[7] Die 10 am häufigsten verbreiteten Irrtümer

Der Großteil der Betroffenen, die eine Abmahnung wegen des Filesharing-Vorwurfs erhalten hat, kennt sich mit der dahinter stehenden rechtlichen Problematik nicht aus. Im Laufe unserer jahrelangen Beratungstätigkeit in diesem Spezialgebiet sind wir auf zahlreiche verbreitete Irrtümer gestoßen. Welche die 10 am häufigsten verbreiteten Irrtümer sind, soll im Folgenden dargestellt werden:

Irrtum Nr. 1:

„Wenn ich sage, dass es mein unter 14-jähriges Kind gewesen ist, dann muss ich als Elternteil dafür nicht haften.“

Das stimmt nicht grundsätzlich. Denn wie bereits im Rahmen der Störerhaftung erläutert, trifft Eltern eine Aufklärungs-, Überwachungs- und Handlungspflicht. Nur wenn diese eingehalten wurden und dies nachweisbar ist und es trotzdem zu einem Verstoß gekommen ist, kann es zu einem Entfall der Haftung der Eltern kommen. Geprüft wird dann aber, ob nicht das Kind in Anspruch genommen werden kann. Denn das Alter von 14 Jahren stellt nur die Grenze für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit dar. Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit beginnt aber bereits mit 8 Jahren und wird anhand der Einsichtsfähigkeit des Kindes beurteilt. Wird diese als ausreichend erachtet, haftet das Kind für den entstandenen Schaden.

Irrtum Nr. 2:

„Eine Abmahnkanzlei darf nicht mehrmals einen Filesharer abmahnen.“

Häufig kommt es vor, dass Filesharer, die eine Unterlassungserklärung wegen z.B. eines Songs abgegeben sowie den geforderten Betrag bezahlt haben, von der gleichen Abmahnkanzlei wegen einer anderen Datei erneut abgemahnt werden. Der Grund dafür ist, dass jede getauschte Datei eine eigene Urheberrechtsverletzung darstellt, wegen der die Rechteinhaber den sogenannten Filesharer abmahnen können und dies auch tun. Solange ein Anlass zur Abmahnung besteht, ist die Abmahnung berechtigt, die natürlich jedes Mal neue Kosten erzeugt. Dies ist auch der Grund, warum die Abmahnkanzleien immer einzelne Dateien abmahnen – sogar wenn es sich um ein bereits erläutertes Chart- Paket handelt und sie eigentlich mehrere Titel gleichzeitig abmahnen könnten. Aus unserer Beratungspraxis ist uns sogar ein Fall bekannt, bei dem ein Filesharer scheibchenweise 10 Abmahnungen wegen verschiedener Urheberrechtsverstöße erhalten hat. Dieser Taktik kann man durch eine vorbeugende modifizierte Unterlassungserklärung den Riegel vorschieben.

Irrtum Nr. 3:

„Einen Anwalt braucht man nicht, da man alle relevanten Informationen sowie Muster-Unterlassungserklärungen und vieles mehr aus dem Internet bekommt.“

Selbstverständlich können Sie Informationen und Musterschreiben für modifizierte Unterlassungserklärungen aus dem Internet verwenden. Aber Vorsicht: Häufig kursieren im Internet Informationen und Muster-Schreiben, die nicht stimmen und zudem den rechtlichen Anforderungen nicht gerecht werden. Denn wer letztlich Verfasser dieser Muster ist und ob diese überhaupt über den erforderlichen fachlichen Hintergrund verfügen, bleibt unklar – im Zweifel eher nicht. Denn das Risiko ist groß: Ist die Unterlassungserklärung einmal zu Ungunsten des Abgemahnten abgegeben, wird die Gegenseite diese natürlich händereibend annehmen und sich auf keine weitere Änderung mehr einlassen. Es will also gut überlegt sein, welchen Inhalt die Unterlassungserklärung haben sollte. Es gilt insofern der Grundsatz: Die Unterlassungserklärung sollte so viel wie nötig und so wenig wie möglich enthalten. Auch sollte sie auf den Einzelfall modifiziert werden – der Verzicht auf im Bereich des Filesharings spezialisierte Juristen kann daher weitreichende Konsequenzen haben- vor allem finanzieller Art.

Irrtum Nr. 4:

„Im Internet stand doch „kostenlos“ und außerdem muss man doch auch nichts bezahlen, weil die Tauschbörsen werbefinanziert sind!“

Diesen Irrglauben trifft man glücklicherweise nur noch selten an. Zwar ist es richtig, dass die Tauschbörsen-Programme oft Werbeanzeigen einblenden, dadurch werden allerdings nur die Programme selbst finanziert. Das heißt, dass die Benutzung des Programms durch den Betreiber der Seite und der Download der Dateien von diesem nicht in Rechnung gestellt werden. Das bedeutet aber nicht, dass die eigentlichen Rechteinhaber der Musik, Hörbücher, Filme oder Computerspiele dadurch entlohnt werden. Es bleibt also bei einem finanziellen Schaden der Rechteinhaber, den diese dann bei den Nutzern solcher Programme geltend machen. Möglicherweise kann dieser Irrglaube Berücksichtigung im Strafverfahren hinsichtlich der vorsätzlichen Begehungsweise finden, im Zivilverfahren hat diese Fehlvorstellung jedoch keine Auswirkung auf den Ausgang des Verfahrens.

Irrtum Nr. 5:

„Die beste Verteidigungsstrategie ist zu sagen, dass die Abmahnung nie angekommen ist. Schließlich kam sie ja auf dem normalen Postweg an. Nachweisen kann mir also keiner, dass ich die bekommen habe.“

Auch hier handelt es sich um einen Rechtsirrtum, der schwerwiegende Folgen haben kann. Denn die Abmahnkanzlei muss nur nachweisen, dass die Abmahnung versendet wurde, nicht dass diese auch beim Abgemahnten angekommen ist. In der Regel wird man dann noch eine Aufforderung bekommen und danach kann es passieren, dass eine einstweilige Verfügung des Gerichts erwirkt wird.

Irrtum Nr. 6:

„Wenn man eine Abmahnung erhalten hat, bekommt man einen SCHUFA-Eintrag und ist vorbestraft.“

Diese Aussage kann so pauschal nicht getroffen werden. Zunächst einmal handelt es sich hier um zwei verschiedene Themenkomplexe: Der SCHUFA- Eintrag ist dem Zivilrecht zuzuordnen und die Vorstrafe dem Strafrecht.

Den SCHUFA- Eintrag kann man ganz so einfach nicht vornehmen lassen. Dazu muss es sich um eine unbestrittene Forderung handeln, andernfalls ist der Eintrag rechtswidrig und muss gelöscht werden. Eine Forderung ist dann unbestritten, wenn sie vollstreckbar ist, also bereits ein vollstreckungsfähiger Titel ergangen ist und man der Zahlungsforderung nicht nachgekommen ist oder die Zahlungsverpflichtung anerkannt und trotzdem nicht gezahlt hat.

Hinsichtlich der Vorstrafe ist zu berücksichtigen, dass in der Praxis der Strafgerichte bei Urheberrechtsverletzungen Geldstrafen verhängt werden. Ob man damit vorbestraft ist oder nicht, hängt von der Tagessatzanzahl ab. Hat man eine Strafe von mehr als 90 Tagessätzen zu einer den eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechenden Tagessatzhöhe bekommen, ist man vorbestraft und bekommt damit einen Eintrag ins Führungszeugnis. In unserer Beratungspraxis haben wir nur einige seltene Filesharing-Verfahren betreut, bei denen dies der Fall war. Dabei handelte es sich jedoch um besonders gravierende Rechtsverletzungen mit mehreren tausend Musikdateien.

Irrtum Nr. 7:

„In einer Wohngemeinschaft mit ständig wechselnden Mitbewohnern läuft die Abmahnung wegen illegalen Filesharings ins Leere, da nicht nachvollzogen werden kann, wer die Urheberrechtsverletzung tatsächlich begangen hat.“

Diese Argumentation läuft leider ins Leere. Denn unabhängig davon, wer die Urheberrechtsverletzung tatsächlich begangen hat, wird sich der Rechteinhaber immer an denjenigen halten, der Inhaber des Internetanschlusses ist, da das bereits erläuterte Prinzip der Störerhaftung greift. Demnach spielt diese Argumentation im Zivilverfahren keine Rolle.

Im Strafverfahren kann das allerdings anders aussehen: Hat der Anschlussinhaber die Urheberrechtsverletzung nicht begangen, muss er für das Verhalten anderer Mitbewohner strafrechtlich nicht gerade stehen. Ist nicht mehr nachvollziehbar, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat, gilt zu Gunsten aller Mitbewohner die Unschuldvermutung und keiner kann dafür bestraft werden.

Irrtum Nr. 8:

„Durch die Abgabe von vorbeugenden Unterlassungserklärungen werden ,schlafende Hunde´ geweckt und die Medienindustrie mahnt erst recht ab.“

Bei dieser Einschätzung muss zwischen den Kanzleien unterschieden werden, von denen man bereits eine Abmahnung erhalten hat und denen, für die man noch ein unbeschriebenes Blatt ist.

Hinsichtlich der Kanzleien, denen man schon bekannt ist gilt Folgendes: Ist man bereits ins Visier der Ermittlungen geraten und wird im Hintergrund aktuell eine Abmahnung vorbereitet, verbessert man seine Position durch die Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung. Die Tauschbörsen werden mittlerweile von der Musikindustrie so engmaschig überwacht, dass derzeit in hohem Maße mit einer Inanspruchnahme durch einen Anwalt zu rechnen ist. Sollten wider Erwarten bislang noch keine weiteren Ermittlungen geführt worden sein, so verschlimmert die vorbeugende modifizierte Unterlassungserklärung die Situation nicht. Es ist darin kein Schuldeingeständnis zu sehen, verhindert aber die Geltendmachung weiterer Gebühren durch Folgeabmahnungen. Zumindest denjenigen, die befürchten müssen, dass über ihren Internetanschluss eine Vielzahl an Dateien getauscht worden ist, ist daher die Abgabe von vorbeugenden Unterlassungserklärungen dringend anzuraten.