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Kristallreif und Winterlicht


Angelika Diem


Diese Geschichte gehört zeitlich in das letzte Drittel des Buches "Caitlynn".




Machandel Verlag

Cover: Irina Alexandrovna/shutterstock.com

Haselünne

2019

ISBN 978-3-95959-152-2

Leseprobe aus "Caitlynn"

Heiratshandel

„Kannst du nicht stillhalten?“ Karinna, Gräfin von Ehredar, umrundete ihre Tochter und musterte jede Falte des grün- und cremefarbenen Kleides mit kritischem Blick. Zwei Schritte hinter dem hohen Spiegel stand die Dorfschneiderin und spielte nervös mit ihren Fingern, während sie auf das Urteil der Gräfin wartete.

Schließlich richtete sich die Gräfin auf und nickte zufrieden.„Gute Arbeit. Es sieht aus wie neu.“

Caitlynn fragte sich stumm, wem ihre Mutter hier etwas vormachen wollte. Sicher, die breiten Goldborten am Rock, die von der Hochzeitsrobe ihrer Mutter stammten, verdeckten die abgewetzten Stellen an den Nähten und durch die Kürzung war auch der mitgenommene Saum weggefallen. Doch unter dem Spitzeneinsatz am breiten, rechteckigen Halsausschnitt lag der Stoff sehr locker auf ihrer Haut, da ihre Oberweite kleiner war als die ihrer Mutter, welche das Kleid vor Jahren für ihre Verlobung gekauft hatte.

Die trompetenförmigen Ärmel waren längst nicht mehr Mode, ebenso wenig wie die flachen weißen Lederschuhe. Shina, ihre Schwester, hatte diese bei ihrem Perlenfest getragen.

Die Schneiderin machte einen tiefen Knicks. „Vielen Dank, Frau Gräfin. Wenn Ihr sonst noch eine Arbeit für mich habt?“

„Danke, meine Liebe, wenn dem so ist, lasse ich nach dir rufen.“ Ein kleiner Samtbeutel wechselte die Besitzerin. Doch statt ihn einfach einzustecken, zog die Schneiderin die Schnüre auf und zählte die Silbermünzen nach.

Caitlynn nahm es ihr nicht übel. Im Dorf hatte es sich herumgesprochen, dass nur noch selten kostbare Kutschen nach Ehredar unterwegs waren, um Pferde vom Grafen zu kaufen. Nach Jadons Tod vor zwei Jahren hatte sich rasch herausgestellt, dass Caitlynns Vater selbst unfähig war, die Arbeit mit den widerspenstigen Jungpferden auch nur ansatzweise so erfolgreich fortzusetzen. Ebenso wenig Perlus, der neue Stallmeister, der früher für das Rasthaus der Grauen Kette im Dorf gearbeitet hatte. Er war fleißig, ehrlich und pflichtbewusst und hatte eine gute Hand für Tiere, doch er war kein Jadon.

Als die Tür hinter der Schneiderin ins Schloss fiel, atmete Caitlynn auf und ließ sich von ihrer Mutter aus dem Kleid helfen.

„Mutter ...“, begann Caitlynn, während die Gräfin das Kleid sorgsam über zwei Stuhllehnen breitete. „Mutter, warum muss ich das überhaupt alles mitmachen?“

Gräfin Karinna verengte die Augen zu zwei schmalen Schlitzen.

„Du weißt schon“, legte Caitlynn nach und schlüpfte in die schlichte Bluse und den weiten, grauen Rock, zwei Stücke, die sie von Shina geerbt hatte, ‚die Bewertung‘ und die große Feier in zwei Wochen. Ich brauche doch gar keine Platzierung in den Heiratslisten.“

„Spielst du schon wieder auf deinen kindischen Plan an, Vollstreckerin zu werden?“, zischte die Gräfin und trat ganz nah an ihre Tochter heran. Hektische rote Flecken erblühten auf den ansonsten blassen Wangen und sie kniff die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen.

„Es ist kein kindischer Plan!“, verteidigte sich Caitlynn und legte die Hand auf ihren rechten Handrücken. Er war leer wie bei allen, die ihre Bestimmung noch nicht gefunden hatten.

„Doch, das ist er“, sagte die Gräfin scharf. „Ein Glück nur, dass dein Vater nichts davon weiß. Deine Bestimmung ist es, eine gute Partie an Land zu ziehen, das bist du ihm schuldig.“

Wofür? Jadons Tod hat Vater sich selbst zuzuschreiben. Und den Schmerz hat er zu Recht abbekommen. Nichts davon sprach sie laut aus, weil sie genau wusste, dass ihre Mutter immer zum Vater hielt und das, obwohl sie geweint hatte, als sie Jadon auf den Scheiterhaufen gebettet hatten. Ich werde Mutter wohl nie verstehen. Schweigend senkte sie den Blick, was ihre Mutter wie immer als Kapitulation auslegte und ihr zufrieden den Kopf tätschelte, wie einem kleinen Tier. „Mach nicht so ein unglückliches Gesicht, Caitlynn. Wir wissen, was in dir schlummert. Bald schon wirst du auf einem großen Schloss wohnen, Köstlichkeiten genießen und in wunderschönen Kleidern prachtvolle Feste geben. Du wirst sehr, sehr glücklich sein.“

Vorsichtig öffnete Caitlynn ihr Auragespür. Ihre Mutter glaubte das tatsächlich. Ich bin nicht du. Meine Vorstellung von Glück ist anders. Doch darüber hatte sie mehr als einmal mit ihrer Mutter Streit gehabt und war gegen eine Wand gelaufen. Ein Adelstitel, ein Vermögen, bewundert zu werden, Glitzer, Tand und der Neid der anderen – nur das schien für die Gräfin von Ehredar zu zählen.

Es klopfte an der Tür. Die Gräfin wandte sich von Caitlynn ab und räusperte sich. „Ja?“

Perlus, der Stallmeister, öffnete die Tür. Seine Verbeugung wirkte so ungelenk wie immer. „Frau Gräfin, die Heiratshändlerin ist eingetroffen.“

*

Als Caitlynn, lediglich mit einem ihrer Schlafhemden bekleidet, von der Mutter in jenes Turmzimmer geführt wurde, das die Gräfin als Schreibzimmer zu nutzen pflegte, stand das große Fenster zum Burggraben hin weit offen.

Die Heiratshändlerin erhob sich vom gepolsterten Stuhl, den sie vor den Sekretär der Gräfin gestellt hatte.

Caitlynn hatte eine alte Frau erwartet, runzelig und in schweren Samt gekleidet. Doch Bryanna, wie sie sich mit weich klingender Stimme vorstellte, war nicht nur jünger als die Gräfin, sie überragte diese auch um fast einen halben Kopf. Ihr lohfarbenes Kleid aus Fadenglanz hatte bestimmt so viel gekostet wie die gesamte Garderobe der Gräfin.

„Dies ist meine jüngste Tochter, Caitlynn.“ Die Gräfin schob Caitlynn nach vorn.

Der Kopf mit den blonden Locken, aus denen nur wenige graue Haare hervorblitzten, neigte sich höflich, als Caitlynn ihren Knicks machte. Sie überkreuzte auch ihre Hände vor der Brust, sodass Caitlynn ihr Berufszeichen, die beiden Kränze – Blüten für die Braut und Laub für den Bräutigam, zusammengebunden durch ein weißes Band und eine goldgelbe Kette – auf dem rechten Handrücken gut erkennen konnte. Ihr Familienzeichen auf dem linken Handrücken beinhaltete auf der Mutterseite die berühmte Raubvogelklaue mit den drei Blutstropfen zusammen mit einer Bronzekrone und zwei Perlen, welche sie als Enkelin einer Baronin aus dem mächtigen Greifenclan auswies. Caitlynn schluckte. Die Sippschaft war bekannt für ihr mächtiges Charisma und Heiratshändler wurden gut geschult. Das würde alles andere als einfach werden.

Bryanna erhob sich und trat ganz nah an Caitlynn heran. Der Blick aus ihren blassblauen Augen wanderte langsam über Caitlynns Gesichtszüge. Diese musste sich zusammenreißen, um nicht zurückzuweichen, als ihr Bryannas nach vergorenem Entenbeerensaft riechender Atem in die Nase stieg.

„Nicht ganz so hübsch wie Eure ältere Tochter, aber trotzdem nett anzusehen“, sagte die Heiratshändlerin und tat einen Schritt zurück. „Jetzt möchte ich den Rest sehen.“

Caitlynn war vorgewarnt worden, was jetzt kam. Dennoch hätte sie sich am liebsten geweigert, als ihr die Mutter befahl, das Nachtgewand auszuziehen. Splitternackt stand sie da und durfte sich nicht rühren, während Bryanna jede Handbreit ihres Körpers genauestens betrachtete.

„Ein bisschen dünn ist sie und ziemlich klein“, bekam sie zu hören. „Hat sie schon geblutet?“

Caitlynns Wangen brannten und sie starrte auf den Boden, während ihre Mutter verkündete, dass sie seit dem Winterlichtfest vor einem Jahr ihre Brutreife erreicht hätte.

„Gut“, nickte Bryanna. „Sie soll sich wieder verhüllen. Ich werde sie prüfen.“

Caitlynn riss ihrer Mutter das Nachtgewand fast aus der Hand und streifte es sich rasch über. Heiratshandel und Viehhandel haben mehr gemein als nur den zweiten Teil des Wortes. Dieser Satz ihrer Schwester Shina kam ihr in den Sinn, als sie Bryannas amüsiertes Lächeln bemerkte.

„Wir hegen große Hoffnung“, sagte die Gräfin. „Ihr Widerstand ist mitunter noch heftiger als der ihrer Schwester.“

„Meine Vorgängerin hat Eure älteste Tochter recht hoch eingestuft“, erwiderte die Heiratshändlerin mit freundlichem Nicken. „Und wie ich hörte, macht sie sich in Maesinar sehr gut. Euer Sohn ist noch nicht geprüft worden?“

„Wir möchten ihm noch etwas Zeit geben. Seine königliche Hoheit ...“

Bryanna runzelte die Stirn. „Ihr spekuliert auf den Kristallreif? Für Euren Sohn?“

Caitlynns Mutter straffte den Rücken und schob ihr Kinn vor. „Gared ist sehr begabt.“

Die Lippen der Heiratshändlerin zuckten. „Die Berichte von Maesinar ...“

„Er ist noch in der Entwicklung“, unterbrach sie die Gräfin.

Caitlynn kannte diesen Ton. In den Augen ihrer Mutter war Gared alles, nur nicht fehlbar. Dass er in Maesinar nicht so gut abschnitt, lag natürlich daran, dass es ihm dort nicht gefiel und er nicht besser sein ‚wollte‘, wie er immer lautstark verkündete. Und dann ‚besiegte‘ er Shina zuhause, sie, welche ein Jahr Vorsprung sowie die viel besseren Noten in allem hatte. Nicht zu vergessen, die ‚Übungen‘ mit ihr selbst und wie leicht er jedes Mal ihren Widerstand brach. Darauf sind wir trainiert worden, Shina und ich. Und genauso würde sie es jetzt auch machen.

Sie bekam nicht so richtig mit, wie die Heiratshändlerin ihre Mutter nach draußen wies, und auch nicht wie diese ihr noch einmal zurief, sich anzustrengen, so sehr war sie damit beschäftigt, ihre Abwehr aufzubauen. Um ein vielfaches sorgfältiger, als wenn sie gegen Gared antreten musste. Diese Frau schien stark genug, selbst Caitlynns Vater, den Grafen, in einer seiner ‚starken Phasen‘, wie ihre Mutter es zu nennen pflegte, das Fürchten lehren. Ihr durfte es nicht so ergehen wie Shina.

„Nun denn“, elegant ließ sich Bryanna wieder auf dem Sessel nieder. „Dann wollen wir beginnen. Ich werde etwas von dir verlangen und du wehrst dich, so gut du kannst. Verstanden?“

Caitlynn nickte. Zu sprechen wagte sie nicht.

„Du kniest dich vor mir nieder“, lautete der Befehl. Der erste Angriff von Bryannas Charisma war mehr ein vorsichtiges Anklopfen, ein Abtasten ihrer Abwehr. Caitlynn wusste, wie ihre Abwehr von außen wirkte. Eine solide, starke Mauer wie die einer machtvollen Charismanutzerin. Das war eines der Dinge, die sie die letzten Tage über wieder und wieder geübt hatte, ganz für sich. Zwar war sie es gewohnt, für Gared den Schein einer Abwehr zu erwecken, doch für die Heiratshändlerin war sie weiter gegangen. Viel weiter.

„Knie nieder!“ Der Ton verschärfte sich, in gleichem Maße nahm der Druck von Bryannas Charisma zu.

Caitlynn holte tief Luft, senkte den Kopf und ballte die Fäuste – ein Bild verzweifelten Widerstandes. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, während sie ihr Innerstes so tief in sich verkapselte, dass sie sich selbst kaum noch spürte. Wie durch eine dicke Wand aus rauchigem Quarz registrierte sie, wie leicht Bryanna ihre Abwehr in Stücke schlug und ihren Willen über sie stülpte. Sie wehrte sich mit allem, was sie an der Oberfläche aufzubieten hatte, doch glichen ihre Versuche den Pfotenhieben eines kleinen Kätzchens ohne Krallen.

Sie brach in die Knie.

„So leicht ...?“, hörte sie die Heiratshändlerin murmeln und spürte, wie deren Wille härter zupackte.

„Leck den Fußboden!“

Die wehrlose Caitlynn gehorchte. Der Schmutz schmeckte widerlich und sie musste würgen.

„Hmm ... Kann es wirklich sein?“ Bryanna erhob sich, packte Caitlynn im Nacken an den Haaren und zwang sie, aufzustehen.

„Deine Mutter sagte, du bist stark, Kleine“, zischte sie. „Wenn du mit mir spielst, wirst du es bereuen.“

So abrupt wie sie zugegriffen hatte, ließ sie wieder los. „Andererseits scheint deine Mutter ein blindes Auge zu haben, wenn es um ihre Brut geht. Geh ans Fenster!“

Eine laue Frühlingsbrise empfing Caitlynn. Steif wie ein Brett stand sie dort und starrte geradeaus, sodass ihr Blick die blühenden Baumwipfel auf der anderen Seite des Grabens streifte.

„Jetzt klettre auf den Sims. Auf den äußeren!“

Caitlynn zögerte keine Sekunde. Es war nicht das erste Mal, dass sie durch ein Fenster kletterte, doch mit Bryannas Willen über dem ihren wurden ihre Bewegungen steif und ungelenk, sodass sie sich erst mal das Knie anschlug und dann mit dem Saum des Nachthemds an einem Zacken im Mauerwerk hängen blieb. Zudem hatte es heute Morgen noch geregnet und der Sims erwies sich als feucht und gefährlich glatt.

„Mach einen langen Schritt hinaus“, befahl Bryannas Stimme in ihrem Rücken.

Ein letztes Mal versuchte Caitlynn eine verzweifelte Gegenwehr, so schwach wie die erste. Doch der Wille der Heiratshändlerin war unerbittlich und Caitlynn machte den Schritt.

In dem Moment, als sie den Halt verlor und in die Tiefe stürzte, zog sich Bryannas Charisma von ihr zurück und Caitlynn ‚erwachte‘.

Sie kam nicht mehr dazu, zu schreien, da schlug das eisige Wasser des Burggrabens schon über ihr zusammen. Wieder ganz sie selbst, ruderte sie hektisch mit beiden Armen, bis sie die Oberfläche durchbrach und Luft holen konnte. „Hilfe!“, schrie sie, so laut sie konnte, und paddelte mit Armen und Beinen wie ein Tier, um sich über Wasser zu halten. Dabei verfingen sich ihre Beine in den glitschigen Stängeln der frühen Teichrosen. Nur mit Mühe konnte sie sich frei strampeln. „Hilfe!“

„Allmächtige! Lady Caitlynn!“

Yadele, die Köchin von Ehredar, ließ ihre Einkäufe fallen und rutschte den Uferhang hinunter bis ans Wasser.

„Hier! Nehmt meine Hand!“ Es gelang Caitlynn nah genug an die andere Seite des Burggrabens zu paddeln, um Yadeles ausgestreckte Hand zu packen. Mit viel Ächzen und Schnaufen half ihr Yadele an Land.

„Was habt Ihr Euch nur gedacht, ausgerechnet heute im Burggraben schwimmen zu gehen? Wenn ich euch nicht gehört hätte – ertrinken hättet Ihr können!“

„Ich ... es war nicht meine Idee!“, stammelte Caitlynn und wrang ihr Nachthemd aus, so gut sie konnte. Heimlich blickte sie hinauf zum offenen Fenster. Die Heiratshändlerin war nicht mehr zu sehen. Yadele legte ihr ihren Umhang über die Schultern und hob ihre Einkäufe wieder auf. „Jetzt seht zu, dass Ihr rasch ins Warme kommt, bevor Ihr Euch noch den Tod holt!“

Kaum hatten sie und Caitlynn die Zugbrücke überquert, kam ihnen auch schon die Gräfin entgegen. Zorn funkelte in ihren Augen. Sie packte Caitlynn an den Schultern und schüttelte sie. „Du ... du ... hast alles verdorben! Lady Bryanna will sofort abreisen. Sie sagt, du bekommst höchstens einen Platz am Ende der Liste. Weißt du, was das bedeutet?“

Caitlynn machte sich mit einem Ruck frei und zog den Umhang vor ihrer Brust zusammen. „Nein, das weiß ich nicht. Und es ist mir auch egal. Ich will keine Heirat, kein Standeszeichen, das mich zum Anhängsel irgendeines Barons oder Grafen macht! Ich habe dir gesagt, was ich will: Mein eigenes Berufszeichen, meine eigene Bestimmung.“

Damit marschierte sie an ihrer Mutter vorbei, auf den Burgeingang zu. „Du wirst noch sehen, was du davon hast. Und glaub nur nicht, dein Vater lässt sich das gefallen“, hörte sie ihre Mutter rufen, doch Caitlynn drehte sich nicht um, während sie von Yadele begleitet, die Stufen hochstieg. Die beiden Flügel der schweren, mit Eisen beschlagenen Tür standen eine Handbreit offen.

Caitlynn zog sie ein Stück weiter auf und ... stand der Heiratsvermittlerin gegenüber. Bryanna trug ihre Reisetasche und hatte sich einen silberdurchwirkten Umhang aus blauem Samt übergeworfen. Caitlynn zuckte zusammen und knickste rasch, ebenso Yadele. Hat sie gehört, was ich zu Mutter gesagt habe?, fragte sie sich bang.

„Was ist mit meiner Kutsche?“, verlangte die Heiratshändlerin zu wissen.

„Meine Mutter kümmert sich darum, Lady Bryanna“, beeilte sich Caitlynn zu versichern. „Ich ... ich war nicht gut?“

Die beiden perfekten Bögen über den blassblauen Augen wanderten zwei Fingerbreit nach oben. „Nicht gut? Dein Vater wird sich anstrengen müssen, jemanden oberhalb eines Stallknechts zu finden, der dich in seiner Linie haben möchte.“ Die Verachtung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Nun, es ist im Grunde nicht verwunderlich, bedenkt man den weißen Fleck in deiner Erblinie. Ein Glück für deine Geschwister, dass sie von diesem tauben Erbe verschont geblieben sind. Weitestgehend.“

Caitlynn kam nicht mehr dazu, zu fragen, was sie damit meinte, denn Bryanna rauschte an ihr vorbei zur Türe hinaus, ohne sich zu verabschieden.

„War sie das?“, fragte Yadele. „Die Heiratshändlerin?“

„Das war sie“, nickte Caitlynn. „Ihretwegen bin ich im Graben gelandet.“

„Das wird dem Herrn Grafen nicht gefallen.“

Caitlynn nickte grimmig. „Das fürchte ich auch.“

Die erste Hürde hatte sie genommen. Jetzt kam es nur noch darauf an, ob ihr Vater sich überzeugen ließ, das Geburtsfest klein und bescheiden zu halten. Ohne Bewerber.

*

„Und ich danke allen hier Versammelten, dass Ihr das fünfzehnte Geburtsfest unserer Tochter Caitlynn mit uns feiert.“ Der Graf hob das Glas und prostete allen zu. „Musik!“

Die drei Dorfmusiker auf dem behelfsmäßigen Podest im hinteren Winkel des Saales begannen zu spielen, während die von der Gräfin extra für das Fest gemieteten Dienstboten das Essen auftrugen.

Steif saß Caitlynn auf dem gepolsterten Sessel an der langen Tafel, genau gegenüber einem jungen Mann mit rotbraunen Locken, vielen Sommersprossen auf der blassen Haut und einer derart kleinen Nase in dem runden Gesicht, dass sie sich insgeheim fragte, wie er überhaupt genug Luft bekam.

Kelteb der Sohn des bekanntesten Goldschmiedes und Juwelenschleifers, so stellte er sich ihr vor, trug an allen Fingern beider Hände prächtig geschmiedete Juwelenringe. „Die an der rechten Hand sind jene meines verstorbenenn Großvaters“, erklärte er. „Sobald ich meine Ausbildung beendet habe, werde ich die Steine herausbrechen und das Gold einschmelzen und daraus mein Meisterstück fertigen. Und die hier links“, er rieb die Edelsteine rasch über den Ärmel seiner Weste aus lila Fadenglanz, damit nur ja kein Staubkorn ihren Glanz trübe, „sind jene meines Vaters. Ich trage sie heute nur, als Zeichen, dass er sein Einverständnis gegeben hat.“

Und um alle daranzu erinnern, wer hier im Saal die bestgefüllten Truhen hat, dachte Caitlynn und blickte sich um. Die Tafel war gut besetzt mit siebzehn jungen Damen und zwanzig männlichen Gästen, alle älter als Caitlynn. Von den Damen kannte sie nur drei namentlich, da sie aus Felsrain stammten. Die anderen waren Töchter von Männern, mit denen der Graf Geschäfte zu machen pflegte. Nicht wenigen davon schuldete er mehr als nur ein paar Silbermünzen. Caitlynn konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob ihr Vater sich ihre Teilnahme an diesem Fest mit einem Schuldenerlass hatte bezahlen lassen. Von den männlichen Gästen zählte Caitlynn siebzehn Söhne reicher Kaufleute oder besonders wohlhabender Handwerksmeister. Dazu kam Caitlynns persönlich geladener Gast: Hermen, der Hüter-des-Geheimwissens aus dem Roten Haus in Felsrain und Vater ihrer einziger Freundin Kristana, die inzwischen ihre Ausbildung im Roten Turm von Ibjadar begonnen hatte.