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Kommunale Schriften
für Niedersachsen

Herausgegeben vom
Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund

Jagdrecht in Niedersachsen

Kommentar

Dr. jur. Heinz Rose
Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht a. D.

34., überarbeitete Auflage

Deutscher Gemeindeverlag

34. Auflage 2019

 

Alle Rechte vorbehalten

© Deutscher Gemeindeverlag GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-555-02044-0

 

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-555-02045-7

epub: ISBN 978-3-555-02046-4

mobi: ISBN 978-3-555-02047-1

 

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Vorwort zur 34. Auflage

Die Neuauflage bringt das „Jagdrecht in Niedersachen“, 1963 von Ministerialrat Günter Tesmer als Vorschriftensammlung begründet, auf den Stand der Gesetzgebung vom 31. Dezember 2018. Der Band enthält alle Vorschriften, die für das Jagdwesen von Bedeutung sind. Ausführliche Erläuterungen des Bundes- und Niedersächsischen Jagdgesetzes sowie von auf die Jagd bezogenen Bestimmungen anderer Gesetze, auch europäischer Verordnungen und Richtlinien, sollen Leserinnen und Lesern, die sich – in welcher Eigenschaft auch immer – mit Jagdrechtsfragen befassen, zuverlässige, praxisrelevante Informationen bieten und angehenden Jägerinnen und Jägern eine gründliche Vorbereitung auf die Jägerprüfung ermöglichen. Damit der Kommentar trotz seines nicht immer einfachen Gegenstandes hoffentlich auch für juristisch nicht vorgebildete Personen verständlich und relativ leicht lesbar ist, aber auch um das Format eines noch handlichen Taschenbuchs beibehalten zu können, wurde auf Literaturhinweise und eingehende Auseinandersetzungen mit abweichenden Meinungen verzichtet. Aus demselben Grund sind nur richtungsweisende Entscheidungen höchster Gerichte (mit Fundstellen in den vom Deutschen Jagdschutzverband e. V. herausgegebenen Jagdrechtlichen Entscheidungen) angegeben.

Außer den jagdrechtlichen Bestimmungen sowie der Bundeswildschutzverordnung und der Verordnung über die Jäger- und Falknerprüfung sind die wichtigen Vorschriften des Waffen-, Naturschutz-, Tierschutz- und des Wald- und Landschaftsrechts, des Strafgesetzbuchs, der Tollwut- und der Schweinepest-Verordnung und die Unfallverhütungsvorschrift Jagd 2000 abgedruckt. Die einschlägigen Bestimmungen des Versicherungsrechts (Unfall- und Haftpflichtversicherung), des Tiergesundheitsrechts sowie insbesondere die des Lebensmittel- und des Fleischhygienerechts und des Rechts der Beseitigung tierischer Nebenprodukte werden den Bedürfnissen der Praxis entsprechend dargestellt und erläutert.

Für Kritik und Anregungen bin ich dankbar.

 

Hannover, im Januar 2019
Heinz Rose

Zum guten Jäger gehört eine Unruhe im Gewissen angesichts des Todes, den er dem bezaubernden Tier bringt.

 

José Ortega y Gasset

Meditationen über die Jagd

 

Für Leonardo

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

AEinführung

B IBundesjagdgesetz (Inhaltsübersicht)

B IINiedersächsisches Jagdgesetz (Inhaltsübersicht)

CErläuterungen des Bundesjagdgesetzes, des Niedersächsischen Jagdgesetzes sowie die dazu gehörenden Verordnungen, Ausführungsbestimmungen und sonstigen Erlasse

§ 1 BJagdG

Tierschutzgesetz (Übersicht)

§ 1 NJagdG

§ 2 NJagdG

§ 3 NJagdG

AB zu § 3 NJagdG

§ 4 NJagdG

AB zu § 4 NJagdG

§ 2 BJagdG

§ 5 NJagdG

§ 3 BJagdG

§ 4 BJagdG

§ 6 NJagdG

§ 5 BJagdG

§ 7 NJagdG

AB zu § 7 NJagdG

§ 6 BJagdG

§ 6a BJagdG

§ 8 NJagdG

§ 9 NJagdG

§ 7 BJagdG

§ 10 NJagdG

§ 11 NJagdG

§ 8 BJagdG

§ 12 NJagdG

§ 13 NJagdG

§ 14 NJagdG

§ 15 NJagdG

§ 9 BJagdG

§ 16 NJagdG

AB zu § 16 NJagdG

Mustersatzung für Jagdgenossenschaften

§ 16a NJagdG

§ 10 BJagdG

§ 10a BJagdG

§ 17 NJagdG

§ 11 BJagdG

§ 18 NJagdG

§ 19 NJagdG

§ 12 BJagdG

§ 20 NJagdG

§ 13 BJagdG

§ 21 NJagdG

§ 13a BJagdG

§ 14 BJagdG

§ 15 BJagdG

Waffengesetz (Übersicht)

§ 16 BJagdG

§ 22 NJagdG

AB zu § 22 NJagdG

Jagdabgabenverordnung

§ 23 NJagdG

Verordnung über die Jäger- und Falknerprüfung

§ 17 BJagdG

Haftpflicht- und Unfallversicherung (Übersicht)

§ 18 BJagdG

§ 18a BJagdG

§ 19 BJagdG

§ 24 NJagdG

AB zu § 24 NJagdG

§ 19a BJagdG

§ 20 BJagdG

§ 21 BJagdG

§ 25 NJagdG

AB zu § 25 NJagdG

§ 22 BJagdG

§ 26 NJagdG

§ 1 DVO-NJagdG: Jagdzeiten für nach Landesrecht jagdbare Tierarten

§ 2 DVO-NJagdG: Jagdzeiten für nach Bundesrecht jagdbare Tierarten

§ 22a BJagdG

§ 27 NJagdG

§ 28 NJagdG

AB zu § 28 NJagdG

§ 23 BJagdG

§ 29 NJagdG

§ 24 BJagdG

§ 25 BJagdG

§ 30 NJagdG

§ 26 BJagdG

§ 27 BJagdG

§ 28 BJagdG

§ 31 NJagdG

§ 28a BJagdG

§ 32 NJagdG

AB zu § 32 NJagdG

§ 33 NJagdG

AB zu § 33 NJagdG

§ 33a NJagdG

§ 29 BJagdG

§ 30 BJagdG

§ 31 BJagdG

§ 32 BJagdG

§ 34 NJagdG

§ 3 DVO-NJagdG: Schutzvorrichtungen zur Vermeidung von Wildschäden

§ 33 BJagdG

§ 34 BJagdG

§ 35 BJagdG

§ 35 NJagdG

Verordnung über das Vorverfahren in Wild- und Jagdschadenssachen

§ 36 BJagdG

§ 37 BJagdG

§ 36 NJagdG

§ 38 NJagdG

§ 39 NJagdG

§ 40 NJagdG

AB zu § 40 NJagdG

§ 38 BJagdG

§ 38a BJagdG

§ 39 BJagdG

§ 40 BJagdG

§ 41 BJagdG

§ 41a BJagdG

§ 42 BJagdG

§ 41 NJagdG

§ 41a NJagdG

§ 44 BJagdG

§ 44a BJagdG

Tierseuchengesetz (Übersicht)

Lebensmittel- und Fleischhygienerecht (Übersicht)

Tierkörperbeseitigungsrecht (Übersicht)

§ 46 BJagdG

§ 42 NJagdG

§ 43 NJagdG

DAnhang

1.Bundeswildschutzverordnung mit Erläuterungen

2.Richtlinien für die Feststellung der erfolgreichen Teilnahme an einem Jagdaufseherlehrgang der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V.

3.Waffengesetz – Auszug –

4.Allgemeine Waffengesetzverordnung – Auszug –

5.Niedersächsisches Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung – Auszug –

6.Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut (Tollwut-Verordnung)

7a.Verordnung zum Schutze gegen die Schweinepest und die Afrikanische Schweinepest (Schweinepest-Verordnung) – Auszug –

7b.Verordnung zur Durchführung eines Monitorings auf das Virus der Klassischen und der Afrikanischen Schweinepest bei Wild- und Hausschweinen (Schweinepest-Monitoring-Verordnung – SchwPestMonV)

8.Tierschutzgesetz – Auszug –

9.Tierschutz-Hundeverordnung

10.Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) – Auszug –

11.Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Bundesartenschutzverordnung)

12.Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz – Auszug –

13.Strafgesetzbuch – Auszug –

14.Unfallverhütungsvorschrift Jagd

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

   
AB Ausführungsbestimmungen
AwaffV Allgemeine Waffengesetz-Verordnung
   
BAnz. Bundesanzeiger
BArtSchV Bundesartenschutzverordnung
BauGB Baugesetzbuch
ber. berichtigt
BDSG Bundesdatenschutzgesetz
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BJagdG Bundesjagdgesetz
BML Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft
BMV Bundesminister für Verkehr
BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz
BT-Drs. Bundestags-Drucksache
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BverwG Bundesverwaltungsgericht
BWildSchV Bundeswildschutzverordnung
BZRG Bundeszentralregistergesetz
   
CITES Washingtoner Artenschutzübereinkommen
   
DJV Deutscher Jagdschutzverband
DVO Durchführungsverordnung
   
E Erläuterung, Entscheidungen
EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGOWiG Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch
Erl. Erlass
EuGH Europäischer Gerichtshof
EU Europäische Union
   
FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
FIHG Fleischhygienegesetz
   
G Gesetz
Gem.RdErl. Gemeinsamer Runderlass
GMBI. Gemeinsames Ministerialblatt
GG Grundgesetz
ggfs. gegebenenfalls
GültL Liste der gültigen Verwaltungsvorschrlften
   
i. d. F. in der Fassung
i. V. m. in Verbindung mit
   
JE Jagdrechtliche Entscheidungen
NJagdG Niedersächsisches Jagdgesetz
   
LJagdG Landesjagdgesetz
NPGHarzNI Gesetz über den Nationalpark „Harz (Niedersachsen)“
NWaldLG Niedersächsisches Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung
LwVfG Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen
   
NBauO Niedersächsische Bauordnung
n. F. neue Fassung
NGefAG Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz
Nieders. Oder Nds. GVBl. Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt
Nieders. Sammlung des bereinigten Niedersächsischen
GVBl. Sb. Landesrechts, Sonderband
NkomVG Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz
Nds. MBl. Niedersächsisches Ministerialblatt
Nds. MI Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport
Nds. ML Niedersächsischer Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Nds. MW Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
NAGBNatSchG Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz
   
OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
OLG Oberlandesgericht
OVG Oberverwaltungsgericht
   
RdErl. Runderlass, Runderlasse
   
SGB Sozialgesetzbuch
SOG Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung
StGB Strafgesetzbuch
StPO Strafprozessordnung
StVO Straßenverkehrsordnung
   
TierGesG Tiergesundheitsgesetzgesetz
TierNebG Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz
TierSchG Tierschutzgesetz
   
VO Verordnung
VSG Unfallverhütungsvorschrift Jagd
VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz
   
WaffG Waffengesetz

AEinführung

I. Die Entwicklung des neueren deutschen Jagdrechts beginnt mit den Freiheitsbewegungen im 19. Jahrhundert. Wie schon in § 37 des (durch Bundesbeschluss vom 23. August 1852 aufgehobenen) Reichsgesetzes betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848 heißt es in § 169 der Frankfurter Reichsverfassung (Paulskirchenverfassung) vom 28. März 1849:

„(1) Im Grundeigenthum liegt die Berechtigung zur Jagd auf eignem Grund und Boden.

(2) Die Jagdgerechtigkeit auf fremden Grund und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere Leistungen für Jagdzwecke sind ohne Entschädigung aufgehoben.

(3) Nur ablösbar jedoch ist die Jagdgerechtigkeit, welche erweislich durch einen lästigen mit dem Eigenthümer des belasteten Grundstückes abgeschlossenen Vertrag erworben ist; über die Art und Weise der Ablösung haben die Landesgesetzgebungen das Weitere zu bestimmen.

(4) Die Ausübung des Jagdrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohls zu ordnen, bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten.

(5) Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden.“

Die gesellschaftspolitische Bedeutung dieser Absage an das feudale Jagdsystem muss vor dem Hintergrund der in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland herrschenden Verhältnisse gesehen werden. Die Jagd war ein Privileg (Regal) des jeweiligen Landesherrn. Die Bauern litten nicht nur unter drückenden Abgaben und Frondiensten. Sie hatten auch keine wirksamen Mittel, um Wildschäden auf den von ihnen bestellten Feldern abzuwenden. Die Verbindung des Jagdrechts mit dem Eigentum an Grund und Boden und die Beseitigung der landesherrlichen Jagdprivilegien sollten auch eine effektivere Abwehr von Schäden mit jagdlichen Mitteln ermöglichen. Die heute meistens im Vordergrund stehende Erschließung von Geldquellen durch Verpachtung des Jagdausübungsrechts ist eine Errungenschaft späterer Generationen.

Hatten zuvor die Bauern und große Teile des niederen Adels unter dem in übergroßer Zahl vorhandenem schadenstiftenden Wild gelitten, führte die Freigabe der Jagd alsbald zahlreiche Wildtierarten an den Rand der Vernichtung. Um dieser Fehlentwicklung zu begegnen, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Jagdgesetzen der Länder die wesentlichen das Rechtsgebiet noch heute prägenden Grundentscheidungen getroffen: die Einführung des Revierjagdsystems, von Jagd- und Schonzeiten, des Jagdscheins sowie die Ausbildung des Wildschadensrechts. Durch das Reichsjagdgesetz vom 3. Juli 1934 wurde das Jagdrecht erneut umgestaltet. Alle die Jagd betreffenden Landesgesetze wurden aufgehoben. Das Jagdrecht wurde Reichsrecht. Das Gesetz enthielt u. a. Bestimmungen über den Abschussplan und führte eine straffe Organisation der Jagdverwaltung ein. Nach Kriegsende wurde in der amerikanischen und der französischen Besatzungszone das Reichsjagdgesetz aufgehoben. An seine Stelle traten wieder Jagdgesetze der einzelnen Länder. Dagegen blieb es im Gebiet der britischen Zone (Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) zunächst – mit Ausnahme der organisationsrechtlichen Teile – weiter gültig.

Eine weitgehend einheitliche gesetzliche Ordnung des Jagdwesens wurde im Bundesgebiet durch das Grundgesetz möglich. Der Bund hatte nach Art. 75 Nr. 3 GG das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften u. a. über das Jagdwesen zu erlassen. Er hat davon mit dem Bundesjagdgesetz (BJagdG) Gebrauch gemacht, das am 1. April 1953 in Kraft getreten ist. Im BJagdG wurden alle wesentlichen die Jagd betreffenden Vorschriften sowohl des Jagdverwaltungsrechts als auch des Jagd­zivilrechts und des Jagdstrafrechts mit Ausnahme der Bestimmungen über Jagdwilderei zusammengefasst. Die Länder konnten den vorgegebenen Rahmen durch Landesgesetze ausfüllen und waren in bestimmten Fällen ermächtigt, vom Bundesrecht abweichende Vorschriften zu erlassen.

Nach einer Änderung des Grundgesetzes durch Gesetz vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) bestand die Rahmenkompetenz des Bundes für das Jagdwesen zwar fort (Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG). Rahmenvorschriften durften jedoch nur noch in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten (Art. 75 Abs. 2 GG). Einige Teile des BJagdG hätten nach dieser Grundgesetzänderung nicht mehr als Bundesrecht in Kraft gesetzt werden können. Vor dem 15. November 1994 erlassenes Recht gilt jedoch als Bundesrecht weiter. Durch Bundesgesetz konnte bestimmt werden, dass es durch Landesrecht ersetzt werden konnte (Art. 125a Nr. 3 GG).

Die Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern ist durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), die sog. Föderalismusreform, neu geregelt worden. Das Jagdwesen gehört nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG n. F. nunmehr zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Nach Art. 72 GG n. F. haben in diesem Bereich die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

Ist das geschehen, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen u. a. über das Jagdwesen (ohne das Recht des Jagdscheins) und den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes). Hat ein Land von seiner Befugnis, vom BJagdG abzuweichen, Gebrauch gemacht, ist kraft des Anwendungsvorrangs des späteren Landesrechts für einen Rückgriff auf das konkurrierende Bundesrecht nur noch in dem Umfang Raum, den das Landesrecht eröffnet. Das gilt auch für den Fall, dass das Land mit seinem Jagdgesetz eine sog. Vollregelung verabschiedet hat (BVerwG JE VI Nr. 80). Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht geht das jeweils spätere Gesetz vor (BVerfG JE II Nr. 182). Von außerordentlicher Tragweite auch für das Jagdwesen und für fast alle damit in Zusammenhang stehenden Rechtsgebiete (Natur, Arten- und Tierschutz, Waffenrecht, Lebensmittel- und Fleischhygiene, Tierkörperbeseitigung) ist die Rechtssetzung durch die Europäische Union. Deren Verordnungen setzen in den Mitgliedsstaaten unmittelbar geltendes Recht, das einer nationalstaatlichen Umsetzung nicht bedarf, eventuell aber durch Ausführungsbestimmungen praktikabel gemacht werden muss. Richtlinien dagegen bedürfen einer Umsetzung durch die Gesetzgebungsorgane der Mitgliedstaaten. Auch die die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) haben auf die Rechtsentwicklung in den Mitgliedsstaaten erheblichen Einfluss.

Das in den Ländern der Bundesrepublik geltende Jagdrecht hat demzufolge europarechtliche, bundesrechtliche und landesrechtlichen Wurzeln. Neben den Gesetzen gelten Verordnungen des Bundes und der Länder sowie landesrechtliche Verwaltungsbestimmungen – in Niedersachsen vor allem der RdErl. d. ML vom 11.1.2005 – Nds. MBl. S. 152 – (Ausführungsbestimmungen zum Niedersächsischen Jagdgesetz – AB-NJagdG –).

II. Das Jagdrecht in der DDR – zuletzt das Jagdgesetz vom 5. Juni 1984 (Ges. Bl. d. DDR S. 217) – hatte sich anders entwickelt als in der Bundesrepublik. Wild war Volkseigentum, die Verbindung des Jagdrechts mit dem Grundeigentum wurde beseitigt, das System der Revierjagd dagegen beibehalten. Die Jagd in den unabhängig von Eigentumsgrenzen festgesetzten 800–3000 ha großen „Jagdgebieten“ (= Jagdbezirken) oblag „Jagdgesellschaften“, in die ein Jäger besonders aufgenommen werden musste. Die Aufnahme setzte u. a. die „politische Zuverlässigkeit“ des Bewerbers voraus. Es bestand Jagdscheinzwang. Der Jäger musste eine besondere „Jagderlaubnis“ (= Jagdschein) erwerben und dazu eine „Jagdprüfung“ (= Jägerprüfung) abgelegt haben. Eine allgemeine Ersatzpflicht für Wildschäden war nicht vorgesehen. Der Vorsitzende des Rates des Kreises entschied im Einzelfall, ob überhaupt und in welchem Umfang eine Jagdgesellschaft entstandene Wildschäden zu ersetzen hatte.

Einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung des Jagdbetriebs hatte die Staatsforstverwaltung. Sie hatte Sitz und Stimme in den Organen aller Jagdgesellschaften, bestellte die „Jagdleiter“ für die einzelnen „Jagdgebiete“, setzte die Abschusspläne fest und verwaltete die Jagdwaffen, die den Mitgliedern nur von Fall zu Fall kurzfristig überlassen wurden. Da das Wild als Volkseigentum galt, war auch das Wildbret grundsätzlich an die Staatsforstverwaltung abzuliefern.

Nach dem Einigungsvertrag gilt das BJagdG jetzt auch in den neuen Bundesländern.

III. Das BJagdG wurde durch Gesetze vom 16. März 1961 und vom 28. September 1976 in Einzelfragen geändert und jeweils neu bekannt gemacht. Die vorerst letzte größere Änderung erfolgte durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. Mai 2013 (BGBl. I S. 1386). Dieses Gesetz legt als Reaktion der Bundesrepublik Deutschland auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. Juni 2012 (Beschwerdenummer 9300/07) fest, unter welchen Voraussetzungen ein Grundstück, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehört, auf Antrag des Eigentümers aus ethischen Gründen zu einem befriedeten Bezirk erklärt werden kann.

IV. Eine grundlegende Änderung der niedersächsischen Forst- und Jagdverwaltung ist am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Sie ist Teil der Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen, die u. a. zur Auflösung der Bezirksregierungen und zur Aufhebung der Regierungsbezirke und damit zur Abschaffung des dreistufigen Behördenaufbaus auch in der Jagd- und Forstverwaltung geführt hat (Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen vom 5. November 2004 (Nds. GVBl. S. 394)). Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung in den Bereichen Wald und Jagd ist aus dem Niedersächsischen Forstplanungsamt, dem Niedersächsischen Forstlichen Bildungszentrum sowie den Niedersächsischen Forstämtern die rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts „Niedersächsische Landes­forsten“ mit Sitz in Braunschweig errichtet worden. Das Land Niedersachsen hat der Anstalt unentgeltlich das Eigentum an seinem von der Landesforstverwaltung verwalteten Staatswaldvermögen übertragen. Die Anstalt hat die Aufgabe, den Landeswald zum Wohl der Allgemeinheit und unter Berücksichtigung der besonderen Sozialpflichtigkeit des öffentlichen Eigentums zu bewirtschaften. Sie nimmt diese Aufgabe im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Auftrages nach dem NWaldLG und dem NJagdG wahr. Die bisher in § 37 NJagdG vorgesehene Sonderstellung der Forstbehörden des Landes und der Klosterkammer Hannover ist weggefallen. Über die Festsetzung der Abschusspläne entscheidet jetzt stets die Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat, dem auch eine von der Anstalt Niedersächsische Landesforsten vorgeschlagene Person angehört.

V. Die Erläuterungen folgen dem Sinnzusammenhang der Vorschriften des BJagdG und des NJagdG sowie der zuge­hörigen Verordnungen, Ausführungsbestimmungen und sonstigen Erlasse. Um dem Leser den Aufbau des BJagdG und des NJagdG erkennbar zu machen, sind die Inhaltsübersichten beider Gesetze dem Text- und Erläuterungsteil vorangestellt.

Bei den zitierten oder erwähnten Vorschriften sind Datum und Fundstelle der jeweiligen letzten Änderung angegeben, um dem Leser die Zurückverfolgung der Rechtsentwicklung zu ermöglichen.

B IBundesjagdgesetz (BJagdG)

Vom 29. November 1952 (BGBl. I S. 780) in der Fassung vom 29. September 1976 (BGBl. 1976, S. 2849), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 14. November 2018 (BGBl. I S. 1850)

Inhaltsübersicht

I. Abschnitt:Das Jagdrecht

§ 1 Inhalt des Jagdrechts

§ 2Inhaber des Jagdrechts; Ausübung des Jagdrechts

II. Abschnitt:Jagdbezirke und Hegegemeinschaften

1.Allgemeines

§ 4Jagdbezirke

§ 5 Gestaltung der Jagdbezirke

§ 6Befriedete Bezirke; Ruhen der Jagd

§ 6aBefriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen

2.Eigenjagdbezirke

§ 7Eigenjagdbezirke

3.Gemeinschaftliche Jagdbezirke

§ 8Zusammensetzung

§ 9Jagdgenossenschaft

§ 10Jagdnutzung

4.Hegegemeinschaften

§ 10aBildung von Hegegemeinschaften

III. Abschnitt:Beteiligung Dritter an der Ausübung des Jagdrechts

§ 11Jagdpacht

§ 12Anzeige von Jagdpachtverträgen

§ 13Erlöschen des Jagdpachtvertrages

§ 13aRechtsstellung der Mitpächter

§ 14Wechsel des Grundeigentümers

IV. Abschnitt:Jagdschein

§ 15Allgemeines

§ 16Jugendjagdschein

§ 17Versagung des Jagdscheins

§ 18Einziehung des Jagdscheins

§ 18aMitteilungspflichten

V. Abschnitt:Jagdbeschränkungen, Pflichten bei der Jagdausübung und Beunruhigen von Wild

§ 19Sachliche Verbote

§ 19aBeunruhigen von Wild

§ 20Örtliche Verbote

§ 21Abschussregelung

§ 22Jagd- und Schonzeiten

§ 22aVerhinderung von vermeidbaren Schmerzen oder Leiden des Wildes

VI. Abschnitt:Jagdschutz

§ 23Inhalt des Jagdschutzes

§ 24Wildseuchen

§ 25Jagdschutzberechtigte

VII. Abschnitt:Wild- und Jagdschaden

1.Wildschadensverhütung

§ 26Fernhalten des Wildes

§ 27Verhinderung übermäßigen Wildschadens

§ 28Sonstige Beschränkungen der Hege

§ 28aInvasive Arten

2.Wildschadensersatz

§ 29Schadensersatzpflicht

§ 30Wildschaden durch Wild aus Gehege

§ 31Umfang der Ersatzpflicht

§ 32Schutzvorrichtungen

3.Jagdschaden

§ 33Schadensersatzpflicht

4.Gemeinsame Vorschriften

§ 34Geltendmachung des Schadens

§ 35Verfahren in Wild- und Jagdschadenssachen

VIII. Abschnitt:Inverkehrbringen und Schutz von Wild

§ 36Ermächtigungen

IX. Abschnitt:Jagdbeirat und Vereinigungen der Jäger

§ 37Jagdbeirat und Vereinigungen der Jäger

X. Abschnitt:Straf- und Bußgeldvorschriften

§ 38Strafvorschriften

§ 38aStrafvorschriften

§ 39Ordnungswidrigkeiten

§ 40Einziehung

§ 41Anordnung der Entziehung des Jagdscheins

§ 41aVerbot der Jagdausübung

§ 42Landesrechtliche Straf- und Bußgeldbestimmungen

XI. Abschnitt:Schlussvorschriften

§ 43(weggefallen)

§ 44Sonderregelungen

§ 44aUnberührtheitsklausel

§ 45(weggefallen)

§ 46Inkrafttreten des Gesetzes

B IINiedersächsisches Jagdgesetz (NJagdG)

Vom 16. März 2001 (Nds. GVBl. S. 100), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 25. Oktober 2018 (Nds. GVBl. S. 220)

Inhaltsübersicht

I. Abschnitt:Das Jagdrecht

§ 1Jagdausübungsberechtigte, zur Jagd Befugte

§ 2Jagdeinrichtungen betreffende privatrechtliche Befugnisse, Jägernotweg

§ 3Hege und Ökologie

§ 4Jagdhunde

§ 5Nach Landesrecht dem Jagdrecht unterliegende Tierarten

II. Abschnitt:Jagdbezirke und Hegegemeinschaften

1. UnterabschnittAllgemeines

§ 6Wattenjagdbezirke

§ 7Abrundung von Jagdbezirken

§ 8Aneignung von Wild auf Verkehrswegen

§ 9Befriedete Bezirke, jagdbezirksfreie Grundflächen und Naturschutzgebiete

2. UnterabschnittEigenjagdbezirke

§ 10Benannte Jagdausübungsberechtigte, Ruhenlassen der Jagd

§ 11Verzicht auf Selbstständigkeit von Eigenjagdbezirken

3. UnterabschnittGemeinschaftliche Jagdbezirke

§ 12Größe eines Jagdbezirks

§ 13Teilung eines Jagdbezirks

§ 14Jagdbezirke bei Gemeindezusammenschlüssen

§ 15Verfügung über Angliederung oder Teilung

§ 16Rechtscharakter und Satzung einer Jagdgenossenschaft

§ 16aAuszüge aus dem Liegenschaftskataster

4. UnterabschnittHegegemeinschaften

§ 17Hegegemeinschaft

III. Abschnitt:Beteiligung Dritter an der Ausübung des Jagdrechts

§ 18Jagderlaubnisse, angestellte Jägerinnen und Jäger, Jagdgäste

§ 19Erlaubnisnachweis für Jagdgäste

§ 20Anzeige eines Jagdpachtvertrages

§ 21Tod einer Jagdpächterin oder eines Jagdpächters, Erlöschen des Jagdpachtvertrages

IV. Abschnitt:Jagdschein

§ 22Jagdschein, Jagdabgabe

§ 23Jägerprüfung, Falknerprüfung

V. Abschnitt:Jagdbeschränkungen, Pflichten bei der Jagdausübung

§ 24Erweiterungen und Einschränkungen von Verboten

§ 25Abschussplan

§ 26Änderung von Schonzeiten

§ 27Wildfolge, Tierschutz

§ 28Schweißhundführung

VI. Abschnitt:Jagdschutz

§ 29Jagdschutz

§ 30Zuständigkeiten für den Jagdschutz

VII. Abschnitt:Wild- und Jagdschaden

1. UnterabschnittWildschadensverhütung

§ 31Aussetzen von Wild

§ 32Füttern

§ 33Kirren

§ 33aFuttermittel

2. UnterabschnittWild- und Jagdschadensersatz

§ 34Wildschadensersatz, Schutzvorrichtungen

§ 35Feststellungsverfahren

VIII. Abschnitt:Jagdbehörden, Jagdorganisation

§ 36Jagdbehörden

§ 37(weggefallen)

§ 38Kreisjägermeisterin oder Kreisjägermeister

§ 39Jagdbeirat

§ 40Landesjägerschaft

IX. Abschnitt:Schlussvorschriften

§ 41Ordnungswidrigkeiten

§ 41aBeachtung von Europarecht

§ 42Übergangsregelungen

§ 43In-Kraft-Treten