LIN CARTER/L. SPRAGUE DE CAMP

 

Conan, der Barbar

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

CONAN, DER BARBAR 

Prolog 

I. Das Schwert 

II. Das Rad 

III. Die Kampfgrube 

IV. Die Hexe 

V. Die Priesterin 

VI. Der Dieb 

VII. Der Juwel 

VIII. Die Mission 

IX. Der Weg 

X. Der Berg 

XI. Der Baum 

XII. Der Spalt 

XIII. Die Höhle 

XIV. Die Entführung 

XV. Die Trennung 

XVI. Der Kampf 

XVII. Die Rache 

 

Das Buch

 

 

 

Viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung bildeten Europa, Asien und Afrika noch eine zusammenhängende Landmasse: den hyborischen Kontinent.

Es ist die Welt und die Zeit von Conan, dem Abenteurer aus dem düsteren nördlichen Grenzland Cimmerien, der die Steppen und Dschungel, die Gebirge und Ebenen auf der Jagd nach Beute durchstreift.

Sein Weg führt ihn in märchenhafte und sagenumwobene Länder, in prächtige Städte und an glanzvolle Höfe, an denen Könige oder mächtige Zauberer herrschen.

Immer wieder versucht man ihn, den einfältigen Barbaren, zu übertölpeln und zu versklaven. Doch mit seinen gewaltigen Körperkräften und der unglaublichen Schnelligkeit seiner Waffen sprengt er alle Ketten und lehrt seine Gegner das Fürchten...

 

Conan, der Barbar ist der Roman zum gleichnamigen Film aus dem Jahr 1982 (Regie: John Milius), mit Arnold Schwarzenegger in der Rolle des Conan, James Earl Jones als Thulsa Doom, Max von Sydow als König Osric, Sandahl Bergman als Valeria und Gerry Lopez als Subotai. Der Film begründete nicht nur den Hollywood-Ruhm seines Hauptdarstellers, sondern war zugleich auch Archetyp dessen, was insbesondere im Verlauf der 80er Jahre gemeinhin als 'Barbaren-Film' bezeichnet wurde.

Der Apex-Verlag veröffentlicht diesen Klassiker der Sword-&-Sorcery-Fantasy in der Reihe DIE CONAN-SAGA als durchgesehene Neuausgabe.

CONAN, DER BARBAR

 

 

 

 

 

  Prolog

 

 

»Wisset, oh, Prinz, dass es zwischen den Jahren, da die Meere Atlantis mit seinen prunkvollen Städten verschlangen, und denen des Aufstiegs der Söhne Aryas, ein Zeitalter gab, wie es selbst die kühnsten Träume kaum zu zeichnen vermögen. Damals breiteten sich prächtige Königreiche unter den Sternen aus - und Conan, ein Dieb, ein Plünderer, ein Schwertheld, stapfte über die Erde und achtete nicht der edelsteinfunkelnden Throne, die seinetwegen ins Wanken kamen.

Und wisset weiter, oh, Prinz, dass in jener fast vergessenen Zeit das stolzeste Königreich der Welt Aquilonien war und vorherrschend im verträumten Westen. Und dieser Conan bestieg den Thron von Aquilonien. Er regierte als Conan der Große, der mächtigste Monarch seiner Zeit. Vielfältig waren die Geschichten, die man sich über seine Jugend erzählte, umso schwieriger ist es nun, die Wahrheit unter den zahllosen Legenden zu erkennen.«

 

- Auszug aus der Nemedischen Chronik 

 

 

 

 

 

 

  I. Das Schwert

 

 

»Von allen Schriftgelehrten Aquiloniens ward mir allein die hohe Ehre zuteil, aus den Lippen meines Königs, Conan des Großen, die Geschichte seiner Wanderungen und Abenteuer zu hören, wie sie ihm auf dem Weg zur Höhe seines Ruhmes widerfuhren. Hier lege ich sie nieder, genau so, wie ich sie von ihm vernahm, als er lange schon als gerechter Monarch auf dem Thron saß und die Jahre den ersten Reif in sein schwarzes Haar gehaucht hatten.«

 

Auf einem Felsenkamm, von dem der Wind den Schnee gefegt hatte, stemmten ein Mann und ein Junge sich gegen den tobenden Sturm, der wie ein Dämon um sie heulte und kreischte. Blitze zerrissen den Himmel, zerschmetterten Steinblöcke und peitschten die erzitternde Erde mit ihrer Feuergeißel. Der stämmige Mann, mit einem gewaltigen Bart wie der eines Trolls, war von gigantischer Statur. Dicke Pelze schützten ihn vor dem beißenden Wind. Der Junge, gleichermaßen gekleidet, schien etwa neun Jahre alt zu sein.

Der Mann warf seinen Umhang zurück, dass er wie eine Standarte flatterte, und zog einen gewaltigen Bihänder - eine Waffe, wie für einen Gott geschaffen - aus der Scheide an seiner Seite. In ungewöhnlichem Singsang rief er einen alten Runenzauber von eigenartigem Wortlaut, und stieß die Klinge hoch - ins Herz des Sturmes. Mit weit gespreizten Beinen den Elementen trotzend, schwang er das herrliche Schwert über dem Kopf, während die tiefhängenden Wolken um ihn wallten, als hätte seine Waffe das Firmament verwundet.

»Höre, Conan!«, schrie der Mann über das Tosen des Sturmes. »Feuer und Wind gebiert der Himmel: die Kinder der Götter. Und der mächtigste ist Vater Crom, der über Himmel und Erde und die weite ruhelose See herrscht. Der Geheimnisse kennt er viele - und das größte davon ist das des Stahles. Die Götter lehren es die Menschen nicht, eifersüchtig hüten sie es tief in ihren Herzen.«

Der Junge blickte zum Gesicht des großen Mannes hoch, das in dem unsicheren Licht so hart wirkte, wie der Granit auf dem sie standen. Der Ältere schien sich seine nächsten Worte zu überlegen, während der kreischende Wind an seinem Bart zerrte, als wollte er ihn am Sprechen hindern.

»Einst«, fuhr die tiefe Stimme fort, »hausten Riesen im Innern der Erde. Vielleicht leben sie auch immer noch dort. Listig und weise waren sie. Sie bearbeiteten Stein und Holz, schürften Gold und Edelsteine. In der Finsternis des Chaos überlisteten sie sogar Crom, den Göttervater - sie stahlen ihm den wertvollsten Besitz der Unsterblichen: das Geheimnis des silbrigen Metalls, das sich biegen lässt und wieder seine vorherige Form annimmt.

Ungeheuerlich war Crom erzürnt. Unter seinem Grimm erbebte die Erde und die Berge spalteten sich. Mit Sturmböen und Blitzen züchtigte er die Riesen. Sie stürzten, und die Erde verschluckte sie für immer und zog sie tief hinein in die Eingeweide der Welt, jenem keinem Menschen bekannten Ort, wo die Kreaturen der Finsternis hausen.«

Die Augen des Mannes schienen wie blaues Feuer aus schwelenden Kohlen zu brennen, und sein dichtes schwarzes Haar, das ein heftiger Windstoß erfasste, breitete sich wie die Schwingen eines Adlers aus. Der junge Conan erschauderte.

»Nach gewonnener Schlacht«, fuhr der Mann fort, »kehrten die Götter in ihr himmlisches Reich zurück. Doch in der immer noch in ihnen tobenden Wut vergaßen sie das Geheimnis des gehämmerten Metalls und ließen es auf dem Schlachtfeld liegen. Dort fanden die Menschen es, die Atlanter der Legende, unsere Vorfahren zu Beginn der Zeit.«

Conan wollte etwas sagen, doch der Mann hob warnend die Hand. »Uns, die wir Menschen sind, gehört nun das Geheimnis des Stahles. Doch wir sind keine Götter und auch keine Riesen, wir sind schwache, törichte Sterbliche, deren Tage gezählt sind. Geh vorsichtig mit Stahl um, mein Sohn, und halte ihn in Ehren, denn er trägt Geheimnis und Macht in sich.«

»Ich verstehe nicht, Vater«, sagte der Junge fragend.

Der Mann schüttelte die schwarze Mähne. »Das wirst du schon noch, Conan. Ehe ein Mann würdig ist, ein Schwert aus Stahl in der Schlacht zu schwingen - eine Waffe, wie die Götter sie gegen die Riesen trugen -, muss er erst sein Geheimnis lüften, muss die Art und Weise des Stahles kennen. Wisse, dass du auf der ganzen Welt niemandem trauen kannst, weder Mann noch Frau, noch Tier, weder Geist noch Dämon, noch Gott, aber auf eine Klinge aus wohlgeschmiedetem Stahl kannst du dich immer verlassen.«

Der Mann schloss die Hände um die kleinen seines Sohnes und legte sie um den Griff des gewaltigen Schwertes. »Das Herz eines Mannes ist wie ein Stück unbearbeitetes Eisen. Erst Not und Widrigkeiten tempern es, und die Hindernisse, die gedankenlose Götter ihm in den Weg werfen, und die er überwindet, schmieden es. In den Feuern des Kampfes wird es geläutert und gehärtet, und auf dem Amboss des seelischen Leides und der Verzweiflung geformt.

Erst wenn dein Herz dem Stahl gleicht, bist du würdig, ein edles Schwert zu führen und damit deine Feinde zu besiegen, wie die Götter es taten, als sie die finsteren Riesen schlugen. Wenn du die Geheimnisse des Stahles beherrschst, mein Sohn, wird dein Schwert dir zur Seele werden.«

 

Sein ganzes Leben blieben Conan diese Worte seines Vaters in jener von Blitzen zerrissenen Nacht in Erinnerung. Mit der Zeit begann er, die ihm damals rätselvollen Sätze, und das, was sein Vater ihn damit lehren wollte, zu verstehen: dass aus Leid Kraft geboren werden kann, und das Menschenherz nur durch Schmerz und Entbehrung so stark wie Stahl wird. Doch viele und lange waren die Jahre, bis er eins mit dieser Weisheit wurde.

 

Auch eine andere Nacht blieb Conan unvergessen, eine Nacht vierzehn Tage früher, als der Mond sich wie ein schimmernder Totenschädel vom schwarzen Leichentuch des Himmels abhob. Der Schnee glitzerte in seinem unheimlichen Licht, und ein schneidender Wind ächzte durch die reifschweren Tannen. Der Junge stapfte durch das schlafende Dorf über die holprige Straße zur Schmiede seines Vaters. Ein Feuer loderte und scheuchte die Finsternis. Es warf seinen Schein golden, dann rot und wieder golden auf den Lederschurz des Schmiedes und sein von Funken versengtes Beinkleid. Er spiegelte sich auf der schweißnassen Stirn wider und spielte über das Gesicht des Jungen, der mit großen Augen von der Tür aus zusah.

Unermüdlich trat sein Vater auf den Blasebalg. Dann griff er nach einer langen Zange und holte aus dem Herzen der Esse ein weißglühendes langes, flaches und schmales Stück Eisen. Er legte es auf den Amboss und hämmerte es zur gewünschten Form. Bei jedem Schlag stob ein Funkenregen davon.

Als der abkühlende Kern des Eisens sich von weiß zu gelb und schließlich zu einem schwelenden Rot gewandelt hatte, schob der Schmied es in die Esse zurück und trat erneut den Blasebalg. Zufällig fiel sein Blick auf die Tür, und er sah den Jungen. Seine ernsten Züge erhellten sich.

»Was machst du hier, Sohn? Solltest du nicht im Bett sein?«

»Du sagtest, ich darf dir zusehen, wie du das Eisen zu Stahl machst, Vater.«

»Das tat ich. Mit ein wenig Glück werde ich es heute Nacht noch schaffen. Die Leute hier halten Nial, den Schmied, für eine Art Zauberer, weil er Eisen in Stahl verwandelt, da möchte ich sie nicht gern enttäuschen.«

Tatsächlich erachteten seine Nachbarn den Schmied fast für etwas wie einen Gott. Er war aus den Landen im Süden gekommen, mit dem Geheimnis des Stahles in seiner Brust - jenem kostbaren Erbe der alten Atlanter, das von den Menschen dieser Zeit für verloren und vergessen gegolten hatte.

Als der Junge näherkam, holte der Schmied das Eisen erneut aus dem Feuer. »Halte Abstand«, wandte er sich an seinen Sohn, »denn die Funken sprühen weit. Ich möchte nicht, dass du dich verbrennst.«

Der Amboss schallte wie eine von einem Riesen geschlagene Bronzeglocke. Ein Sprühregen von Funken stieg vor dem schwer arbeitenden Schmied auf und fiel hernieder. Allmählich nahm das glühende Eisen die Form einer gewaltigen Schwertklinge an. Mit der Zange hob er das Metall vor die Augen und begutachtete es Zoll für Zoll. Als er eine leichte Unebenheit entdeckte, hämmerte er sie mit ein paar Schlägen gerade.

Nach einer weiteren Erhitzung und sorgfältigen Begutachtung tauchte Nial das glühende Eisen in einen Bottich mit Wasser, um das formbare Eisen vor seiner endgültigen Verwandlung zu Stahl abzuhärten. Es zischte wie eine Schlange und eine Dampfwolke stieg auf, die den Schmied einen Herzschlag lang in das schleierfeine Gewand eines Gottes zu hüllen schien.

»Bring mir den Eimer Holzkohle!«, wies Nial seinen ehrfürchtig staunenden Sohn an. »Um den Stahl hart und doch geschmeidig zu machen, muss die Klinge jetzt in einem Bett aus Kohle bei gleichmäßiger Temperatur gebacken werden. Das ist das Geheimnis der alten Atlanter: das Wissen, das ich aus dem Süden mit mir brachte, als ich meinen Stamm verließ. Schau, so lasse ich das Feuer abkühlen...«

 

Während die Klinge mehrere Tage unter einer Schicht heißer Holzkohlen begraben lag, schaute Conan seinem Vater bei seiner weiteren Arbeit zu. Die Parierstange hämmerte er geschickt so, dass sie wie ein Hirschgeweih aussah. Den Bihändergriff umwickelte er mit den Därmen eines Tigers. Den Knauf aus extra schwerem Stahl, um damit die Schädel von Feinden einschlagen zu können, formte er wie einen Elchhuf.

Schließlich zusammengesetzt war die Waffe von geradezu bezaubernder Schönheit. Die polierte Klinge blitzte wie ein Spiegel, in dem Sonnenschein und Wolken sich gleichermaßen bewunderten, und man mochte glauben, die Luftgeister selbst hätten Besitz von ihr ergriffen.

»Ist das Schwert jetzt ganz fertig, Vater?«, fragte der Junge eines Abends.

»Es fehlt nur noch die Weihe«, antwortete der Schmied. »Und du darfst dabei sein.«

Nie vergaß Conan, wie die wallenden Gewitterwolken die Sterne verhüllten, als sein Vater ihn aus dem Dorf mit den Blockhütten zum Gipfel des schneebedeckten Berges führte. Als sie ihn bestiegen, erhob sich ein schneidender Wind, der an ihren schützenden Pelzen zerrte. Über weißlippige Spalten sprangen sie, erklommen raue steinige Hänge und kahle Felswände, wo kaum Halt zu finden war. Donner grollte, als sie den Gipfel erreichten. Und dann brach der Sturm los.

Und so vollzog Nial im Toben der Elemente das mystische Ritual, das das stählerne Schwert unbezwingbar machen sollte.

 

Bald nach jener Nacht des Sturmes und der Beschwörung wurde Conan seine erste Lektion im Leiden erteilt. Grausam war sie und viel zu früh für ein Kind seines Alters. Aber das Nordland ist rau, das Leben dort hart, und die Hand eines jeden Fremden in Feindschaft zu anderen erhoben.

Lautlos stahl die Nacht sich vor dem Einzug des eisigen Morgengrauens davon. Der abnehmende Mond verbarg traurig sein Antlitz hinter einem Wolkenschleier. Nur der müde Wind brach mit seinem Wispern durch kahle Zweige die tiefe Stille.

Plötzlich wurde diese Stille durch Hufgetrappel zerrissen. Reiter bahnten sich einen Weg durch winternackte Büsche, und überquerten das schmale Flüsschen, das parallel mit dem Dorf verlief, dass das dünne Eis knackte. Dunkel und grimmig in ihrer mit Eisenplättchen besetzten Lederrüstung, und den Streitäxten, Speeren und Schwertern in den behandschuhten Fingern, stürmten die Plünderer in die kleine Ortschaft.

Aus ihrem Schlummer gerissen starrten die Männer und Frauen des Dorfes schlaftrunken auf die Lehmstraße zwischen ihren Hütten, die von berittenen Fremden blockiert war. Verwirrt und unbedacht rannten sie, sich hastig in ihre Wollsachen hüllend, aus den Türen und redeten empört auf die Reiter ein. Eine junge Mutter schrie auf, als ihr kleines Kind den tänzelnden Hufen eines Pferdes zu nahe kam, und riss es hastig zurück. Mit schallendem Lachen lehnte der Reiter sich vor und stieß der Frau den Speer zwischen die Schulterblätter. Sie taumelte, als die Spitze aus der Brust herausdrang. Schlaff wie eine Puppe wurde sie mitgezerrt, bis der Krieger mit einem wütenden Fluch den Speer zurückriss.

»Die Vanir!«, donnerte Nial, und stürzte, den Schmiedehammer schwingend, aus seiner Hütte.

Conan blieb auf der Schwelle stehen. Verwirrt starrte er auf das Chaos vor sich. Ein junges Mädchen rannte bleich vor Angst an der Hütte vorbei. Ein magerer schwarzer Bluthund verfolgte sie mit klaffendem Rachen, aus dem geifernd die rote Zunge hing. Einen Herzschlag später hatte das Tier sie zu Boden geworfen und zerbiss ihr die Gurgel. Vor Conans ungläubigen Augen zuckten die Hände wie ein Fisch auf dem Trockenen in dem schlammbespritzten Schnee.

Ein nackter cimmerischer Jäger mit riesiger Axt sprang heulend in das Gewühl und wirbelte seine Waffe wie ein Todesrad. Sie traf einen Plünderer am Oberschenkel und durchtrennte sein Bein. Schreiend stürzte der Vanir aus dem Sattel. Sein Blut spritzte in scharlachfarbigem Bogen in den Schnee. Über das Klappern der Hufe, das Klingen von Eisen und das Kampfgebrüll der Vanir hörte Conan das Wimmern und Kreischen von Frauen und die Schreie der Verwundeten und Sterbenden.

Conans Vater schob den Sohn zur Seite. Er verschwand in der Hütte und kam mit dem großen Schwert zurück: der zauberbehafteten Klinge, die wie erstarrte Blitze im frühen Morgenlicht glitzerte, als er sie von Seite zu Seite hieb.

Vanir um Vanir stürzte vom Pferd und ihre Gedärme klatschten in den zertrampelten schmutzigen Schnee.

Conan schüttelte seine Erstarrung ab, griff nach einem Dolch, der der Hand eines Sterbenden entglitten war und warf sich ebenfalls ins Getümmel, entschlossen seinem Vater zur Seite zu stehen. Das Gewühl der Kämpfenden war zu dicht, als dass der Junge sich hätte hindurchhauen können, aber immerhin gelang es ihm die Knieflechse eines Vanir zu durchtrennen, der daraufhin genau in das ausholende Schwert des Schmiedes fiel. Der Kopf flog durch die Luft wie ein Ball und landete im Schneematsch vor Conans Füßen. Erschrocken, mit weit aufgerissenen Augen sprang der Junge zurück, als der blutige Schädel den Mund zu einem stummen Schrei öffnete.

Nun rannten weitere Cimmerier herbei, um an der Seite Nials, des Schmiedes, zu kämpfen. Aber die Plünderer waren beritten, gut bewaffnet und mit Leder, Bronze und Eisen gerüstet, während die Dorfbewohner halb nackt aus den Hütten gestürzt waren und nach dem nächstbesten Gegenstand gegriffen hatten, der ihnen als Waffe dienen mochte. Nur wenige hatten Schwerter und Äxte, die meisten nur Hacken und Harken. Ein paar trugen Schilde aus Fell, auf Holzrahmen gespannt, die jedoch wenig Schutz gegen das schwere Eisen der Vanir boten.

Da Conan nicht zu seinem Vater durchkam, suchte er seine Mutter, konnte sie aber in dem Getümmel nicht finden. Er wich den trampelnden Hufen aus, duckte sich, sprang zur Seite, wenn die Pferde an ihm vorbeidonnerten. Wohin er blickte, bot sich ihm ein grauenvolles Gemetzel. Ein blutender abgetrennter Arm, dessen Finger noch einen Speerschaft umklammerten, lag im Schnee. Eine Frau mit ihrem Säugling auf dem Arm, hastete vorbei. Sie stolperte und fiel in den Matsch. Einen Herzschlag später zerschmetterten Pferdehufe ihren Schädel, und das wimmernde Baby versank in einem Haufen blutbesudelten Schnees.

Der Schrei eines Greises erstarb, als die Bronzespitze eines Pfeiles sich in seine Zunge bohrte. Ein anderer alter Mann lag im eisigen Schlamm und eine Hand fummelte an seinem Gesicht. Nur dumpf wurde Conan bewusst, dass dem Mann ein Auge heraushing, und der Alte, vor Schmerz halb wahnsinnig, verzweifelt versuchte, es in seine Höhle zurückzuschieben.

Über all den Kampflärm hinweg hörte Conan die donnernde Stimme seines Vaters: »Pferde! Tötet die Pferde!« Und gleichzeitig hieb er auf ein anstürmendes Ross ein, das wie ein Hengst beim Beschneiden schrie, als ein Speer in seinen Rücken drang.

Endlich entdeckte Conan die schlanke geschmeidige Gestalt seiner Mutter, die barfuß im Schnee stand. Sie bot ein beeindruckendes Bild, als sie dem Feind gegenüberstand. Ihr Gesicht war vor Grimm gerötet, ihr Haar wallte über die Schultern, und ihre Hände umklammerten den Griff eines Breitschwerts. Vor ihr lagen die blutigen Überreste mehrerer Vanir und ihrer reißenden Hunde. Als der Junge auf sie zu rannte, blickte sie auf sein dickes zerzaustes schwarzes Haar, das er von seinem Vater hatte, und schwang die Waffe mit neuer Entschlossenheit.

Aus dem Augenwinkel bemerkte der Junge plötzlich eine gigantische Gestalt wie eine Statue dunkel und reglos auf einem Rapphengst sitzen. Pferd und Reiter hoben sich düster von der Kuppe eines Hügels am Rand des Dorfes ab und schienen beide auf das Gemetzel herabzublicken. Der Junge konnte die Züge des Giganten nicht erkennen, wohl aber das Wappen auf seinem Brustpanzer und dem eisernen Schild.

Ein fremdartiges Wappen war es: zwei schwarze Schlangen, Kopf an Kopf, mit den Schwänzen so ineinander verschlungen, dass sie eins sein mochten, und zwischen ihnen und von ihnen gehalten eine schwarze Sonnenscheibe. Wie eine finstere Vorahnung griff die Angst nach Conans Herzen.

 

Unweit hatten die überlebenden Männer und Jungen einen lebenden Schild um ihren Schmied gebildet, der selbst über die größten der Cimmerier hinausragte. Mit seinem Beispiel und ermunternden Worten trieb er sie an. Metall klirrte gegen Metall und übertönte die Schreie der Sterbenden. Die Vanir wichen zurück, denn ihre Pferde scheuten und bäumten sich vor den behelfsmäßigen Waffen der Verteidiger auf.

Als die Vorsicht die Plünderer von dem Ring der Cimmerier abhielt, hob die gigantische Gestalt auf dem Hügel befehlend eine Hand. Die ersten Sonnenstrahlen spiegelten sich in seinem Helm, der seine Züge verbarg, und verliehen ihm eine Aura schrecklicher Macht.

»Er ruft seine Schützen herbei«, flüsterte Conans Mutter. »Außer Reichweite unserer Waffen werden sie unsere Männer niederstrecken.«

»Crom helfe uns«, murmelte der Junge.

Seine Mutter bedachte ihn mit einem rügenden Blick. »Crom erhört die Gebete der Sterblichen nicht, ja er achtet kaum auf sie. Crom ist ein Gott des Eises, der Sterne und Stürme, nicht der Menschen.«

Schon bald erwiesen die Worte Maeves, der Frau des Schmiedes, sich als wahr. Ein Pfeilhagel sirrte durch den frühen Morgen. Die Geschosse bohrten sich in das Holz der Hütten, prallten von Schilden ab, und drangen bis zum gefiederten Schaftende in muskelfestes Fleisch. Salve um Salve des tödlichen Regens peitschte gegen die Verteidiger, bis der Schildwall schwankte und sich auflöste.

Und schließlich erklang dröhnend die tiefe Stimme des Giganten auf dem Hügel: »Schickt die Hunde los!«

Knurrend und geifernd rannten die Tiere mit hängenden roten Zungen den Hang hinab. Die schmalen Leiber hoben sich dunkel gegen das Morgenrot ab. Ein Cimmerier fiel gurgelnd mit einem Hund an seiner Kehle. Ein anderer spießte eines der blutrünstigen Tiere mit einem Speer mitten im Sprung auf. Ein dritter schrie heiser auf, als scharfe Fänge sich in die Muskeln seines Armes verbissen. Mit der Kraft der Verzweiflung hieben die Verteidiger auf die knurrenden und japsenden Tiere ein.

»Schützen!«, donnerte der dunkle Riese. »Noch eine Salve!«

Ein zischender Todeshagel traf die wenigen Überlebenden. Verwundete wanden sich in ihren Schmerzen im zertrampelten Schnee, als ihre Stammesbrüder mit zerfetzten Schilden über sie hinweg rückwärtsstolperten. Einen Augenblick sah Conan seinen Vater mit von vielen Pfeilen gespicktem Schild noch aufrechtstehen, dann ragte plötzlich eine Pfeilspitze aus seinem Oberschenkel. Das Bein gab nach. Mit einem wilden Fluch fiel er rückwärts und lag im eisigen Matsch.

Seine Hand tastete nach dem Griff des mächtigen Schwertes, das ihm im Sturz entfallen war. Da bohrte ein Pfeil sich durch den Handrücken und spießte ihn auf den Boden. Und schon sprangen die Hunde ihn an.

Es war schnell vorüber.

 

 

 

 

  II. Das Rad

 

 

Neue Reiter donnerten über den Hügel, den Hang herab und zwischen den Hütten hindurch. Gnadenlos metzelten ihre Schwerter alle nieder, die sich ihnen noch entgegenstellten. Flackernde Fackeln flogen durch die eisige Luft und landeten auf den Binsendächern der Holzhütten, die schnell aufflammten. So wurden jene, die Zuflucht in ihren vier Wänden gesucht hatten, ins Freie getrieben.

Mit Triumphgebrüll trotteten die Vanir über die schlammige Straße. Sie hieben und stachen nach den Jungen, den Alten und den Verwundeten. Maeve spießte einen der sie lüstern beäugenden Burschen auf, während er sich vom Pferd herabbeugte, um sie in den Sattel zu ziehen. Ein grimmiges Lächeln spielte über ihre Züge, als er in den Schlamm stürzte und leblos liegenblieb. Als nächstes durchtrennte das Breitschwert der Frau das Fesselgelenk des nächsten Pferdes. Conan warf sich auf den herabrutschenden Reiter und schlitzte dessen Kehle.

Aber der letzte Widerstand der Verteidiger brach unter der gewaltigen Übermacht schnell. Stumpf warfen die Überlebenden ihre Waffen vor die Füße der Sieger - doch nicht Maeve, Nials Witwe und Conans Mutter. Mit funkelnden Augen in einem Gesicht, aus dem die gesunde Farbe gewichen war, stützte sie sich auf den Knauf ihres Breitschwerts und keuchte nach Atem, mit ihrem kleinen Sohn an der Seite, der seinen kurzen Dolch stoßbereit in der Hand hielt.

Da gab der bisher schier reglose Riese auf dem Hügel seinem Rapphengst die Sporen. Mit bedächtigen Schritten, die bedrohlicher wirkten als der Sturm seiner Reiter zuvor, kam der Führer der Plünderer den Hang herab. Durch den zertrampelten und vom Blut der Toten und Sterbenden besudelten Schnee trottete er gemessen. Obgleich seine Züge unter dem gehörnten Eisenhelm verborgen waren, erschien er jenen, die ihn gegen den Morgenhimmel sahen, wie ein Dämonenkönig auf einem Pferd, das der Hölle entsprungen war.

Als die grimmige Gestalt an ihnen vorüberritt, neigten die Vanir tief die Köpfe und riefen einstimmig: »Heil unserem Führer Rexor! Heil Rexor! Und Heil Doom - Doom - Thulsa Doom...!«

Rexor lenkte sein Pferd von der Straße und verschwand kurz hinter den rußgeschwärzten Wänden einer halb abgebrannten Blockhütte. Als wäre eine Last von ihnen abgefallen, richteten die Vanir sich auf und näherten sich der Frau mit ihrem Jungen, die ihnen beide trutzig entgegenblickten.

Mit gemeinen und höhnischen Worten stupsten zwei der Reiter spielerisch mit den Speeren nach dem Busen der halbnackten Frau. Eine der Waffen schlug Maeve mit der flachen Klinge zur Seite, und der Vanir wich lachend ein wenig zurück. Sein Kamerad dagegen kam nicht ungeschoren davon. Maeve schwang das Breitschwert über den Kopf und ließ es auf die Hand des Burschen herabsausen. Als der Mann zur Seite sprang, entglitt der Speer seiner Hand, die schlaff herabhing. Durch die gefletschten Zähne fluchend, griff der Vanir mit der unverletzten Hand nach seinem Schwert.

In diesem Moment tauchte der in seinen Pelzumhang gehüllte Führer grimmig wie der Tod aus dem Schatten einer Hütte. Kein einziges Wort sprach er, trotzdem erzitterte der Verwundete und zog sich hastig zurück. Auf einen Wink hin sprang ein anderer Krieger herbei, um den Zügel des Streitrosses zu halten, während sein Herr aus dem Sattel sprang. Gebieterisch deutete Rexor die Straße hinauf, wo der Schmied eine Fingerlänge entfernt von der Waffe lag, die sein letztes Meisterstück war.

Ein anderer Krieger beeilte sich, durch die Hütten hindurch zu dem toten Nial zu laufen, um den Befehl seines Herrn zu erfüllen. Er hob das Schwert, das niemand der lebenden Hand des Schmiedes hätte entwinden können, und brachte es Rexor. Durch halb zusammengekniffene eisblaue Augen beobachtete Maeve den Mann. Auch Conan tat es mit ängstlich pochendem Herzen, denn nun erst wurde ihm voll bewusst, dass sein Vater nicht mehr lebte.

Als Rexor die Waffe in Empfang nahm, hob er sie hoch, um die meisterhafte Arbeit im Schein der Morgensonne zu begutachten. Als das Metall in diesem hellen Licht blitzte, versuchte Conan vergebens das Schluchzen zurückzuhalten, das in seiner Kehle würgte. Seine Mutter legte tröstend eine Hand sanft auf seine Schulter. Ein Vanir lachte.

Ein Schauer vertrieb plötzlich das Grinsen aus den Gesichtern derer, die das noch unbesiegte Paar umringten. Erstaunt blickte Conan auf. Eine Standarte an einer schwarzen Stange kam, sich gegen die Sonne abhebend, in Sicht. In einem mit Hörnern verzierten Holzrahmen hing es unbewegt in der stillen Luft. Zum zweiten Mal sah der Junge das Wappen, diesmal auf kräftiges Tuch gestickt. Lange würde es in seinen Träumen spuken: das sich drohend windende Schlangenpaar mit der erhobenen schwarzen Sonnenscheibe.

Als grauenvolle Fransen umsäumten Skalps die Standarte, und gebleichte Totenschädel grinsten scheinbar höhnisch von Haken am Rahmen. Selbst Rexor neigte den Kopf, als das Morgenlicht dieser furchterregenden Standarte Leben zu verleihen schien. Conan schluckte beim Anblick des Fahnenträgers: einer missgestalteten Kreatur, eher Tier als Mensch, trotz Eisenhelm und eisenverstärkter Lederrüstung. Der Stolz, mit dem er diese grässliche Standarte trug, verriet allein schon seine Unmenschlichkeit.

Hinter dieser Ausgeburt der Hölle ritt eine beeindruckende Gestalt, prächtig in ihrer Rüstung aus übereinander greifenden Metallblättern, die wie die Schuppen einer Schlange schillerten. Ein edelsteinbesetzter Helm bedeckte auch Nase und Wangen, so dass nur die in einem unheiligen Feuer flammenden Augen zu sehen waren.

Das Pferd glich seinem Herrn: es war von edlem Bau, und seine Schabracke glitzerte von Juwelen. Auch seine Augen glühten wie Kohlen. Auf Rossen wie diesem, dachte Conan, mochten die Teufel der tiefsten Hölle zu den grünen Hügeln der Erde hochreiten, um die Welt zu verwüsten.

Als das prachtvolle Streitross, von seinem Reiter gelenkt, durch den blutbefleckten Schnee trottete, verbeugten alle Vanir sich bis fast zum Boden und riefen immer wieder wie eine Beschwörung: »Doom - Doom - Doom...« 

 

Der Riese Rexor eilte herbei, um des Höllentiers Zügel zu halten, als sein Herr sich aus dem Sattel schwang. Die beiden wechselten ein paar Worte, dann wandten beide den Kopf, um die Cimmerierin zu betrachten, die mit dem Breitschwert angespannt hochaufgerichtet stand und ihren Blick nicht niederschlug. Als sie die Drohung in den Augen der Fremden las, machte sie sich bereit - wie eine Panthermutter ihr Junges - ihren Sohn zu beschützen. Sie hob ihr Breitschwert und spreizte die Beine für einen besseren Stand.

Der Mann in dem juwelenfunkelnden Helm, der sie immer noch kühlen Blickes abschätzte, zog seinen Handschuh aus und streckte den Arm nach dem Schwert Nials, des Schmiedes aus. Rexor verbeugte sich, als er seinem Herrn die Waffe reichte.

»Doom - Doom - Doom...«, riefen die Vanir erneut. Conan wurde klar, dass dieses Wort mehr als ein Willkommensgruß war. Ihm schien es ein unheildrohender Name zu sein - ein Name, der Furcht heraufbeschwor.

Doom bewegte sich in seiner Schuppenrüstung ungemein geschmeidig auf Mutter und Sohn zu. Während seiner Annäherung betrachtete er die Vollkommenheit der herrlichen Klinge in seiner Hand und drehte sie nach allen Seiten, um ihre scharfe Schneide zu bewundern, ihre Ausgewogenheit, ihre makellose exquisite Arbeit. Wie ein Spiegel blitzte der Stahl im Sonnenschein und tauchte den abwartenden Jungen in blendendes Licht.

Als der Kreis der Bewaffneten um sie sich öffnete, richtete Maeve ihren herrlich gewachsenen Körper stolz auf, hob ihr Breitschwert und schob hart das Kinn vor. Ihr schnelleres Atmen zwischen den leicht geöffneten Lippen verriet ihre Absicht.

Plötzlich schenkte Doom ihr Beachtung. Er nahm seinen kostbaren Helm ab, dass ein schmales, auf finstere Weise gut aussehendes Gesicht zum Vorschein kam Ein schwaches Lächeln huschte über seine dünnen Lippen, und etwas, das Bewunderung sehr nahe kam, sprach aus seinen kohlschwarzen Augen. Die Frau stand wie erstarrt - fasziniert und gleichzeitig abgestoßen von dieser gebieterischen Gestalt und der überwältigenden Sinnlichkeit, die sie ausstrahlte.

»Doom - Doom - Doom...«, riefen die achtungsvoll reglos stehenden Vanir erneut im Chor.

Einen langen Moment blickte Doom in die weit geöffneten Augen von Conans Mutter. Ihr bezaubernd geformter Busen, von der Morgensonne sanft gerötet, hob und senkte sich unter ihrem schweren Atem. Ohne auf ihr erhobenes Schwert zu achten, schritt Doom durchaus in der Reichweite ihres Stahles vorbei, als könne er einem wie ihm nichts anhaben. Die Haltung und Geschmeidigkeit seines edel gebauten Körpers, als er an der Cimmerierin vorüberwandelte, war aufregend, auffordernd und vibrierend vor Sinnlichkeit, doch Maeve rührte sich nicht und kein Wort kam über ihre Lippen. Sie blieb auch weiter völlig unbewegt stehen, doch vielleicht deshalb, weil sie gebannt wie ein Kaninchen unter dem Blick einer Schlange war.

Kaum war er an ihr vorbei, schwang er das mächtige Schwert mit unvorstellbarer Leichtigkeit und Geschicklichkeit. Doch das Geräusch, das die Klinge verursachte, als es die spannungsgeladene Stille brach, drang magenumdrehend durch Mark und Bein.

Ohne einen Laut fiel Maeve wie ein Baum durch die Axt des Holzfällers. Benommen vor Grauen starrte Conan ungläubig auf den Kopf seiner Mutter, der in den Schlamm vor seinen Füßen rollte. Ihr bleiches Gesicht verriet weder Furcht, Schock noch Schmerzen, nur verträumte Faszination.

Als der Junge aus seiner Erstarrung erwachte und hasserfüllt den Dolch in Dooms Rücken stoßen wollte, warfen die Vanir sich auf ihn, zerrten ihn in eine Schneewehe und entwanden ihm die Klinge.

 

Am Abend dieses gleichen Tages schleppte sich eine Reihe aneinander geketteter Gefangener über eine schier endlose Weite harschigen Schnees, über den Tannen und Fichten ihre Schatten warfen. Die arg mitgenommenen Gefangenen waren die traurigen Reste eines cimmerischen Clans, die einzigen Überlebenden des Überfalls auf ihr Dorf am frühen Morgen. Greise, Männer und Kinder, verwundet und für die Kälte nicht zureichend gekleidet, stolperten über die in der Weiße kaum zu sehenden Unebenheiten und rutschten auf dem Weg in die Sklaverei immer wieder auf dem eisüberzogenen Schnee aus.

Weit hinter den Gefangenen kräuselte immer noch Rauch in den Himmel. Nachdem sie das Dorf restlos an allem für sie Wertvollen ausgeplündert hatten, wie Waffen, Nahrungsmittel, Pelze und Felle, hatten die Vanir an sämtliche Hütten Feuer gelegt. Selbst die heiße Kohle und Asche hatten die Pferdehufe zertrampelt und verstreut, damit - wenn der Frühling die Erde auftaute und neues

Grün aus dem Boden sproß - keine Spuren mehr davon zeugten, dass einst Menschen hier gelebt hatten.

Conan stolperte mit den anderen dahin. Die Ketten und der schwere Eisenreif um seinen Hals drückten den Jungen schier nieder, und er fror im eisigen Bergwind. Seine Gedanken waren ein Aufruhr halbverstandener Erinnerungen und unerklärlicher Angst. Zu viel Blutvergießen hatte er für sein Alter miterlebt, als dass er den Schock schon ganz überwunden hätte. Trotz seines heftig pochenden Herzens, empfand er nichts. Zu stark waren seine Gefühle noch von dem Alptraum betäubt, der für ihn heute Wirklichkeit geworden war.

Der endlose Marsch nach Vanaheim blieb als verschwommenes Grauen in Conans Gedächtnis haften - ein verwirrendes Durcheinander einzelner Bilder: pelzvermummte Reiter, die Schnee aufwirbelnd neben den sich taumelnd dahinschleppenden Gefangenen einher trotteten; die furchteinflößende Standarte mit den grässlichen Schlangen um die schwarze Sonne, die sich gegen den Himmel abhob; ein losgeketteter Greis, der nicht mehr mit den anderen Gefangenen Schritt halten konnte und deshalb mit grausamer Gleichgültigkeit mehrmals mit einem Speer durchstochen wurde; kleine blutige Abdrücke von den wunden Sohlen barfüßiger Kinder auf dem Eis; der schneidende Wind in den hohen Pässen; und alles überlagernd Erschöpfung und Verzweiflung.

Conan hätte nicht zu sagen gewusst, wann der Gigant Rexor und sein geheimnisvoller Herr, Doom, die Plünderer verlassen hatten, aber irgendwann war ihm plötzlich bewusst geworden, dass sie sie nicht mehr begleiteten, denn die Luft schien reiner und der Sonnenschein heller geworden zu sein. Vage wunderte sich der Junge, weshalb diese beiden dunklen Männer, die so ganz offensichtlich keine Vanir waren, den Überfall auf das Dorf angeführt hatten. Als er es wagte, einem anderen Gefangenen wispernd diese Frage zu stellen, flüsterte der Mann zurück:

»Ich weiß es nicht, Junge. Zweifellos bezahlten die Vanir die beiden gut für ihre Dienste, aber ich sah nicht, wie Gold den Besitzer wechselte.«

Nordwärts, auf verschlungenen gefährlichen Pfaden wand der Trupp Gefangener und Plünderer sich durch die zerklüfteten Berge von Nordcimmerien. Kahle Felsspitzen ragten aus dem Schnee, der sie wie ein Umhang umhüllte, und die Sägezähnen ähnliche Kette des Eiglophiagebirges erhob sich in einer Reihe weißgewandeter Riesen gleich vor ihnen. Ein Schneegestöber bedrängte die viel zu leicht gekleideten Sklaven in einem Pass, und die Eiskristalle stachen wie Nadeln in ihre Haut. Die Kälte hatte vor allem die Kinder bereits so betäubt, dass sie die aus dem Schnee ragenden spitzen Steine unter ihren nackten Füßen kaum noch spürten.

Es schneite immer noch, als die gefangenen Cimmerier die Berge nach Vanaheim überquerten. Die Reiter und ihre Hunde mussten weit umherstreifen, um Wild zu jagen. Bäche, die vom schmelzenden Schnee an geschützten Fleckchen gespeist wurden, schnitten tiefe Furchen durch den Schnee und versorgten die Gefangenen an ihren Lagerplätzen mit kristallklarem Wasser. Es half ihnen zu überleben.

Endlich begann der Abstieg auf der anderen Seite der Gebirgskette. Verkümmerte Bäume wurzelten gefährlich krumm an den sonst fast kahlen Hängen. Sie erschienen dem Jungen wie verkrüppelte Gnomen neben ihren Höhlen. Wo Rentiere den Schnee zertrampelt und aufgescharrt hatten, um an das abgestorbene Gras heranzukommen, waren vereinzelte bräunliche Tundrastreifen zu sehen. Schwärme von Sumpfvögeln auf ihrem Zug nach Norden, zogen über sie hinweg, und ihre traurigen Schreie waren wie ein Echo der bitteren Verzweiflung in Conans Herzen.

Der schreckliche Marsch schien überhaupt nicht aufzuhören, und doch endete er schließlich.

 

Eines Abends, als die untergehende Sonne mit ihren letzten Strahlen durch den Dunst zu dringen versuchte, führte man Conan und seine Mitgefangenen durch das Palisadentor einer Stadt der Vanir - eine größere Ansiedlung, deren Name, wie sie später erfuhren, Thrudvang war.

Die fußwunden Sklaven wurden wie Rinder zwischen verstreuten Steinhütten hindurchgetrieben, die halb im Moor versunken und mit Stroh gedeckt waren. Schließlich erreichten sie eine von Mauern umgebene Einfriedung, in der mehrere langgestreckte einfache Hütten standen. In einen dieser Sklavenpferche wurden die Neuankömmlinge gesperrt, wo sie die Nacht auf nur spärlich mit Stroh bestreutem Lehmboden schlafen konnten.

Im Morgengrauen, nach einem kargen Frühstück aus hartem Brot und dünner Suppe kettete man die stärkeren und gesünderen unter ihnen an ein schweres Rad, dessen Speichen aus Baumstämmen durch die schiebenden Hände von Sklaven glattgerieben waren. Dieses Rad drehte einen gewaltigen Mühlstein auf einem anderen, das durch sein ungeheures Gewicht Korn zu Mehl zermalmte. An dieses Rad der Schmerzen, wie die Sklaven es nannten, wurde Conan neben andere zerlumpte Jungen und Männer mit stumpfem Blick aus ihm fremden Ländern gekettet, oder aus solchen, von denen er nicht einmal den Namen kannte. Die gefangenen Frauen und Mädchen seines Dorfes schaffte man weiter fort, ihnen stand ein anderes, vielleicht schlimmeres Los bevor. Conan hörte nie wieder von ihnen.