cover
Jörg Ahlbrecht – 23 | Mit dem Psalm der Psalmen durch den Tag – SCM R.Brockhaus

SCM | Stiftung Christliche Medien

Edition AufAtmen

Dieses E-Book darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, E-Reader) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das E-Book selbst, im von uns autorisierten E-Book Shop, gekauft hat.
Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.

ISBN 978-3-417-22706-2 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26576-7 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© 2014 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG
Bodenborn 43 · 58452 Witten

Die Bibelverse sind folgenden Ausgaben entnommen:
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT)

Kapitelpictogramme Kapitel 4 bis 10: Dietmar Reichert, Dormagen

Umschlaggestaltung: Medienagentur Hallenberger, www.hallenberger.com

Für Andrea, Ronja und Hanna –

ihr seid das Glück meines Lebens!

Ihr habt Jesus Christus als den Herrn angenommen; darum lebt nun in der Gemeinschaft mit ihm und nach seiner Art! Seid in ihm verwurzelt und baut euer Leben ganz auf ihn. Bleibt im Glauben fest und lasst euch nicht von dem abbringen, was euch gelehrt worden ist. Hört nicht auf zu danken für das, was Gott euch geschenkt hat!

KOLOSSER 2,6-7; GNB

Die einzige Hoffnung für diese kranke Welt besteht darin, den Menschen die „Praxis der Gegenwart Gottes“ beizubringen.

FRANK C. LAUBACH1

Inhalt

Vorwort von Tobias Faix:
23 – mitten im Leben

Einleitung:
Leben mit dem Blick nach oben

Beziehung oder System? Was ist Glaube?

Hamsterrad oder Töpferscheibe?
Das größte Hindernis für echte Veränderung

Übung macht den Meister
Die Macht der tausendfach geübten Gottlosigkeit brechen

Echt Schaf:
Der Herr ist mein Hirte

Auf dem Liegestuhl in den Sonnenuntergang?
Mir wird nichts mangeln

Segensgeschenke
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich
zum frischen Wasser. Er erquickt meine Seele

„Sie haben Ihr Ziel erreicht“
Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen

Niemals allein
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich

Wir oder sie?
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein

10 Das Beste kommt zum Schluss
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Haus des Herrn immerdar

11 Ein Leben in der Gegenwart Gottes
Amen – So sei es!

Studienleitfaden zur Vertiefung und für Kleingruppen

Dank

Verwendete Literatur

Anmerkungen

Vorwort von Tobias Faix

23 – mitten im Leben

23 – eine Zahl, die schon immer etwas Besonderes und Mythisches umgab; um die sich Dutzende von Verschwörungstheorien ranken (von Illuminati bis zum Anschlag auf das World Trade Center) und die viele Filme (23 – Nichts ist so wie es scheint oder Number 23) inspiriert hat. Die „23“ ist irgendwie speziell. So ist es auch mit Psalm 23. Dieser Text gehört zu den meistgelesenen und geliebten Bibeltexten weltweit. Er passt anscheinend in alle Lebenslagen, egal, ob Hochzeit, Beerdigung, persönliche Krise oder Freudenfest. Über Psalm 23 wurde schon unendlich viel diskutiert, gepredigt und geschrieben. Es gibt ihn aus der Sicht eines Schafhirten, von Anselm Grün aus katholischer Perspektive oder von Hanns Dieter Hüsch politisch und poetisch. Selbst aus dem Blickwinkel eines Hirtenhundes kann man über Psalm 23 etwas erfahren, von den unzähligen Bildbänden, Postern und Kalendern einmal ganz abgesehen. Und jetzt 23 – also noch ein Buch. Eine Frage drängt sich da geradezu auf: Ist das denn nötig? Die Antwort ist wenig überraschend: Ja. Und dies möchte ich gerne erklären.

23 unterscheidet sich von all den genannten Büchern; es ist keine klassische Bibelauslegung, sondern nimmt den Psalm und bringt ihn mitten in unser Leben, in unseren Glauben, in unseren Alltag. Anschaulich mit vielen persönlichen Beispielen und modernen Gleichnissen fragt Jörg Ahlbrecht, was Glaube heute eigentlich bedeutet. Dabei besinnt er sich immer wieder auf das Wesentliche des Lebens und Glaubens zurück: auf die Liebe und unsere Beziehungen zu Gott, uns selbst und unseren Nächsten.

Was so schön klingt, hat mich beim Lesen ziemlich herausgefordert. Jörg Ahlbrecht bleibt nicht bei einer oberflächlichen Betrachtung der einzelnen Psalmzitate stehen, sondern nimmt sie tief in seinen Alltag hinein. Dabei schont er weder sich noch seine Leserinnen und Leser, wenn er ehrlich über sein Leben und seinen Glauben schreibt; da wird nichts beschönigt und es geht nicht um einen Triumphalismus des Glaubens. Mit Gott durch das Leben, so habe ich das Buch gelesen, und es hat mich herausgefordert, mitunter geärgert, mir aber letztlich einfach gutgetan.

Am Anfang heißt es: „Doch nun zu dem konkreten Plan: Ich schlage Ihnen vor, einen der schönsten Texte der Bibel zu Ihrem täglichen Begleiter zu machen – den Psalm 23.“ Ein ausgezeichneter Plan! Es geht nicht nur darum, die einzelnen Psalmworte zu verstehen, sondern sie ins Leben hineinzumeditieren. Sie zu einem täglichen Begleiter zu machen in den unterschiedlichen Situationen des Lebens. Ich habe gemerkt, dass gerade in stressigen und schwierigen Zeiten dies meinem Glauben Substanz gibt. Dass es in jeder Situation einen „Griff nach oben“ gibt, wo ich Halt und Schutz finde.

Für diejenigen, die nicht alleine unterwegs sein wollen, gibt es im Anhang sieben Einheiten mit Fragen und Übungen für Kleingruppen.

23 ist ein tolles und herausforderndes Buch, das dabei hilft, den wunderbaren Psalm 23 zu einem täglichen Begleiter zu machen. Es ist für mich eine Art Trainingsbuch, das ich nicht nur einmal in die Hand nehme, sondern immer wieder, weil es mir hilft, meinen Glauben einzuüben. Das macht 23 zu etwas Besonderem, und das mitten im Leben.

Tobias Faix

Marburg, im Sommer 2013

Einleitung

Leben mit dem Blick nach oben

Ich hatte es versprochen!

Und was man verspricht, das muss man auch halten. Ganz besonders, wenn man es der eigenen Tochter versprochen hat.

Vom Boden aus hatte alles ganz leicht ausgesehen – und gar nicht so hoch. Bei unserem ersten Besuch im Kletterpark hatten wir nur mal geguckt. Hanna wäre gerne sofort losgeklettert. Aber ich sagte damals: „Das machen wir ein anderes Mal. Da gehen nur wir beide zusammen hier klettern. Versprochen!“

Jetzt auf der Plattform mitten im Wald musste ich feststellen, dass ich diese Aktion völlig unterschätzt hatte. Ich stand in sechs Metern Höhe an einen Baumstamm geklammert und fragte mich, wie ich allein mit diesen paar dünnen Seilen auf die andere Seite kommen sollte. Mein Kopf wusste zwar, dass mir nichts passieren konnte – das hatte man mir im Basislager glaubhaft versichert. Ich war gleich zweifach gesichert: an einem Drahtseil über mir. Dummerweise schien das meinen flauen Magen und meine weichen Knie herzlich wenig zu interessieren.

Ich schluckte.

Hanna war schon vorgeklettert und hatte die Station gemeistert. Jetzt wartete sie darauf, dass vor ihr der nächste Abschnitt frei wurde. Es gab einen kleinen Stau, weil in der Gruppe vor uns ein Kind Probleme hatte. Ein Angestellter wurde gerufen, der helfen sollte, das Kind abzuseilen. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass das für mich auch eine gute Idee wäre. Abseilen lassen. Wieder festen Boden unter den Füßen haben … warum eigentlich nicht?

„Papa, kommst du?“

O Mann! Jetzt abzubrechen wäre irgendwie ziemlich uncool. Also runter von der sicheren Plattform, raus aufs Seil. Ein Schritt … Es hielt! Ein zweiter Schritt – und ich fing an, bedrohlich hin- und herzuschwanken. Instinktiv schoss meine Hand nach oben zu den beiden Halterungen, die mich am Stahlseil sicherten. Das war jetzt der einzige Fixpunkt. Zwei Stahlklammern, die beide um das dicke Stahlseil griffen. Fest eingerastet. Zumindest hoffte ich das.

Nach zwei oder drei weiteren Schritten merkte ich, dass ich mit dieser Technik ganz gut vorankam. Und so Schritt für Schritt den Abstand zur nächsten Plattform verringern konnte. Es ging langsam, aber stetig. Dort angekommen, hätte ich gerne den dicken borkigen Baumstamm umarmt, aber Hanna war inzwischen unerbittlich weitergeklettert und wartete wieder auf mich.

Jetzt sollte ich in einen großen Holzeimer steigen, der an zwei Seilen aufgehängt war. Die Seile waren oben mit einer Rolle versehen, sodass man im Eimer über den gesamten Abgrund zur nächsten Plattform fahren konnte. Das war noch wackeliger als der letzte Abschnitt. Aber mein Trick mit dem Griff nach oben klappte auch hier. Die eine Hand am Seil mit dem Holzeimer, die andere Hand oben an der Sicherungsrolle. Und los ging es …

Blöd war jetzt nur, dass ich keine Hand mehr frei hatte, um mich bei der Ankunft an der nächsten Plattform festzuhalten. Ich kam mit Schwung über den Abgrund, knallte mit dem Holzeimer voll gegen die Plattform, prallte ab und trudelte – immer noch im Holzeimer stehend – langsam zurück. Schließlich kam der Eimer genau in die Mitte des Abgrunds zwischen den beiden Bäumen zum Stehen. Suuuuper!

Es gab zwar ein Seil, mit dem ich mich zur nächsten Plattform hätte ziehen können, das Problem war nur, dass ich – um dieses Seil zu erreichen – die Sicherungsrolle hätte loslassen müssen. Und diese Lösung wurde von einer Mehrheit der Gedanken in meinem Hirn energisch abgelehnt.

„Papa, alles klar?“

„Ähm …. ja, ja!“ Es kostete mich ein wenig Mühe, keine Panik aufkommen zu lassen und so zu klingen, als würde ich alle Tage in Holzeimern von Plattformen abprallen.

Gaaaaanz langsam ging ich, so weit ich konnte, in die Knie – eine Hand immer noch an der Sicherungshalterung. Durch die andere ließ ich das Eimerseil laufen, bis ich so tief unten war, dass ich zusätzlich auch das Zugseil mit den Fingern fassen konnte. Mit einer Fingerakrobatik, die dem Weltmeister im Luftgitarrespielen alle Ehre gemacht hätte, schaffte ich es, das Zugseil langsam heranzuziehen und mich so Stück für Stück zur Plattform zu hangeln. Es sah nicht schön aus, aber das war mir egal – was jetzt zählte, war: überleben! Und es klappte.

Beim nächsten Abschnitt bekam dann auch Hanna Probleme. Hier hingen nur links und rechts Seile von oben herunter – wie Lianen, an denen wir uns auf die andere Seite hangeln sollten. Das war auch meiner Tochter ein bisschen zu waghalsig. Also weihte ich sie in meinen Schummeltrick mit dem Griff nach oben ein.

„Wenn du dich oben an der Rolle festhältst, dann gibt dir das genügend Sicherheit und du brauchst die Lianen an der Seite eigentlich gar nicht mehr – höchstens noch ein bisschen als zusätzlichen Halt!“

Hanna war begeistert! Es funktionierte auch bei ihr. So kamen wir beide Abschnitt für Abschnitt voran. Im Laufe der Zeit begann ich, der Sicherung über mir sogar so weit zu vertrauen, dass ich nicht mehr ständig nach ihr greifen musste. Das war allerdings erst gegen Ende unserer Kletterpartie der Fall.

Nach gut zwei Stunden und zwei bewältigten Kletterparcours waren wir beide uns einig, dass es für heute reichte. Genug Nervenkitzel und Adrenalin – Zeit für eine Pizza zu Hause!

Als wir glücklich und stolz im Auto saßen, sagte Hanna plötzlich: „Papa – gut, dass dir der Trick mit dem Griff nach oben eingefallen ist. Damit ging es echt besser!“

Ja, der Trick mit dem Griff nach oben war gut!

Leben mit dem Griff nach oben

In den nächsten Tagen musste ich immer wieder über diesen Satz nachdenken. Was mir Sicherheit gab, war der Griff nach oben. Wie gut wäre es, wenn es überall im Leben eine Sicherungsleine gäbe, und ich müsste nur nach oben greifen, um mich daran festzuhalten? Eine Sicherungsleine, wenn der Boden unter den Füßen nachgibt, wenn Probleme auftauchen, bei denen ich nicht weiß, wie ich sie meistern soll. Eine Sicherungsleine, Wie wäre es, im Leben einen festen Halt zu haben, der mir immer wieder Sicherheit gibt?wenn mich Abgründe bedrohen – meine eigenen oder die von anderen, gesundheitlicher, finanzieller oder geistlicher Art …

Wie wäre es, im Leben einen festen Halt zu haben, der mir immer wieder Sicherheit gibt? Der verlässlich ist – und erreichbar, wann immer ich ihn brauche? An dem ich mir Mut hole, Zuversicht, Hoffnung, Orientierung?

Wie wäre es, wenn ich den Kletterparcours meines Lebens in der wachsenden Gewissheit meistern könnte, dass ich nicht wirklich abstürzen kann, weil da etwas … oder noch besser jemand ist, der mich hält?

Wie würde mein Leben aussehen, wenn ich es in der Gewissheit führen würde, gehalten zu sein von einer Kraft, die größer ist als meine eigene und die meine Vorstellung weit übersteigt?

Was wäre das für ein Leben – mit dem „Griff nach oben“?

Ich weiß nicht, ob Sie sich selbst als gläubig bezeichnen, ob Sie spirituell auf der Suche sind oder grundsätzlich allen religiösen Fragen skeptisch gegenüberstehen. Aber die Frage nach dem Griff nach oben ist natürlich die Frage nach Gott. Es ist die Frage nach dem größeren Zusammenhang unseres Lebens, die Frage, ob es über uns jemanden gibt, dem wir uns anvertrauen können.

Gibt es diese göttliche Sicherungsleine? Gibt es da einen, der es gut mit uns meint? Der über unsere Klettertour wacht und sich bereithält, um jederzeit Sicherheit, Trost, Halt oder Hilfestellung zu geben? Der vielleicht sogar eine Vorstellung davon hat, wie wir den Parcours am besten bewältigen können, weil er es war, der sich das Ganze ausgedacht hat? Und wenn es ihn gibt: Wie richten wir unser Leben so aus, dass wir durch den Griff nach oben Sicherheit und Halt finden? Und das ganz spürbar und jeden Tag erlebbar?

Dieses Buch ist eine Einladung, diesen persönlichen Griff nach oben zu entdecken. Wenn Sie spirituell auf der Suche sind, lade ich Sie auf den nächsten Seiten ein, einmal auszuprobieren, wie ein Leben aussehen könnte, das sich zunächst mit einer Hand nach oben absichert und dann immer mehr lernt, der Sicherungsleine ganz und gar zu trauen. Wenn Sie zu den gläubigen Menschen gehören, kennen Sie diese Vorstellung wahrscheinlich längst. Sie wissen, dass es einen Gott gibt und dass Sie sich ihm immer anvertrauen können – im Prinzip! Aber gerade hier liegt der Hase im Pfeffer. Dieses „im Prinzip“ ist der große Geldschein, der sich leider nur zu selten in das Kleingeld von alltäglichen Erfahrungen wechseln lässt. Man sehnt sich zwar oft nach mehr Gotteserfahrungen, praktisch erlebt man sie aber nicht. Es ist erstaunlich, wie viele gläubige Menschen im Geheimen einen stillen Frust in sich tragen. Frust darüber, dass der Glaube in ihrem Leben so wenig Kraft entwickelt.

Als ich acht oder neun Jahre alt war, war meine Lieblingsbeschäftigung am Neujahrsmorgen, zusammen mit meinem Cousin durch die Straßen zu streifen und Feuerwerkskörper zu suchen. Wir hielten Ausschau nach Blindgängern – Knallern, die nicht hochgegangen waren. Diese sammelten wir, in der Hoffnung, sie noch zur Explosion bringen zu können. Die Knaller, die damals verkauft wurden, sind mit denen heute nicht zu vergleichen. Daher rate ich dringend davon ab, heute das Gleiche zu versuchen. Es war eine andere Zeit! Mittlerweile werden Feuerwerkskörper verkauft, mit denen man ein halbes Haus abreißen kann. Die China-Böller damals konnte man sogar noch zwischen zwei Fingern festhalten, während sie explodierten. Als wir genügend Knaller gefunden hatten, haben wir unsere Beute im Garten begutachtet und dann versucht zu entzünden. Zum Teil war noch eine winzige Zündschnur dran. Voller Spannung haben wir diese angesteckt und sind in Deckung gegangen. Aber die Enttäuschung war meistens groß – die Knaller zischten ein wenig, mehr kam nicht dabei heraus. Sie waren offensichtlich in der Nacht feucht geworden.

Ähnlich empfinden viele gläubige Menschen ihren Glauben. Es soll eine gewaltige Kraft darin stecken – pures Dynamit. Aber im Ernstfall scheint es allenfalls ein wenig zu zischen. Im Konflikt mit dem Nachbarn fehlt der Wille zur Vergebung, und anstatt dass Versöhnung geschieht, schlägt man zurück. Angesichts der Kontoauszüge fehlt die Kraft, Gottes Fürsorge zu vertrauen. Man macht sich stattdessen Sorgen, ob das Geld reichen wird. Angesichts eines immer voller gepackten und hektischer verlaufenden Lebens fehlt der innere Friede, aus dem heraus wir den Herausforderungen des Lebens begegnen können. Der Knaller ist nass geworden und entwickelt keine explosive Kraft.

Wo auch immer Sie in spiritueller Hinsicht stehen: Ich lade Sie in den kommenden Wochen ein, mit mir zusammen einen Weg zu gehen und ein kleines Experiment zu wagen. Ein Experiment, bei dem Sie neu über Gott nachdenken und einen neuen Rhythmus in Ihrem Tagesablauf einbauen. Ich fordere Sie dazu heraus, die Gegenwart Gottes in Ihrem Alltag einzuüben. Denn wenn wir uns nach Veränderung in unserem Leben sehnen, hat das viel mit Übung zu tun – aber dazu später mehr.

Vor fast 2000 Jahren schrieb der Apostel Paulus an Christen im Nahen Osten Folgendes:

Wenn ihr nun durch Christus neues Leben geschenkt bekommen habt, dann orientiert euch nach oben, wo Christus ist (…)!

Richtet also eure Gedanken nach oben und nicht auf die irdischen Dinge. (Kolosser 3,1-2; frei übertragen)

Menschen, die Jesus folgen, sind Menschen, die eine neue Sicht gewonnen haben. Sie haben eine neue Perspektive, einen veränderten Blickwinkel, mit dem sie das Leben betrachten. Sie sehen von bestimmten Dingen weg und sehen zu jemandem hin. Wie die Veränderung unserer Perspektive und unseres Blickwinkels tatsächlich gelingen kann, davon handelt dieses Buch.

Ein Leben mit dem Blick nach oben zu führen, ist ein lebenslanger Prozess. Wir müssen zunächst einüben, uns die Sicherungsleine bewusst zu machen. Im Laufe der Zeit macht uns dies dann immer sicherer und das Vertrauen wächst. Und mit dem Vertrauen nimmt auch die Freiheit zu, die uns das Vergnügen am Klettern schenkt. Je länger wir unterwegs sind, desto größer werden schließlich das Zutrauen und der Spaß daran, Abgründe und Hindernisse zu überwinden.

Der Plan

Doch nun zu dem konkreten Plan: Ich schlage Ihnen vor, einen der schönsten Texte der Bibel zu Ihrem täglichen Begleiter zu machen – Psalm 23. Viele Menschen haben ihn einmal auswendig lernen müssen oder kennen ihn von Beerdigungen, Traueranzeigen oder Grabsteinen. Vielleicht haben Sie schon Sätze daraus auf Grußkarten geschrieben oder ihn während einer Beisetzung auf dem Friedhof mit anderen zusammen gebetet. Viele Menschen lieben diesen Text – denn er malt Bilder, die unsere Seele tief berühren.

Obwohl uns Psalm 23 häufig im Kontext von Tod und Abschied begegnet, ist er eigentlich viel mehr für das Leben gedacht. Er kann uns helfen, es gut zu bewältigen – und nicht nur am Ende ein wenig Hoffnung geben. Dieses uralte Gebet kann uns durch den täglichen Gebrauch darin unterstützen, neu oder tiefer in eine Beziehung zu dem schönsten, edelsten, liebevollsten, gnädigsten, weisesten und vollkommensten Wesen des Universums einzutreten: Gott. Und damit kann dieser Text eine ungeahnte Kraftquelle aufschließen. Er wirkt sozusagen wie ein Klettergeschirr, das wir in die Sicherungsleine einhaken. So können wir den Abgründen des Lebens mutig und gehalten entgegentreten.

Für die unterschiedlichen Zeiten des Tages schlage ich Ihnen in den kommenden Kapiteln einzelne Übungen vor, mit denen Sie jeweils einen Abschnitt aus dem Psalm zu Ihrem täglichen Begleiter machen können. Sie werden auf diese Weise mehrfach am Tag sinnbildlich „nach oben greifen“. Dabei geht es im Kern schlichtweg darum, die Anzahl der Momente zu vergrößern, in denen Sie sich der Gegenwart des liebenden Gottes, des guten Hirten bewusst sind, und aus diesem Bewusstsein heraus dann das Leben zu führen. Indem Sie sich erlauben, dies zu einer täglichen Übung werden zu lassen, wird sich Ihre Perspektive Stück für Stück verändern. Und Sie werden lernen, mehr und mehr in der Gewissheit der Nähe Gottes zu leben.

Jedes Kapitel ist daher so aufgebaut, dass wir zunächst über einen Vers aus Psalm 23 nachdenken. Und am Ende gibt es dann einen Vorschlag für den „Griff nach oben“. Dieser Vorschlag ist nur das – ein Vorschlag. Machen Sie daraus kein Gesetz. Er soll eine Hilfe sein, keine zusätzliche Bürde. Wenn Ihnen etwas anderes sinnvoller erscheint – dann tun Der Griff nach oben soll helfen, im Verlauf eines normalen Tages in wachsendem Maße kleine Fenster in die Gegenwart Gottes zu öffnen.Sie es auf Ihre Weise.

Der Griff nach oben soll helfen, im Verlauf eines normalen Tages in wachsendem Maße kleine Fenster in die Gegenwart Gottes zu öffnen – damit Sie das Leben mehr und mehr aus der Kraft heraus leben und gestalten, die Gott jedem von uns anbietet.

Um Sie täglich an die Übungen und Texte zu erinnern, haben wir eine Postkarte für Sie beigelegt. Diese Postkarte können Sie herausnehmen und an einem Platz aufhängen, wo sie Ihnen mehrfach am Tag auffällt. Auf diese Weise werden Sie an die Zusagen und kleinen Übungen des Psalms 23 erinnert. Ich hoffe, dass Ihnen das eine Hilfe ist.

Wenn Sie das Gelesene zusammen mit einer Kleingruppe, einem Hauskreis oder einer Studiengruppe durchgehen wollen – wunderbar. Im Anhang dieses Buches finden Sie ein wenig Material dazu. Auch zur persönlichen Reflexion eignen sich die Fragen.

Ich habe viele Jahre gebraucht, um die Ideen für dieses Buch Stück für Stück zu entwickeln. Manche Übungen mache ich schon lange Zeit. Andere probiere ich erst seit Kurzem aus. Daher geht es in diesem Buch auch nicht um Vollständigkeit. Das Ziel ist nicht, dass Sie Kapitel für Kapitel jede Übung täglich und vollständig ausüben. Sie können das tun, wenn Sie mögen. Aber bitte fühlen Sie sich nicht schuldig, wenn Sie es nicht schaffen. Die Übungen sind gar nicht das Wichtigste – sie sollen nur Mittel zum Zweck sein. Sie sollen uns helfen, unseren Alltag immer mehr mit Gott in Verbindung zu bringen. Sie sollen eine Hilfe sein, unser Leben mehr und mehr aus der Perspektive des Reiches Gottes zu sehen und in der Realität dieses Reiches zu leben.

Drei wichtige Fragen, bevor wir loslegen

Bevor wir uns den einzelnen Versen von Psalm 23 zuwenden, möchte ich aber noch drei Fragen bedenken, die eine wichtige Grundlage für alles Weitere darstellen. Wenn Ihnen das zu lange dauert, können Sie die nächsten drei Kapitel auch einfach überspringen oder diese zu einem späteren Zeitpunkt lesen.

Sollten Sie aber wirklich dauerhaft etwas in Ihrem Leben verändern wollen, ist es gut, sich über die Grundfragen Gedanken zu machen – und zwar bevor man etwas verändert. Darum würde ich gerne vor dem Eintauchen in Psalm 23 mit Ihnen über diese drei Fragen nachdenken:

1. Was ist überhaupt Glaube? (Kapitel 1)

Da es auf den kommenden Seiten viel um Glauben geht, würde ich gerne am Anfang dieses Buches mit einem Missverständnis aufräumen, das hinsichtlich des Glaubens weit verbreitet ist – und großen Schaden anrichtet. Es geht um die Frage, was der Glaube in seiner Substanz eigentlich ist. Ist er eher ein System, ein Für-wahr-Halten von religiösen Überzeugungen, eine Art Lebensstil – geprägt von Regeln und Geboten? Oder ist er von seinem Kern her etwas anderes? Ich glaube, dass wir selbst als langjährige Christen immer wieder unbewusst verschiedene Misskonzeptionen mit uns herumschleppen – und es lohnt sich, diese loszuwerden!

2. Was hält uns eigentlich von Veränderung in unserem Leben ab, wenn wir uns doch danach sehnen?

Meine These dazu lautet: Wir sind meist so beschäftigt, dass wir zu echter Veränderung einfach keine Zeit haben. Wer langfristige Veränderung sucht, wird sich mit der Frage nach seinem Lebenstempo auseinandersetzen müssen.

3. Wie erreichen wir dauerhaft ein Leben in der Nähe Gottes?

Hier geht es darum zu begreifen, dass wir in unserem Lebensalltag meistens viel mehr die Gottlosigkeit eingeübt haben als die Gegenwart Gottes. Und die Macht von lebenslangen Gewohnheiten brechen wir nicht durch Appelle oder gute Vorsätze, sondern nur durch neue Übungen und Gewohnheiten. Nun freue ich mich, wenn ich Sie auf Ihrer ganz persönlichen Reise mit dem Psalm 23 begleiten kann. Und ich hoffe, dass Sie auf diesem Weg viele Türen und Fenster in die Wirklichkeit des Reiches Gottes hinein entdecken und öffnen können.

Jörg Ahlbrecht

Oberweimar, den 15. Juni 2013

23Kapitel 1 

Beziehung oder System?

Was ist Glaube?

Das Christentum verliert an Kraft, wenn es sich zu sehr auf den Glauben stützt, statt nach dem Vorbild von Jesus zu leben oder die Welt mit seinen Augen zu sehen.

STEVE JOBS2

Ein Ehepaar kommt zu einem Therapeuten in die Sprechstunde und das Erste, was dem Therapeuten auffällt, ist, dass die Frau pausenlos redet.

„Also, wissen Sie, Herr Doktor, das Problem in unserer Ehe ist mein Mann. Ich sage immer, ‚Hans‘, sage ich immer, ‚Hans, lass doch nicht immer alles rumliegen!‘ Alles lässt er rumliegen, überall seine Sachen. Immer wieder sage ich, ‚Hans!‘, sage ich, ‚sei doch nicht so unordentlich!‘, aber was soll ich Ihnen sagen … der Hans hört nicht.“

Die Frau redet und redet. Währenddessen nehmen die beiden vor dem Tisch des Therapeuten Platz – sie redet weiter. Der Mann sitzt daneben und sagt nichts – wie sollte er auch.

Der Therapeut schaut sich das Treiben eine Zeit lang an, steht dann plötzlich auf – sie redet immer noch –, geht um seinen Tisch herum, reißt die Frau zu sich hoch und gibt ihr einen dicken Kuss, direkt auf den Mund! Schmatz!

Die Frau verstummt. Daraufhin dreht sich der Doktor zu dem Mann um und sagt: „Das braucht Ihre Frau dreimal die Woche!“

Der Mann schluckt, nickt und sagt dann: „Okay, dann bringe ich sie montags, mittwochs und freitags!“

Ich liebe diesen Witz und erzähle ihn bei meinen Vorträgen immer wieder gern, denn er macht einen grundlegenden Sachverhalt sehr deutlich: Es gibt einen Unterschied zwischen dem äußeren System und der inneren Beziehung.

Die beiden Menschen, die da zu dem Therapeuten kommen, haben ihre innere Beziehung zueinander verloren. Nach außen sind sie noch ein Paar. Sie leben noch zusammen. Sie essen noch zusammen. Sie schlafen noch … im gleichen Raum. Aber das, was eine Ehe eigentlich ausmacht, ist nicht mehr da. Die Liebe, die Faszination, das Kribbeln im Bauch und der Glanz in den Augen haben sich verabschiedet. Sie schlendern nicht mehr Hand in Hand durch die Innenstadt. Sie sehen sich nicht mehr lange und tief in die Augen. Sie genießen nicht mehr die Nähe des anderen bei Kerzenschein und leiser Musik.

Was von ihrer Ehe noch übrig ist, ist ein Stück der Hülle, der äußeren Form. Man kann es auch „System“ nennen. Die Form ist noch da, der Inhalt hat sich jedoch verabschiedet. Anstatt der Liebe ist ein System von Gewohnheiten zurückgeblieben, das ihr Zusammenleben ordnet.

Dasselbe Problem begegnet uns auch im Bereich des Glaubens. Glaube ist von seiner Substanz her nichts anderes als Beziehung. Er hat mit Liebe zu tun, mit Vertrauen, mit Leidenschaft. Wir haben es bei dem Gott, den die Bibel beschreibt, mit einem leidenschaftlichen Gott zu tun, der eine Beziehung zu seinen Menschen sucht. Daher geht es in der Substanz darum, dass wir uns als geliebte Wesen begreifen und wahrnehmen und im vertrauensvollen Wissen um einen liebenden Vater im Himmel mit seiner Unterstützung das Leben meistern. Mit seiner Hilfe, mit seinem Rat, mit seinem Beistand, mit seiner Hoffnung, seinem Frieden, seiner Freude, seiner Glaube ist in erster Linie Beziehung. Das liegt am Wesen Gottes.Geduld, Freundlichkeit, Güte, Sanftmut und Selbstbeherrschung3 – kurz mit all dem, was Gott in seiner Liebe für uns zur Verfügung stellen will.

Glaube ist in erster Linie Beziehung. Und das liegt am Wesen Gottes. Die Bibel beschreibt Gott als Vater, Sohn und Geist. Ein Wesen – aber drei Personen. Pluralität in Einheit. Gott ist in seinem Wesen Gemeinschaft, liebevolle Verbindung. Für Heiligkeit wäre nur eine Person erforderlich gewesen. Absolut rein, unantastbar, abgesondert, unendlich viel höher als wir – das kann Gott für sich allein sein. Aber wenn Gott in seiner Substanz Liebe sein soll (vgl. 1. Johannes 4,8), dann braucht es mehr als einen. Dann braucht es mindestens zwei – denn Liebe geht nur mit einem Gegenüber. Liebe braucht jemanden, der liebt, und jemanden, der geliebt wird. Es gibt keine Liebe ohne den anderen. Wenn Gott von seinem Wesen her Liebe ist, dann muss er mindestens zu zweit sein.

Doch wenn Gott Liebe in ihrer höchsten Form sein will – dann braucht