(... von der Brandung)

(...) Augen von der Brandung verschlungen. Der Kapitän ließ nun die Yölle aussetzen, welche er mit 3 Passagieren, 4 Offizieren, 6 Matrosen und mir bestieg. Trotz der furchtbaren Wogen und der Brandung gelang es uns vom Schiffe zu stoßen, welches, da wir uns kaum eine halbe Seemeile davon entfernt hatten von einer ungeheuren Welle zertrümmert wurde und unter einem gräßlichen Schrei, der mir jetzt noch in den Ohren gällt, versanken fast 400 Menschen in den furchtbaren Abgrund. Trotz des wütenden Sturmes erreichten wir glücklich das Ufer. Auf den Knien und mit Freudetränen in den Augen dankten wir Gott für unsre wunderbare Rettung und verfielen hierauf in einen sanften Schlaf aus dem wir erst spät am Tage erwachten. Beim Erwachen fanden wir uns von einem Trupp neugieriger Chinesen umgeben, welche gerührt über unser trauriges Schicksal, das wir ihnen erzählten, uns zu unterstützen und nach Kanton zu schaffen versprachen. Wir folgten ihnen hierauf in ein nahgelegnes Dorf, wo sie uns trefflich bewirteten, und traten am folgenden Tage mit zweien von ihnen unsre Reise nach Kanton an, wo wir auch nach einigen Tagen wohlbehalten ankamen. Wir wurden von den Faktoren der Handelscompagnie sehr gut aufgenommen und aufs beste unterstützt. Die Matrosen nahmen auf andern Schiffen Dienste und der Kapitän, die Offiziere und ich mieteten uns auf einem andern Schiffe ein um nach England zurückzukehren und der Handelscompagnie Bericht über das traurige Schicksal des Schiffs abzustatten.

Nimm o bester der Väter mit willigem Geist dies Geschenk an,
Zwar ist es klein und gering; doch beweis' dir's die dankbare Liebe,
Welche mein Herz für Dich hegt geliebtester Vater.
Möge Gott noch lang Dein teures Leben erhalten
Und Dich mit schützender Hand vor allem Unglück behüten.
Mög' er noch lange Dich im Kreise der Kinder und Freunde
Feiern lassen den Tag an dem die Welt Du erblicktest
Und durch die sorgende Hand der treuen Gattin und Kinder
Dir das Leben versüßen, für dessen Erhaltung ich flehe.

Gebadet in des Meeres blauer Flut
Erhebt aus purpurrotem Osten sich
Das prächtig-strahlende Gestirn des Tags;
Erweckt, gleich einem mächt'gen Zauberwort,
Das Leben der entschlafenen Natur,
Von der der Nebel wie ein Opferrauch
Empor zum unermeß'nen Äther steigt.
Der Berge Zinnen brennen in dem ersten Strahl
Von welchem, wie vom flammenden Altar
Der Rauch des finstren Waldgebirges wallt –
Und fernhin in des Ozean's Fluten weicht
Die Nacht. So stieg auch uns ein schöner Tag
Vom Äther, der noch oft mit frohem Strahl
Im leichten Tanz der Horen grüßen mag
Den frohen Kreis, der den Allmächt'gen Heut
Mit lautem Danke preist, da gnädig er,
Uns wieder feiern läßt den schönen Tag,
Der uns die beste aller Mütter gab.
Auch Heute wieder in der üppigsten
Gesundheit, Jugend-Fülle steht sie froh
Im frohen Kreis der Kinder, denen sie
Voll zarter Mutterlieb' ihr Leben weiht.
Oh', stieg noch oft ihr holder Genius
An diesem schönen Tag zu uns herab
Ihn schmückend mit dem holden Blumenpaar
Der Kindesliebe und Zufriedenheit! –

Ein kleines Weihnachtsgeschenk von G. Büchner für seine guten Eltern.

Die Nacht. 1828.

Niedersinkt des Tages goldner Wagen,
Und die stille Nacht schwebt leis' herauf,
Stillt mit sanfter Hand des Herzens Klagen,
Bringt uns Ruh' im schweren Lebenslauf.

Ruhe gießt sie in das Herz des Müden,
Der ermattet auf der Pilgerbahn,
Bringt ihm wieder seinen stillen Frieden,
Den des Schicksals rauhe Hand ihm nahm.

Ruhig schlummernd liegen alle Wesen,
Feiernd schließet sich das Heiligtum,
Tiefe Stille herrscht im weiten Reiche,
Alles schweigt im öden Kreis herum.

Und der Mond schwebt hoch am klaren Äther
Geußt sein sanftes Silberlicht herab;
Und die Sternlein funkeln in der Ferne
Schau'nd herab auf Leben und auf Grab.

Willkommen Mond, willkommen sanfter Bote
Der Ruhe in dem rauhen Erdental,
Verkündiger von Gottes Lieb' und Gnade,
Des Schirmers in Gefahr und Mühesal.

Willkommen Sterne, seid gegrüßt ihr Zeugen
Der Allmacht Gottes der die Welten lenkt,
Der unter allen Myriaden Wesen
Auch meiner voll von Lieb' und Gnade, denkt.

Ja heil'ger Gott Du bist der Herr der Welten
Du hast den Sonnenball emporgetürmt,
Hast den Planeten ihre Bahn bezeichnet,
Du bist es, der das All mit Allmacht schirmt.

Unendlicher, den keine Räume fassen,
Erhabener, den Keines Geist begreift,
Allgütiger, den alle Welten preisen,
Erbarmender, der Sündern Gnade beut!

Erlöse gnädig uns von allem Übel,
Vergib uns liebend jede Missetat,
Laß wandeln uns auf Deines Sohnes Wege,
Und siegen über Tod und über Grab.

Leise hinter düstrem Nachtgewölke
Tritt des Mondes Silberbild hervor,
Aus des Wiesentales feuchtem Grunde
Steigt der Abendnebel leicht empor.

Ruhig schlummernd liegen alle Wesen,
Feiernd schweigt des Waldes Sängerchor,
Nur aus stillem Haine, einsam klagend,
Tönet Philomeles Lied hervor.

Schweigend steht des Waldes düstre Fichte,
Süß entströmt der Nachtviole Duft,
Um die Blumen spielt des West-Winds Flügel
Leis hinstreichend durch die Abendluft.

Doch was dämmert durch der Tannen Dunkel
Blinkend in Selenens Silberschein?
Hoch auf hebt sich zwischen schroffen Felsen
Einsam ein verwittertes Gestein.

An der alten Mauer dunklen Zinnen
Rankt der Epheu üppig sich empor,
Aus des weiten Burghofs öder Mitte
Ragt ein ringsbemooster Turm hervor.

Fest noch trotzen alte Strebepfeiler;
Aufgetürmet wie zur Ewigkeit
Stehen sie und schau'n wie ernste Geister
Nieder auf der Welt Vergänglichkeit.

Still und ruhig ist's im öden Raume
Wie ein weites Grab streckt er sich hin;
Wo einst kräftige Geschlechter blühten
Nagt die Zeit jetzt, die Zerstörerin.

Durch der alten Säle düstre Hallen
Flattert jetzt die scheue Fledermaus,
Durch die ringszerfallnen Bogenfenster
Streicht der Nachtwind pfeifend ein und aus.

Auf dem hohen Söller wo die Laute
Schlagend einst die edle Jungfrau stand,
Krächzt der Uhu seine Totenlieder
Klebt sein Nest der Rabe an die Wand.

Alles Alles hat die Zeit verändert
Überall nagt ihr gefräß'ger Zahn,
Über Alles schwingt sie ihre Sense
Nichts ist was die schnelle hemmen kann.

Spott

Von der griechischen Paläographie

Gelehrte Dungkaute wenn ich mir all das Zeug in den Hirnkasten jagen wollt

Dunnerwetterkeil nochmal. Pelasgische Buchstaben!

Zu Lauterbach hast
du dein Strumpf verlorn
Ohne Strumpf du
kommst heim
Drum geh nur
wieder nach Lauterbach
Kauf dir zu dem
einen noch ein'
ein

O du gelehrte Bestie lambe me in podice.
's ist scheußlich. Horribile dictu.

O schaudervoll! höchst schaudervoll!

Gott sei gelobt, es ist das letztemal.

Hier ruht ein junges Öchselein
Dem Schreiner Ochs sein Söhnelein
Der liebe Gott hat nicht gewollt
Daß es ein Ochse werden sollt.
Drum nahm er es aus dieser Welt
Zu sich in's schöne Himmelszelt
Der Vater hat mit Vorbedacht
Kind, Sarg und Grabschrift selbst gemacht.

Grof Ewerhad der Graner von Wertemberg

Ehr – Ehr dort aßen in der Welt
Die Nose angeschpant!
Ag manche Mann, ag manche Held,
Im Fride gut, un stork im Feld
Gebor es Schwobeland.

Proltnor mit Kal u Edewad
Mit Fridrich, Ludwig!
Kal, Fridrich, Ludwig, Edewad
Es uns der Grof der Ewerhad
E Werrerstorm im Krieg.

Un ach sei Bub der Ullerich
Wor gern, wo's asern klong
Des Grofe Bub der Ullerich,
Ka Fußbrat ruckwerts zoger sich,
Wanns druf un drunner sprung.

Die Ratlinger uf unsern Glanz
Erberrert, kochte Gift,
Un bulte um de Sigerkranz
Un wogte manche Schwerd ertanz
Un gertete die Hift' –

Er greff se a – un sigte net
Un kom gepanscht noch Haas.
Der Vatter schnitt e falsch Gesicht.
Der junge Kriegsmann floh des Licht,
Un Trene drange raus.

Des wormt em – Ha! Ehr Schorke, wat
Un trugs in sanem Kopp.
Aswetze bei des Vatters Bat!
Aswetze wellt er diese Schat
An manche Städtlerschopp.

Un Fehd' entbrennte bald draf,
Un zoge Roß un Mann
Ba Deffinge in hellem Haf
Un heller gings em Junker af
Un hurrah! haß gings a.

Ag unsers Heres Losunswort
Wor die verlorne Schlacht:
Deß riß uns wie die Winnsbrat fort,
Un schmiß uns tief in Blut un Mord
Un in die Lanzenacht.

Der junge Grof voll Lewegrimm,
Schwung seine Heldestob,
Wild vor em gung des Ungestümm,
Gehal un Winsle hinner em
Un um an her des Grob.

Doch weh! ach weh! e Sabelhib
Sank schwer uf sei G'nick,
Schnell um en her de Helle Trieb,
Umsonst! Umsonst! erstarret blieb
Un sterwend brach sei Blick.

Besterzung hemmt des Sieges Bohn,
Laut greinte Feind un Frand –
Hoch fehrt der Grof die Reiter an!
Mei Suh is wi e anrer Mann Masch!
Kinner! in den Fand!

Un Lanze sase feiriger,
Die Rache spornnt se oll,
Rosch ewer Lage gung's doher,
Die Städtler lafen kreiz un quer
Dorch Wold un Berg un Tol.

Un zoge mer met Hernerklang
Ins Loger froh zurück,
Un Wab un Kinn im Rundgesang
Bam Wolzer un bam Becherklang.
Lustfayern onser Glück.

Doch onser Grof – wos tät er izt?
Vor em der tote Suhn.
Allan in sanem Zelte sitzt
Der Grof, un ane Trene blizt
Im Ag uf sanen Suhn.

Drum henge mer so tra un worm
Am Grofe, unserm Herrn
Allan is er e Helleschworm,
Der Dunner rost in sanem Orm
Er is es Lannes Stern.

Drum ehr dort aße in der Welt,
Die Nose angespannt
Ag manche Mann, ag manche Held,
Im Fride gut un stork im Feld,
Gebor es Schwobeland.

Von dem Nutzen der Münz-Kunde

Ich bin so fest von ihrem Nutzen überzeugt, daß ich es für höchst überflüssig halte, auch nur einen Grund hier aufzuschreiben, die Symptome, die ich zufolgende dieses Studiums an mir selbst bemerkt, sind unleugbar und die Langeweile und Abspannung, die eine Folge dieser höchst zu un( ) Wissenschaft war, genüge(n) schon hinlänglich in den Augen jedes tiefer in den Geist der Philologie eingedrungnen Philologen als der schlagendste Beweis für den Nutzen dieses Studiums. Ich muß daher wirklich, den H(errn) Dr. ersuchen mich mit allen fernern Erläuterungen zu verschonen. Scharfsinn, Verstand, gesunde Vernunft! lauter leere Namen; eine Dung-Kaute von Gelehrsamkeit, das allein würdige Ziel alles menschlichen Bestrebens!!!

Es ist vollbracht!
Der Trödel der mit tausendfachem Tand,
In dieser Mottenwelt mich dränget!

Endresultat dieses gepriesen Studiums!

G. Büchner.

Helden-Tod der vierhundert Pforzheimer

Schulaufsatz. 1829/1830

 

Für Tugend, Menschenrecht und Menschen-Freiheit sterben
Ist höchsterhabner Mut, ist Welterlöser-Tod,
Denn nur die göttlichsten der Helden-Menschen färben
Dafür den Panzer-Rock mit ihrem Herz-Blut rot.

Bürger

 

Erhaben ist es, den Menschen im Kampfe mit der Natur zu sehen, wenn er mit gewaltiger Kraft sich stemmt gegen die Wut der entfesselten Elemente und, vertrauend der Kraft seines Geistes nach seinem Willen die Kräfte der Natur zügelt.

Aber noch erhabner ist es den Menschen zu sehen im Kampfe mit seinem Schicksale, wenn er es wagt mit kühner Hand in die Speichen des Zeitrades zu greifen, wenn er an die Erreichung seines Zweckes sein Höchstes und sein Alles setzt. Wer nur einen Zweck und kein Ziel bei der Verfolgung desselben sich gesetzt hat, sondern das Höchste, das Leben daran wagt, gibt den Widerstand nie auf er siegt oder stirbt. Solche Männer waren es, die, wenn die ganze Welt feige ihren Nacken dem mächtig über sie hinrollenden Zeitrade beugte, kühn in die Speichen desselben griffen und es entweder in seinem Umschwunge mit gewaltiger Hand zurückschnellten oder von seinem Gewichte zermalmt einen rühmlichen Tod fanden, d. h. mit dem kleinen Reste des Lebens sich Unsterblichkeit erkauften. Solche Männer waren es, die ganze Nationen in ihrem Fluge mit sich fortrissen und aus ihrem Schlafe rüttelten, zu deren Füßen die Welt zitterte, vor welchen die Tyrannen bebten. Solche Männer, welche unter den Millionen, die gleich Würmern aus dem Schoß der Erde kriechen, ewig am Staube kleben und wie Staub vergehn und vergessen werden, sich zu erheben, sich Unvergänglichkeit zu erkämpfen wagten, solche Männer sind es, die wie Meteore in der Geschichte aus dem Dunkel des menschlichen Elends und Verderbens hervorstrahlen. Solche Männer zeugte Sparta, solche Rom. Doch wir haben nicht nötig die Vorwelt um sie zu beneiden, wir haben nicht nötig sie wie die Wunder einer längstvergangnen Helden-Zeit zu betrachten, nein, auch unsre Zeit kann mit der Vorwelt in die Schranken treten, auch sie zeugte Männer, die mit einem Leonidas, Cocles, Scävola und Brutus um den Lorbeer ringen können. Ich habe nicht nötig um solche Männer anzuführen auf die Zeiten Karls des Großen, oder der Hohenstaufen, oder der Freiheits-Kämpfe der Schweizer zurückzugehen, ich brauche mein Augenmerk nur auf den Kampf zu richten, der noch vor wenig Jahren die Welt erschütterte, der die (Menschheit) in ihrer Entwickelung um mehr denn ein Jahrhundert in gewaltigem Schwunge vorwärtsbrachte, der in blutigem aber gerechtem Vertilgungs-Kampfe die Greuel rächte, die Jahrhunderte hindurch schändliche Despoten an der leidenden Menschheit verübte(n), der mit dem Sonnen-Blicke der Freiheit den Nebel erhellte, der schwer über Europas Völkern lag und ihnen zeigte, daß die Vorsehung sie nicht zum Spiel der Willkür von Despoten bestimmt habe. Ich meine den Freiheits-Kampf der Franken; Tugenden entwickelten sich in ihm, wie sie Rom und Sparta kaum aufzuweisen haben und Taten geschahen, die nach Jahrhunderten noch Tausende zur Nachahmung begeistern können. Tausende solcher Helden könnte ich nennen, doch es genügt allein der Name eines L'Atour d'Auvergne, der wie ein Riesenbild in unsrer Zeit dasteht, hunderte solcher Taten könnte ich anführen, doch nur eine und die Thermopylen hören auf die einzigen Zeugen einer großen Tat zu sein.

Als die Franken unter Dumouriez den größten Teil von Holland mit der Republik vereinigt hatten, lief die vereinigte Flotte der Holländer und Franzosen gegen die Engländer aus, die mit einer bedeutenden Seemacht die Küsten Hollands blockierten. An der Küste von Nordholland treffen die feindlichen Flotten aufeinander, ein verzweifelter Kampf beginnt, die Franken und Holländer kämpfen wie Helden, endlich unterliegen sie der Übermacht und der Geschicklichkeit ihrer Feinde. In diesem Augenblick wird der Vainqueur, eins der Holländischen Schiffe, von drei feindlichen zugleich angegriffen und zur Übergabe aufgefordert. Stolz weist die kühne Mannschaft, obgleich das Schiff schon sehr beschädigt ist, den Antrag ab und rüstet sich zum Kampf auf Leben und Tod. Mit erneuerter Wut beginnt das Gefecht, das Feuer der Engländer bringt bald das der Franken zum Schweigen. Noch einmal wird der Vainqueur zur Übergabe aufgefordert, doch den Franken ist ein freier Tod lieber als ein sklavisches Leben, sie wollen nicht Leben, sie wollen Unsterblichkeit. Mit letztem Ruck feuern sie auf die Feinde, schwenken noch einmal die Banner der Republik und versenken sich mit dem Ruf: es lebe die Freiheit! in den unermeßlichen Abgrund des Meeres. Kein Denkmal bezeichnet den Ort wo sie starben, ihre Gebeine modern auf dem Grunde des Meeres, sie hat kein Dichter besungen, kein Redner gefeiert, doch der Genius der Freiheit weint über ihrem Grabe und die Nachwelt staunt ob ihrer Größe.

Doch warum greife ich denn nach außen um solche Männer zu suchen, warum beachte ich denn nur das Entfernte, warum nicht das, was mir am nächsten liegt? Sollte denn mein Vaterland, sollte denn Teutschland allein nicht Helden zeugen können?

Nein, mein Vaterland ich habe nicht nötig mich deiner zu schämen, mit Stolz kann ich rufen ich bin Teutscher, ich kann mit dem Franken, dem Römer und Sparter in die Schranken treten, mit freudigem Selbstbewußtsein kann ich die Reihe meiner Ahnen überblicken und ihnen zujauchzen: seht, wer ist größer denn sie? Die Griechen kämpften ihren Heldenkampf gegen die Gesamtmacht Asiens, die Römer triumphierten über den Trümmern Karthagos, die Franken erkämpften Europas politische Freiheit, aber die Teutschen kämpften den schönsten Kampf, sie kämpften für Glaubens-Freiheit, sie kämpften für das Licht (der) Aufklärung, sie kämpften für das, was dem Menschen das Höchste und heiligste ist. Dieser Kampf war der erste Akt, des großen Kampfes, den die Menschheit gegen ihre Unterdrücker kämpft, so wie die Französische Revolution der zweite war; sowie einmal der Gedanke in keine Fesseln mehr geschlagen war, erkannte die Menschheit ihre Rechte und ihren Wert und alle Verbesserungen, die wir jetzt genießen sind die Folgen der Reformation, ohne welche die Welt eine ganz andre Gestalt würde erhalten haben, ohne welche, wo jetzt das Licht der Aufklärung strahlt, ewiges Dunkel herrschen würde, ohne welche das Menschen-Geschlecht, das sich jetzt zu immer freieren, zu immer erhabneren Gedanken erhebt, dem Tiere gleich, seiner Menschen-Würde verlustig sein würde.

Auf diesen Kampf kann ich mit Stolz blicken, von Teutschland ging durch ihn das Heil der Menschheit aus, er zeugte Helden, von deren Taten eine allein alle Taten des Altertums aufwiegt und der nur ein tausendjähriges Alter fehlt um von allen Zungen gepriesen zu werden. – In den ersten Jahren des dreißigjährigen Krieges, als nach der Schlacht am weißen Berge bei Prag, alle mächtigen Teutschen Fürsten, besorgt für ihre Existenz, treulos die Sache der Protestanten verließen, waren es nur noch die kleineren Fürsten Teutschlands, die von einem höheren Gefühle geleitet ihr Leben und ihre Länder opferten um für Glauben und Freiheit ihr Blut zu versprützen. Unter ihnen ragt als das Muster eines Fürsten, Markgraf Friedrich von Baden hervor, gehorsam dem Rufe der Ehre und Pflicht riß er sich aus den Armen der Ruhe, übergab die Regierung seines Landes seinem Sohne und vereinigte sich an der Spitze von 20,000 Badensern mit dem Heerhaufen des Grafen von Mansfeld. Ohne zu zaudern rückte das vereinigte Heer den Liguistischen entgegen, die unter Tilly in der Ober-Pfalz standen. Bei Wimpfen treffen sich die feindlichen Heere, die Badenser werfen sich, obgleich sie in wiederholten Gefechten einige Tage zuvor schon bedeutenden Verlust erlitten haben, mutig auf den ihnen weit überlegnen Feind. Ein blutiges Treffen beginnt, hier kämpft Fanatismus, dort die geläuterte Begeistrung für die heiligsten Rechte der Menschheit, Wut ringt mit Tapferkeit, Taktik mit Helden-Mut. Doch was verma(g) die Übermacht, was Feldherrnkunst, was vermögen feile Söldner und wahnsinnige Fanatiker, gegen Männer, die mit ihren Leibern ihr Vaterland decken, die entschlossen sind zu siegen oder zu sterben? An einem solchen Bollwerk brechen sich Tillys mordgewohnte Banden, ihre Schlachtreihn wanken und sinken unter dem Schwerte ihrer erbitterten Gegner. Schon lächelt der Sieg den kühnen Helden des Glaubens und der Freiheit, schon wähnt sich Friedrich die Helden-Schläfe mit dem blutigen dem Sieger von mehr den(n) zwanzig Schlachten entrissenen Lorbeer schmücken zu können. Doch einem größeren war dieser Lorbeer aufbehalten, ein größerer sollte Teutschland befreien, sollte die Menschheit rächen, noch sollte die Furie des Fanatismus, Teutschlands blühende Gauen verwüsten, noch einmal sollte Tillys finstrer Dämon siegen. Ein furchtbarer Donnerschlag vernichtet mit einmal die schönsten Hoffnungen, verfinstert wieder den rosigen Schimmer von Freiheit, der über Teutschlands Gefilden aufzublühen schien und zersplittert in den Händen der Sieger das blutige Rachschwert. Wie vom Blitzstrahl getroffen entzünden sich Friedrichs Pulverwagen, der Himmel verfinstert sich, die Erde bebt und von der furchtbaren Kraft des entfesselten Elementes zerschmettert brechen sich die Schlachtreihn der Badenser. In die Lücken stürzt sich der ermutigte Feind, er glaubt der Himmel streite für ihn, er glaubt ein Strafgericht Gottes zu sehen und würgt in fanatischer Wut die zerstreuten und fliehenden Haufen der Feinde. Vergebens sucht Friedrich die Seinigen wieder zu sammeln, vergebens erfüllt er zu gleicher Zeit die Pflichten des Feldherren und des Soldaten, vergebens stürzt er sich selbst dem andringenden Feinde entgegen. Von der Übermacht gedrängt muß er endlich weichen und das blutige Schlacht-Feld seinem glücklichen Gegner überlassen. Doch wohin soll er sich wenden? Schon ist er von allen Seiten umringt, schon überwältigt der Feind den letzten schwachen Widerstand, den ihm die Überreste des fliehenden Heeres entgegenstellen, und sein Untergang scheint unvermeidlich. Da werfen sich vierhundert Pforzheimer, an der Spitze ihren Bürgermeister Deimling dem Feinde entgegen, mit ihren Leibern decken sie, ein unerschütterliches Bollwerk, ihren Fürsten und ihre Landsleute. Vergebens bietet ihnen Tilly, betroffen von solcher Kühnheit und Seelengröße eine ehrenvolle Kapitulation an. Tausende stürmt der erbitterte Feind gegen das heldenkühne Häuflein, doch tausende brechen sich an der ehernen Mauer. Unerschütterlich stehen die Pforzheimer, kein(e) Wut, keine Verzweiflung nur hohe Begeistrung und Todesverachtung malt sich in ihren Zügen. Unablässig stürmt der Feind seine Schlachthaufen heran; doch das Vaterland steht auf dem Spiele, Freiheit oder Knechtschaft ist die große Wahl, keiner weicht, keiner wankt, wie Löwen streiten sie von ihren Leichenhügeln herab, Mauern sind ihre Reihen, ein Turm jeder Mann, ein Bollwerk von Leichen umgibt sie. Endlich von allen Seiten angegriffen, erdrückt von der Übermacht, sinken sie Mann an Mann unter Hügeln erschlagner Feinde nieder und winden sich sterbend die unvergängliche Lorbeer-Krone des Siegers und die unsterbliche Palme des Martyre(r)s um die Heldenschläfe.

Wollen wir eine solche Tat beurteilen, wollen wir sie gehörig würdigen und auffassen, so dürfen wir nicht die Wirkung allein, nicht die bloße Tat berücksichtigen, sondern wir müssen hauptsächlich unser Augenmerk auf die Motiven und die Umstände richten, welche eine solche Tat bewirkten, begleiteten und bestimmten. Sie sind die einzige Richtschnur, nach der man die Handlungen der Menschen messen und wägen kann. Nach der Wirkung aber und nach den Folgen, kann man nichts beurteilen, denn jene ist oft die nämliche, diese sind oft zufällig. Wenn man nun von diesem Gesichtspunkte aus die Aufopferung der Pforzheimer betrachtet, so wird man finden, daß es sehr wenige, vielleicht auch gar keine Tat gibt, welche sich mit der der Pforzheimer messen könnte. Tausende bluteten freilich schon für ihr Vaterland, tausende opferten schon freudig das Leben für Rechte und Menschenfreiheit, aber keinen wird man unter diesen Tausenden finden, dessen Aufopferung an und für sich selbst so groß, so erhaben sei als die der Pforzheimer. Sie trieb nicht Wut nicht Verzweiflung zum Kampf auf Leben (und) Tod, (dies sind zwei Motive die den Menschen statt ihn zu erheben zum Tiere erniedrigen;) sie wußten, was sie taten, sie kannten das Los dem sie entgegengingen und sie nahmen es hin wie Männer und starben kalt und ruhig den Helden-Tod. Doch dies ist das Geringste, was ihre Tat so sehr von allen übrigen hervorhebt, die vierhundert Römer, die dreihundert Sparter opferten sich eben so kalt und ruhig. Aber die Römer, die Sparter waren von Helden gezeugt, waren zu Helden erzogen, kannten nur einen Zweck, nur ein Ziel – ihr Vaterland, ihre ganze Erziehung war nur die Vorbereitung zu einer solchen Tat. Doch wer waren die Pforzheimer?

Einfache ruhige Bürger eilten sie aus den Armen der Ruhe auf das blutige Schlachtfeld, nicht gewohnt dem Tod in das Auge zu sehen, noch nicht vertraut mit dem hohen Gedanken der Aufopferung für das Vaterland. Ihre Tapferkeit war nicht Gewohnheit, ihre Aufopferung war nicht die Frucht des Gehorsams, sie war die Frucht der höchsten Begeistrung für das, was sie als wahr und heilig erkannt hatten. Ihnen drohte nicht Schmach nicht Schande, wenn sie sich dem Tode entzogen, ihnen traten nicht die strafenden Gesetze des Vaterlandes entgegen. Sie hatten freie Wahl, und sie wählten den Tod.

Dies ist das große, dies das erhabne an ih(r)er Tat; dies zeugt von einem Adel der Gesinnung, der weit erhaben ist über die niedrige Sphäre des Alltagsmenschen, dem sein Selbst das Höchste ist, sein Wohlsein der einzige Zweck, der jedes höheren Gefühls unfähig und verlustig der wahren Menschen-Würde, (seine) Vernunft nur gebrauch(t) um tierischer als das Tier zu sein. Dieser schändliche Egoismus ist eins der charakteristischen Kennzeichen der damaligen Zeit. Um so vielmehr sind daher die Pforzheimer zu bewundern, denn sie erhoben sich, indem der Gedanke und die Idee einer solchen Tat ganz eigentümlich aus ihnen selbst entsprang, zugleich über ihre Nation und über ihr Zeitalter. Wie groß wie erhaben sind aber noch überdies die Zwecke für welche sie starben, sie allein könnten schon auch ohne die angeführten Umstände, dieser Tat das Siegel der Unsterblichkeit aufdrücken. Dem Vaterland gaben sie den Vater wieder, mit ihrem Blute erkauften sie sein Leben, diese Tat war groß, doch nicht beispiellos; sie warfen sich gleich einer ehernen Mauer zwischen den Feind und ihre Lands-Leute und deckten mit ihren Leibern ihren Rückzug, dies(e) Tat zeugt von hohem Seelen-Adel, aber schon Tausende taten dasselbe; sie opferten sich für Glaubens-Freiheit, das heiligste Recht der Menschheit. Der Himmel war es und nach ihrer Meinung, die ewige Glückseligkeit, für welche sie willig starben. Aber welche irdische Gewalt hätte denn auch in das innere Heiligtum ihres Gemütes eindringen und den Glauben, der ihnen ja einmal aufgegangen war und auf den allein sie ihrer Seligkeit Hoffnung gründeten, darin austilgen können? Also auch ihre Seligkeit war es nicht für die sie kämpften, dieser waren sie schon versichert. Die Seligkeit ihrer Kinder, ihrer noch ungebornen Enkel und Nachkommen war es; auch diese sollten auferzogen werden in derselben Lehre, die ihnen als allein heilbringend erschienen war, auch diese sollten teilhaftig werden des Heils, das für sie angebrochen war. Diese Hoffnung allein war es, welche durch den Feind bedroht wurde, für sie, für eine Ordnung der Dinge, die lange nach ihrem Tode über ihren Gräbern blühen sollte versprützten sie mit Freudigkeit ihr Blut. Bekennen wir auch gerne, daß ihr Glaubensbekenntnis nicht das einzige und ausschließliche Mittel war des Himmels jenseits des Grabes teilhaftig zu werden; so ist doch dies ewig wahr, daß mehr Himmel diesseits des Grabes, ein mutigeres und fröhlicheres Emporblicken von der Erde und eine freiere Regung des Geistes durch ihre Aufopferung in alles Leben der Folgezeit gekommen ist und die Nachkommen ihrer Gegner sowohl, als wir selbst ihre Nachkommen, die Früchte ihrer Mühen bis auf diesen Tag genießen. So also starben sie nicht einmal für ihren eignen Glauben, nicht für sich selbst, sondern sie bluteten für die Nachwelt.

Dies ist der erhabenste Gedanke für den man sich opfern kann dies ist Welt-Erlöser-Tod. Ja ihr Deimling, ihr Mayer, ihr Schober, ihr Helden, ein unvergängliches Denkmal habt ihr euch im Herzen aller Edlen erbaut, ein Denkmal, das über Tod und Verwesung triumphiert, das unbewegt steht im flutenden Strome der Ewigkeit. Eure Gebeine deckt nicht Marmor, nicht Erz, kein Denkmal bezeichnet den Ort, wo ihr starbt, vergessen hat euch euer undankbares Vaterland, die Gegenwart kennt euch nicht, aber die Bewundrung der Nachwelt wird euch rächen. Zu eurem Grabe rufe ich alle Völker des Erdbodens, rufe ich Vorwelt und Gegenwart, herzutreten und (zu) zeigen eine Tat, die größer, die erhabner ist, und sie müssen verstummen, und Teutschland wird es allein sein, das solche Männer zeugte, und einzig unerreicht prangt eure Tat mit unauslöschlichen Zügen in den Büchern der Weltgeschichte. –

Doch nicht dieser freudige Stolz auf meine Ahnen allein, bewegt mich an ihrem Grabe, auch ein tiefer Schmerz erfaßt mich bei ihrem Andenken. Nicht ihnen gilt dieser Schmerz, es wäre ja Torheit über solchen Tod zu klagen, nur glücklich sind die zu preisen, welchen ein solches Los zu Teil ward, denn sie haben sich das Höchste, haben sich Unsterblichkeit erkämpft. Ich kann nicht weinen an ihrem Grabe, ich kann sie nur beneiden. Nicht ihnen gilt mein Schmerz, mein Schmerz gilt meinem Vaterlande.

O über euch Teutsche! In euren Gauen geschah die schönste, die herrlichste Tat, eine Tat, welche die ganze Nation adelt, eine Tat, deren Früchte ihr noch genießt, und vergessen habt ihr die Helden, die solches ausführten, die sich für Euch dem Tode weihten. Das Fremde staunt ihr an in kalter Bewundrung, während ihr aus dem Busen eures Vaterlandes glühende Begeistrung für alles Edle saugen könntet. Am toten Buchstaben der Fremden klebt ihr, doch ihr Geist ist ferne von euch, denn sonst würdet ihr wissen, was ihr eurem Vaterlande schuldig seid. Eine Nation seid ihr, an der sich noch Jahrhunderte die Völker bilden könnten und ihr werft eure Nationalbildung d. h. eure geistige Selbstständigkeit hin um kindisch zu werden. O Teutschland, Teutschland den Stab wirfst du von dir, der dich stützen und leiten könnte für fremden Tand, an den Brüsten der fremden Buhlerin nährst du dich und ziehst schleichendes Gift in deine Adern, während du frische, kräftige Lebens-Milch saugen könntest aus deinem Busen. Du hast nicht mehr gegen Außen zu streiten, deine Freiheit ist gegen alle Anforderungen gesichert. Keines von jenen reißenden Raubtieren, die brüllend in der Welt umherirren um die anerschaffnen Rechtsame eines freien Volkes zu verschlingen, droht dir. Aber Teutschland darum bist du doch nicht frei; dein Geist liegt in Fesseln, du verlierst deine Nationalität, und so wie du jetzt Sklavin des Fremden bist, so wirst du auch bald Sklavin der Fremden werden.

Doch ich höre schon antworten, wie? sieh doch hin, einer schönen Ordnung stehen alle Staaten, gleichmäßig sind alle Rechte abgewogen, Friede und Wohlstand blüht in unsren Gefilden; sind wir nicht glücklich?

O, ihr Toren trägen Herzens den Ruf von vierthalbtausend Jahren zu fassen! Blickt doch in das große Buch der Weltgeschichte, das offen vor euch liegt, blickt doch hin und antwortet noch einmal, sind wir nicht glücklich? Was ist denn das, was die Staaten vom Gipfel ihr(er) Größe herabwirft? Der Verlust ihrer geistigen Selbstständigkeit ist es. Denn so wie ein Volk sich einmal über dem Fremden vergißt, so wie es seinen Nationalcharakter, das Band das es knüpft und zusammenhält, (verleugnet,) so wie es einmal in geistiger Bildung der Sklav eines andern wird, so geht auch leicht die politische Freiheit unter, auf die ihr stolz jetzt pocht, so trägt es den Keim des Verderbens in sich und wird, ein leeres Schatten-Bild die Beute jedes feindlichen Zufalls; versunken und vergessen geht es unter und steht mit Verachtung gebrandmarkt vor den Augen der strengrichtenden Nachwelt. Dies Teutsche, dies wird euer Los sein; wenn ihr euch jetzt (nicht) zu neuem, kräftigen Leben wieder erhebt, wenn ihr nicht bald wieder anfangt Teutsche zu werden, wenn ihr euch (nicht) eure Nationalität, rein und geläutert von allem Fremden wieder erwerbt, werden eure Nachkommen sich eures gebrandmarkten Namens schämen und untergehen werdet ihr ein Spott der Nachwelt und der Gegenwart. –

Denket, daß in meine Stimme sich mischen die Stimmen eurer Ahnen aus der grauen Vorwelt, die mit ihren Leibern sich entgegengestemmt haben der heranströmenden Römischen Weltherrschaft, die mit ihrem Blute erkauft haben die Unabhängigkeit der Berge, Ebnen und Ströme. Sie rufen euch zu: vertretet und überliefert unser Andenken eben so ehrenvoll und unbescholten der Nachwelt, wie es auf euch gekommen und wie ihr euch dessen und der Abstammung von uns gerühmt habt. Auch mischen sich in ihre Stimmen die Geister eurer spätem Vorfahren, die da fielen im heiligen Kampfe für Religions und Glaubens-Freiheit. Rettet auch unsre Ehre, rufen sie euch zu, laßt unsre Kämpfe nicht zum eitlen vorüberrauschenden Possenspiele werden, zeigt, daß das Blut, was wir für euch versprützten, in euren Adern wallt. Es mischen sich in diese Stimmen, die Stimmen eurer noch ungebornen Nachkommen.

Wollt ihr die Kette zerreißen lassen, rufen sie euch zu, die euch an eure Ahnen binde(t), wollt ihr das Andenken eurer Vorfahren, das ihr rein und makellos erhalten habt, besudelt und befleckt uns überliefern, wollt ihr uns die Nachkommen freier Männer zu Sklaven werden lassen? Teutsche! die Waage hängt, in jener Schale liegt, was eure Vorfahren an dem Römer verachtet und an seinen Cäsaren gehaßt, in dieser das ehrwürdige Kleinod eurer biedern Vorältern, die durch so mancher Helden Blut im Laufe achtzehn stürmischer Jahrhunderte gegründete, behauptete, befestigte Nationalität und Selbstständigkeit. Dort liegt Gold neben Fesseln, hier der seltne Ruhm zugleich die stärkste und beste Nation zu sein, Wählet. –

Über den Traum eines Arcadiers

Schulaufsatz. 1929-1930

Durch die ganze Geschichte finden wir im Leben jedes Volkes die deutlichsten Spuren von einem Wunder-Glauben, der noch jetzt nicht erloschen de(n) gebildeten Europäer und den rohen Wilden befängt. Wollten wir dieses innere Gefühl uns als Aberglauben darstellen, wollten wir es nur als ein leeres Spiel der Phantasie abschütteln, so würden wir frech ein geistiges Band zerreißen, das uns gemeinsam mit allen Erdbewohnern umschlingt, ein Gefühl, das uns alle an die Mutterbrust der Natur drückt.

Der rohe Mensch sieht Wunder in den ewigen Phänomenen(en) der Natur, er sieht aber auch Wunder in außergewöhnlichen Fällen des Alltaglebens, für beide schafft er sich seine Götter, der Gebildete sieht in den Wundern erstrer Art nur die Wirkungen der unerforschten, unbegriffnen Naturkräfte, aber auch sie sind ihm Wunder, solange das blöde Auge des Sterblichen nicht hinter den Vorhang blicken kann, der das Geistige vom Körperlichen scheidet, auch sie weisen ihn zurück auf ein Urprinzip, ein(en) Inbegriff alles Bestehenden auf die Natur. Von diesem Standpunkte aus will ich jetzt so weit es in meinen Kräften steht eine Tatsache zu beurteiln suchen, die vom grauen Altertum an bis jetzt noch Niemand ganz erklärt, ganz aufgehellt hat und Niem(an)d vielleicht ganz aufhellen wird.

Zwei durch wechselseitige Liebe aufs innigste verbundne Arkadier, so erzählt man, machten eine Reise; bei ihrer Ankunft (in) Megara kehrte der eine bei einer Herberge, der andre bei einem Gastfreu(n)de ein. Im Traum nun erschien dem letzteren sein Freund, der ihn um Hülfe flehte, weil sein Wirt ihn ermorden wolle. Erschreckt sprang er auf, sammelte sich aber und da er das Ganze für eine Täuschung des Traums hielt schlief er wieder ein. Da erschien ihm sein Freund zum zweitenmale, mit Blut bedeckt machte er ihm Vorwürfe und erzählte ihm, sein Wirt habe ihn ermordet, auf einen mit Mist beladnen Wagen geworfen um die Leiche auf diese Art aus der Stadt zu schaffen.

Kato von Utika

Rede in der Schule. 1830

Groß und erhaben ist es, den Menschen im Kampfe mit der Natur zu sehen, wenn er gewaltig sich stemmt gegen die Wut der entfesselten Elemente und, vertrauend der Kraft seines Geistes, nach seinem Willen die rohen Kräfte der Natur zügelt. Aber noch erhabner ist es, den Menschen zu sehen im Kampfe mit seinem Schicksale, wenn er es wagt einzugreifen in den Gang der Weltgeschichte, wenn er an die Erreichung seines Zwecks sein Höchstes, sein Alles setzt. Wer nur einen Zweck und kein Ziel bei der Verfolgung desselben sich vorgesteckt, gibt den Widerstand nie auf, er siegt, – oder stirbt. Solche Männer waren es, welche, wenn die ganze Welt feige ihren Nacken dem mächtig über sie hinrollenden Zeitrade beugte, kühn in die Speichen desselben griffen, und es entweder in seinem Umschwunge mit gewaltiger Hand zurückschnellten, oder von seinem Gewichte zermalmt einen rühmlichen Tod fanden, d. h. sich mit dem Reste des Lebens Unsterblichkeit erkauften. Solche Männer, die unter den Millionen, welche aus dem Schoß der Erde kriechen, ewig am Staube kleben und wie Staub vergehn und vergessen werden, sich zu erheben, sich Unvergänglichkeit zu erkämpfen wagten, solche Männer sind es, die gleich Meteoren aus dem Dunkel des menschlichen Elends und Verderbens hervorstrahlen. Sie durchkreuzen wie Kometen die Bahn der Jahrhunderte; so wenig die Sternkunde den Einfluß der einen, ebenso wenig kann die Politik den der andern berechnen. In ihrem exzentrischen Laufe scheinen sie nur Irrbahnen zu beschreiben, bis die großen Wirkungen dieser Phänomene beweisen, daß ihre Erscheinung lange vorher durch jene Vorsehung angeordnet war, deren Gesetze eben so unerforschlich, als unabänderlich sind. –

Jedes Zeitalter kann uns Beispiele solcher Männer aufweisen, doch alle waren von jeher der verschiedenartigsten Beurteilung unterworfen. Die Ursache hiervon ist, daß jede Zeit ihren Maßstab an die Helden der Gegenwart oder Vergangenheit legt, daß sie nicht richtet nach dem eigentlichen Werte dieser Männer, sondern daß ihre Auffassung und Beurteilung derselben stets bestimmt und unterschieden ist durch die Stufe, auf der sie selbst steht. Wie fehlerhaft eine solche Beurteilung sei, wird Niemande(m) entgehen: für einen Riesen paßt nicht das Maß eines Zwergs; eine kleine Zeit darf nicht einen Mann beurteilen wollen, von dem sie nicht einen Gedanken fassen und ertragen könnte. Wer will dem Adler die Bahn vorschreiben, wenn er die Schwingen entfaltet und stürmischen Flug's sich zu den Sternen erhebt? Wer will die zerknickten Blumen zählen, wenn der Sturm über die Erde braust und die Nebel zerreißt, die dumpfbrütend über dem Leben liegen? Wer will nach den Meinungen und Motiven eines Kindes wägen und verdammen, wenn Ungeheures geschieht, wo es sich um Ungeheures handelt? Die Lehre dieser Beobachtung ist: man darf die Ereignisse und ihre Wirkungen nicht beurteilen, wie sie äußerlich sich darstellen, sondern man muß ihren innern tiefen Sinn zu ergründen suchen, und dann wird man das Wahre finden. –

Ich glaubte erst dieses vorausschicken zu müssen, um bei der Behandlung eines so schwierigen Themas zu zeigen, von welchem Standpunkte man bei der Beurteilung eines Mannes, bei der Beurteilung eines alten Römers ausgehen müsse, um zu beweisen, daß man (an) einen Kato nicht den Maßstab unsrer Zeit anlegen, daß man seine Tat nicht nach neueren Grundsätzen und Ansichten beurteilen könne.

Man hört so oft behaupten: subjektiv ist Kato zu rechtfertigen, objektiv zu verdammen d. h. von unserm, vom christlichen Standpunkte aus ist Kato ein Verbrecher, von seinem eignen aus ein Held. Wie man aber diesen christlichen Standpunkt hier anwenden könne, ist mir immer ein Rätsel geblieben. Es ist ja doch ein ganz eigner Gedanke, einen alten Römer nach dem Katechismus kritisieren zu wollen! Denn da man die Handlung en eines Mannes nur dann zu beurteilen vermag, wenn man sie mit seinem Charakter, seinen Grundsätzen und seiner Zeit zusammenstellt, so ist nur ein Standpunkt und zwar der subjektive zu billigen und jeder andre, zumal in diesem Falle der christliche, gänzlich zu verwerfen. So wenig als Kato Christ war, so wenig kann man die christlichen Grundsätze auf ihn anwenden wollen; er ist nur als Römer und Stoiker zu betrachten. Diesem Grundsatze gemäß werde ich alle Einwürfe, wie z. B. »es ist nicht erlaubt sich das Leben zu nehmen, das man sich nicht selbst gegeben«, oder »der Selbstmord ist ein Eingriff in die Rechte Gottes« ganz und gar nicht berücksichtigen und nur die zu widerlegen suchen, welche man Kato vom Standpunkte des Römers aus machen könnte, wobei es notwendig ist, vorerst eine kurze, aber getreue Schilderung seines Charakters und seiner Grundsätze zu entwerfen. –

Kato war einer der untadelhaftesten Männer, den die Geschichte uns zeigt. Er war streng, aber nicht grausam; er war bereit, Andern viel größere Fehler zu verzeihen, als sich selbst. Sein Stolz und seine Härte waren mehr die Wirkung seiner Grundsätze, als seines Temperaments. Voll unerschütterlicher Tugend, wollte er lieber tugendhaft sein, als scheinen. Gerecht gegen Fremde, begeistert für sein Vaterland, nur das Wohl seiner Mitbürger, nicht ihre Gunst beachtend, erwarb er sich um so größren Ruhm, je weniger er ihn begehrte. Seine große Seele faßte ganz die großen Gedanken: Vaterland, Ehre und Freiheit. Sein verzweifelter Kampf gegen Cäsar war die Folge seiner reinsten Überzeugung, sein Leben und sein Tod den Grundsätzen der Stoiker gemäß, die da behaupteten:

»Die Tugend sei die wahre, von Lohn und Strafe ganz unabhängige Harmonie des Menschen mit sich selbst, die durch die Herrschaft über die Leidenschaften erlangt werde; diese Tugend setze die höchste innre Ruhe und Erhabenheit über die Affektionen sinnlicher Lust und Unlust voraus; sie mache den Weisen nicht gefühllos, aber unverwundbar und gebe ihm eine Herrschaft über sein Leben, die auch den Selbstmord erlaube.«

Solche Gefühle und Grundsätze in der Brust, stand Kato da, wie ein Gigant unter Pygmäen, wie ein Heros einer untergegangnen Heldenzeit, wie ein Riesenbau, erhaben über seine Zeit, erhaben selbst über menschliche Größe. Nur ein Mann stand ihm gegenüber. Er war Julius Cäsar. Beide waren gleich an Geisteskräften, gleich an Macht und Ansehn, aber beide ganz verschiednen Charakters. Kato der letzte Römer, Cäsar nichts mehr als ein glücklicher Katilina; Kato groß durch sich selbst, Cäsar groß durch sein Glück, mit dem größten Verbrechen geadelt durch den Preis seines Verbrechens. Für zwei solcher Männer war der Erdkreis zu eng. Einer mußte fallen, und Kato fiel, nicht als ein Opfer der Überlegenheit Cäsars, sondern seiner verdorbenen Zeit. Anderthalbe hundert Jahre zuvor hätte kein Cäsar gesiegt. –

Nach Cäsars Siege bei Thapsus hatte Kato die Hoffnung seines Lebens verloren; nur von wenigen Freunden begleitet begab er sich nach Utika, wo er noch die letzten Anstrengungen machte, die Bürger für die Sache der Freiheit zu gewinnen. Doch als er sah, daß in ihnen nur Sklavenseelen wohnten, als Rom von seinem Herzen sich losriß, als er nirgends mehr ein Asyl fand für die Göttin seines Lebens, da hielt er es für das Einzigwürdige, durch einen besonnenen Tod seine freie Seele zu retten. Voll der zärtlichsten Liebe sorgte er für seine Freunde, kalt und ruhig überlegte er seinen Entschluß, und als alle Bande zerrissen, die ihn an das Leben fesselten, gab er sich mit sichrer Hand den Todesstoß und starb, durch seinen Tod einen würdigen Schlußstein auf den Riesenbau seines Lebens setzend. Solch' ein Ende konnte allein einer so großen Tugend in einer so heillosen Zeit geziemen!

So verschieden nun die Beurteilungen dieser Handlung sind, eben so verschieden sind auch die Motive, die man ihr zum Grunde legt. Doch ich denke, ich habe nicht nötig, hier die zurückzuweisen, welche von Eitelkeit, Ruhmsucht, Halsstarrigkeit und dergleichen kleinlichen Gründen mehr reden (solche Gefühle hatten keinen Raum in der Brust eines Kato!) oder gar die zurückzuweisen, welche mit dem Gemeinplatz der Feigheit angezogen kommen. Ihre Widerlegung liegt schon in der bloßen Schilderung seines Charakters, der nach dem einstimmigen Zeugnis aller alten Schriftsteller so groß war, daß selbst Vellejus Paterculus von ihm sagt: homo virtuti simillimus et per omnia ingenio diis, quam hominibus propior.