacht«, wie der Franke sagt. Und Ewald Hupp ist Franke, Ur-Unterfranke, geboren und aufgewachsen in Kist bei Würzburg. Kennt jeder, als Autobahnausfahrt zumindest.

Doch zunächst zur Anreise. Die schönste zu Schloss Saaleck