Aus dem Amerikanischen von

Andreas Diesel & Frank Festa

Illustriert von Timo Wuertz

Impressum

Copyright © dieser Ausgabe 2018 by Festa Verlag, Leipzig

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-644-1

www.Festa-Verlag.de

Inhalt


Impressum

Inhalt

DER FLÜSTERER IM DUNKELN

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

ANHANG

Darrell Schweitzer: Über Der Flüsterer im Dunkeln

I

II

III

Entdecke die Festa-Community

DER FLÜSTERER IM DUNKELN

I

Man sollte sich stets im Klaren darüber sein, dass ich bis zum Schluss nichts wirklich Grauenhaftes gesehen habe. Doch bedeutet es, die offenkundigen Tatsachen meines Erlebnisses zu ignorieren, wenn man behauptet, ein seelischer Schock sei die Ursache meiner Schlussfolgerungen gewesen – praktisch der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, sodass ich nachts aus Akeleys einsamem Gutshaus floh und in einem gestohlenen Wagen durch die wilde Berglandschaft Vermonts raste. Obwohl ich von Henry Akeley viele Informationen erhielt und er mir auch seine Mutmaßungen mitteilte, ich Dinge sah und hörte, die bei mir einen zugegebenermaßen äußerst lebhaften Eindruck hinterließen, so kann ich doch nach wie vor nicht beweisen, ob ich mit meinen Schlussfolgerungen richtigliege oder nicht. Denn im Grunde genommen besagt Akeleys Verschwinden gar nichts. Außer den Einschusslöchern innen und außen fand man in seinem Haus nichts Ungewöhnliches. Alles wirkte so, als wäre er nur zu einer Wanderung in den Bergen aufgebrochen, von der er aber nicht mehr zurückkehrte. Es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, dass sich ein Besucher im Haus aufgehalten hatte oder dass jene abscheulichen Zylinder und Apparate im Arbeitszimmer gelagert worden waren. Dass Akeley eine tödliche Angst empfand angesichts der dicht gedrängten bewaldeten Berge und der zahllosen dahinplätschernden Bäche der Gegend, in der er geboren wurde und aufgewachsen war, ist ebenfalls bedeutungslos – schließlich leiden Tausende unter solch krankhaften Ängsten. Außerdem lassen sich seine Befürchtungen und sein sonderbares Verhalten leicht mit einer exzentrischen Veranlagung erklären.

Die ganze Sache begann, jedenfalls soweit es mich betrifft, mit den historischen und beispiellosen Überschwemmungen, die Vermont am 3. November 1927 heimsuchten. Damals war ich, und bin es noch heute, Literaturprofessor an der Miskatonic-Universität in Arkham, Massachusetts, und erforschte nebenbei begeistert die volkstümlichen Überlieferungen Neuenglands. Kurz nach dem Hochwasser fanden sich unter den zahlreichen Zeitungsberichten über Leid, Elend und organisierte Hilfsmaßnahmen so viele merkwürdige Geschichten über Dinge, die man angeblich in den angeschwollenen Flüssen gesehen hatte, dass etliche meiner Freunde eifrig darüber diskutierten und mich darum baten, ein wenig Licht in die Sache zu bringen. Ich fühlte mich geschmeichelt, dass sie meine Volkskundestudien so ernst nahmen, und tat, was ich konnte, um diese unklaren, verworrenen Berichte herunterzuspielen, die mir eindeutig Auswüchse alten bäuerlichen Aberglaubens zu sein schienen. Es amüsierte mich zu sehen, wie mehrere durchaus gebildete Personen auf der Meinung beharrten, dass sich hinter den obskuren Gerüchten ja Tatsachen verbergen könnten.

Die Geschichten, von denen ich auf diese Weise erfuhr, waren größtenteils Zeitungen entnommen; bei einem dieser Märchen handelte es sich jedoch um einen Augenzeugenbericht, der einem meiner Freunde von seiner Mutter aus Hardwick, Vermont, in einem Brief mitgeteilt wurde. Alle Fälle stimmten im Wesentlichen überein, auch wenn es sich um drei voneinander unabhängige Ereignisse handelte – das eine stand mit dem Winooski River in der Nähe von Montpelier in Verbindung, das andere mit dem West River in Windham County jenseits von Newfane, und ein drittes ereignete sich am Passumpsic in Caledonia County nördlich von Lyndonville. Natürlich erwähnten die verstreuten Berichte noch weitere Vorfälle, doch eine genaue Untersuchung ergab, dass sie anscheinend alle auf die genannten drei zurückzuführen waren. In allen Fällen behaupteten Landbewohner, in dem reißenden Wasser, das von den unbesiedelten Bergen herabströmte, überaus bizarre und verstörende Dinge gesehen zu haben. Die Beobachtungen brachte man allgemein mit einem primitiven, halb vergessenen Sagenkreis in Verbindung, der von alten Leuten bei dieser Gelegenheit neu belebt wurde.

Die Leute berichteten von Gebilden offensichtlich organischen Ursprungs, die nichts gleichkamen, was sie je zuvor gesehen hatten. Natürlich wurden in dieser tragischen Zeit viele menschliche Leichen von den Flüssen fortgeschwemmt; diejenigen aber, die diese sonderbaren Dinge beschrieben, waren fest davon überzeugt, es habe sich – trotz einiger oberflächlicher Ähnlichkeiten bezüglich Größe und Gestalt – nicht um Menschen gehandelt. Laut den Zeugen konnten es auch keine Tiere sein, jedenfalls keine, die in Vermont bekannt waren. Es handelte sich ihrer Aussage nach um rosafarbene Wesen von ungefähr anderthalb Metern Länge, die Leiber waren krustentierartig und wiesen je ein gewaltiges Paar Rückenflossen oder Membranschwingen sowie mehrere gelenkige Gliedmaßen auf. Dort, wo sich eigentlich ein Kopf befinden sollte, war ein ellipsenartig zusammengerolltes Gebilde, bedeckt mit unzähligen sehr kurzen Fühlern. Es war wirklich bemerkenswert, wie sehr die Aussagen aus unterschiedlichen Quellen miteinander übereinstimmten. Allerdings wurde diese erstaunliche Tatsache dadurch geschmälert, dass die alten Legenden, die in früheren Zeiten im gesamten Bergland heimisch gewesen waren, mit ihrer morbiden, anschaulichen Bildsprache auf die Vorstellungskraft all dieser Augenzeugen eingewirkt haben mochten. Ich war zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Zeugen – in allen Fällen handelte es sich um naive und einfach gestrickte Hinterwäldler – in den reißenden Fluten zerschundene und aufgequollene Leichen von Menschen oder Vieh gesehen hatten; die fast vergessenen Legenden ließen sie dann den bedauerlichen Opfern ein absurdes Aussehen verleihen.

Die alten Überlieferungen waren unklar, schwer einzuordnen und der jüngeren Generation größtenteils unbekannt. Ihr einzigartiger Charakter war offensichtlich auf den Einfluss wesentlich älterer Erzählungen der Indianer zurückzuführen. Auch wenn ich Vermont nie besucht hatte, war ich mit diesen Sagen vertraut durch die überaus seltene Abhandlung von Eli Davenport, die Material aus der Zeit bis 1839 umfasst, das aus den Erzählungen der ältesten Einwohner des Bundesstaates gewonnen wurde. Es fanden sich tatsächlich große Ähnlichkeiten mit Erzählungen, die ich persönlich von älteren Bauern in den Bergen New Hampshires gehört hatte. Um es kurz zu fassen: Es gab Hinweise auf eine verborgene Rasse monströser Wesen in den entlegenen Bergen – in den tiefen Wäldern, auf den höchsten Gipfeln und in den dunklen Tälern, wo Bäche aus unbekannten Quellen entspringen. Diese Wesen sah man nur selten, doch Männer, die sich weiter als üblich auf gewisse Berge oder in tiefe Steilschluchten, die sogar von Wölfen gemieden wurden, gewagt hatten, berichteten von ihren Spuren. Es handelte sich um sonderbare Fuß- oder Klauenspuren im Schlamm der Bachufer und auf unbewachsenen Stellen und um merkwürdige Steinkreise, die nicht von der Natur so angeordnet zu sein schienen und in deren näherer Umgebung kein Gras wuchs. Es gab zudem einige Höhlen von unbekannter Tiefe in den Berghängen; die Ausgänge waren von Felsblöcken auf eine Art verschlossen, die von keinem Zufall herrühren konnte. Überdurchschnittlich viele der merkwürdigen Spuren führten zu diesen Höhlen oder von ihnen fort – sofern die Richtung der Spuren überhaupt zu bestimmen war. Am schlimmsten aber waren die Dinge, die nur sehr selten von wagemutigen Leuten im Zwielicht der entlegensten Täler und in den dichten Wäldern der Berghöhen, auf die sonst niemand stieg, gesehen wurden.

Das alles wäre weniger beklemmend gewesen, hätten die verstreuten Darstellungen nicht so viele Ähnlichkeiten untereinander aufgewiesen. So gab es zwischen all den Gerüchten mehrere Übereinstimmungen: die Behauptung etwa, bei den Kreaturen handele es sich um eine Art riesiger hellroter Krebse mit zahlreichen Beinpaaren und zwei großen fledermausartigen Schwingen auf dem Rücken. Manchmal gingen sie auf allen Beinen, ein andermal nur auf dem hintersten Beinpaar, während sie die restlichen Gliedmaßen zum Transport großer Gegenstände unbekannter Art benutzten. Einmal hatte man eine erhebliche Anzahl der Wesen beobachtet: Eine Gruppe von ihnen watete durch einen seichten Waldbach, drei der Wesen führten den offensichtlich diszipliniert angeordneten Trupp an. Bei einer Gelegenheit hatte man ein Exemplar fliegen gesehen – es erhob sich nachts vom Gipfel eines kahlen, einsamen Berges und verschwand am Himmel, nachdem sich die großen flatternden Schwingen einen Augenblick lang vor dem Vollmond abgezeichnet hatten.

Im Großen und Ganzen schienen diese Wesen die Menschen in Frieden zu lassen, allerdings schrieb man ihnen das Verschwinden einiger waghalsiger Einzelgänger zu – vor allem Personen, die ihre Häuser zu nahe an gewissen Wäldern oder zu hoch auf gewissen Bergen erbaut hatten. Viele Gegenden betrachtete man bald als ungeeignet für die Besiedlung, und das hielt selbst dann noch vor, wenn der Grund für diese Einschätzung schon seit Langem in Vergessenheit geraten war. Die Menschen erschauderten beim Anblick mancher nahe gelegener Felswände, auch wenn sie gar nicht wussten, wie viele Siedler dort verschwunden und wie viele Bauernhäuser auf den unteren Hängen dieser finsteren grünen Wächter niedergebrannt waren.

Obwohl die frühesten Legenden davon sprachen, dass die Kreaturen wohl nur denen Leid zufügten, die in ihr Gebiet eindrangen, erzählten spätere Berichte von ihrer Neugierde in Bezug auf die Menschen – und von ihren Versuchen, geheime Vorposten in unserer Welt zu errichten. Es gab Geschichten über sonderbare Klauenabdrücke, die man morgens vor den Fenstern der Bauernhäuser entdeckt hatte, und über das gelegentliche Verschwinden von Personen in Gebieten außerhalb der bekanntermaßen heimgesuchten Regionen. Außerdem kursierten Gerüchte über summende Stimmen, die die menschliche Sprache imitierten und einsamen Reisenden in den tiefen Wäldern überraschende Angebote machten, und von zu Tode geängstigten Kindern, die im Urwald, der sich dicht an die Gärten hinter den Häusern drängt, etwas gesehen oder gehört hatten. In der letzten Gruppe von Legenden – derjenigen, die dem Niedergang des Aberglaubens und der Meidung der gefürchteten Orte voranging – finden sich schockierende Hinweise auf Einsiedler und abgelegen siedelnde Bauern, die anscheinend zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben einen abstoßenden geistigen Wandel durchgemacht hatten und über die man hinter vorgehaltener Hand munkelte, sie hätten sich an die fremden Wesen verkauft. In einem der nordöstlichen Bezirke schien es um 1800 herum an der Tagesordnung gewesen zu sein, verschrobene und unbeliebte Einsiedler zu beschuldigen, sie seien Verbündete oder Abgesandte der verhassten Geschöpfe.

Es gab natürlich unterschiedliche Erklärungen über die Natur dieser Wesen. Allgemein nannte man sie einfach ›die Anderen‹ oder ›die Alten‹, während andere Bezeichnungen nur an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten in Umlauf waren. Der Großteil der puritanischen Siedler tat sie schlicht als die Gefolgschaft des Teufels ab und erging sich in furchtsamen theologischen Spekulationen. Diejenigen, zu deren Erbe die keltische Sagenwelt gehörte – vor allem der schottisch-irische Bevölkerungsanteil von New Hampshire und dessen Landsleute, die sich im Zuge der Landzuweisungen durch Gouverneur Wentworth in Vermont niedergelassen hatten –, brachten sie vage mit den bösen Feen und dem ›kleinen Volk‹ der heimatlichen Sümpfe und Hügelfestungen in Verbindung und schützten sich mit Bruchstücken altüberlieferter Beschwörungsformeln. Die fantastischsten Theorien stammten jedoch von den Indianern. Die Legenden der verschiedenen Stämme unterschieden sich zwar voneinander, doch gab es in den wesentlichen Punkten eine deutliche Übereinstimmung – so etwa in der Ansicht, dass die Wesen nicht von dieser Welt stammten.

Die Mythen der Pennacook-Indianer, vielleicht die folgerichtigsten und bildhaftesten von allen, sprachen davon, dass die Geflügelten Wesen vom Sternbild des Großen Bären herabgekommen waren und auf der Erde Minen in unsere Berge gegraben hatten, weil sie hier ein Gestein fanden, an das sie in keiner anderen Welt gelangen konnten. Sie lebten nicht hier, so die Mythen, sondern unterhielten lediglich Stützpunkte und flogen mit riesigen Ladungen Gestein zurück zu ihren eigenen Sternen am Nordhimmel. Sie fügten nur jenen Erdenmenschen Schaden zu, die ihnen zu nahe kamen oder die ihnen nachspionierten. Tiere gingen ihnen, einer instinktiven Abscheu folgend, aus dem Weg, und nicht etwa deshalb, weil die Wesen auf sie Jagd machten. Sie konnten die Pflanzen und Tiere der Erde nicht essen, weshalb sie ihre eigene Nahrung von den Sternen mitbrachten. Es war schlecht, ihnen zu nahe zu kommen, und manchmal kehrten junge Jäger, die sich in die heimgesuchten Berge wagten, nicht mehr zurück. Es war auch nicht gut, ihnen nachts im Wald zu lauschen, wenn sie mit Stimmen wie Bienensummen flüsterten, um die Stimmen der Menschen nachzuahmen. Sie kannten die Sprachen aller Menschen – der Pennacooks, der Huronen, der Angehörigen der Fünf Stämme –, schienen selbst aber keine Sprache zu besitzen. Sie verständigten sich mit ihren Köpfen, die die Farbe wechseln konnten, um unterschiedliche Dinge auszudrücken.

Natürlich starben die Legenden sowohl der Weißen als auch der Indianer, abgesehen von einem gelegentlichen unzeitgemäßen Wiederaufflackern, im 19. Jahrhundert aus. Die Bewohner Vermonts wurden sesshaft, und sobald ihre Siedlungen und Wege einem bestimmten Plan gemäß angelegt waren, vergaßen sie nach und nach, welche Ängste und Abneigungen diesen Plan diktiert hatten – schließlich vergaßen sie, dass es solche Ängste und Abneigungen überhaupt gegeben hatte. Die meisten wussten nur noch, dass man gewisse hüglige Regionen als höchst ungesund, unrentabel und überhaupt ungünstig für die Besiedlung einschätzte und man sich am besten von ihnen fernhielt. Im Laufe der Zeit hatten Gewohnheit und wirtschaftliches Interesse in den für gut erachteten Gegenden so tief Wurzeln geschlagen, dass es gar keinen Grund mehr gab, sie zu verlassen, und so verwaisten die gespenstischen Berge mehr aus Zufall denn aus fester Absicht. Abgesehen von unregelmäßig auftretenden lokalen Schreckgeschichten wussten nur noch wundergläubige Großmütter und erinnerungsselige alterslose Greise von Geschöpfen, die in den Bergen hausten; und selbst solche Leute gaben zu, dass man nun nicht mehr viel von diesen Wesen zu befürchten habe, da sie sich an die Häuser und Siedlungen gewöhnt hätten und die Menschen ihr gewähltes Territorium in Frieden ließen.

Von alldem wusste ich seit Langem durch meine Lektüre und aus gewissen Volksmärchen, die ich in New Hampshire aufgeschnappt hatte; als nach der Flutwelle Gerüchte aufkamen, konnte ich daher ohne Probleme erraten, auf welch fruchtbarem Boden sie gediehen waren. Ich gab mir große Mühe, dies meinen Freunden zu erklären, und war dementsprechend amüsiert über die Hartnäckigkeit, mit der einige streitsüchtige Zeitgenossen trotz allem in den Berichten einen wahren Kern erkennen wollten. Diese Personen versuchten darzulegen, dass den frühen Legenden eine bemerkenswerte Langlebigkeit und Einheitlichkeit zu eigen war und dass es nicht klug sei, dogmatische Behauptungen darüber aufzustellen, was in den Bergen von Vermont leben mochte oder nicht – schließlich waren diese noch größtenteils unerforscht. Auch konnte ich sie nicht mit meiner Versicherung zufriedenstellen, dass alle diese Mythen einem wohlbekannten, auf der ganzen Welt vorkommenden Muster entsprächen und in einer frühen Phase der Entwicklung unserer Vorstellungskraft geprägt worden seien, sodass sie stets die gleiche Art von Sinnestäuschungen hervorriefen.

Es war sinnlos, meinen Widersachern beweisen zu wollen, dass die Mythen aus Vermont im Wesentlichen nur geringfügig von den weltweit verbreiteten Legenden über personifizierte Naturkräfte abwichen, die die Welt der Antike mit Faunen, Dryaden und Satyrn bevölkert, die kallikanzarai des neuzeitlichen Griechenland hervorgebracht und dem urtümlichen Wales und auch Irland die finsteren Sagen von merkwürdigen zwergenhaften und fürchterlichen verborgenen Völkern von Höhlenbewohnern gegeben hatten. Ebenso vergeblich war es, auf den verblüffend ähnlichen Aberglauben der nepalesischen Bergstämme hinzuweisen, die sich vor dem Mi-Go, dem ›abscheulichen Schneemenschen‹, fürchten, der inmitten des Eises und der Felsschründe der Himalaja-Gipfel lauert. Als ich diesen Beweis anführte, kehrten meine Widersacher ihn gegen mich und behaupteten, dies spreche für die geschichtliche Wahrheit der alten Sagen und weise auf die tatsächliche Existenz einer fremdartigen älteren Rasse von Erdbewohnern hin, die aufgrund des Erscheinens und der Vorherrschaft der Menschheit gezwungen gewesen sei, im Verborgenen zu hausen, und womöglich in kleiner Anzahl bis in jüngste Zeit überlebt habe – vielleicht sogar bis zum heutigen Tag.

Je mehr ich über solche Theorien lachte, desto hartnäckiger hielten meine starrköpfigen Freunde an ihnen fest. Sie fügten noch hinzu, die jüngsten Berichte seien auch ohne die überlieferten Legenden viel zu eindeutig, in sich geschlossen, detailliert und nüchtern geschildert, als dass man sie einfach ignorieren könnte. Zwei oder drei Fanatiker gingen gar so weit, anzudeuten, die alten indianischen Legenden wiesen auf einen außerirdischen Ursprung der verborgenen Wesen hin, und führten die versponnenen Bücher von Charles Fort an, in denen behauptet wird, Reisende von anderen Welten hätten schon oft die Erde besucht. Die meisten meiner Gegner waren jedoch bloße Romantiker, die nur zu gern die fantastische Sage von dem ›kleinen Volk‹, das durch die hervorragenden Schauergeschichten Arthur Machens bekannt geworden ist, ins wirkliche Leben übertragen hätten.

II

Unter den gegebenen Umständen war es unvermeidlich, dass die pikante Debatte schließlich in Form von Leserbriefen an den Arkham Advertiser ihren Weg in die Presse fand. Einige der Briefe wurden in den Zeitungen der Gebiete von Vermont nachgedruckt, aus denen die Flutgeschichten stammten. Der Rutland Herald füllte eine halbe Seite mit Auszügen aus den Leserbriefen beider Parteien, und der Brattleboro Reformer veröffentlichte in voller Länge eine meiner umfangreichen historisch-mythologischen Darstellungen, versehen mit den Kommentaren des geistreichen Kolumnisten ›Pendrifter‹, der meine skeptischen Schlussfolgerungen begrüßte und unterstützte. Im Frühjahr 1928 war ich fast eine Berühmtheit in Vermont, ungeachtet der Tatsache, dass ich nie in diesem Staat gewesen war. Dann kamen die herausfordernden Briefe Henry Akeleys, die einen so tief greifenden Eindruck auf mich machten und mich zum ersten und letzten Mal in jenes faszinierende Reich zahlloser bewaldeter Abgründe und murmelnder Waldbäche riefen.