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Heinrich Winter

Martinus

Die Reise zum Kaiser

Eine historische Erzählung

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Inhalt

Karte

Zeit und Ort

iMachtvolle Ruhestörung

iiBischof und Offizier

iiiDas Abendgebet

ivDie Befreiung

vDer Engel der Nacht

viEin letzter Tag

viiAbschied

viiiHandel und Wandel

ixEine Keltensiedlung

xAn einem Ufer

xiEin reicher Römer

xiiDie Ruhe

xiiiSilber und Gold

xivDie Iden des März

xvFromme Kälte

xviIm Zeichen des Fisches

xviiEin einsamer Waldweg

xviiiDas Dorf

xixDie Nacht der Träume

xxDas Geschenk

xxiDer Arzt

xxiiDie Messe

xxiiiEilige Post

xxivPolitisch korrekt

xxvDer Mantel

xxviIm Morgenrot

xxviiLug und Trug

xxviiiWohltaten feiern

xxixAuf den Wellen

xxxAnkunft

xxxiTröstungen

xxxiiIm Palast des Kaisers

xxxiiiDie Audienz

xxxivIm Kerker

xxxvIm Gleichklang

xxxviVon Außenseitern

xxxviiUnter Freunden

xxxviiiVerstörender Triumph

xxxixZurück in Marmoutier

Nachwort

Anhang

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Reisestationen: 1 Caesarodunum (Tours), 2 Bauernfamilie, 3 Cenabum Areliani (Orléans), 4 Keltensiedlung, 5 Römervilla, 6 Agedincum (Sens), 7 Castrum (Militärlager), 8 Augustobona (Troyes), 9 Jüdisches Dorf, 10 Straßenstation an der Matrona (Marne), 11 Nasium am Fluss Ornain, 12 Tullum (Toul), 13 Straßenstation an der Mosella (Mosel), 14 Mettis (Metz), 15 Augusta Treverorum/Treveris (Trier)

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Hauptrouten für Militär und Handel

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Bistum

Martinus strebte nicht nach dem Lob der Menschen und, soweit es an ihm selber lag, hätte er gern all seine Wunderwerke geheim gehalten.

Sulpicius Severus, »Vita Sancti Martini« 1,7

Die Wirklichkeit der Heiligen zeigt keinen Menschen, der kam, sah und siegte; die triumphierende Gebärde ist ihm wesensfremd. Er stellt stets eine rätselhafte Mischung von Elend, Ausgesetztsein, Versuchung und verborgener Herrlichkeit Gottes dar. Das Leben der Heiligen ist immer ein religiöses Drama und eine Fortsetzung der Passion Christi.

Walter Nigg, »Der exemplarische Mensch«, Freiburg 1974, S. 114

Wie Martin müssen wir persönlichen Glauben und soziale Tat, Sammlung und Sendung, Aktion und Kontemplation verbinden. Wie Martin müssen wir in christlicher Freiheit und mit christlichem Freimut auftreten. Nur so können wir Europa seine christliche Seele zurückgeben.

Walter Kasper, in: »Martin von Tours«,

W. Groß/W. Urban (Hg.), Ostfildern 1997, S. 373f.

Zeit und Ort

Längst ist vergangen, was noch sein wird. Auch diese Geschichte hat keinen Anfang und kein Ende. Verästelungen, unergründbare Ströme verbinden die Zeiten, gewähren Blicke in eine Vergangenheit, die gegenwärtig ist. Diese Erzählung wächst aus dem Stamm der Geschichten, die sich zum siebzehnhundert Jahre beringten Holz schichten. Dessen in schwindelnder Höhe belaubte Krone reckt einen Namen gen Himmel, der in seinen einstigen Lebenswelten in den Sprachen des Abendlandes einen je besonderen Klang angenommen hat. So rollt dieser Name des Neugeborenen auf dem elterlichen Landsitz mit den Zungen des Balkan als »Márton« daher. In den Zeiten seines Sturm und Drangs klingt er im lombardischen Flachland mit neuer Endung als »Martino«. Mit der katalanischen Verve eines seiner hingerichteten Amtskollegen schwingt sein Name kurz als »Martí«. In gallo-römischen Landen eindrucksvoll wirksam, vibriert mit ihm im Klang französischer Nasale Besonderheit auf. Fränkisch-treuherzig lautet der Name schlicht Martin. Die ältere der Wurzeln dieses Namens heißt »mars«, die jüngere »martinus«. Diese macht, seitdem sie sich in luftige Höhen reckt, ihrem Rauschen Wohlklang und öffnet den Blick auf Ungewöhnliches. Jener anderen eignet seit jeher Gewalt und Zerstörung. Beide Wurzeln wollen mit diesem Namen aus einem sich zu Ende neigenden Jahrhundert erinnert sein, das die Welt für immer verändert hat. Glaubenshaltungen, in griechischen Pergamenten bezeugt, wuchsen sich nach nur drei Jahrhunderten zu einer Macht aus, die der Hauptperson in dieser Erzählung weiten Sinn und machtvolle Hartnäckigkeit auferlegt hat.

Legendär ist das Leben des Martinus erzählt. Um seine Gestalt legen sich Geschichten wie ein heiliger Mantel. Wunder über Wunder hätten sich durch ihn ereignet. Heidnisches habe in seiner Gegenwart seinem stolzen Gebaren abgeschworen, Krankes sich auf den Weg der Gesundung begeben, selbst der Tod sei gegen den Lebensgeist dieses Gottesknechts kraftlos gewesen. Ein brennendes Herz habe sich in die Armut des Lebens verschenkt. Unrecht und Bosheit habe seine demütige Seele geduldig ertragen.

Den noch zu seinen Lebzeiten verehrten Bischof aber erschaut hier ein Blick, dem es nicht fern ist, dass ein lichtvoller Name nicht ohne die Schatten unterwegs ist, die herrschende Mächte auf ihn werfen. Es ist ihm auch selbst Finsteres nicht fremd. Das Böse ist zwar nicht ohne das Gute gegeben. Doch seltsam genug verbreitet das Licht seinen Glanz im Finstern.

Im siebzigsten Jahr seines Lebens ergeht am zweiten Märztag des Jahres 386 der Ruf an Martinus, sich aus seiner Zelle bei Tours am Fluss Loire aufzumachen, um sich in die glanzvolle Mitte eitler Macht an der von lieblichen Weinbergen begrenzten Mosel nach Trier zu begeben. Kaiser Magnus Maximus beordert den widerständigen Geistlichen in die Kaiserstadt, die Festmesse zum kommenden Osterfest in der Einheit der Kirche mitzufeiern. Schon einmal war der im gallo-römischen Landvolk Verehrte auf Wegen in die Kaisermetropole unterwegs. Im Jahr zuvor hatte sich die Fratze der römischen Macht gegen Bischof Priscillian erhoben. Zum ersten Mal erlitt ein Mensch im Schulterschluss von Thron und Altar den Schwerttod. Martinus erfuhr nach seiner Abreise von der Hinrichtung des asketischen Spaniers, obwohl man mit dem ihm verhassten Usurpator anderes vereinbart hatte. Noch immer brennt die Flamme der Empörung in seiner Seele mit unerträglicher Schmerzwut. An diesen Ort der Schande und des Frevels, schwor er sich, niemals wieder einen Fuß zu setzen. Doch der Kaiser im Westen des römischen Weltreichs fordert den gekränkten Bischof in der römischen Provinz Lugdunensis tertia zur Audienz. Eine Ordnungsmacht wie die der »pax romana« kann vieles erzwingen. Der Freiheit allen Geschehens aber eignet ein Sinn jenseits menschlicher Gewalt. Mögen die Wege dorthin dem im siebten Jahrzehnt seines Lebens Gebeugten nicht ganz unbekannt sein, den Gang dieser Reise kennt selbst der nicht, der mit sinnreichen Gaben beschenkt ist. Wer weiß schon, was sich fügen muss, damit sich Leben einstellt? Es ist noch nicht einmal gewiss, ob das hier Erzählte erschaut, was den Ereignissen vor langer Zeit innewohnt.

iMachtvolle Ruhestörung

In Gedanken schweift sein Blick auf den noch winterlichen Fluss. Dieses Wasser birgt seine Schönheit in der Gefährlichkeit. Wenn die Loire mit ungeheuerer Wucht dahinschießt, die Aufschüttungen ihrer Mergelinseln und flachen Ufer nicht mehr kennen will, dann ist da kein Halten mehr. Martinus’ Gedanken fließen mit, halten sich nicht mehr an das Gleichmaß, um das ihm so sehr gelegen ist. Überhaupt, er spürt wie gefährlich es ist, jetzt auf das Tosen und Wüten dort unten im Tal seine Blicke zu wenden. Könnte ihn doch alle Sanftmut verlassen und das Wüten dieser Welt ihm selbst ein Tosen und Aufwallen an Zorn entfachen. Rand- und bandlos sein, nein so mag er sich nicht. Und doch, er weiß es längst, auch das gehört zu ihm, dieser Anteil an kraftvoller Gestaltungswut und an Veränderungswillen. Der Fluss wütet so. Wenn die Schmelze aus den unbekannten Berghöhen sein Element speist, wenn das Licht alle eisige Erstarrtheit in Fließendes wandelt, dann ergießt sich diese angestaute Fülle ungeordnet, zerstörungsbereit und baut Neues auf. Es ist auch in ihm so. Er muss es sich eingestehen. Aber immer noch weiß er nicht, wie er sich im Urteil des Wortes spiegeln sollte, das ihm seit seiner Taufe zur Norm und Richtschnur wurde. Etwa im Urteil eines solchen Wortes, dass die Sanftmut die Erde besitze. Wenn sich Gewaltiges in ihm auftut, dann strömt es mit ohnmächtiger Übermacht auch in ihm. Dann will er alles mitreißen, niederreißen, auch sich in allem neu schaffen. Unverwandt hält das Schauspiel der Natur seine Blicke in Bann, versenkt seine Gedanken in die schöne, Gefahr bringende Flut. Er hält inne. Weckt dieser Blick nicht die Kraft, die allem Leben gegeben ist? Ist dieses Tosen und Schäumen nicht immer da? Wenn er sich an lichten Sommertagen an den Sandbildern im trägen Fließwasser über die unendlichen Einfälle der Natur erfreut, die Lieblichkeit ihrer ungeordneten Formen schon so oft genossen hat, wie leicht ist vergessen, dass diese Formen Zeugen von gewaltigen Kräften sind. Gräser und Buschwerk suchen sich dort einen Ort, auch die Vogelwelt für ihre Brut den Schutz, als gäbe es keine Gefahr, kein Wegschwemmen, keine Zerstörung.

Martinus schaut nach dem kleinen Buch, das ihm seit frühester Jugend Anhalt ist, seine aufwallenden Leidenschaften zu zähmen. Seit dem großen Konzil im fernen Osten vor fünf Jahren gehört es zu den verbotenen Schriften. Sollte er die Funken löschen, die ihm diese aufrichtigen Worte einst entzündet haben, nur weil sie jetzt auf einer schwarzen Liste der römischen Präfektur stehen? Bitterkeit steigt in ihm auf. Wut, Verzweiflung möchten nach ihm greifen. Kopfschüttelnd holt er die Schrift vom wenig einzusehenden Ort des hohen Bücherbords. Seine Finger wenden die dünnwandigen Pergamentfolien mit Bedacht. Vater hatte ihm diese Kostbarkeit geschenkt. Hier, da steht es, was ihm der Blick auf den Fluss sinnen lässt. »Denn die Dinge sind wie ein Strom dauernd in Fluss, ihre Auswirkungen in ständiger Wandlung und ihre Ursachen in tausendfachem Wechsel begriffen, und so gut wie nichts ist dauernd. Und die Unendlichkeit der Vergangenheit und die Grenzenlosigkeit der Zukunft, in der alles verschwindet, ist uns stets ganz nahe.« Wie schön schwingen die Gedanken in den Worten dieses längst verstorbenen Kaisers. Sein Vater würde sich freuen, wenn er noch erleben könnte, dass er das Buch im hohen Alter sinnend in Händen hält. Vater war als strammer Militarist und überzeugter Anhänger stoischer Philosophie mit Ehrenbezeichnungen für Treue und Tapferkeit zur Verteidigung der Pax Romana, diesem auf Gewalt und Ausbeutung gestützten römischen Frieden, gütlich überhäuft worden. Der Landsitz auf dem Balkan mit seinen Weinbergen und Obstgärten war diesem Tribun als sichtbares Verdienst für das Vaterland übereignet. Kaiser Marc Aurel war Vaters Vorbild. Jetzt werden diese SELBSTBETRACHTUNGEN des großen Staatenlenkers für die Einheit des Reiches als gefährlich eingestuft. Sie stehen auf dem Index neuester tyrannischer Christenfrömmigkeit. Welch eine Barbarei wütet auf dem Glaubensweg, für den er sich selbst vor Jahrzehnten zur Demut entschieden hat!

Es ist einer dieser feucht grauen Tage, wenn die Luft von den atlantischen Winden geschwängert ist. Das große Licht an der Feste der Himmel durchbricht nur matt silbern die hohen Dunstgebilde über der Loire. Das Helle und das Dunkel, sie sind an solchen Tagen nicht wirklich geschieden. Es klopft an der niederen Holztüre seiner bescheidenen Stube. Gelassen stellt er das Buch an seinen Ort zurück. Er greift sich eine der brandneuen lateinischen Ausgaben aus beiden Testamenten. Sein hitziger dalmatinischer Kollege ist mit anderem Scharfsinn unterwegs. Dessen Sprachkenntnisse überragen ihn weit. Aber Gelehrtheit und Eitelkeit, diese Zwillinge, vertragen sich doch nicht. Seine Lippen straffen sich zu einem liebevollen Schmunzeln. Man erzählt sich, ein von ihm gezähmter Löwe liege ihm bei der Arbeit zu Füßen. Er weiß, seine Stärken liegen auf anderem Gebiet. Man hat ihm diese noch losen Blätter vom weiten Syrien ins gallische Barbarenland geschickt. Wie er sich dafür dankbar erzeigen könnte, weiß er immer noch nicht. Aber für solche Gedanken ist nun keine Zeit. Sein Schüler Brictius beugt sich durch den schiefwinkeligen Türrahmen. Der sechzehnjährige, hochgewachsene junge Mann schaut seinen sinnenden Lehrer herausfordernd an. Nun, diesen Blick kennt er schon. Der Junge weiß um seine leichte Auffassungsgabe, stammt aus wohlhabendem Haus. Mit leichtem Unwillen blickt Martinus nach dem Eintretenden. Um diese Zeit der nachmittäglichen Ruhe ist wohltuendes Schweigen üblich. In seiner stummen Frage, was es denn gäbe, liegt das Leiden an der Geilheit seiner Zeit.

»Hochwürdigster Lehrer, sehen Sie es mir nach, unten am Portal steht ein Reiter und begehrt eine Audienz.«

»Ein Mann auf einem Esel?«

»Nein, Gott bewahre, um eines solchen würde ich nicht Ihre Studien stören!«

»Gerade darum aber solltest du mich von Müßiggang und eitlen Gedanken lösen. Wer ist es?«

»Ich weiß es nicht, Meister. Der Rang seiner Erscheinung lässt mich nicht fragen, nur, es scheint wichtig.«

Brictius senkt den Blick. Die kleine Lektion sitzt. Er hat verstanden. Und doch ist es ihm widerwärtig, sich mit der Armut von Zeitgenossen herumschlagen zu sollen, besonders dieser schmutzigen auf dem Lande. Der aber gilt seines Abts und Bischofs ganze Sorge zum Leidwesen seiner hochadeligen Gesinnung.

»Im Kapitelsaal will ich ihn anhören. Ich werde mich bereiten.«

Der Kapitelsaal ist ein säuberlicher Raum, nichts Repräsentatives, schlichte gekalkte Wände, nur geräumiger als die Studierzellen in diesem vom Stadttrubel abseits gelegenen Lehrhaus auf frei gewaschenem Fels erhoben. Einfache Holzstühle stehen an den Wänden. Sie dienen dem gemeinsamen Gebet und den Lehrgesprächen. Feuchte Kälte hält sich im Raum, von Ausdünstungen und Essensdüften noch schwer. Faustus, der mit den Ordnungsdiensten beauftragt ist, hatte sich geweigert zu lüften. »Nicht bei diesem Wetter!«, hatte er nach dem Morgengebet und dem kargen Frühmahl protestiert. Von draußen komme nur noch mehr schlechte Luft herein. So manchen habe diese Nässe und Kälte schon zum Bettlager gezwungen, entgegnet er mürrisch. Martinus lächelt über solche Weisheiten seines bäuerlichen Schutzbefohlenen. Dessen so offen unverstellte Art sieht er von einer Schlichtheit bestimmt, von der er gern selbst mehr Anteil hätte. Er weiß es längst, dass sie durch keine noch so ausgefeilten Bußübungen erworben wird.

Brictius hat den von ihm angesagten Reiter zum Kapitelsaal begleitet. In respektvoller Haltung wartet der, den Blick ins Leere gerichtet. Der helle Überwurf mit roter Fassung über der gepanzerten Brust, das Kurzschwert mit kostbarem Griff am Gurt, grüßt der Soldat den eintretenden geistlichen Herrn mit der erhobenen Rechten. Auch der Helm, unter die linke Armbeuge geklemmt, zeigt seinen Rang. Diese Kennzeichen militärischen Standes sind Martinus Hinweis genug, mit wem er es zu tun hat. Er selbst trug einmal die Zeichen eines Offiziers der kaiserlichen Garde. Seine sonst um Milde bemühten Altersfalten nehmen Strenge an. Hier ist die ihm von Staats wegen zugeeignete Autorität gefragt. Nichts Gutes kann dieser Besuch bedeuten.

Mit einer leichten Verbeugung und einer einladenden Handbewegung erwidert Martinus den militärisch korrekten Gruß. Hart und kurz fallen die Worte des sonst Befehle ausübenden Militärs.

»Cresces Aurelianus, Offizier im Garderegiment. Gruß, im Namen des Caesars und Kaisers, Magnus Maximus. Stehe ich vor seiner Heiligkeit, dem Bischof von Tours?«

»Heilig ist nur der Eine und Einzige, der Gott aller Götter, der Dreieinige. Mit welcher Nachricht beehrt mich Imperator Maximus?«

Stechend flammt Glut in Martinus’ Augen auf, dann senkt er den Blick und schweigt. Schauer von Ratlosigkeit huschen durch die strenge Miene des Soldaten. Sein Gegenüber hat eine Autorität, der er nicht gewohnt ist zu begegnen. Erneut nimmt er Haltung an und ebenso unmissverständlich lautet nun die Botschaft.

»Magnus Maximus zitiert den Bischof Martinus nach Trier. Er wünscht ein Einvernehmen mit der Teilnahme an weiteren geistlichen Versammlungen und die erklärte Loyalität zur Staatsmacht.«

Martinus verbeugt sich. Ruhig blickt er in die starren Züge seines Gegenübers.

»Die Worte des Kaisers sind mir Befehl. Mein Dank gilt dem Boten. Ich wünsche, dass er sich vom anstrengenden Ritt erfrischt. Und möge er dann an diesem Ort Ruhe finden. Es wird ein paar Tage benötigen, bis alles für die Abreise geregelt ist. Ihr seid eingeladen, am Leben der Brüdergemeinschaft teilzunehmen. Man möge mich entschuldigen. Studien und Abendgebet warten auf ihre Verrichtung.«

Langsam entfernt sich der Geistliche. Brictius steht bereit, Anweisungen für Speise und Trank in Auftrag zu geben.

iiBischof und Offizier

Wieder und wieder greifen nach Martinus die politischen Realitäten. Hat er doch den Militärdienst quittiert, um am Ränkespiel der Macht nicht mehr beteiligt sein zu müssen. Aber er hat es von Anfang an gespürt, seine Erhebung zum Bischof würde nichts Gutes bringen. Zwar war er sich damals im Tumult der Ereignisse über seinen Widerstand nicht wirklich im Klaren. So in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, von einer aufgebrachten Menge begeistert gefeiert zu werden widerstrebt seinem Wunsch nach Rückzug von Welt. Lautheit signalisiert ihm schon immer, im Falschen zu sein. Längst hat er es auch erfahren. Zu sehr steht dieses Amt im Zentrum der wechselvollen Geschichte der von Rom und Konstantinopel bestimmten kaiserlichen Glaubensdekrete. Staatsreligion ist der Christenglaube geworden, unter Theodosius I. ganz entschieden. Zwar ist Martinus von der Göttlichkeit seines Herrn überzeugt. Wie sollte man auf Leben und Tod der Liebe des »Galliläers« folgen, wie Christus noch zwei Jahrzehnte zuvor von Kaiser Julian abschätzig genannt wurde? Nein, es ist schon richtig, das erneuerte Bekenntnis »wahr Mensch und wahrer Gott« auf dieser Synode am Bosporus in der Kaiserstadt im Osten bekräftigt zu sehen. Aber dass Priscillian, dieser Freigeist und strenge Asket, vor Monaten in Trier hingerichtet worden ist, zeigt doch nur, wie Glaube und Politik nun nicht mehr voneinander frei sind. Magnus Maximus ist ihm ein Gräuel. Glaubenssätze sind diesem Usurpator nur Anlass für seine Karriere, endlich die Alleinherrschaft über das ganze Reich zu erlangen. Es ist längst kein Geheimnis mehr, die Erdrosselung des jungen Kaisers Gratian in Lyon ist ihm zuzuschreiben. Und der Tod von Bischof Priscillian ist diesem Römer die schäbige Möglichkeit, sich bei Theodosius I. beliebt zu machen und mit mordlüsternen Intrigen die Stufen nach ganz oben hinaufzusteigen. Nun ist Martinus selbst in dieses Intrigenspiel verwoben, hat er sich mit einem Brief an Bischof Ambrosius in Mailand gegen Priscillians Hinrichtung in die politische Arena begeben. Sollte er nichts zu diesem himmelschreienden Mord an einem aufrichtigen Christen gesagt haben? Er hat sich positioniert und seine Abwesenheit im Fall einer Hinrichtung bei künftigen Synoden erklärt. Priscillians Glaubensweg ist nicht der seine. Mit dieser Form von Askese kann er sich nicht anfreunden. Strengster Verzicht auf gutes Essen und Wohlsein verachtet doch auch, was an Kostbarkeiten geschenkt ist. Der Weg einer noch so ernsten Kasteiung kann einen himmlischen Frieden und wahre Gerechtigkeit nicht herbeizerren. Der Nazarener war ein Mensch, ein Mann aus Fleisch und Blut. Schildern die Schriften ihn nicht auch als einen, der Wein und Gesang liebte? Frauen waren seine engsten Begleiterinnen. Gott in ihm, welch eine Schönheit, so von ihm zu denken! Von diesem Wunder will Martinus sich nicht abbringen lassen, nicht durch noch so kluge Vernunftgründe und ängstliche Vorbehalte um der Heiligkeit des Höchsten willen! Die Schönheit Gottes liegt in diesem Glauben. Aber brannte in Priscillian nicht auch dieses Feuer eines Johannes in der Wüste, der mit seinem Weg dem Nazarener voranging, prophetische Würde im Kamelhaarmantel?! Respekt und Achtung kann doch auch dieser fromme Weg beanspruchen, auch wenn ihm die Gefahr selbstmächtiger Erlösungshoffnungen nicht fern ist. Priscillian war kein Feind. Und wenn schon, sogenannten Abweichlern gut gemeinter Rechtgläubigkeit gilt doch die Zuwendung in besonderer Weise, wie in des Meisters großer Rede am Meer vom heiligen Matthäus aufgezeichnet. Die geistlich Armen nennt er selig, und die um ihres Glaubens willen Verfolgten. Magnus Maximus, der Kaiser in Trier, ist ein Feind des Glaubens mit dem gültigen Bekenntnis auf den Lippen, um selbst ein Gott zu sein. Verhasst ist Martinus dieses Geschachere um Macht und Einfluss, nun mit dem Missbrauch von Glaube und Frömmigkeit. Tief verletzt bohrt die Ohnmacht in ihm. Diese Enthauptung in der Kaisermetropole raubt ihm die Sinne. Geschändete Erde, veruntreuter Himmel, inmitten der Bäder und Basiliken kaiserlicher Pracht!

Wo bleibt die Weite und Größe dieses Glaubens, wie ihn der Rabbi aus den galliläischen Bergen vorgelebt hat? Was kann er, Martinus, dazu beitragen, dass die Freiheit menschlicher Klugheit als Herzenskraft die Verhältnisse im Reich bestimmt? Um dieses Zieles willen hat er sich dem Druck gebeugt, selbst Macht anzunehmen, die Macht eines Staatsamtes auszuüben. Gehalten an das Wort des heiligen Petrus, so will er das Amt ausüben. »Bekehrt zu dem Hirten und Bischof der Seelen.« Ein solcher Bischof zu sein, das gilt ihm als der rechte Weg, mit der gefährlichen Würde dieses römischen Staatsamtes belastet zu sein.

Einsam ist es um ihn geworden. Die Nähe zu ihm ist seit dem Vorfall in Trier gefährlich. Wer Wert auf eine gutbürgerliche Existenz legt, muss um die wetterwendige Religionspolitik der jeweiligen Kaiser bemüht sein. Das aber ist mit Martinus nicht zu machen. Noch immer zieht er es vor, im Sommer auf seinen Landreisen, mit seiner abgetragenen Tunika und dem Tribon, dem grob kratzigen Obergewandt, um die Schultern geworfen, unterwegs zu sein. Im Winter kann man ihn von den Fischern, Hirten und Bauern nur dadurch unterscheiden, dass seine Kleidung nicht ganz so schäbig wirkt. Aber mit der Kapuze über den strähnig hervorquellenden Haaren und in seinen Mantelumhang gehüllt, ist er einer von ihnen. Die »humilitas«, die Demut, die vornehmste Tugend der Geduld, das ist zwar fester Bestandteil der christlichen Lehre, aber mit diesem Mut zu leben, noch dazu als Bischof, das wird selbst von Amtsbrüdern mit verärgerter Skepsis beäugt. In Martinus aber flammt diese Stelle seines längst verstorbenen Amtsbruders Cyprian, in dessen Streitschrift ÜBER DEN SEGEN DER GEDULD, eineinhalb Jahrhunderte zuvor geschrieben. »Wir aber, geliebteste Brüder, sind Philosophen nicht in Worten, sondern in Taten und legen die Weisheit nicht in der Kleidung an den Tag, sondern in der Wahrheit.« Aber vergessen sind alle längst gefassten Einsichten einer gotterfüllten Menschlichkeit, wie sie der große Kirchenlehrer im fernen nordafrikanischen Karthago zu einer Zeit festhielt, die noch Blutzeugen um des Christusglaubens willen kannte. Wenn nun aber auch in der Kirche die römische Ordnungsmacht Einzug gehalten hat, dann sieht sich auch der Bischof von Tours zwar gegen seinen Willen, aber in der Pflicht, sich als römischer Amtsträger zu zeigen. Das gemeinsame Abendgebet drängt zum Abbruch seiner Gedanken. Man beginnt erst mit des Bischofs Erscheinen. Der Gang in den Kapitelsaal ist ihm längst zur angenehmen Pflicht geworden.

Dem Gardeoffizier, Cresces, hat man sein Pferd mit Hafer und frischem Wasser versorgt. Ihm selbst trägt man kalte Entenkeule auf Erbsenmus und Waldbeeren auf. Ein Neunauge, frisch aus dem Fluss, gedünstet und in Walnussfett kurz angebraten, liegt dabei. Brot, Wein und Wasser stehen bereit. Es gibt im Lehrhaus des Bischofs Platz für fremden Besuch. Gesättigt und doch in innerer Anspannung steigt Cresces die schmale Steintreppe zu seiner ihm angewiesenen Zelle. Der leichte Sellinerwein, den er reichlich gekostet hat, schwingt noch nach. Er steht vor dem kleinen Fenster seines Schlafgemachs. Der noch helle Blick über die Hügel und Felder von Turonnes, dem südlichen Landstrich der gallischen Provinz Lugdunensis, ist eine Augenweide. Noch stehen die Reben des Weinbaus kahl und nackt, aufgereiht wie schnurgerade Nähte auf weit dahinwallenden Tuchbahnen. Sonnenstrahlen legen einen goldenen Glanz auf das braune Land. Noch nie ist er so weit ins Herz Galliens mit einem Auftrag verpflichtet gewesen. Überhaupt, er ist Sizilianer. Zu dieser Jahreszeit Anfang März sprießen dort die Mangoldblätter auf den erwärmten, von den frischen Westwinden befeuchteten Ländereien seines Oheims bereits üppig. Dort ist er aufgewachsen, im Haus dieses hohen Verwaltungsbeamten, der ihn als dreijährigen Jungen in Obhut nahm, als seine Familie einem Überfall westgotischer Barbaren zum Opfer gefallen war. Die Ziegen- und Schafherden, die Wollschur, der rege Handel mit feinen Stoffen für Festkleider, mit Lederwaren für die Reiterei, mit exotischen Früchten wie Ananas, Granatäpfeln, süßen Bananen, und immer wieder die Geschäfte mit Wein und Getränken aller Art, als Junge streifte er gern durch dieses Treiben eines wohlhabenden Latifundiums seines in den nordafrikanischen Staatsdiensten verdienten Onkels. Immer aber war auch Vorsicht geboten, die Ordnung, die Standespflichten, die strenge Disziplin nicht zu verletzen, die einem Kind in besonderer Weise gilt, das das einst öffentliche Ansehen seiner ermordeten Eltern wieder zum Leben erwecken soll und seinem kinderlosen Ziehvater Ehre zu machen hat. Ein Glück war sein Lehrer. Dieser Sklave hatte einen Blick für ihn, für seine Lust an sportlichen Übungen und seinen Lerneifer für technische Herausforderungen. Auch der konnte mit dem Stock zuschlagen, wenn er es an Konzentration fehlen ließ. Aber das ist nichts Besonderes. Schmerzerfahrung ist römische Alltagskultur. Kinder und erst recht Jugendliche machen da keine Ausnahme. Härte und Unnachsichtigkeit einer bis ins Kleinste geregelten Hierarchie sind ihm seit Langem zur Selbstverständlichkeit geworden. Er darf froh sein, die Chance eines Freien mit Karrierezukunft einst genutzt haben zu dürfen. Seine damaligen Studien für griechische Sprachkenntnisse, die philosophische Schulung, der Rhetorikuntericht und vieles mehr sind ihm im höheren Militärdienst oftmals nützlich. Seltsam, wie ihm dieser Ort hier Bilder seiner Kinder- und Jugendzeit erweckt. Die Erinnerungen an das weiträumige Anwesen sind wach, während seine Blicke über das fremde Land streifen. Seine Gedanken kehren zur kurzen Begegnung mit dem ergrauten Mann vor gut zwei Stunden zurück. Das hohe Alter dieses geistlichen Herrn, die ihm fremde Gedankenwelt dieses Greises machen ihm Sorgen. Unverzüglich hat der Kaiser die Audienz angeordnet. Wer weiß, welche Schwierigkeiten ihm dieser Sonderling auf der vieltägigen Reise nach Trier bereiten wird.

iiiDas Abendgebet

Wie an jedem Abend versammeln sich seit zehn Jahren in dieser kleinen Klosteranlage etwa zwanzig Männer verschiedenen Alters im Kapitelsaal zum gemeinsamen Gebet. Martinus hat sie vier Jahre nach seiner Bischofsweihe gegründet. Wer aber mit unaufschiebbaren Tätigkeiten, etwa der Hilfe für einen Kranken gebraucht wird oder für die Beschaffung von Feuerholz, gilt als mitbetender Bruder. Da der kaiserliche Bote nicht erscheint, ist klar, dass er kein getaufter Christ sein kann. Man nimmt es still zur Kenntnis. Wenn die Sonne ihr Licht von diesen Weltgegenden des Imperiums mit sich ins Finstere nimmt, dann hüllt der Glanz der Abendgebete die beginnende Nacht nach den Regeln der »Apostolischen Tradition«. Diese Schrift des römischen Bischofs Hippolyt ist Maß für den liturgischen Rhythmus der Betenden. Martinus ist sie eine hilfreiche Grundlage für seine klösterliche Gründung von Anfang an. Der anstehende Tagespsalm für Morgen-, Mittag- und Abendgebet ist nach einer laufenden Ordnung vorgegeben, auch die biblische Lesung. Für diese Lesepraxis besitzt die Versammlung in Marmoutier bei Tours eine überaus kostbare Abschrift der berühmten Pergamenthandschrift der biblischen Schriften. Aus dieser Unzialhandschrift in Großbuchstaben, mit der Rohrfeder geschrieben, soll in fließendem Sprechton gelesen werden. Da sie in griechischer Sprache verfasst ist, gehört das Erlernen dieser Sprache im Osten des Reichs zur Pflicht für jeden Mitbruder aus dem Westen. Martinus hat sie von seinem vor drei Jahrzehnten verstorbenen Lehrer Hilarius, Bischof von Poitiers, ererbt, ein Geschenk von unschätzbarem Wert. Dieses Buch enthält nicht wie andere Pergamentschriften etwa nur das heilige Evangelium des Johannes, oder auch nur die Briefe der Apostel Paulus und Petrus. Vollständige Schriften des Alten und große Teile des Neuen Testaments birgt diese Bibelausgabe. Für Martinus’ theologische Lehrgespräche mit seinen Schülern erweist sich dieses Buch mit den Schriften Israels als besonders hilfreich. Muss doch jeder im Respekt vor Gottes Zorn und Gnade in Geschichten sein, aus denen auch der Christus seine Weisheit schöpfte. Schwer liegt das Buch auf einem hölzernen Stehpult, von einem hellen Linnen abgedeckt, geöffnet auf der Seite, die für die Tageslesung ansteht. Zwei Stoffsäckchen, gefüllt mit wasserziehenden Blütenstengeln der Königskerze und der Ringelblume, liegen dicht an dem erlesenen Werk. Soll doch die feuchte Luft vor allem in den kalten Monaten weniger Schaden anrichten können. Die Rollen für die Stundengebete sind nach den Gaben der Klosterschüler verteilt. Es erwies sich bald, wer einen Ton für den Psalmengesang verlässlich angeben kann. Wer das Gotteswort mit klarer warmer Stimme zu verlauten vermag, liest vor. Mut und theologische Kenntnisse sind für eine kurze Auslegung der Lesung gefragt. Wer ein überfließendes Herz für besondere Anliegen hat, eröffnet die Fürbitte. Nur eines bleibt Martinus vorbehalten: das Gebet des HERRN einzuleiten und den dreieinigen Segen des Aaron, des Bruders des Mose, zu spenden.

Das Abendgebet nimmt seinen Lauf. Stimmen beginnen, die Bitte Davids um Bewahrung leise zu memorieren. Die Lesung des Gotteswortes wird in aufrechter Haltung entgegengenommen. Martinus’ Gedanken schweifen ab. Der hohe militärische Gast, der weite Weg Richtung Osten, die Unabwägbarkeit der Ereignisse auf dem Weg in die Kaiserresidenz an der Mosel machen ihm Sorgen. Er ist ein alter Mann geworden im siebzigsten Lebensjahr. Würden seine Kräfte mithalten? Würde er am Ende selbst wie Priscillian sein Leben dahingeben müssen? Im ruhigen Fortgang des Stundengebets schwindet seine Unruhe. Es ist, wie es sein ägyptischer Amtsbruder Euagrios Pontikos erfahrungsgeschwängert sagt: »Lesung, Nachtwachen und Gebet sind Mittel, die einen unruhigen Geist zur Ruhe verhelfen … Der Groll verschwindet, wenn man Psalmen singt.« Wie Balsam sind ihm die vertrauten Worte: »Ja, auf dich, Herr, sehen meine Augen; ich traue auf dich. Bewahre mich vor der Falle der Übeltäter.« Die Nacht hat sich über den Fluss und seine Ufer gelegt. Zum Schweigen verpflichtet, suchen sie alle ihre Zelle auf, die Erholung zu empfangen, die ein seliger Schlaf schenkt. »Und die Unendlichkeit der Vergangenheit und die Grenzenlosigkeit der Zukunft, in der alles verschwindet, ist uns stets ganz nahe.« Noch einmal berühren Martinus diese Worte des Philosophenkaisers, bevor ihn Somnus, der machtvolle Gott des Schlafes und der Träume, anhaucht. Oder ist es einer der himmlischen Dienstengel, der schützend mit ihm schon auf der Reise ist?

ivDie Befreiung

Ein unschuldiges Frühlicht erhellt diesen ersten Morgen nach der Ankunft des kaiserlichen Offiziers. Dunstschleier liegen vor der großen Lichtscheibe und dämpfen ihre weiße Glut. Es ist einer von diesen Tagen im noch jungen Jahr, der nach der ersehnten Wärme des Südens Ausschau hält. Martinus fröstelt, während er sich in einen neuen Tag begibt, der ihm den Gang in eine verschleierte Zukunft zumutet, ihn ahnen lässt, dass sich sein Leben auf immer verändern wird. Es steht eine Reise an, von der er nicht weiß, wie sie endet. Dieser Kaiser ist unberechenbar. Der Weg dorthin birgt Gefahren. Niemand kann sagen, wie lange man unterwegs sein wird, ob man das Ziel der Reise erreicht. Herausgerissen ist er aus den Tagen ruhiger Erkundungen. Diese Reise wird neue, aufwühlende Antworten bereithalten.

Martinus’ Leidenschaft sind Bücher und Menschen. Wann immer es ihm möglich ist, meidet er offizielle Verpflichtungen. Doch jetzt drängen noch anstehende Aufgaben heran. Die Reise an die Mosel erzwingt Klärungen vor Ort. Die Dienste im Kloster und der Stadtkirche sind zwar in guten Händen, doch müssen sie für den weiteren Gang der Dinge angeordnet werden. Eine Sache aber liegt ganz und gar im Argen. Es ist das Unrecht einer Gefangenschaft ehrbarer Bürger, das ihn seit Wochen umtreibt.

Die Leitung des Klosters wird er seinem Diakon Quietus Ligerianus übergeben. Seit der zur kleinen Communio gehört, sind auch die anderen Brüder eher zu Harmonie und Freundlichkeit miteinander aufgelegt. Quietus stammt aus einer Fischerfamilie stromaufwärts an der Loire. Schweigsamkeit ist seine Stärke. Fische sind auch wortarme Wesen. Die Menschen, die sie mit ihrem Tod ernähren, werden bei ihrem Anblick schweigsam. In Quietus’ Familie gibt es keine lauten Worte. Das hat der in der Mitte seines Lebens stehende Mann mitgenommen, als er sich entschied, dem Fischerhandwerk die Übung des Gebets hinzuzufügen. Wo Klärung nötig wird, hört er eher zu, als dass er vorschnellen Rat gibt. Bei seinen Mitmenschen Gefühle zu achten scheint ihm angeboren. Die Worte der Schriften bedenkt er mit freiem Respekt. Martinus wird ihm zu Beginn der nachmittäglichen Lehrstunde vor allen Mitbrüdern für Entscheidungen das letzte Wort anvertrauen.

Drei kirchliche Gebäude innerhalb der Mauern der Stadt, die Stadtkirche, eine Grabeskirche und das Bischofspalais, sind zu verwalten. Sie sind das Werk Litorius’, seines Vorgängers im Bischofsamt. Schon während seiner weitschweifenden Besuche bei den Landbewohnern in der Diozöse konnte er sich auf Marcus Grannus verlassen. Als leitender Presbyter und Priester ist er sein ständiger Stellvertreter in der Kirche. Er wird die täglichen Dienste dort zur öffentlichen Zufriedenheit auch ohne seine Begleitung weiterführen. Seit Jahren zelebriert er vor versammeltem Volk für seinen Bischof die Messe, während dieser in der Sakristei still mitfeiert, um neugierigen Blicken entzogen zu sein. Das hohe Langhaus mit seinem kuppelförmigen Rundchor nach Osten und einem Querhaus, von dem aus man in die Sakristei gelangt, prägt seit gut drei Jahrzehnten das Stadtbild. Der mächtige Bau zeigt, welcher Glaube in der Stadt die religiöse Kultur dominiert. Wenn Martinus die drei Stufen in den Sakristeiraum hinabsteigt, lehnt er sich gern an die Mittelsäule, die das gesamte Gewölbe trägt. Der unsichtbare Davidstern in dieser sechskantigen Steinsäule ist ihm ein liebgewordenes Bild für den alten Gott, der das menschliche Lebenswerk stützt. Doch der tägliche Weg dorthin ist ihm auch wegen der nicht immer freundlichen Blicke der Stadtbewohner eine Herausforderung. Er ist nicht der Bischof für die Stadt. Die dominierenden Familien sind von ihm enttäuscht. Man hätte erwartet, dass er sich wie andere für die Senkung von Steuern einsetzt oder wenigstens die Bautätigkeiten seines Vorgängers fortsetzt. Man zieht die Augenbrauen hoch, wenn sein Name fällt. Der Bischof, der zu den Hochfesten nicht in der Kathedra sitzt, spricht noch nicht einmal Recht. An Marcus Grannus hat er dieses kaiserliche Privileg abgegeben. Zivile Rechtsstreitigkeiten habe der Bischof beizulegen, so die Meinung der führenden Köpfe in der Stadt. Martinus aber weiß um das feine Gespür, das sein Priester für die Mentalitäten so mancher gallischen Streithähne hat. Dessen Großeltern waren mütterlicherseits noch Gefolgsleute eines keltischen Großfürsten bei den Turonen. Neben seinem Taufnamen Marcus, so der Geistliche ganz offen, erinnere sein Zweitname Grannus an den Großvater, der bis zum Schluss seines Lebens dem Heilgott Grannus heimliche Opfergaben an der Quelle eines dieser namenlosen Rinnsale entrichtete, die das Wasser der Loire so mächtig machen. Warum solle er, sein Enkel, sich scheuen, auf den christlichen Altar einen Mistelzweig zu stellen, wenn sich, wie er überzeugt sei, beim Anblick dieser Pflanze so manch gütliche Einigung einstelle? Dass dieser Presbyter seine keltischen Wurzeln stolz herausposaunt, ärgert viele der Honorationen, die immer noch Wert darauf legen, dass in öffentlichen Ämtern Menschen mit römischer Herkunft tätig sein sollten. Auch wenn das einfache Volk mit den Kirchendiensten zufrieden ist, wünscht man sich in den höheren Gesellschaftskreisen seit einiger Zeit hinter vorgehaltener Hand einen anderen Bischof, einen, der zum politischen Gewicht der Stadt auch über die Grenzen der Civitas hinaus seinen Beitrag leistet. Wenn der Bischof die vom Kaiser angeordnete Reise angetreten hat, wird man ihn nicht vermissen. Im Stillen ist man sich einig. Sollte dieser Sonderling nicht mehr zurückkehren, wüsste man schon um einen geeigneten Nachfolger. Der junge Brictius aus bestem Haus würde seine Rolle schon noch lernen, die eine oligarchisch beherrschte Städteordnung braucht.

Priscus ist nach dem Morgengebet in Richtung Forum geeilt. Martinus hatte ihm aufgetragen, ihn bei Lupicinus Maximus, dem Bürgermeister im Rat der Stadt, anzumelden. Er werde gern erwartet. Eine Erfrischung stehe bereit. So die Auskunft seines zurückgeeilten Schülers, den er längst in sein Herz geschlossen hat. Der wird es auch sein, mit dem er auf die Reise gehen wird. Priscus ist ein Garant für Hilfen, wo nötig. Mit unaufdringlicher Zurückhaltung wird er ihm in den praktischen Dingen des Tages alles von den Augen ablesen, ganz besonders dann, wenn sich Beschwerliches einstellt.

Auf dem Weg zum Bürgermeister fällt sein Blick auf die kleine Grabeskirche. Litorius hat sie sich für die Zeit seines Todes bauen lassen. Nun birgt sie den auf die Posaune Gottes wartenden Leichnam des zweiten Bischofs von Tours. Hier müssen wieder die Fürbitten um die himmlische Erhebung des Verstorbenen angeordnet werden. Sie sind durch die Nachlässigkeit des Presbyteriums seit Wochen verblieben. Gut, auch das wird er noch regeln.

Schwer aber liegen Martinus die elf Gefangenen im Magen, die der Comes Claudius Avitianus beabsichtigt hinzurichten. Für deren Befreiung hat er sich bisher vergeblich eingesetzt. Das letzte Gespräch fand in dessen von Obstplantagen weiträumig umgebenen Villa statt, einem Wohnpalast, der den Reichtum schamlos zur Schau stellt, der sich hier anhäuft. Das aufgedunsene Gesicht dieses ranghöchsten Staatsbeamten, zuständig für die Civitas Turonensis und drei weitere Verwaltungsbezirke der Lugdunensis, blickt ihn noch immer spöttisch an. Martinus aber weiß um die Unschuld von Romanianus Quartus und seinen Gefolgsleuten. Dieser aufrichtige Ratsherr stellte in der Kurie den Antrag, die Steuerabgaben jenes blutrünstigen Tyrannen an den Kaiser mit den von den unbeliebten Steuereintreibern erhobenen Steuereinnahmen der Civitas in Vergleich zu bringen. Es werde in der Stadt vergeblich auf eine Steuerentlastung gehofft, wenn die weitergereichten Summen nicht in derselben Höhe bei der kaiserlichen Verwaltung verbucht werden. Dieser Antrag konnte eine Handvoll Kaufleute und Handwerker in der Stadt überzeugen. Es sei kein Geheimnis, dass dieser gallo-römische Barbar wegen der fehlenden Kontrollen nicht wenige Steuergelder in die eigene Münzschatulle abzweige. Dieser Angriff auf den Tyrannen hatte Folgen. Nur wenige Tage nach Romanianus’ mutigen Auftritt stand Militär vor seinem Haus. Er und weitere zehn Sympathisanten bekamen die ganze Gewalt einer Willkür zu spüren, mit der Avitianus herrscht. Der Aufstieg durch alle Ehrenämter der üblichen Laufbahn ist diesem Möchtegernrömer in den Kopf gestiegen. Als kleiner Ädil hatte er begonnen und sich mit Anbieterungen gegen Höherrangige hochgedient. Die gefahrlose Anordnung, dem Staat treu dienende Bürger in den Kerker werfen zu können, ist die Folge einer seit Magnus Maximus beförderten Machtansammlung in diesem neuen Amt, über dem nur noch der Kaiser selbst steht. Das geschehene Unrecht, das diesen Ehrbaren mit dem Vorwurf des Aufruhrs gegen die Staatsgewalt zugefügt ist, wagt bislang niemand in der kaiserlichen Zentrale zur Diskussion zu stellen. Irgendetwas sollte in dieser Angelegenheit noch vor der Abreise in die Wege geleitet werden. Ohne die Befreiung der Unschuldigen sieht sich Martinus nicht auf dem Weg.

Während der Morgentoilette hat er einen rettenden Einfall. »Es ist ein hochmütiges Herz voller Angst vor dem Verlust an Günstlingsschaft an höchster Stelle zu erschüttern«, denkt er. »Ich brauche nicht unbedingt den Zugang zu Personen, bei denen Avitianus beim Soldatenkaiser an der Mosel in Gunst steht. Aber mit einer findigen Anspielung auf solche Namen mit hohem Einfluss könnte man den Günstling in Unruhe versetzen. Der Stadtoberste soll mir dabei behilflich sein. Ich muss Lupicinus Maximus dafür gewinnen, diesem Widerling eine vermeintliche Geheiminformation dergestalt zu hinterbringen, dass ich meine Beziehungen in der Kaiserstadt spielen lasse. Ich werde versuchen, ihn noch heute aufzusuchen. Das könnte Comes Claudius Avitianus einknicken lassen, das drohende Todesurteil aufzuheben und letztlich auch die Freilassung der Gefangenen zu verfügen.« Martinus ganze Hoffnung ruht nun auf Lupicinus Maximus, mit dem ihn, ohne je darüber ein Wort verloren zu haben, eine tief empfundene Sympathie verbindet, und gleichzeitig die Abscheu gegenüber dem herrschenden Comes. Von solchen Gedanken beflügelt, lässt Martinus durch Priscus zu früher Stunde um einen Gesprächstermin beim Stadtoberhaupt bitten.

Anders als in anderen Städten führt Lupicinus Maximus die Stadtgeschäfte seit seiner Wiederwahl zum Leiter des Rates allein. Er ist wegen seiner Unbestechlichkeit und Tatkraft beliebt. Das gute Zusammenspiel der verschiedenen Machtbereiche in der städtischen Verwaltung sorgt unter seiner Leitung für eine belebende Ordnung auf den Straßen der Stadt. Die Lebensmittelversorgung ist gewährleistet. Die marktpolizeilichen Aufgaben der Kontrolle von Gewichten und Preisen leiden nicht unter Korruption. Der Ausbau und der Erhalt der Straßen, der öffentlichen Gebäude, der Stadtmauer durch die Ädilen, die ihm unmittelbar unterstellt sind, ist sichtbar vorangebracht. Selbst die Buchführung der Finanzen in der Quästur kennt keine Unregelmäßigkeiten. Sein Name hat Gewicht, wenn er in Streitfragen, etwa bei Steuervergehen, Bautätigkeiten, Klärungen des Besitzes von Grund und Boden, ins Spiel gebracht wird. Obwohl sein Bischof Martinus die ihm übereignete Autorität in zivilen Rechtsgeschäften nicht ausübt, hegt Lupicinus freundschaftliche Gefühle für das geistliche Oberhaupt. Schlicht gesagt, er mag diesen Bischof mit der Vernunft des Herzens, wie er es mit Verweis auf Marc Aurel schon an anderer Stelle lobend erwähnt hat.

Das Anwesen des obersten Ratsherrn liegt zentral im Forum der Stadt. Martinus wird standesgemäß empfangen. Man bittet ihn, im Innenhof zu warten. Ein Becher mit Saft vom Granatapfel wird gereicht. Man bedeutet ihm, der Duumvir, wie das Amt des Bürgermeisters auch genannt wird, beeile sich, seine Diktate zu beenden. Nur schwach dringt der Lärm der Straße in die gepflegte Ruhe dieses Hofs. Die Knospen einer nahe stehenden Magnolie zeigen helle Spitzen. Noch halten sie den rauen Lüften ihre aufgerollten Blütenkelche zurück. Ein Sperlingspaar sammelt Reste von den Schilfgrasstauden auf, die von den Winterstürmen hin und her verstreut sind. Keck und doch furchtsam nähern sich die kleinen Federwesen dem fremden Gast. Die Zeit der Liebe rückt herauf. Mit Sehnsucht erwartet die Natur sonnige Tage – »ich Lichtsuchender nicht weniger«, denkt Martinus. Er hat die Augen geschlossen, als ihn die angenehm volle Stimme des Gastgebers aus seiner Freude an himmlischer Gegenwart herausruft.

»Es tut der Seele gut, in der Nähe eines Mannes zu sein, von dem man sagt, dass Wunder durch seine Hände fließen. Willkommen in meinem Haus. Möge dieser Besuch Heil bringen.«

Lupicinus Maximus ist hochgewachsen, von stattlicher Erscheinung. Er verschränkt die Arme vor der Brust zum Gruß. Eine rot gesäumte weiße Toga trägt er über der langen Tunika. Der Gastgeber trägt die Zeichen der Würde eines Senators der römischen Kurie.

Martinus nimmt Haltung an. Mit leichter Verbeugung dankt er für das köstliche Getränk und für die Bereitstellung von Zeit ohne Umschweife.

»Segen, so weiß man, schenkt dieses Haus der ganzen Stadt. Dieser Ort möge darum ein Segen bleiben. Gott erhebt, die sich ihm zuwenden, die Gewaltigen aber stürzt er vom Thron.« Diese letzte Wendung fällt zu direkt aus. Regelmäßig verlässt Martinus die Kunst der feinsinnigen Diplomatie, wenn er Mächtigen gegenübersteht. Mit unsicherem Blick versucht er, sein Grußwort abzumildern. Das aber ist nicht nötig.

»Lupicinus versteht, der Bischof wünscht ein ernstes Gespräch. Hat er Einwände gegen mein Tun?« Mit einer leichten Handbewegung deutet der Duumvir zu einer Tür ins Innere. Polster liegen an den bunt bemalten Wänden bereit. Kunstvolle Pflanzengirlanden umrahmen Jagdszenen. Bilder aus Göttermythen zeigen unverhüllt die Schönheit der Frauen. Auf kleinen Schmucktischchen stehen Schalen mit getrocknetem Obst und Nüssen. »Möge das Lager Bischof Martinus angenehm sein. Tee von den Hängen des Atlasgebirges ist uns bereitet. Das stärkende Aroma dieser Blätter, die in heißen und eisigen Winden gereift sind, mag uns offen sprechen lassen. Ich bin zur Selbstkritik bereit.« Ein freundlich erwartungsvoller Blick ruht auf dem Gast.

Nun ist es an Martinus, sein Kommen richtigzustellen. »Keine Kritik, keine Klage bringe ich für meinen Gastgeber mit.«

»Dann handelt es sich um eine Botschaft des Kaisers, die ihm am Vortag zugekommen ist?« Eine ernste Miene und eine aufmunternde Geste laden ein, doch nicht zaghaft zu sein. Es hat sich die Ankunft des Reiters aus der kaiserlichen Garde bereits herumgesprochen. Mit bebender Stimme, aber zugleich bestimmt gewählten Worten informiert der Bischof über den Anlass seiner bevorstehenden Reise nach Trier.

»Wenn sich die Wut über Täter und die Liebe zu deren Opfer im Herzen paaren, schwindet der Gleichmut, ist es nicht so? Es ist mir schwer genug, an den Ort reisen zu müssen, wo Intrige und Mord triumphieren. Doch ich werde mich nicht widersetzen. Möglich, dass mich diese Reise erfahren lässt, welche Weisheit sich in dem Wort verbirgt, man solle seine Feinde lieben. Denn das bedeutet sicherlich nicht, sie herzen zu müssen. Noch bin ich mit dieser Liebe unerfahren. Aber muss diese Liebe nicht die Kraft entfalten, den Feind bewegen zu können, von seiner Feindschaft sich zu kehren?« Martinus hält inne. Sinnend gibt er zu bedenken: »Wenn wir es recht betrachten, das hat noch nicht einmal der Christus vermocht. Oder hätte man davon gehört, dass der Präfekt Pilatus seine Tat bereut hat?«

Ein wenig ratlos blickt ihn das Stadtoberhaupt an. Der Bischof kann nicht hier sein, um ihm von seinen theologischen Rätseln zu berichten.

»Entschuldigt, Lupicinus Maximus, das ist nicht der Grund meines Besuchs. Doch ihr seht, welch einen Berg ich besteigen muss, politischer Macht entgegenzutreten, wenn sie bar aller menschlichen Regung ist und darum das Recht nicht kennt. Mein Besuch hier gilt dem Comes Avitianus. Ich brauche Eure Hilfe und bitte darum.« Der Blick des in Staatsgeschäften erfahrenen Hausherrn wandert zur gegenüberliegenden Wand. Ein prächtiges Pferd, von kunstvoller Hand gemalt, stolz und unüberwindbar zeigt es seine Kraft, wird von einem schmächtigen Sklaven am Zaum gehalten. Lächelnd wendet er sich an Martinus.

»Ihr meint, man bräuchte eine List, um Troya einzunehmen? Welch listiges Geschenk wäre wohl geeignet, dem Comes die Grenzen seines Handelns aufzuzwingen? Worum handelt es sich, Ehrwürden?«

»Erster Bürger dieses Gemeinwesens, es ist im Interesse der Stadt, dass Romanianus und zehn seiner Anhänger freikommen. Der drohende Tod dieser Ehrbaren muss der Stadt Unglück bringen. Es muss dies verhindert werden. Meine Macht ist an Grenzen gestoßen. Vergeblich habe ich versucht, mit Bitten um Nachsicht und Erbarmen, den Comes zur Aufhebung des Kerkers zu bewegen. Ja, List ist wohl das Mittel, das diesen Wolf besiegen kann. Ihr kennt bewährte Würdenträger in der Kaiserstadt, die seinen Anbiederungen noch nie anheimgefallen sind. Man sollte ihm die Nachricht von meiner Reise zum Kaiser zukommen lassen und ihm bedeuten, dass ich bei dieser Gelegenheit diesen und jenen höheren Beamten besuche, um dort für die Freilassung der Gefangenen und deren Klage um eine geordnete Steuerverwaltung vorzusprechen.«