Briefe

von und an Georg Büchner


1831 – 1837

1831

1

Von Wilhelm Büchner

13. November 1831

Aus Darmstadt nach Straßburg

Lieber Georg!
vulgo Hempes I.

Die Gelegenheit, welche sich mir darbiedet, Dir zu schreiben, kann ich nicht unbenutzt lassen, indem ich Dir sehr viel mitzuteilen habe. Das erste ist, Dir zu sagen, daß sich hier mehrere tüchtige Männer mit einander verbunden haben, wie Herr Ökonomierat Papst, Herr Doctor Moldenhauer, Herr Doctor Külp, Herr Doctor Schnittspan und noch mehrere, welche Vorlesungen über Mineralogie, Chemie, Physik, Mathematik, Ökonomie, Tierarzeneikunde und noch einige andere, in der Meierei halten, von welchen ich den 4 ersten beiwohne und welche mir sehr viel Unterhaltung und Vergnügen gewähren. Morgens gehe ich noch in die Apotheke und Mittags zum Herrn Kaup, bei welchem ich unlängst einen Fuchs, den ich vom Onkel Louis geschickt bekommen (präpariert) habe und das Ausstopfen ist mir auch so ziemlich gelungen. Dann habe ich Dir noch zu sagen, daß wir Montag den 7ten Große-Tanzstundte hatten und Montag den 14ten abermals haben werden. Ich möchte doch wissen wie es mit Deinen Tanzbelustigungen steht. Ich hoffe, daß Du jetzo ein sehr eleganter Herr bist; eine Lorniet anhängen, den Hut unter dem Arm, eine Cravatte bis über die Ohren, Sporen an den Stiefeln, sehe ich Dich zum Abmalen auf den Lustplätzen und den Bällen herumstolzieren. Auch hoffe ich daß Du Schmetterlinge einsammlen wirst. Die Schmetterlinge von Rosenberg sind wahrscheinlicher Weise von ihm seinem Onkel hinweggeluchst worden; doch hierüber nichts weiteres, weil ich nichts gewisses davon weiß. Der Mutter war es sehr leid, daß Du ihr gar nicht für die Vorhängen an den Schmetterlingskästen gedankt hast, welche sich sehr schön ausnehmen.

Wilhelm Fehr ist kein Kaufmann mehr, sondern hier und ein eleganter Herr und hört die Vorlesungen mit an, da er Ökonom werden will und geht daher nächsten Sommer nach Reinheim, zum Ökonom Willig. Seine Schwester wird vielleicht mit Herrn Doctor Schnittspan versprochen werden.

Eine Geschichte, welche hier passiert ist, will ich Dir doch erzählen: Der älteste Möllinger I, lag nämlich, während sein Vetter verreist war, eines Abends, allein, im Bette, konnte aber nicht einschlafen. Gegen 10 Uhr des Nachts hörte er leise seine Türe aufmachen und sah einen Menschen mit einer Blendlaterne hereintreten: Er verhielt sich aus Angst ruhig und wollte sich lieber bestehlen, als sich umbringen lassen. Dieser, nachdem er die Stube durchsucht hatte, blendete ihm einige Male in das Gesicht und ging plötzlich auf ihn los. Er in seiner Todesangst warf die Boutellie nach ihm, und aufspringend riß er den Stuhl in die Höhe und machte einen fürchterlichen Lärmen, worauf der Dieb für gut fand, sich so schnell als möglich zu entfernen; obgleich man ihm zuredet und ihm sagt, daß es wahrscheinlicher Weise ein Traum gewesen wäre, so behauptet er doch, daß es wirklich geschehen wäre.

Es setzte uns alle sehr in Erstaunen, daß Du gar nichts von Trapp in Deinen Briefen bemerkt hast, doch ich hoffe, daß dieses in Deiner Reisebeschreibung aufgezeichnet ist. Gegen die Geschichte, welche ich Dir oben mitgeteilt habe, kannst Du mir in einem abaten Brief einige sich dort zugetragenen Wolfsgeschichten erzählen; auch läßt Dich die Mutter warnen, nicht allein zu weit von Strasburg fortzugehen, weil sie Angst hat, es möchte Dir ein Unglück mit einem Wolfe zu stoßen.

Minigerode, Dörr, Kaup, Frisch und Schnitspan, welcher Doctor geworden ist, lassen Dich vielmals grüßen. Dein Pflänzchen ist besorgt. Jedoch ich muß schließen, weil ich keine Zeit mehr habe und auch nichts mehr wichtiges weiß. Doch habe ich Dir noch zu sagen, daß Du, wenn Du mir schreibst, Dich nicht des Namens Schnittspan bedienest (bei dem Verspruch) denn sie sind hier sehr darauf versessen, es zu wissen, aber ich darf es nicht sagen, weil es ein Geheimnis ist, sondern schreibe statt des Namens: N N.

Indem ich auf einen Brief von Dir an mich warte,

verbleibe ich

Dein Dich herzlich liebender Bruder

Wilhelm Büchner

2

An die Familie

nach dem 4. Dezember 1831

Aus Straßburg nach Darmstadt

(...) Als sich das Gerücht verbreitete, daß Romarino durch Straßburg reisen würde, eröffneten die Studenten sogleich eine Subscription und beschlossen, ihm mit einer schwarzen Fahne entgegenzuziehen. Endlich traf die Nachricht hier ein, daß Romarino den Nachmittag mit den Generälen Schneider und Langermann ankommen würde. Wir versammelten uns sogleich in der Akademie; als wir aber durch das Tor ziehen wollten, ließ der Offizier, der von der Regierung Befehl erhalten hatte, uns mit der Fahne nicht passieren zu lassen, die Wache unter das Gewehr treten, um uns den Durchgang zu wehren. Doch wir brachen mit Gewalt durch und stellten uns drei- bis vierhundert Mann stark an der großen Rheinbrücke auf. An uns schloß sich die Nationalgarde an. Endlich erschien Romarino, begleitet von einer Menge Reiter; ein Student hält eine Anrede, die er beantwortet, ebenso ein Nationalgardist. Die Nationalgarden umgeben den Wagen und ziehen ihn; wir stellen uns mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Musikchor vormarschiert. So ziehen wir in die Stadt, begleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Absingung der Marseillaise und der Carmagnole; überall erschallt der Ruf: Vive la liberté! vive Romarino! à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt selbst illuminiert, an den Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher, und Romarino wird im Triumph bis zum Gasthof gezogen, wo ihm unser Fahnenträger die Fahne mit dem Wunsch überreicht, daß diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne verwandeln möge. Darauf erscheint Romarino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! – und die Comödie ist fertig. (...)

3

An die Familie

Dezember 1831

Aus Straßburg nach Darmstadt

(...) Es sieht verzweifelt kriegerisch aus; kommt es zum Kriege, dann gibt es in Deutschland vornehmlich eine babylonische Verwirrung, und der Himmel weiß, was das Ende vom Liede sein wird. Es kann Alles gewonnen und Alles verloren werden; wenn aber die Russen über die Oder gehn, dann nehme ich den Schießprügel, und sollte ich's in Frankreich tun. Gott mag den allerdurchlauchtigsten und gesalbten Schafsköpfen gnädig sein; auf der Erde werden sie hoffentlich keine Gnade mehr finden. (...)

1832

4

An die Familie

um Mitte April 1832

Aus Straßburg nach Darmstadt

(...) Das einzige Interessante in politischer Beziehung ist, daß die hiesigen republikanischen Zierbengel mit roten Hüten herumlaufen, und daß Herr Périer die Cholera hatte, die Cholera aber leider nicht ihn. (...)

5

An Edouard Reuss

20. August 1832

Aus Darmstadt nach Straßburg

Lieber Eduard!

Nicht wahr, ich sollte eigentlich mit einigen Dutzend Entschuldigung(en) anfangen? aber Himmel, ich habe dies schon im beiliegenden Brief getan, und wiederhole dergleichen nicht gern, ich krieche also untertänigst zu Kreuz und bitte um Pardon für den nachlässigen Delinquenten. Ich denke Du nimmst diesen papiernen Ölzweig und Friedensfahne auch so ohne weite Friedens-Präliminarien an und zankst nicht weiter mit mir, der ich Dich 3 volle Wochen warten ließ und lässest mich nicht eben so lange warten. Ich freue mich ordentlich, daß dieser Wisch Papier an einen Ort kommen soll, der mir eine zweite Vaterstadt geworden und dem ich, wenn ich einmal als ein gefürsteter Zweifüßler, longimanus und omnivore sterben sollte, die eine Herzkammer nebst meinem übrigen durchlauchtigsten Cadaver vermachen würde, während ich denn doch wohl die andere Herzkammer meinem Vaterhause ließe, aber auch nur meinem Vaterhause, denn ach! ich armseliger Kreuzträger, sitze erstens im lieben heiligen teutschen Reich, zweitens im Großherzogtum Hessen, drittens in der Residenz Darmstadt, zuletzt sitze ich nun noch freilich in der Mitte meiner Familie, aber ich bin leider noch nicht so patriarchalisch geworden, daß ich über diesen Abrahamsschoß die drei übrigen Klassifikationen vergessen sollte.

Die erste umfaßt die Sekte der Nabelbeschauer, die sich von der alten wohlbekannt nur dadurch unterscheidet, daß sie beim Nabel nicht mehr an Gott, sondern bei Gott an den Nabel denkt, die zweite, als Unterabteilung umfaßt ein Stück des Teils, wo der Nabel und Bauch-Gottesdienst als konstitutionell aufgeklärter Liberalismus getrieben wird, die dritte endlich umfaßt die ordinierten Geistlichen und trägt als Ordenskleid die Hoflivree und als Wappen den Hessischen Haus und Zivil-Verdienstorden e. c. t.

Du kannst Dir wohl denken, wie wohl ich mich dabei befinde, doch füge ich mich in die Umstände und bin dabei so ein anständiger, so ein rechtlicher, so ein zivilisierter junger Mann geworden, daß ich bei einem Minister den Tee einnehmen, bei seiner Frau auf dem Kanapee sitzen und mit seiner Tochter eine Françoise tanzen könnte; wir sind im neunzehnten Jahrhundert, bedenke was das heißen will!

Ach, lieber Eduard! schreibe mir nur bald, daß ich doch etwas aus Straßburg zu sehen bekomme, ich habe wohl Eltern und Geschwister hier, aber alle meine Freunde sind fort und ich bin fast ganz isoliert; ich war wohl die ersten Tage froh, aber ich kann einmal diese Luft nicht vertragen, sie ist mir noch eben so zuwider, als zur Zeit da ich fortging. Ich lamentiere Dir da etwas vor und Du möchtest wohl etwas Vernünftiges von mir hören, aber es ist unmöglich weder von, noch in Darmstadt dergleichen zu schreiben, ist auch noch nie geschehen.

Nur das: Deine Aufträge sind besorgt, Zimmermanns Sohn hat noch die Redaktion der Kirchen-Zeitung, wird sie jedoch wie man sagt, mit Bretschneider teilen, und ein Geistlicher aus Mainz, dessen Name mir entfallen, wird Zimmermanns Platz hier ausfüllen. Dies interessiert Dich vielleicht, mich verzweifelt wenig. Lebe wohl, schreibe bald, herzliche Grüße an die Tante, Pauline und Mad. Bauer v(on Dei)nem

G. Büchner.

6

An August und Adolph Stöber

24. August 1832

Aus Darmstadt nach Straßburg

Liebes Brüderpaar!

Obgleich die Adresse nur an einen von Euch lautet, so gilt sie doch Euch beiden; doch seht vorerst nach der zweiten, (den)n mein Brief ist nur die Schale und figuriert nur als Käspapier. Habt Ihr das andre Papier gelesen, so werdet Ihr wissen, daß es sich um nichts geringeres handelt, als um die Muse der teutschen Dichtkunst; ob Ihr dabei als Accoucheurs oder als Totengräber auftreten sollt, wird der Erfolg lehren. Ihr seid gebeten mit Eurer poetischen Haus und Feld-Apotheke bei der Wiederbelebung des Cadavers tätige Hülfe zu leisten, am besten wäre es man suchte ihn in einem Backofen zu erwärmen, denn dies ist noch das einzige Kunstwerk, welches das liebe Teutsche Volk zu bauen und zu genießen versteht! Doch, Spaß bei Seite! ich lege Euch die Sache ernstlich an's Herz; wenn die Männer, welche ihre Beihilfe versprochen haben, Wort halten, so kann etwas Tüchtiges geleistet werden, daß Ihr viel dazu beitragen könnt, weiß ich, ohne Euch schmeicheln zu wollen. Die Herausgeber kenne ich persönlich, Künzel ist Candidat der Theologie, Metz steht einer Buchhandlung vor, beide sehr gebildete junge Leute; die Zimmermänner sind Zwillinge und studieren in Heidelberg, sie gehören zu meinen ältesten und besten Freunden, namentlich hat der eine von ihnen ausgezeichnete poetische Anlagen. Eure Antwort seid Ihr gebeten, an mich zu adressieren, ich hoffe dabei auch einige herzliche Worte an mich zu finden; heute sind es zuerst 3 Wochen, daß ich Euch verlassen, und doch könnte ich Euch schon manche epistolas ex ponto schreiben! Ach säße ich doch wieder einmal unt(er) Euch im Drescher. Herzliche Grüße an die edlen Eugeniden namentlich an Boekel und Baum. Lebt wohl

Euer G. Büchner.

7

Von Eugène Boeckel

7. September 1832

Aus Niederbronn nach Darmstadt

Nur Geduld mein lieber, ich will Dir gleich erklären warum ich Dir erst jetzt schreibe obgleich Dein Brief vom 20 August ist. Aber um eine chronologische Ordnung beizubehalten, will ich mit einer kurzen Selbstbiographie beginnen, die v. der Zeit anfängt wo Du Straßburg verlassen, ich weiß Dir wahrhaftig nichts interessanteres zu schreiben als von mir selbst; Siehe mein lieber diese kurze Einleitung wird verzweifelt lang ergo finis introduct. prolegom. exaudii Soviel ich mich erinnere reistest Du von Straßburg fort in den ersten Tagen des August's, ich blieb in Straßburg bis den 27 August während welcher Zeit ich Deinen lieben lang erwarteten Brief erhielt – In dieser Zeit besuchte ich meistens den Hospital, und dann noch einige Kranke mit mein. Bruder, hauptsächlich habe ich viele Rubeolas und Nervenfieber gesehn, erstere nahmen in der letzten Zeit einen sehr bösartigen Charakter an, so daß sehr viele daran starben, denn als consecutive Krankheit folgte oft Skorbut, Brustkrankheiten zuweilen hydrocephalus. Mein Bruder und ich machten die Autopsie v. mehrern Kindern welche an diesen Krankheiten starben. Einen interessanten Kranken sahe ich welcher als Folge eines zu reichlichen Genusses v. geistigen Getränken das delirium tremens bekam, durch 20-40 gr. tartarus stibiatus geheilt wurde, einige Wochen nachher an Brust und Leber-Krankheit starb und von uns autopsiert wurde, der untere Teil der Leber war in Fäulnis übergegangen und so weich wie ein altes Hirn, Lungen und pleura an den Thorax ganz angewachsen etc. requiescat in pace.

Eine Frau die hydrothorax und überh. hydropsie hatte und mehrere Rückfälle erlitt wurde hauptsächlich durch digitalis und nitrum glücklich behandelt. Von den 2 od. 3 Dutzd Schwindsüchtigen die ich sahe, spreche ich Dir nicht – Ohne Übertreibg.

Zu Hause studierte ich für mich Chommel, pathologie génerale und Arnemann, materia medica, und ein. Teil v. Barbier, matière medicale Zuweilen oder vielmehr öfters tat ich nichts, Du kennst ja meine Natur Lambossy sah ich ziemlich oft, doch weniger als ich es wünschte, weil ich sehr oft in Ittenheim war. Scherb ist nach Genf nicht nach Ungarn abgereist. Roth nach Berlin, Ad. Stöb. kommt wahrscheinlich nach Colmar. Baum ist vor einigen Tagen auf's Land – Der Concurs im Spital hatte statt wie Du weißt konkurierte ich nicht, Hirtz wurde gleich angenommen, Lintzler zuerst zurück geschickt später angenommen weil sich nur zwei präsentierten und man doch zwei surnuméraires haben mußte. Lintzler wollte nämlich nach Öffnung d. Arterie aus Versehn bei dem Aderlassen, die Wunde cauterisieren, und den triceps zu den Muskeln des Vorder-Arms zählen nämlich sein(en) Antworten nach, nicht daß Du Dir einbildest er habe wirklich ein arteriam getroffen – Duvernoy, der etc. gibt sich alle Mühe ohne Concurs Physiologie Professor zu werden constat. Ich hoffe er wird mit seinem breiten Maul abfahren wie zu Paris, das Vieh bleibe doch bei seiner Zoologie, ich wollte lieber den Kerl dissecieren od. totschlagen als ihn in der Physiologie hören oder sehn, Du weißt es ist meine Antipathie; seit 3 Wochen ist er re infecta aus Paris zurückgekehrt und lauft od. tanzt in schwarzibus in den Gassen v. Straßburg herum, glücklicher Weise treff ich den Intriganten noch nicht an, denn es hätte mir wahrhaftig wieder die Gelbsucht zuziehen können, Ich will auf seine Gesundheit trinken wenn ihm sein Vorhaben mißlingt –

M elle jolis pieds et jolies mains machte ich erst einen Besuch, ehe ich Deinen Brief erhielt, seither nicht mehr, sie seufzt noch zwei Monate lang.

Nun komme ich wieder auf die Hauptperson daß heißt auf mich zurück, Ende August's reiste ich mit Ad. und Aug. Stöber nach Weißenburg, Amsler und Held erwarteten uns an der diligence bis um Mitternacht wo wir ankamen ich mußte bei Held logieren und wurde v. der ganzen Familie sehr zuvorkommend und wohl empfangen, Held, Amsl. 2 Stöb. und ich gingen die folgenden Tage nach Landau in das Rheinbairische v. dort besuchten wir einige alten Burge, Dryfels, Madenburg etc. kehrten Dienstags Abend wieder nach Weißenburg zurück – Mittwoch ging ich mit 2 Stöb. nach Woerth v. dort ins Jägertal wo wir einige alte Burgen besuchten und langten gestern glücklich hier an, heute ist abscheulich Regenwetter, ich bin allein denn die beiden Stöber sd. in Oberbronn bei ihrer Schwester, und ich hier bei mein. Cousin welcher aber den ganzen Tag auf d. Bureau ist, Ich sitze also hier in Niederbron in ein. hübschen Kaffeehaus und schreibe an meinen lieben Büchner, die Zeit würde mir zu fürchterlich lang werden, wenn sich nicht ein artiges, hübsches Mädchen sich meiner erbarmte, welche auf einige Zeit hier im Kaffeehaus ist – Sie ist aus Straßburg klein gut gebaut etc. doch ein wenig viel Kokette, gestern schrieb ich an mein. Bruder, heute an Dich Du siehst also daß ich über dem Mädchen durchaus Dich nicht gedenke, vielmehr wäre es mir zehnmal lieber Dich als die Kokette hier zu haben –

Morgen wenn es das Wetter erlaubt ziehen wir nach Bitsch die famose Festung dann nach Lützelstein zu Follen, dann zu Baum, endlich nach Barr, heut über Acht Tagen bin ich bestimmt wieder in Straßburg vielleicht auch früher, ich werde dann hauptsächlich Anatomie und Physiologie studieren od. ochsen, dazu noch die Therapie v. Hecker.

Lebe wohl, ich erwarte gleich nach mein. Ankunft in Straßburg Briefe von Dir ich denke Du kannst (wohl) dieses Opfer mir bringen – denn Du weißt wie mich Deine Briefe erfreuen

Vale und komme je eher je lieber nach Straßbg zurück.

Dein Eug. Boeckel

8

Von Adolph Stöber

23. September 1832

Aus Straßburg nach Darmstadt

Hier, lieber Freund! meine Beiträge für den Musenalmanach, dem ich von Herzen einen guten Fortgang wünsche; es läge vielleicht im Interesse dieses Unternehmens, denselben noch vor Weihnachten auszugeben, da man um diese Zeit am liebsten Almanache kauft.

Ich muß mich kurz fassen, lieber Büchner; in einer Stunde ziehen wir Beide mit Böckel und Lambossy nach dem Odilienberg.

Ich freue mich, Dich bald wiederzusehen!

Dein Adolph Stöber

9

An Adolph Stöber

3. November 1832

Aus Straßburg nach Metz

Lieber Adolph!

Nur wenige Zeilen bringen Dir diesmal meine Grüße. Ich komme eben aus dem Leichendunst und von der Schädelstätte, wo ich mich täglich wieder einige Stunden selbst kreuzige, und nach den kalten Brüsten und den toten Herzen, die ich da berührte, erquickte mich wieder das lebendige, warme an das Du mich drücktest über die Paar Meilen hinaus, die unsere Cadaver trennen. Wahrhaftig der Lindwurm von dem Du sprichst ist nicht so gefährlich, man müßte ein armer Tropf sein, wenn unsre Arme nicht einmal über die dreißig Stunden hinübergreifen könnten. Wenn das Frühjahr kommt hoffe ich Dich zu sehen. Seit acht Tagen bin ich wieder hier, die teutsche naßkalte Holländeratmosphäre ist mir zuwider, die französische Gewitterluft ist mir lieber.

Lebe wohl, Dein G. Büchner

10

An die Familie

Dezember 1832

Aus Straßburg nach Darmstadt

(...) Ich hätte beinahe vergessen zu erzählen, daß der Platz in Belagerungsstand gesetzt wird (wegen der holländischen Wirren). Unter meinem Fenster rasseln beständig die Kanonen vorbei, auf den öffentlichen Plätzen exercieren die Truppen und das Geschütz wird auf den Wällen aufgefahren. Für eine politische Abhandlung habe ich keine Zeit mehr, es wäre auch nicht der Mühe wert, das Ganze ist doch nur eine Komödie. Der König und die Kammern regieren, und das Volk klatscht und bezahlt. (...)

1833

11

An die Familie

Anfang Januar 1833

Aus Straßburg nach Darmstadt

(...) Auf Weihnachten ging ich Morgens um vier Uhr in die Frühmette ins Münster. Das düstere Gewölbe mit seinen Säulen, die Rose und die farbigen Scheiben und die knieende Menge waren nur halb vom Lampenschein erleuchtet. Der Gesang des unsichtbaren Chores schien über dem Chor und dem Altare zu schweben und den vollen Tönen der gewaltigen Orgel zu antworten. Ich bin kein Katholik und kümmerte mich wenig um das Schellen und Knieen der buntscheckigen Pfaffen, aber der Gesang allein machte mehr Eindruck auf mich, als die faden, ewig wiederkehrenden Phrasen unserer meisten Geistlichen, die Jahr aus Jahr ein an jedem Weihnachtstag meist nichts Gescheiteres zu sagen wissen, als, der liebe Herrgott sei doch ein gescheiter Mann gewesen, daß er Christus grade um diese Zeit auf die Welt habe kommen lassen. – (...)

12

An die Familie

um den 6. April 1833

Aus Straßburg nach Darmstadt

(...) Heute erhielt ich Euren Brief mit den Erzählungen aus FrankfurtGewaltVolkgesetzlichen ZustandGesetzewige, rohe GewaltMundHandkeinen Teil