Aus dem Amerikanischen von Doris Attwood

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe Quintessentially Q (Monsters in the Dark – Volume 2)

erschien 2013 im Verlag Pepper Winters.

Copyright © 2013 by Pepper Winters

Copyright © dieser Ausgabe 2018 by Festa Verlag, Leipzig

Lektorat: Katrin Hoppe

Titelbild: Anca Mitroi – https://masqueradeinfernale.wordpress.com

Titelgestaltung: Ari – www.coveritdesigns.net

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-621-2

www.Festa-Verlag.de

Diese Geschichte erzählt von Erotik,

Schrecken und bittersüßer Tragik.

Sie birgt Grausamkeiten und Finsternis,

die dennoch stets ein Licht durchbricht.

Für alle esclaves von Q und Liebhaber schlüpfrig-verdorbener Romanzen.

Prolog

QUINCY

Schmerzhaft ist mein Verlangen, dein Fleisch

bluten zu sehen,

schrei nach mir, gib mir, was ich brauche.

Mögen die Ströme fließen, das Monster im Innern hat gewonnen …

Ich dachte, ich sei ihr Albtraum – ihr Schrecken und ihre Dunkelheit. Ich wollte es sein. Ich brauchte sie mehr als Nahrung oder das Licht der Sonne. Erst als sie in mein Leben trat, begann ich zu leben – berauscht von ihrem Geschmack, ihren Schreien, ihrer Freude.

Aber unser krankes Märchen nahm nicht wirklich ein glückliches Ende.

Tess.

Meine Tess.

Meine esclave – so stark und leidenschaftlich und sexuell unzähmbar – war für das hier nicht stark genug.

Ich war nicht mehr ihr Käfig.

Sie waren es.

Kapitel 1

QUINCY

Nackt und gefesselt, diese Dunkelheit lässt sich

nicht bändigen.

Ich nehme dich in Besitz, meine esclave …

Alles, was ich denken konnte, war: Sie ist tot. Sie musste es sein. All das Blut – so grell und von beißendem Kupfergeruch, beinahe süßlich.

Ihre schneeweiße Haut wirkte noch frostiger als sonst, die graublauen Augen verschlossen sich vor mir.

Wut und Entsetzen drohten mich zu ersticken. Ich fiel auf die Knie, hinein in die warme Pfütze aus Purpur. Meine Hände um die Peitsche wurden glitschig vor Schweiß, ich schleuderte sie angewidert von mir. Ich hatte das getan. Ich hatte mich gehen lassen, mein wahres Ich gezeigt. Das Monster in mir hatte das einzige Licht in meinem Leben ausgelöscht.

»Tess?« Ich zog sie in meine Arme, zerrte ihre kalte, leblose Gestalt näher zu mir. Blut beschmierte uns. Aus ihrem roten, geschundenen Körper sickerte die Verdammnis.

»Wach auf, esclave«, knurrte ich in der Hoffnung, ein Befehl könnte sie zwingen, die taubenblauen Augen zu öffnen.

Keine Reaktion.

Ich beugte mich hinunter, presste die Wange an ihren Mund und wartete schier endlos auf einen kleinen Atemhauch, auf ein Zeichen, dass ich nicht zu weit gegangen war.

Nichts.

Angst lähmte mein Herz. Am liebsten hätte ich die Zeit zurückgedreht. Zurück zu den Jahren, als ich zwar mit Verlangen und Trieben lebte, aber niemals zu glauben wagte, ich könnte einmal wirklich frei sein. Zurück zu jenem Tag, an dem Tess zu mir gekommen war. Nur um sie diesmal sofort zu ihrem dämlichen Freund Brax zurückzuschicken. Dann wäre sie jetzt immerhin in Sicherheit – und mein Leben wäre nicht zu Ende.

Dann wäre Tess jetzt noch am Leben.

Aber meine Dämonen hatten sie getötet.

Ich hatte sie getötet.

Ich warf den Kopf in den Nacken und heulte.

»Q. Q!«

Etwas Scharfes biss in meine Schulter. Ich zuckte zusammen, rollte zur Seite und versuchte, das Rufen zu ignorieren. Ich verdiente es, in dieser albtraumhaften Hölle zu schmoren. Einer Hölle, die ich erschaffen hatte, weil ich die Frau getötet hatte, die mein Leben gestohlen und mir Gefühle gezeigt hatte, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte. Gefühle, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie mir erträumte, bevor Tess in mein Leben getreten war.

Meine Wange pulsierte, als hätte mich jemand geohrfeigt, der beißende Schmerz brannte sich durch die Dunkelheit zu mir.

Ich zwang mich, die Augen zu öffnen, und sah eine blonde Göttin mit wild glänzendem Blick auf mir. Aber das lähmende Entsetzen ließ mich nicht los, obwohl sie ganz offensichtlich noch am Leben war und vor Leidenschaft loderte. Eine Leidenschaft, die ich inzwischen so gut kannte.

»Was zur Hölle, Q? Das ist schon das dritte Mal diese Woche. Verrätst du mir endlich, wovon du da träumst? Du heulst jedes Mal wie ein Werwolf.« Tess drückte meine Schultern auf die Matratze und ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Muskeln anspannten. Ich mochte es zwar, wenn sie auf mir war, aber es gefiel mir ganz und gar nicht, wenn sie mich festhielt, als hätte sie die Kontrolle. Es widersprach einfach meinem Wesen.

»Das geht dich nichts an.« Ich rollte mich herum, packte sie an den Hüften und nahm sie unter mir gefangen. Ich riskierte ein vages Lächeln. Nun, mit ihr unter mir, kam meine Welt langsam wieder ins Lot. Ich fuhr mit den Händen über ihre Taille, ihren Hals hinauf und zu ihren Lippen. Ihr Atem zitterte, beschleunigte, und der Rest meiner Panik verebbte.

Sie atmete noch.

Ich hatte sie nicht getötet.

Noch nicht.

Tess strich mit der Hand sanft über meine Wange. Es kitzelte. »Du solltest mir sagen, wovor du Angst hast. Brax hat mir immer …«

Ich erstarrte und knirschte mit den Zähnen. »Wenn du weißt, was gut für dich ist, dann bringst du diesen Satz nicht zu Ende.« Gottverdammt, warum musste sie den Geist ihres idiotischen Ex-Freunds, der sie wie eine zerbrechliche Prinzessin behandelt hatte, in unser Bett holen?

Tess kniff die Augen zusammen. »Tut mir leid. Ich wollte nicht … Es ist nur … Ich mache mir Sorgen. Wenn du meinetwegen üble Träume hast, dann gib mir wenigstens die Chance, sie zu vertreiben.«

Es war noch zu früh am Morgen, um eine Inquisition zu ertragen.

Vier Tage waren vergangen, seit Tess plötzlich vor meiner Tür aufgetaucht war und mir keine andere Wahl gelassen hatte, als sie wieder bei mir aufzunehmen. Mit all ihrem Feuer, ihrem Geist, ihrer unerschütterlichen Hartnäckigkeit. Ich mochte vielleicht ein kontrollsüchtiger Mistkerl sein, aber seit dem Moment, als Tess in mein Leben stolziert war, hatte sie mich fest an den Eiern.

Ich hoffte nur, dass sie nicht wusste, welche Wirkung sie tatsächlich auf mich hatte – denn es jagte mir eine Scheißangst ein, wenn ich darüber nachdachte, was die Zukunft wohl für uns bereithielt.

Ihr Versprechen, dass sie stark genug für mich war … Unser Blutschwur, der uns so lange verband, wie Blut durch unsere Adern pumpte …

Vier Tage waren vergangen, seit sich mein Leben für immer verändert hatte und ich ständige unerträgliche Schmerzen litt.

»Lass mich in Ruhe«, brummte ich. Diese Frau schob sich wie ein eisiger Gletscher gegen den unbeweglichen Berg meines eigenen Eides. Meines heiligen Schwurs, dass ich diese verfluchte Dunkelheit niemals akzeptieren oder mich in ein sadistisches Arschloch verwandeln würde wie mein Vater. Desselben Schwurs, der mich davon abgehalten hatte, genau wie er hilflose Frauen in Fesseln zu legen. Aber der Gletscher gewann an Boden – Millimeter für Millimeter, Zentimeter für Zentimeter. Ihr Eis kroch in die winzigen Haarrisse meines Willens und weitete sie aus, bis sich die Brüche kaum noch ignorieren ließen.

Vier Tage lang hatte ich ihre sexuellen Avancen erfolgreich abgewehrt. Die Erinnerung daran, wie ich sie im Spielzimmer auf der Bar genommen hatte, war immer noch zu frisch, zu roh. Noch immer konnte Tess sich nicht einmal setzen, ohne zusammenzuzucken. Ich wusste, dass sie Schmerzen litt – nicht dass sie sich jemals beschwerte. Ich beobachtete jede ihrer Bewegungen wie ein Geier die Schwächen seiner Beute. Sie glaubte, sie hätte mich davon überzeugt, dass es ihr gut ging und dass ihr die Wunden nichts ausmachten. Mich. Einen Mann, der Schmerzen und Angst roch, als wären sie ein schweres Parfüm – ich kannte die Wahrheit.

Sie behauptete, ich hätte ihr mit meinem Gürtel nicht wehgetan. Sie log. Sie hatte Blut vergossen durch mich, verdammt noch mal. Ich lebte permanent auf einem Schlachtfeld und kämpfte gegen die köstliche Befriedigung an, die mir ihre Schmerzen bereiteten – entgegen meinem Moralvorstellungen und meiner fürchterlichen Angst davor, sie ernsthaft zu verletzen.

Ich habe nie herausgefunden, woher diese finsteren Bedürfnisse stammten. Sie waren ebenso ein Teil von mir wie mein genetischer Code.

Tess hatte es nicht verdient, verletzt zu werden – keine Frau hatte das. Aber sie war willens, mir ihre Schreie zu opfern. Für das Versprechen von etwas, von dem ich nicht wusste, ob ich fähig war, es ihr je zu geben.

Verdammt, ich sollte mich nicht danach verzehren, ihr die unsterbliche Seele aus dem Leib zu prügeln, aber das tat ich. O Scheiße, und wie ich das tat.

»Du kannst nicht all deine Gedanken weiter vor mir verbergen, Q, jetzt, wo du mich in dein Leben gelassen hast. Ich kann die Qualen in deinen Augen sehen. Du hast versprochen, dass du mit mir redest und dich mir öffnest.« Aus ihrer Stimme blutete der Schmerz, während sie ihre winzigen Fäuste verärgert ins Laken krallte.

Wir hatten beide Versprechungen gemacht, aber bislang hatte sie noch keiner von uns erfüllt. Nicht dass das eine Rolle spielte – ich hatte ohnehin die Absicht, meinen Teil der Abmachung nicht einzuhalten. Sie war nicht stark genug. Ich war nicht stark genug.

Ce sont les premiers jours, idiot. Détends-toi. Dafür ist es noch zu früh, Idiot. Entspann dich.

Aber ich konnte mich nicht entspannen. Ich war nicht stark genug, gegen den Drang anzukämpfen, mich wie ein irres Arschloch aufzuführen, wenn ich nicht die ganze Zeit über die Zügel straff in der Hand hielt. Für diese Gewissheit genügte die Erinnerung daran, wie Tess zum ersten Mal als meine Sklavin hier ankam. Ich war unfähig gewesen, etwas anderes zu tun, ich musste sie jagen, sie verletzen, sie verschlingen.

Wäre ich ein besserer Mann, hätte ich damals sofort kehrtgemacht, ich wäre die Treppe rückwärts wieder hochgegangen und hätte Franco angewiesen, sie umgehend fortzuschaffen. Aber hier stand ich nun: am Abgrund eines wahr gewordenen Traums – vor einer Frau, die mein wahres Ich sah, mich akzeptierte und eine Zukunft mit mir wollte –, und alles, was ich tat, war, in Albträumen zu ertrinken, in denen ich sie tötete.

»Ich bin erschöpft«, murmelte ich. Hörte sie das versteckte Geständnis, das darin mitschwang? Verflucht, es war noch nicht einmal eine Woche her, seit ich in diese Beziehung eingewilligt hatte, und schon war ich ein nervliches Wrack. Aber ich musste diese Frage gar nicht stellen – natürlich erkannte Tess die Wahrheit. Sie sah so verdammt viel.

»Dann hör auf zu kämpfen. Du hast mich nicht mehr angerührt, seit ich zu dir zurückgekommen bin. Wir mögen vielleicht das Bett miteinander teilen, aber du schaust mich nicht mal richtig an. Außer wenn ich zusammenzucke, weil ich mich auf eine wunde Stelle an meinem Hintern setze. Du bist noch distanzierter als damals, als ich an dich verkauft wurde.«

Bei diesen Worten entfuhr meiner Brust ein tiefes Knurren. Ich hasste die Wichser, die sie verschleppt und verkauft hatten. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, was mit Tess hätte passieren können, wenn sie bei einem anderen gelandet wäre, drehte ich beinahe durch. Ich wollte diesen feinen Geschäftsleuten ihre ganze Falschheit aus dem Leib reißen und meine Wände mit ihrem Blut besudeln. Ich gab einen Scheiß auf zivilisierte Geschäftstreffen mit diesen Kriminellen. Mit diesem Mist war ich fertig.

Bilder von Tess – gefesselt und verprügelt, vergewaltigt und zerstört – peinigten mich unaufhörlich. Die Ironie an der Sache war nur: Jetzt war ich der Mistkerl, der dafür verantwortlich war. Und weil sie zuließ, dass ich sie benutzte, wollte ich ihr plötzlich alles geben, was ich ihr im Gegenzug für ihre Angstschreie und ihr qualvolles Wimmern zu bieten hatte. Ich fühlte mich ihrer nicht würdig und bezweifelte, dass ich ihr jemals zurückzahlen konnte, was sie mir geschenkt hatte.

Ich ballte die Fäuste und bebte vor aufgestauter Wut. Wut auf mich selbst.

Scheiße, ich bin doch total geisteskrank.

Ich seufzte tief und nahm meinen ganzen Mut zusammen, um Tess wenigstens etwas von dem zu geben, was sie brauchte – einen winzigen Einblick in den verdorbenen Kern meines Verstands.

»Ich kann nicht zärtlich mit dir sein. Und ich hasse mich dafür, dass ich mich dazu habe hinreißen lassen, dich so furchtbar zu schlagen.« Und? War sie jetzt zufrieden, verdammt? Ich hatte mich geöffnet und ihr Dinge offenbart, die ich am liebsten einfach ausgekotzt hätte, um sie für immer loszuwerden. Ich wollte diese Dunkelheit aus meinem tiefsten Inneren schleudern, mein Herz vollkommen reinigen, um liebevoll und freundlich und der perfekte Mann für sie zu sein. Nicht die wilde, sexhungrige Bestie.

Sie hielt den Atem an und strich mit einem Finger sanft über meinen Unterarm. »Danke. Du hast ja keine Ahnung, was für eine Erleichterung es ist, wenn du mit mir sprichst. Kannst du mir jetzt von deinem Albtraum erzählen?«

Ich funkelte sie an und setzte mich auf. Aufdringliches Weib. Ihre Fragerei machte mich wahnsinnig. Und ärgerlich.

Ich rollte an den Rand des riesigen Betts, setzte mich auf die Kante und vergrub das Gesicht in den Händen. Ich wollte kein Feigling sein und davonlaufen, aber das hier war alles noch viel zu neu für mich. Mein Turmzimmer mit dem mächtigen offenen Kamin und dem ozeangroßen weißen Teppich war immer noch das alte. Äußerlich hatte sich hier nichts verändert, aber Tess verwüstete meine Seele. Ich wusste nicht, ob ich es überleben würde, wenn ich ihr erlaubte, noch tiefer in meine Welt einzutauchen.

Von Neuem erwachte der Albtraum in mir mit brüllender Farbenpracht. All das Blut – so grell und von beißendem Kupfergeruch, beinahe süßlich.

Nein. Ich konnte das nicht. Ich war nicht stark genug. Irgendwann würde mich die Bösartigkeit meines Vaters dazu treiben, das zu tun, wovor ich mein Leben lang geflohen war. Mein Dasein wurde bestimmt durch Regeln, durch Fesseln. Ich war nicht bereit dafür, zuzulassen, dass mich ein zarter, zerbrechlicher kleiner Vogel so lange reizte, bis ich mich losriss und ihm nachjagte.

Ich würde gewinnen.

Und verlieren, wenn ich sie tötete.

On dirait une fille, putain, Mercer! Du klingst wie ein beschissenes Mädchen, Mercer.

Ich zuckte zusammen, als Tess über die Bettdecke krabbelte und sich an meinen nackten Rücken schmiegte. Ihre weichen Fingerspitzen glitten über mein Tattoo aus flatternden Sperlingen und Stacheldraht. Ich spannte den Kiefer an, als ihre flüsternde Berührung immer tiefer wanderte, über meine Bauchmuskeln und zu meinem Schwanz.

Ich wollte sie aufhalten, das wollte ich wirklich, aber sie packte mich fest durch die enge Boxershorts. Ich stöhnte. Eine Berührung war alles, was ich brauchte, um schmerzhaft hart zu werden und in düsterer Begierde zu versinken.

Tess trieb mich förmlich zur Erektion, während sie die ganze Zeit an meinem Ohr herumknabberte. »Wenn du Angst davor hast, mir wehzutun, Q … Das wirst du nicht. Ich vertraue dir. Du wirst nicht zu weit gehen.«

»Aber ich vertraue dir noch nicht!«, spuckte ich aus. »Ich will dich nicht brechen.« Und ich traue mir selbst nicht, rechtzeitig aufzuhören.

Sie hörte auf, mich zu streicheln, und zog sich zurück. Der Verlust ihrer Wärme ließ mich schaudern. »Ich habe dir mein Wort gegeben, dass ich gegen dich ankämpfe. Ich schlafe seit vier Nächten in deinem Bett und das höchste der Gefühle war ein Gutenachtkuss auf meine Wange. Du hast weder deinen Gürtel noch die Ketten noch irgendeins der anderen Spielzeuge ausgepackt, die ich in deiner verspiegelten Kommode gesehen habe.«

Ihr Blick huschte zum Fußende des Bettes, an dem sich die Kommode befand. Abgeschlossen. Ich wollte auf keinen Fall, dass sie ihre Nase dort hineinsteckte.

Ich stöhnte und bohrte die Finger gegen meinen Schädel. Was für ein Monster wollte das Blut der Frau fließen sehen, in deren Hände es sein Leben gelegt hatte? Was für ein Tier wollte ihr Schreie entlocken, die sich wie ein perfekter Refrain ununterbrochen wiederholten?

Es war richtig von mir gewesen, so distanziert zu bleiben, so besessen von meiner Arbeit. Wenn ich überarbeitet war, hatte ich wenigstens keine Zeit für andere Bedürfnisse.

Ich war seit vier Tagen nicht mehr zur Arbeit gegangen. Ein völlig neues Gefühl hatte mich zu Hause gehalten, mich nie von Tess’ Seite weichen lassen. Die Angst, dass sie eines Morgens aufwachen und erkennen würde, dass sie einen Riesenfehler begangen hatte, machte mich nervös und gereizt. Die Vorstellung, von der Arbeit nach Hause zu kommen und festzustellen, dass sie nicht mehr da war … Sowohl der Mann als auch die Bestie in mir hassten diesen Gedanken. Aber es war ein Fehler, zu glauben, ich könnte meine Lebensweise einfach so aufgeben, ohne dafür irgendwelche Konsequenzen zu erleiden.

Ich musste einen Weg finden, mich selbst zu heilen. Ich musste damit aufhören, bevor Tess mich erfolgreich lockte, etwas zu tun, das ich hinterher bereute.

Tess grummelte irgendetwas und schwang die Beine über die Bettkante. Ihren Hintern zierten noch immer die violetten Schatten meines Gürtels. Wie viele Hiebe hatte ich ihr in jener Nacht verpasst? Ich hatte 30 gezählt, aber erst nachdem ich bereits mehrmals zugeschlagen hatte. Mein Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken daran, wie leicht ich in ihrer Nähe die Kontrolle verlor – doch schon in der nächsten Sekunde wurde er von dem überwältigenden Drang überschattet, weitere brutale, wütende Striemen auf ihrer perfekten Haut zu hinterlassen. Ich wollte sie übers Knie legen. Ich wollte, dass ihre perfekten Kristalltränen meinen Schenkel benetzten, während ich sie schlug.

Gottverdammt, sie hatte gesagt, ich hätte ihrer Seele Wunden zugefügt … Würde sie auch zulassen, dass ich ihrer Haut Narben verpasste?

Tess baute sich vor mir auf, die wohldefinierten Beine gespreizt, die Hände in die Hüften gestemmt. So stolz und königlich in ihrer eigenen Haut. Ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Die Bestie in mir knurrte, warf sich gegen die Käfigstäbe und versuchte verzweifelt, sie in die Fänge zu bekommen. Sie zu zerfetzen. Sie zu zerstören.

Ich kettete das Monster wieder an und riss mich zusammen.

Tess kniete sich zwischen meine Beine und presste die Lippen gegen meinen in die Boxershorts gepferchten Schwanz.

Ich schrak hoch und schnappte nach Luft. Die Hitze ihres Atems, die Zärtlichkeit ihrer Lippen machten mich wahnsinnig.

»Wenn du mir nicht sagen willst, was dir Sorgen macht, dann reize ich dich so lange, bis du nicht mehr anders kannst. Du hast mich. Ich bin deine Sklavin, solange wir im Schlafzimmer sind – und ich will benutzt werden. Ich sehne mich danach. Warum kapierst du das nicht endlich?«

Sie wollte mich reizen? Von mir aus. Ich griff mir eine dicke Handvoll ihrer zerzausten blonden Locken und beugte mich nach unten, bis wir auf Augenhöhe waren, starrte direkt in die Tiefe ihres Wesens und ließ zu, dass sie die Qualen in meinem Innersten sah. Das Verlangen, die Seelenpein, den schmalen Grat zwischen Hass und meiner Liebe für sie, weil sie mich gezwungen hatte, diesen Teil von mir zu akzeptieren.

Tess schnappte nach Luft und schrumpfte unter der Kraft meines durchdringenden Blickes zusammen. Ich schüttelte sie und genoss, den Schmerz in ihren Augen aufblitzen zu sehen. Scheiße, würde ich jemals Selbstekel empfinden, wenn ich ihr wehtat, anstatt davon angetörnt zu sein?

»Ich weiß, du willst, dass ich dir meine Fantasien zeige, aber du musst mir Zeit geben, esclave.« Mein Herz begann zu rasen, als ich das Wort aussprach. Vier Tage lang hatte ich mich geweigert, sie anders zu nennen als Tess. Sie war nicht meine Sklavin. Sie war nicht mein Besitz. Das war sie nie gewesen und sie würde es auch niemals sein. Und ich hasste mich dafür, wie sehr es mich auch jetzt noch, nachdem sie aus freien Stücken hier war, danach verlangte, ihr alleiniger Eigentümer zu sein. Ich wollte sie angekettet sehen, vollkommen abhängig von mir. Ich wollte sie füttern und baden. Ich wollte der einzige Grund dafür sein, dass sie am Leben blieb.

Verdammt, ich sollte mir ein Haustier zulegen.

Tess ist kein Haustier, du Arschloch. Sie ist deine gleichberechtigte Partnerin. Sie ist Tess. Elle est à toi. Sie ist dein.

Ihre Augenlider fielen zu und sie schmiegte sich an mich, öffnete die Lippen. »Sag es noch einmal, maître. Erinnere mich daran, wo mein Platz ist.«

Scheiße, dieses verfluchte Weib. Sie heilte mich nicht, sie machte es schlimmer. Wie konnte ich erwarten, meinen Albträumen zu entkommen, wenn sie mich ständig zwang, genau diesen Weg einzuschlagen?

Irgendetwas löste sich in mir. Schwärze wallte auf und verdeckte das Licht, dessen hellen Schein ich so verzweifelt am Leben zu erhalten versuchte.

Tess bemerkte es. Ihr Körper spannte sich an, die Finger gruben sich in meine Oberschenkel.

Ich neigte mich noch näher zu ihr und blickte sie finster an. Mein Herz schlug schwer, während dunkle Erregung in mir anschwoll. »Du bist mir ungehorsam, esclave. Ich denke, dafür muss ich dich bestrafen.« Beim Wort bestrafen zuckten sämtliche Muskeln meines Körpers und ich packte Tess noch fester.

Sie erschauderte unter meiner Berührung und in ihren Augen flackerte ein sexy Funkeln auf. Dasselbe Funkeln, das mir sagte, dass sie gegen mich rebellieren und mich dazu bringen würde, komplett auszurasten. Scheiße, ich hatte einfach nicht die Kraft, mich noch länger zurückzuhalten. Sie hatte mir sämtliche Energie ausgesaugt. Die Tore waren entriegelt und das Monster übernahm die volle Kontrolle.

Tess streichelte meinen Schenkel. »Du darfst mich nicht bestrafen. Sonst laufe ich weg. Ich verlasse dich.«

Meine Hände krümmten sich zu Klauen, die sich in ihre Haut gruben. Ihre Drohung berührte meine wahren Ängste und ich bebte vor Wut. Obwohl ich wusste, dass sie es absichtlich tat, erzürnte es mich. »Das würdest du nicht wagen, verdammt. Du bist zu mir zurückgekehrt. Das hier ist kein Urlaub, esclave. Du kannst nicht einfach kommen und gehen, wie es dir beliebt. Du gehörst mir und ich kann mit dir machen, was ich will.«

Sie öffnete den Mund und atmete zitternd ein, aber in ihren Augen loderten graue Flammen. »Wage es ja nicht, mich anzurühren, oder ich werde dich zerstören.«

Oh, verflucht, ich war erledigt. Ich war dabei, mich Hals über Kopf in diese Frau zu verlieben und den Verstand zu verlieren.

Ich schluckte den schweren Geschmack der Lust hinunter und raunte: »Dafür kommst du verdammt noch mal zu spät, esclave. Ich bin bereits rettungslos zerstört.« In einem letzten Moment der Zärtlichkeit drückte ich meine Stirn auf ihre und holte tief Luft. »Ich bin verloren.« Dann schwand sämtliche Sanftheit aus mir und überließ mich dem schonungslosen Drang zu verletzen.

Mit einem schnellen Ruck riss ich sie hoch. Sie packte meine Hände, die sich in ihre seidigen Locken krallten. Ihr schwelender Blick verbrannte mich und ihre perfekten rosa Lippen bebten.

»Du solltest mich wirklich nicht drängen. Ich habe dich um mehr Zeit gebeten.« Ich schüttelte sie heftig, voller Wut, weil sie mich dazu gebracht hatte, die Kontrolle zu verlieren. Kontrolle war meine einzige Schwäche – wenn man sie mir nahm, waren die Folgen katastrophal. »Ich kämpfe nicht mehr. Jetzt zufrieden?«

Ihr Brustkorb hob sich zitternd, als sie erneut keuchend Luft holte. Ein Flackern der Unsicherheit huschte durch ihre Augen, bevor es von schwerer, heißer Lust erstickt wurde. »Ja. Sehr. Das ist der Mann, zu dem ich zurückgekehrt bin. Der Mann, von dem ich gefickt werden will.«

Mein Penis presste sich gegen das Gefängnis der engen Shorts, pulsierte vom schmerzenden Verlangen, tief in sie hineinzustoßen. Ich zog sie zu mir heran und leckte mir über die Lippen. Ich würde sie brutal nehmen. Ich wollte nicht zahm sein. Ich wollte wild sein.

Ich rammte den Mund auf ihren und sie schloss ergeben die Augen.

Sie seufzte, als ich mit wütender Zunge ihre Unterlippe leckte. Ihr Körper wölbte sich in meine Berührung, gab seinen vorgetäuschten Kampf auf und zeigte mir, wie sehr sie das hier wirklich brauchte – diese Gewalt.

Ich zog mich zurück, ließ ihr Haar los und packte sie am Handgelenk – dem tätowierten Handgelenk mit den restlichen Linien des Strichcodes und dem flatternden Sperling. Eine Verhöhnung ihres Sklavendaseins und ein Talisman ihrer Freiheit. »Du solltest inzwischen wissen, dass ich nicht das tue, was du von mir willst, esclave. Nicht dein Einverständnis geilt mich auf.«

Sie legte die Stirn in Falten, als ich sie über den dicken weißen Teppich zerrte und sie vor der Spiegelkommode auf die Knie zwang.

Mit schwerem Atem beugte ich mich zu meiner Hose hinunter, die ich letzte Nacht auf dem Boden hatte liegen lassen, und holte den Schlüssel heraus.

»Aufmachen.« Ich reichte ihr den Schlüssel mit ruhiger Hand, aber wild hämmerndem Herzen.

Sie funkelte mich an, zögerte einen Moment. Ihr Körper versteifte sich, als ich den Befehl aussprach. Ich dachte, sie würde sich mir erneut widersetzen, aber dann nickte sie und steckte den Schlüssel gehorsam ins Schloss.

Meine Rückenmuskeln spannten sich an, jeder einzelne pulsierte in Alarmbereitschaft. Tess glaubte, ich hätte eine Seele, ein Herz. Was ich jedoch in dieser Kommode verwahrte, würde all ihren dummen, süßen Fantasien das Gegenteil beweisen.

Keine Frage, ich wollte Tess. Und es stand ebenfalls außer Frage, dass sie Gefühle in mir auslöste, die ich nie zuvor empfunden hatte. Aber es bestand auch kein Zweifel daran, dass mir das nicht reichte. Ich war zu sehr beschädigt worden, zu früh in meinem Leben und zu massiv, um mich noch zu ändern.

Tess atmete tief ein und öffnete die Klappe. Ich erwartete ein Kreischen, ein entsetztes Schnappen nach Luft … Irgendetwas, das mir zeigte, dass sie endlich erkannte, zu was sie mich in Wahrheit verführte. Aber nichts als Todesstille erfüllte den Raum.

Ich biss die Zähne zusammen und blickte über ihre Schulter. Die ersten paar Instrumente waren vollkommen harmlos. In jedem Sexshop und bei jedem abenteuerlustigen Pärchen war das eine oder andere dieser schlüpfrigen Spielzeuge zu finden.

Drei Peitschen, vier Flogger mit Riemen in unterschiedlicher Dicke, zwei Paddles, drei Sets mit Nippelklammern, Butt-Plugs und Handschellen in sämtlichen Ausführungen. Tatsächlich waren sie so harmlos, dass mich die Vorstellung, sie bei Tess zu benutzen, sofort abtörnte.

Tess fuhr mit zarten Fingern über die Gegenstände, die Stirn in leichte Falten gelegt. Warum zur Hölle runzelte sie die Stirn?

»Rede. Bist du enttäuscht? Hattest du ein Komplettset zur Vergewaltigung erwartet? Samt Schaufel, um deine Leiche loszuwerden?«

Sie zuckte beim Wort Vergewaltigung zusammen und ich verfluchte mich augenblicklich dafür. Erneut kochten die Wut und der Hass auf Lefebvre in mir hoch. Ich wollte den Kadaver dieses beschissenen Dreckschweins zu Wurmfutter zerhacken. Dafür dass er der Frau wehgetan hatte, deren Schutz mein Auftrag war.

Tess hob den Blick und reckte den schwanenweißen Hals. »Es ist nur … Ich hatte erwartet …« Sie schluckte, fuhr jedoch nicht fort. Stattdessen schüttelte sie kaum merklich den Kopf und widmete sich wieder der Kommode.

Sie griff nach einem ledernen Dildo und murmelte: »Ich will keine Dildos, wenn ich deinen Schwanz haben kann. Ich wusste ja, dass du auf Gerten und Lederpeitschen stehst, aber ich weiß auch nicht …« Ihre Stimme erstarb. Zur Hölle noch mal, sie gab mir tatsächlich das Gefühl, dass es mir an etwas mangelte. Dass ich nicht Hardcore genug für sie war.

Ich würde erst vollkommen befriedigt sein, wenn sie rot vor Blut war und wimmernd in meinen Armen lag. Die Sorte krankes Arschloch war ich. Und dass Tess glaubte, ich wäre harmlos … Scheiße, so brachte sie mich erst recht dazu, ihr beweisen zu wollen, in welche dunklen Abgründe ich in Wahrheit vorstoßen wollte. Welche abartigen Gedanken wirklich in meinem Schädel lauerten.

Ich fuhr mir mit einer Hand über den Kopf und fluchte leise. Du wetteiferst mit dir selbst. Siehst du eigentlich, wie abgefuckt das ist?

Merde. »Es ist nur das oberste Regal. Sieh genauer hin.« Meine Stimme klang nicht wie meine eigene. Zu düster, zu rau.

Tess’ Blick huschte zu mir und etwas blitzte zwischen uns auf. Die Chemie und das Verlangen, das stets unter der Oberfläche brodelte, loderten hoch wie ein unkontrollierbares Feuer. Mein Herz raste und mein ohnehin schon steinharter Schwanz pulsierte vor Begierde. Alles, woran ich denken konnte, waren Tess’ Geschmack auf meiner Zunge und die Erinnerung daran, sie auszupeitschen.

Sie richtete sich auf den Knien auf, fand die kleine Schlaufe an der Kante des Regalbrettes und zog daran.

»Oh«, entfuhr es ihr.

Genau, oh. Nun konnte sie die kranke Dunkelheit direkt vor sich sehen. Ich hatte noch nie eines dieser Spielzeuge benutzt – nicht dass man sie wirklich als solche bezeichnen konnte. Es waren eher Folterinstrumente. Ich wusste nicht, warum sie sich überhaupt in meinem Besitz befanden. Ich hatte nie vorgehabt, sie zu benutzen. Bis jetzt.

Tess nahm das Bondageseil aus japanischer Seide heraus. Angeblich ließ sich damit ein so fester Knoten binden, dass er nicht einmal mit einer Klinge oder Reißzähnen wieder gelöst werden konnte. Es brannte auf der Haut der Gefangenen, wenn sie zappelte, und die leuchtend purpurroten Fäden sahen so sehr nach Blut aus, dass mir das Wasser im Munde zusammenlief.

Tess strich einmal über das Seil, bevor sie es auf ihre nackten Schenkel legte und nach dem nächsten Gegenstand griff. Ich wollte den Blick gar nicht mehr von dem Seil auf ihrer Haut abwenden, aber mein Magen verkrampfte sich, als ich das nächste Objekt sah.

Gurtzeug.

Genau die Art von Geschirr, die mein kranker, perverser Vater benutzt hatte, um Frauen den Kopf zwischen den Beinen festzuschnallen und sie an der Decke aufzuhängen. Die Arme gefesselt, die Beine gefesselt, der Kopf gefesselt … Tess würde nirgendwohin fliehen können. Es gäbe keine Stelle an ihr, die ich nicht berühren könnte.

Ich erschauderte, als die Klaue des Verlangens meine Hoden zerquetschte. Die Vorstellung, Tess so hilflos gefesselt zu sehen, erfüllte mich mit unerbittlichem Drang. Ich machte einen Schritt vorwärts und fühlte mich beinahe genötigt, mich auf sie zu stürzen und sie festzubinden. Sie zum Schreien zu bringen, weil sie meinen Schwanz so sehr brauchte.

Sie blickte zu mir hoch, als ich einen weiteren Schritt machte und ihr Knie mit dem Fuß anstieß. Sie schaute mich unter dichten Wimpern an und in ihren Augen flirrte ein undurchdringlicher Wirbel von Emotionen, die ich nicht zu deuten wusste. Ihr Brustkorb hob sich langsam und auf ihrem Gesicht breitete sich ein mutiger und zugleich zerbrechlicher Ausdruck des Hungers aus.

»Gefällt dir die Vorstellung, nirgendwohin fliehen zu können? Dich nirgendwo verstecken zu können, esclave?«

Langsam, ganz langsam, legte sie die Gurte beiseite. Ihre Nippel zeichneten sich urplötzlich als kleine spitze Gipfel unter meinem weißen T-Shirt ab, das sie immer zum Schlafen trug. »Ich weiß, dass ich nicht vor dir davonlaufen kann, Q. Und das will ich auch gar nicht. Nicht wirklich.«

Ihre hauchende Stimme klang angespannt und anstatt meine Lust weiter anzustacheln, dämpfte es sie. Ich erstarrte, als sie nach dem nächsten Gegenstand griff. Warum ließ ich zu, dass sie sich all das anschaute? Meine Hände kribbelten nervös, so sehr wünschte ich mir, die Klappe wieder zuzuschlagen und dafür zu sorgen, dass Tess die Sachen nie wieder sah.

Als Nächstes holte sie einen leuchtend roten Ballknebel heraus, gefolgt von einem Ganzkörperanzug aus Vinyl, der nur über einen Mundschlitz und eine Öffnung zwischen den Beinen verfügte, und einer Stange mit Hand- und Fußgelenkfesseln.

Jedes neue Teil, das Tess auf den Boden legte, erfüllte mich mit noch größerem Ekel. Vor meinen Füßen versammelte sich die Beweislast meiner wahren Perversion. Mein Verlangen ging weit über schmutzige Mittelklassespielchen hinaus und grenzte an Lebensgefährdung. Ich wollte keine falsche Angst oder falsche Tränen. Nein, ich wollte die ganze verdammte Wahrheit. Ich wollte Tess besitzen, von ihr besessen sein und sie verschlingen. Ich wollte die Luft sein, die sie atmete. Ich wollte das Wasser sein, das sie trank. Ich wollte sie am Leben halten und sie gleichzeitig töten.

Ich war zu Tess nie ehrlicher gewesen. Ich war völlig und gänzlich erschöpft.

Tess gab ein Geräusch von sich und riss mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen, als ich den Gegenstand in ihrer Hand sah: ein roter Lederbeutel. Ich stürzte mich darauf, als sie gerade den Reißverschluss öffnete.

Sie aber reagierte blitzschnell und schwang das Säckchen aus meiner Reichweite. »Lass es mich sehen.« Ihr Tonfall grenzte an Wut – und an ein Flehen. Ein süßer Cocktail aus Klängen.

Ich nickte und wich vor den Dingen in dem Beutel zurück. Dinge, die ich in diesem Moment wirklich benutzen wollte.

Tess holte eine silberne Schere, ein kleines Messer und drei Kristallgefäße heraus. Sie machte sich nicht die Mühe, auch die Spritze zur Blutabnahme herauszuangeln, von der ich wusste, dass sie sich ebenfalls darin befand.

Sie schaukelte auf den Fersen hin und her und hielt mich mit ihrem grauen Starren gefangen. »Ich hab mich schon immer gefragt, warum du so viele von meinen Kleidern ruiniert hast. Du hättest mich auch einfach bitten können, für dich zu strippen, aber du hast es immer vorgezogen, sie zu zerschneiden, zu verbrennen oder zu zerreißen. Ist es, weil du das am liebsten auch mit meinem Körper tun würdest? Mich zerreißen? Mir die Haut abziehen? Bis du mein Blut als roten Fluss fließen siehst?«

Ich schloss die Augen. Ich konnte das Bild nicht ertragen, das sie zeichnete. Das Bild, das ich wollte. So. Sehr. Wollte. Verdammt!

Tess packte mich am Knöchel und zog sich an meinem größtenteils nackten Körper hoch, bis sie aufrecht vor mir stand. Ihre Wärme vereinte sich mit der meinen und ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn ich sie schlicht und einfach in die Arme nahm – ein Zeichen der Zärtlichkeit, der süßen Emotionen. Konnte ich es überleben oder würde ich sie zerquetschen, erdrücken? Zu weit gehen, wie ich es jedes Mal tat?

Tess beantwortete die Frage für mich: Sie drückte mir einen Flogger in die Hand. »Du liegst falsch, wenn du glaubst, deine Truhe des Schreckens würde mir Angst einjagen. Das tut sie nicht.«

Meine Augen, schwer vor Bedauern und Selbstverachtung, öffneten sich weit und ertranken in ihren. Sie war mir so nah, dass die blauen und grauen Wirbel in ihren Iris wie wutschäumende Seen aussahen. Ich versuchte, die Furcht, den Starrsinn und die Lust in ihrer Seele zu entschlüsseln.

Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Du musst mit mir reden. Du kannst keine Geheimnisse vor mir haben, maître. Nicht mehr. Das werde ich dir nicht erlauben.« Sie wich einen Schritt zurück, streifte sich mein T-Shirt über den Kopf und stand völlig nackt vor mir. Mit dem Mut einer Kriegerin zwickte sie sich in das weiße Fleisch ihres Unterleibs. »Hier. Ich will, dass du mir hier eine Narbe zufügst. Markiere mich, wenn du dich dann besser fühlst. Ich will, dass du annimmst, was ich dir gebe. Ich will, dass du es mit offenen Armen empfängst.«

Ich warf die Peitsche weg. Was Tess mir anbot, war nicht ihr Körper. Sie bot mir Wahnsinn an. Ich war vielleicht nicht Manns genug für sie – die Bestie dagegen war es todsicher genug, verdammt. Aber der Mann war ein Feigling. Ich weigerte mich, die Mauern fallen zu lassen und vollkommen frei zu sein – ganz gleich, welche Versprechen Tess mir entlockte. Ihr eine Narbe zufügen? Wusste sie denn nicht, dass ich nicht nach einer aufhören würde? Nicht aufhören konnte?

Ich berührte ihren straffen Bauch mit einer Fingerspitze. So weich, so seidig, so feminin. Tess keuchte leise und ihre Brust hob und senkte sich, lockte mich, ließ mich alle Hemmungen verlieren. Nur sie konnte diese Art von Netz um mich spinnen. Nur ihretwegen war ich so am Ende und völlig verwirrt.

Meine Hand umfing ihre Brust und zwickte ihren Nippel, hart. Kein sanftes Vorspiel, nur besitzergreifendes Klammern. Ihr Kopf kippte nach vorn, ruhte auf meiner Brust. Ihr Duft von Orchideen und Frost war mein endgültiger Untergang.

Ich gab auf.

Ich gab nach.

Ich wollte sie und ich würde mich nicht länger zurückhalten.

Ich hatte mich die ganze Zeit nur im Kreis gedreht, bis sich meine Gedanken völlig verhedderten und ins Stolpern gerieten. Aber jetzt war ich wieder vollkommen klar im Kopf und voller Eifer. Eifer, die Rolle des Schmerzen zufügenden, unersättlichen Meisters zu übernehmen.

Ich ließ die Hand von ihrem Busen zum Hals hinaufwandern und schloss sie um ihre Kehle. Grob riss ich ihren Kopf nach hinten und fing ihren stürmischen Blick mit meinem ein. Wut loderte in mir auf. »Du konntest mir nicht einfach ein bisschen mehr Zeit geben, was, esclave? Jetzt bin ich angepisst und wütend und weiß nicht mehr, wo die Grenzen meiner Kontrolle liegen. Ich gebe auf. Nichts spielt jetzt mehr eine Rolle, außer dich zu ficken.« Ich schüttelte sie und schlang die Finger noch enger um ihren Hals.

Sie rührte sich nicht. Die Arme hingen schlaff an ihren Seiten und sie ließ zu, dass ich sie würgte. Ich stellte sie auf die Probe und schloss meine Finger noch unerbittlicher um ihre Haut. Die Muskeln darunter waren so fragil, dass sich in meinem Kopf alles drehte, als wäre ich im Delirium.

Tess tat gar nichts.

Ich zwang mich, meinen Griff ein wenig zu lockern, und runzelte die Stirn. »Vertraust du mir, nicht zu weit zu gehen? Bist du wirklich so dumm?«

Eine Hand legte sich auf meine, aber sie zerrte nicht daran oder versuchte, mich dazu zu bringen, sie freizulassen. Ihre andere Hand ruhte auf meiner unrasierten Wange und neckte mich mit einer Mischung aus bedingungsloser Hinnahme, Begierde, Verlangen und allem anderen, was zwischen uns existierte.

Scheiße, ich habe solches Glück. Und ich war so unwürdig.

»Ich habe dir versprochen, dass ich kämpfen werde. Ich bin nicht so dumm, mich völlig deiner Kontrolle zu unterwerfen, Q. Ich vertraue darauf, dass ich deine Grenzen besser kenne als du selbst. Ich vertraue dir … hier.«

Sie legte eine Hand auf mein Herz. Es raste wie wild, pumpte wie das Herz eines Dämons und bäumte sich unter ihrer Berührung auf. »Erlaube dir, etwas zu fühlen. Erlaube dir, es zu akzeptieren. Du bist menschlicher, als du selbst glauben magst.«

Die Sanftheit in ihrer Stimme erzürnte mich. Ich erlaubte es mir nicht, die Wahrheit auch nur in Erwägung zu ziehen; stattdessen küsste ich sie.

Ich nahm ihren Mund gefangen, als wäre sie die letzte Frau auf Erden. Die einzige Frau für mich. Meine Zunge bohrte sich wie ein Speer zwischen ihre weichen, süßen Lippen und ich nahm, nahm, nahm. Ich stahl ihren Geschmack, ihren Atem. Ich zwang sie, jeden Zentimeter meiner begehrenden Zunge mit ihrer zu empfangen.

Sie stöhnte, presste sich hart gegen mich und saugte noch mehr aus mir heraus, bis ich nicht mehr sagen konnte, wo ihre Lippen begannen und meine endeten.

Meine Finger krallten sich aus eigenem Antrieb noch enger um ihren Hals, suchten nach süßer Kapitulation, ultimativer Kontrolle. Ich küsste und würgte sie gleichzeitig, bis ihre Beine zitterten und ich sie auffangen musste, als sie schließlich unter ihr nachgaben.

Die Erkenntnis, dass sie mich gewähren ließ, sie an diesen Punkt der Schwäche zu bringen, ließ mein Herz anschwellen, bis mir der Brustkorb zu platzen drohte. Nie hätte ich geglaubt, dass mir irgendetwas anderes solche Befriedigung verschaffen könnte wie Schmerzen zu bereiten, aber ihre völlige Unterwerfung und ihr bedingungsloses Vertrauen waren das ultimative Aphrodisiakum.

Ich gab sie frei, hob ihren schlaffen Körper mit meinen Armen und trug sie durchs Zimmer – vorbei am Kamin und fort von den Ketten an der Decke, an die ich sie zum ersten Mal gefesselt hatte – in den hinteren Teil des Turmes.

Tess blinzelte, völlig benebelt vom Sauerstoffmangel. »Wo gehen wir hin?«

Ich holte tief Luft, der Gnade meines pulsierenden Schwanzes und meines erdrückenden Verlangens vollkommen ausgeliefert, und schob Tess etwas höher in meinen Armen, um an dem dicken Samtvorhang neben dem mächtigen Turmfenster ziehen zu können.

Der dunkelgrüne Stoff rutschte von der Stange und sammelte sich wie ein geschmolzener Wald in einem Häuflein auf dem Boden.

Tess schnappte nach Luft, schmiegte sich enger an mich und starrte das menschengroße Andreaskreuz mit offenem Mund an. Das gut geölte dunkle Holz und die grellroten Lederfesseln wirkten mittelalterlich und Furcht einflößend. Mit Apparaturen wie dieser hatte man Menschen bei lebendigem Leib die Haut abgezogen oder ihnen sämtliche Gliedmaßen einzeln ausgerissen. Es war barbarisch. Es war grauenvoll. Es war köstlich.

Tess würde gefesselt völlig wehrlos sein. Meiner Macht vollkommen ausgeliefert. Ganz und gar mein.

Sie stöhnte und zitterte und schickte Schockwellen der Begierde durch meine Glieder. Meine Stimme triefte vor Finsternis.

»Es ist Zeit, dich endgültig in meine Welt einzuführen, esclave