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Daniel Held

Ohne Zweifel selbstständig

Daniel Held

Ohne Zweifel selbstständig

Meine Heldenreise zum erfüllten und erfolgreichen Freiberufler

© 2018 Daniel Held

Autor: Daniel Held, Online-Redakteur und Journalist

www.heldentexte.de

daniel@heldentexte.de

Umschlaggestaltung: Matthias Barth

Lektorat: Daniela Lukaßen-Held

Autorenfoto: Roman Bracht

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-7439-6624-6 (Paperback)

ISBN: 978-3-7439-6625-3 (Hardcover)

ISBN: 978-3-7439-6626-0 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort: Die Bedenkenträger aus dem Kopf kriegen

1 Die Heldenreise von Heldentexte

1.1 Endlich mein eigener Chef Held!

1.2 Das 1. Jahr: Flaute trotz Akquise – und nun?

1.3 Das 2. Jahr: Durchbruch! Der Laden brummt

1.4 Das 3. Jahr: Abenteuer als digitaler Nomade in Australien

1.5 Meine Bilanz als Selbstständiger: Ich will nie mehr tauschen

2 Das Erfolgspuzzle: Die sechs Bausteine

2.1 Unternehmerdenke

2.2 Selbstmanagement und Selbstmarketing

2.3 Kompetenz

2.4 Persönlichkeit

2.5 Netzwerk

2.6 Macher-Gen

3 Wegbegleiter und ihre Sicht auf den Erfolg

Checkliste: Alle Tipps und Links im Überblick

Danke!

Literaturverzeichnis

Vorwort: Die Bedenkenträger aus dem Kopf kriegen

„Du willst dich selbstständig machen? Ist das nicht zu riskant?“ Oder: „Du weißt ja: selbst und ständig. Das ist dir schon klar …?“

Was haben mich diese Aussagen schon vor der Gründung angestachelt! „Die meisten können das doch gar nicht beurteilen, weil sie nie selbstständig gearbeitet haben“, dachte ich mir, „denen werde ich es schon zeigen …“

Spätestens in Gesprächen mit meinen Kollegen merkte ich, dass nicht jeder mit solchen Bedenkenträgern so umgeht wie ich. Rasch wurde mir klar: Manch einer fühlt sich durch Sätze wie diese abgeschreckt. Und das bleibt nicht ohne Folgen. Schließlich enthält er unserer Gesellschaft vielleicht eine extrem gute Geschäftsidee vor, weil er seine Pläne vom Unternehmertum aus Angst vor dem Scheitern wieder verwirft. Und auch mich haben die Warnungen des Umfelds nicht gänzlich kalt gelassen, sondern immer wieder beschäftigt. So ganz ohne den Blick nach links und rechts und ohne diese Einwände ernst zu nehmen, wollte ich dann doch nicht in das Abenteuer Selbstständigkeit starten.

Als ausgebildeter Online-Redakteur hatte ich gerade nach zehn Jahren meine erste und bis dato einzige, sichere und bequeme Festanstellung gekündigt, als ich mich mit einem Kollegen über meinen Wunsch nach Freiheit sowie die Pläne und Aussichten meines Unternehmens unterhielt. Ein Gespräch, das mir zwei ebenso mögliche wie unterschiedliche Szenarien vor Augen führte.

Szenario eins: Ich würde völlig überarbeitet und ständig im Hamsterrad am Rande des Existenzminimums herumkrebsen und die Entscheidung bereuen. Nun, ich mag nicht abstreiten, dass das vielen schon passiert ist und auch mir hätte passieren können. Immerhin sind die Aussagen der Zweifler in den kompletten ersten drei Monaten nach der Gründung in meinem Kopf herumgekreist. Bis ich sie dann endlich loswurde und dazu überging, alle weiteren bremsenden Äußerungen komplett zu ignorieren und nur noch mir selbst und meinen Überzeugungen zu vertrauen.

Als der Kollege mir damals Szenario zwei aufzeigte, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht: „Oder du wirst als Freiberufler viel mehr verdienen als bisher und damit total glücklich sein.“ Die komplett andere Richtung also.

Wenn ich mich heute daran erinnere, weiß ich: Ich bin tatsächlich glücklicher denn je mit meiner beruflichen Situation. Das demotivierende Gefühl am Sonntagabend, an die nächste Arbeitswoche zu denken, hatte ich seitdem nie mehr. Stattdessen dominieren pure Leidenschaft, ständig neue Ideen, jede Menge Neugier und die Vorfreude auf das, was noch kommen wird.

Allen, die zweifeln und sich aufgrund anderer, die den Teufel an die Wand malen, gar nicht erst trauen, rate ich: Hört auf euer Bauchgefühl und vor allem auf euch selbst! Denn gesellschaftliche Denkmuster blockieren uns und verhindern Fortschritt. Die Gründer, die ihrem Ruf gefolgt und erfolgreich sind, beweisen, dass es geht. Auch ich musste enorm viel Arbeit investieren und Tiefen und Hindernisse überwinden. Aber das Gefühl, das einen täglich begleitet, ist es wert, diese Mühen auf sich zu nehmen.

Mir ist es dennoch wichtig zu betonen, dass die Selbstständigkeit nicht für jedermann das Richtige ist. Das habe ich im Laufe der Zeit feststellen können. Denn es ist eine sehr individuelle Frage und bedarf bestimmter Voraussetzungen und Vorbereitungen, die ich im Buch aufzähle. So wie ich es keinem pauschal empfehlen würde, sich anstellen zu lassen, so propagiere ich auch nicht: „Jeder sollte sein eigenes Unternehmen gründen!“ Stattdessen möchte ich jene motivieren, die davon überzeugt sind, dass eine Selbstständigkeit der richtige Schritt für sie ist, den eigenen Weg mutig zu gehen und Hürden, die gesellschaftliche Zwänge vermeintlich schaffen, zu überspringen.

Spiegel-Gründer Rudolf Augstein sagte einmal: „Ein leidenschaftlicher Journalist kann kaum einen Artikel schreiben, ohne im Unterbewusstsein die Wirklichkeit ändern zu wollen."

So ist es auch bei mir: Ich möchte, und das ist mein Fokusthema als Journalist, dass Menschen mehr aus ihrem Leben machen. Denn ich habe selbst am eigenen Leib erfahren, was passiert, wenn man das nicht befolgt: Es tut einfach nicht gut. Jahrelang habe ich gegen meine eigene Identität gelebt. Selbst gestalten dagegen ist etwas Tolles. Es gibt wenig Schöneres als das Gefühl, diesen Stolz zu empfinden, weil etwas fertig und gelungen ist.

Auf meinem Weg zum erfüllten und erfolgreichen Freiberufler nehme ich den Leser mit auf meine persönliche Heldenreise, die zwei Jahre vor der Gründung beginnt und – wenn ich das Buch mit dem dritten Jahr der Selbstständigkeit abschließe – hoffentlich noch lange nicht endet. Dabei lege ich mein Augenmerk in erster Linie auf die emotionalen, mentalen und psychologischen Aspekte der Selbstständigkeit.

Das dritte Jahr: Angaben der KfW Bankengruppe zufolge bedeutet es für rund 30 Prozent aller Gründer das Aus (Quelle: Gründungsmonitor 2017). Hier trennt sich das erste Mal die Spreu vom Weizen. Zwei weitere Jahre später, also nach fünf Jahren Selbstständigkeit, noch einmal. Wie viele von den „Überlebenden“ sich zu diesem Zeitpunkt gerade noch so über Wasser halten können, darüber lässt sich nur spekulieren. Die Zahlen selbstständiger Künstler und Publizisten jedenfalls sind ernüchternd: Ihr Durchschnittseinkommen auf Bundesebene beträgt nur 16.495 Euro (Stand: 01.01.2017, Quelle: Künstlersozialkasse).

Für alle, die es dennoch probieren wollen, die an sich und ihre Idee glauben und allen Unkenrufen zum Trotz in die Selbstständigkeit starten möchten oder schon gestartet sind, präsentiere ich im zweiten Teil dieses Buches meine eigene kleine Erfolgsformel. Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht, und weil jede Lebenssituation anders ist und jeder Mensch eine eigene Persönlichkeit hat, kann ich hier nur sagen, was bei mir zum Erfolg geführt hat. In Teil drei lasse ich meine Wegbegleiter in der Selbstständigkeit zu Wort kommen. Sie erzählen von ihren Hürden und Freuden als Unternehmer.

Eines noch vorweg: Ich habe auf meiner Reise so viele nette Kollegen kennengelernt, die deutlich erfolgreicher sein könnten, wenn sie nur an einigen Stellschrauben drehen würden. „Das Richtige richtig tun“, hat vor einiger Zeit SEO-Experte Felix Bauer auf einem Vortrag gepredigt. Oder: „Work smarter, not harder“. So ist es. Es bringt nichts, ohne Unterlass zu ackern, wenn die Richtung nicht stimmt. Und auch für Gründer, bei denen es eigentlich ganz gut läuft, die aber hin und wieder mit Motivationsproblemen zu kämpfen haben oder auch einfach nur gerne Erfolgsstorys lesen und sich darin wiederfinden wollen, ist diese Lektüre möglicherweise Inspiration und Antrieb zugleich. Eines ist dieses Buch in jedem Fall nicht: ein allgemeiner und trockener Schritt-für-Schritt-Ratgeber von „Wie melde ich mich beim Finanzamt an" über „Welche Rechtsform sollte mein Unternehmen haben“ bis hin zu „So funktioniert Buchhaltung“. Davon gibt es auf dem Markt schon genug …

Viel Spaß bei der Lektüre!

Köln, im April 2018 Daniel Held

1| Die Heldenreise von Heldentexte

1.1Endlich mein eigener Chef Held!

Die Vorgeschichte meiner Selbstständigkeit mit Heldentexte beginnt mit einem Knackpunkt Ende 2012. Ich arbeite seit acht Jahren bei einer Internet-Agentur in Köln und will neu durchstarten. Inhaltlich entsprechen meine Aufgaben nicht mehr dem, wofür ich brenne. In meinen ersten Berufsjahren, unter anderem während meines zweijährigen journalistischen Volontariats, sind meine Ansprechpartner auf Kundenseite noch die Mitarbeiter der Pressestellen mehrerer Fußball-Bundesligisten. Gemeinsam mit diesen betreuen wir die offiziellen Vereinsauftritte im Internet. Ein absoluter Traum für jemanden wie mich, der zu dieser Zeit regelrecht „fußballbekloppt“ ist.

Ich weiß noch, wie mein Vater immer mit den Augen rollte und zu mir sagte: „Fußball, Fußball, Fußball – immer nur Fußball. Du denkst an nichts Anderes!“ Mit meinen Kumpels zockte ich schon als Jugendlicher in der Halle. Ich genoss es, im Anschluss dilettantische Auftritte in selbst verfassten Spielberichten gnadenlos durch den Kakao zu ziehen und Spitzenleistungen ebenso metaphorisch wie völlig überzogen in den Fußball-Himmel zu loben. Sobald ich vom Spielen nach Hause gekommen war, fragten mich die Mitspieler – damals noch im Messenger-Chat von MSN – nach dem neuesten Artikel. Das Gelächter beim Lesen war groß.

Auch in der Arbeit als professioneller Sportjournalist für die Bundesliga-Klubs – zugegeben mit Vereinsbrille, da wir als Agentur den jeweiligen Klub natürlich möglichst in einem positiven Licht darstellen wollen – kann ich meine Leidenschaften Schreiben und Fußball voll zur Geltung bringen. Mit allergrößter Freude übernehme ich bereitwillig die Schichten in der Agentur. Minütlich schreibe ich für den Live-Ticker des 1. FC Nürnberg und anschließend die Spielberichte. In unserem Büro liefert uns der Fernseher die Bilder aus Bukarest, St. Petersburg, Lissabon und Co. Wir sind quasi live bei den großartigen Europapokalabenden unter der Woche und dem DFB-Pokal-Endspiel 2007 in Berlin dabei. Obwohl die Franken im Finale meinen Lieblingsverein und damals amtierenden Meister, den VfB Stuttgart, schlagen, kann ich mich für einen der größten Erfolge in der Vereinsgeschichte des Club mitfreuen.

Zum Feierabend stoßen Kollegen hinzu, die längst hätten zuhause sein können. Sie kommen in unser Büro und schauen ein bisschen mit uns zusammen das Spiel. Ein toller Zusammenhalt und kollektives Daumendrücken innerhalb der Agentur für den Verein, den sie betreut. Je später der Abend, desto leerer wird es. Bis schließlich nur ein kleines Team dort hockt. Noch heute erinnere ich mich gerne an diese Atmosphäre. Versenken Angelos Charisteas und Ivan Saenko völlig überraschend den Ball im Netz, schicken wir die Nachricht fast zeitgleich um die Welt. Sehr spannend sind auch die Interviews mit den Profi-Spielern, die wir manchmal live am Telefon führen. Mein Herz schlägt insbesondere dann höher, wenn ich ihnen etwas entlocken kann, was sonst noch nirgendwo vorher bekannt geworden ist.

Neben dem Schreiben ist es als Online-Redakteur auch meine Aufgabe, Webseiten für Kunden zu pflegen. Das bedeutet, dass ich den Inhalt von bereits bestehenden Websites in einem sogenannten Content-Management-System (CMS), zum Beispiel WordPress oder TYPO3, verändere. Technisch ist der Internet-Auftritt schon aufgesetzt, praktisch die Hülle, und nun werden Bilder, Texte und andere Medienelemente eingebunden, ausgetauscht und zu einer eigenen Seite zusammengebaut. Ich bin weder Programmierer noch Designer, sondern kümmere mich ausschließlich um die inhaltliche Bearbeitung der Websites. Es bleibt nicht bei einfacher Copy and Paste-Arbeit, sprich Text kopieren und im CMS einfügen, sondern ich kreiere mitunter komplexe Unterseiten mit verschiedenen Content-Elementen und Modulen. Viele, die mit dieser Materie nichts zu tun haben, können sich das schwer vorstellen. Oder sie denken, es müssten lediglich ein paar Bildchen ausgetauscht werden. Allerdings steckt mehr dahinter. Nicht allzu viele Online-Redakteure, die dazu die textliche Komponente als Schwerpunkt haben, kennen sich im Detail mit diesem technischen Part aus und schon gar nicht in so vielen CMS. Bis heute habe ich mit neun verschiedenen Systemen gearbeitet. Demnach finde ich mich schnell in neue ein und kann bei den mir bekannten meist sofort mit der Arbeit starten. In der Agentur kommt in meinen Projekten in der Regel ein bestimmtes System zum Einsatz, sodass ich routiniert im Umgang damit bin. Ich liebe diese Kombination aus journalistischem Schreiben und redaktioneller Betreuung von Internet-Auftritten. Zudem organisiere und moderiere ich einen Arbeitskreis von einem Dutzend festangestellter Redakteure, die sich um das Lektorat, also die inhaltliche, sprachliche und orthografische Überarbeitung von Präsentationen und allen anderen Texten, die für Kunden bestimmt sind, kümmern. „Wie macht ihr das, was würdet ihr korrigieren, auf welche Standards einigen wir uns, wenn Wörter laut Duden auf verschiedene Arten geschrieben werden können?“ Das sind Fragen, die uns in dieser Runde beschäftigen. Ich kann mir vorstellen, ewig so weiterzumachen.

Doch die Zeiten ändern sich.

Denn in der Agentur werden aus Sportkunden Handelskunden. Und aus journalistischem Texten wird werbliches Texten. „Tomaten diese Woche für nur 99 Cent“ – es sind Texte wie diese, die meine Arbeit von da an hauptsächlich prägen. In dieser Kombination ist es nicht mehr das Richtige für mich. Ich fühle mich wie ein Porsche in der 30er-Zone. Etwas, das viele journalistisch ausgebildete Texter kennen. Den Sinn, den ich mir in meiner Arbeit wünsche, finde ich hier nicht mehr wieder. Außerdem fühle ich mich in meiner Selbstbestimmung und Flexibilität einschränkt. Sämtliche meiner Versuche, für Veränderungen zu sorgen, die mich zufriedenstellen, verpuffen. Nach so vielen Jahren bei einem einzigen Unternehmen will ich mehr von der Welt sehen: andere Projekte, andere Umgebungen, andere Kunden, andere Aufgaben. Ich arbeite bereits in Teilzeit. Erst habe ich mein Wochenpensum von fünf auf vier Tage reduziert, dann von vier auf drei. Und ich sammelte erste nebenberufliche Erfahrungen. Dennoch, seit längerer Zeit schaue ich mich nach einer beruflichen Alternative um. Doch noch ist einfach nichts Passendes dabei gewesen.

Das aussichtsreiche Vorstellungsgespräch

Ende 2012 ergibt sich plötzlich eine erstklassige Möglichkeit: Ich bewerbe mich für eine Stelle bei Deutschlands größtem und bekanntesten Tischtennis-Portal – und werde zum Vorstellungsgespräch gebeten. Es gibt neben mir noch drei weitere Bewerber in der Endauswahl. Da ich zu dem Zeitpunkt bereits seit 20 Jahren selbst Tischtennis auf recht gutem Niveau spiele, mich also mit dem Thema auskenne, und dazu noch viele Jahre Berufserfahrung aufweise, rechne ich mir gute Chancen aus. Ich schreibe eine Probearbeit und soll dazu eine Tischtennis-Nationalspielerin anrufen und interviewen. Aufregend! Ein Porträt habe ich lange nicht mehr verfasst. Ich frage mich: Wie wird das Gespräch mit ihr wohl laufen? Ist sie in ihren Antworten forsch oder eher scheu? Nach ein paar Mal klingeln, nimmt sie ab. Sie ist freundlich. Wir unterhalten uns eine halbe Stunde lang. Dann lege ich auf und forme den Rest des Tages das Gesagte zu einer Geschichte. Es ist Freitag. Abwarten und Hoffen ist angesagt, nachdem ich den Artikel verschickt habe. Ich weiß, dass ich Anfang kommender Woche Bescheid bekommen werde und bin gespannt auf die Entscheidung. Mit meinem Text bin ich ganz zufrieden.

Und der Geschäftsführer hält Wort: Schon am Montag ruft er mich tatsächlich an. Ich bin gerade in der Agentur, für die ich noch festangestellt arbeite, und laufe raus vor die Türe, um ungestört sprechen zu können. Von meiner Bewerbung bei dem Portal weiß hier niemand etwas. Der Geschäftsführer teilt mir recht schnell mit, dass er sich für mich entschieden hat, weil er glaubt, dass es gut passt. Ich freue mich diebisch. Eine tolle neue Aufgabe!

Die ausgeschriebene Stelle ist für 20 Stunden angesetzt. Dass ich beide Tätigkeiten miteinander verbinden kann, einen Brot- und Butter-Job bei der Agentur habe und einen, für den mein Herz schlägt, das ist mein Wunsch. Ich bin enthusiastisch und male meine berufliche Zukunft in den buntesten Farben aus: Ich habe finanziell einen Sprung gemacht, nehme in zwei Unternehmen viele Erkenntnisse und Erfahrungen mit, bearbeite unterschiedliche Themen und gewinne neue Kontakte. Super!

Doch daraus wird nichts.

Am selben Tag kommt in einem weiteren Telefonat mit dem Geschäftsführer heraus: Der neue Job erfordert mehr Präsenz, als ich bieten kann. Als wir besprechen, an welchen Tagen ich vor Ort arbeiten kann, zerfällt das Kartenhaus mit einem Schlag. Ich habe an zwei Tage plus Wochenendarbeit oder zweieinhalb Tage gedacht, er ist von vier Tagen ausgegangen. Und schon drei sind zu viel für mich, um beide Tätigkeiten unter einen Hut zu bekommen. Das heißt: Selbst seine Schmerzgrenze übersteigt für mich das Machbare. Das gibt es doch nicht. Jetzt scheitert es an so etwas! Bevor ich den Job antrete, muss ich ihn also selbst wieder absagen. Wohl oder übel. Eine riesige Enttäuschung für mich, schließlich hätte es perfekt gepasst. Jetzt, wo sich schon Aufbruchstimmung in mir breitgemacht hat und ich mich so sehr auf die neue Herausforderung gefreut habe. Doch nichts da! Wie Seifenblasen zerplatzt die Option. Damit muss ich nun klarkommen.

Es ist kurz vor Weihnachten. Kein guter Zeitpunkt für eine solche Entscheidung. Und über die Weihnachtsfeiertage lasse ich sie sacken. Während die Familie beim Kaffeetrinken über dieses und jenes spricht, lacht und in Weihnachtsstimmung ist, grüble ich. Pünktlich zum Jahresbeginn 2013 bereue ich meinen Rückzieher so sehr, dass ich nahezu verzweifelt bin. Und das jeden Tag. Ich mache meinen besten Kumpel verrückt und mich selbst am allermeisten. „Hätte ich doch nur, dann“-Sätze werden zum ständigen Begleiter.

Warum habe ich meinen bisherigen Arbeitsplatz nicht einfach komplett aufgegeben, frage ich mich. Dabei kenne ich die Antwort selbst am besten: weil es einen Verlust an Sicherheit bedeutet hätte. Mit dem 20-Stunden-Job allein wäre ich zwar finanziell auch irgendwie über die Runden gekommen, aber zwei halbe Engagements sind noch besser. Stimmen aus dem Umfeld haben mir diesen Weg empfohlen – und ich habe mein eigenes Bauchgefühl ignoriert.

Der Schein nach außen und das Sein nach innen, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Für den Betrachter mag das Bild eines guten, sicheren Jobs oder einer besonders guten Bezahlung ein vollkommen gelungenes sein. Doch blickt man hinter die Fassade, stellt man fest: Die Wahrheit steckt oft im Detail. Und obwohl der Job vermeintlich gut ist, fehlt etwas.

Daher beginne ich langsam umzudenken: von wegen Sicherheit! Ich will endlich wieder aufblühen, wenn ich morgens zur Arbeit gehe. So wie im ersten Jahr meiner beruflichen Laufbahn, als ich jeden Tag total begeistert, euphorisiert und motiviert nach Hause kam. Stattdessen baut sich nun schon seit längerem ein Widerstand in mir auf. Sonntags habe ich Magenschmerzen – der Klassiker. Ich kann das Wochenende nicht genießen, weil mir der Montag Kummer bereitet. Ein Zustand, der immer schlimmer wird.

Dass es so nicht weitergehen kann, weiß ich. Zwei Wochen nach meinem Rückzieher möchte ich alles auf eine Karte setzen. Ich bin nun doch dazu bereit, meinen bisherigen Job aufzugeben! Was mein Umfeld darüber denkt, ist mir in diesem Moment egal. Es geht jetzt darum, was ich brauche und was mir guttut. Basta! Ich melde mich beim Geschäftsführer des Tischtennis-Portals und teile ihm meine Entscheidung mit. Doch meine Hoffnung hält nicht lange. Der Geschäftsführer hat die Stelle zwischenzeitlich mit einem anderen Bewerber besetzt. Für mich bricht eine kleine Welt zusammen.

Kurz darauf passiert auch privat etwas, das mir komplett den Boden unter den Füßen wegreißt. Ich falle in eine tiefe Krise. Ich muss raus. Das ist mir recht schnell klar. Den Kopf freibekommen, andere Gedanken fassen und einiges für mich sortieren. Ich mache ein zweimonatiges berufliches Sabbatical, das mir mein Arbeitgeber freundlicherweise gestattet. Die Jobs, die ich in dieser Zeit annehme, um finanziell über die Runden zu kommen, sind völlig andere als der, den ich sonst mache: Zum einen kommissioniere ich Zeitschriften – das heißt, ich bereite sie für den Versand vor, indem ich sie in entsprechende Boxen einsortiere – und zum anderen übernehme ich für eine Apotheke den Botendienst. Acht Wochen lang ziehe ich das durch. Kein finanzielles Zuckerschlecken. Für so wenig Geld habe ich in meinem Leben noch nie gearbeitet. Doch die völlig andere Art zu arbeiten, rein körperlich und nicht geistig, gefällt mir und ist das Beste für mich in dieser Situation.

In sehr kurzer Zeit ist mein Leben um 180 Grad auf den Kopf gestellt. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Ich benötige einige Wochen und Monate, um zu realisieren, was gerade passiert ist. Und ich fühle genau das, was Ali Mahlodji, einst Flüchtling und Schulabbrecher, dann internationaler Unternehmer, in seinem Buch „Und was machst du so?“ beschreibt: „Kennt man nur ein Leben voller Sicherheiten, stürzt man bei Unsicherheit ins Bodenlose. Kennt man allerdings die Unsicherheit als Konstante des Lebens, trifft es einen nicht so schwer, wenn sich die eigene Welt plötzlich verändert.“ Ich habe das Gefühl, nichts mehr verlieren zu können. Ab diesem Wendepunkt gehe ich tatsächlich anders mit Veränderungen in meinem Alltag um. Mahlodji sagt dazu: „Leider reagieren die meisten Menschen bei neuen Informationen oder der Veränderung einer bestehenden Situation mit Ablehnung und Misstrauen. Mein Vater ermutigte mich jedoch, diese ‚Angebote und Geschenke der Welt‘ […] zu umarmen und mich zu fragen, was sie mir sagen möchten.“ Genau – alles im Leben ist für etwas gut. Und auch bei diesem Statement pflichte ich Mahlodji bei, der sagt: „Solange man sein eigenes Tun hinterfragt und sich immer wieder neu erfindet, gibt es fast keine Hürde, die man nicht nehmen kann.“ Mein späterer Weg wird exakt das beweisen.

Drei konkrete Fragen an meine Kollegen

Die Unterstützung meines Arbeitgebers ist in dieser Phase groß, wofür ich ihm heute noch sehr dankbar bin. Doch eine kurze Auszeit wie das zweimonatige Sabbatical reicht mir nicht aus. Ich muss auch darüber hinaus etwas ändern. Dringend. Also bemühe ich mich um andere Möglichkeiten. Und tatsächlich: Im Sommer darf ich endlich wieder das machen, wonach ich mich so sehne: meine journalistische Ader und meine zahlreichen Fähigkeiten ausleben. Ein anderes bekanntes Online-Portal im Tischtennis hat mir eine kleine Stelle angeboten, die ich sogar neben meiner Arbeit in der Agentur stemmen kann. Die willkommene Abwechslung zu meinem dortigen Job ist gefunden. Meine Kollegen freuen sich für mich und ich bin beseelt von den Möglichkeiten, die sich mir bieten.