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Der Telegrafenbau


Am 16. Juni 1860 unterschrieb US-Präsident James Buchanan den „Pacific Telegraph Act“, ein Gesetz zur Finanzierung der Errichtung von Telegrafenleitungen. Damit eröffnete er genaugenommen das Zeitalter der elektronischen Kommunikation in Nordamerika und fügte den atemberaubenden Pionierleistungen jener Ära ein entscheidendes Kapitel hinzu.

Die Telegrafie hatte sich bereits vorher in Amerika etabliert, aber es existierten bis zur Entscheidung des Präsidenten lediglich kurze regionale Linien in dichter besiedelten, urbanen Gebieten. Der „Pacific Telegraph Act“ sollte nichts weniger als die Ost- mit der Westküste Nordamerikas verbinden und damit eine Distanz von über 2.360 Meilen (ca. 3.800 km) überwinden.

Der Beschluss stellte zunächst eine Ausschreibung dar, an der sich alle existierenden Telegrafenlinien beteiligen konnten. Am Ende erhielt Hiram Sibley, der Direktor der 1851 in Rochester (New York) gegründeten „Western Union Telegraph Company“ den Zuschlag.

Sibley hatte eine typisch amerikanische Karriere hinter sich. Bettelarm geboren, lernte er zunächst das Schuster­handwerk, arbeitete dann in Maschinenfabriken und entwickelte ein starkes Interesse an neuen Techniken. Als er mit Samuel Morse in Kontakt kam, begeisterte er sich für dessen Erfindung des sogenannten Ein-Draht-­Telegrafensystems, dass auf anderen europäischen Telegrafiesystemen aufbaute.

Morse war 1832 nach einer Europareise zurückgekehrt und führte die Methode der elektromagnetischen Nachrichtenübermittlung in Amerika ein. 1847 erhielt er ein Patent auf sein System. Morse hatte auch den entsprechenden Code für die Übermittlung von Nachrichten mittels elektrischer Signale entwickelt, das „Morse-­Alphabet“. Damit wurde die Telegrafie kommerziell nutzbar.

Angesichts des enormen Aufwands, der für den Bau einer transkontinentalen Telegrafenlinie nötig war, suchten Sibley und die Anteilseigner der „Western Union“ sich finanzstarke Partner. Einer davon war Benjamin Franklin Ficklin, der zusammen mit Sibley zunächst die „Pacific Telegraph Company of Nebraska“ gründete – denn der Bau der Telegrafenlinie sollte, genau wie später die Konstruktion der Union Pacific Eisenbahn, in Omaha (Nebraska) beginnen und im Wesentlichen der Planwagen­strecke entlang des North Platte River folgen.

Ficklin war ein erfahrener Transportunternehmer, der zuvor Teilhaber des Pony Express und diverser ­Postkutschen- und Frachtunternehmen gewesen war.

Mit dem Regierungsvertrag in den Händen gelang es Hiram Sibley, weitere kleine Telegrafengesellschaften als Partner zu gewinnen, mit denen er die „Overland Telegraph Company of California“ gründete. Genau wie später beim Bau der großen Eisenbahnlinie, begann die Konstruktion der Telegrafenverbindung gleichzeitig im Osten und Westen. Von Carson City (Nevada) aus zogen Baumannschaften aus, um die Telegrafenmasten zu setzen, gefolgt von Teams, die den „sprechenden Draht“, wie die Indianer den Telegrafen nannten, Richtung Osten spannten.

Von Omaha (Nebraska) aus bewegten sich die Bautrupps Richtung Westen in die Great Plains. Es wurde ein atemberaubendes Tempo vorgelegt. Vorhandene kurze Strecken wurden miteinander verlinkt. Bereits am 24. Oktober 1861 fand in Salt Lake City (Utah) die Vereinigung der Telegrafenlinien statt.

Das war zugleich das abrupte Ende einer anderen, inzwischen legendenumwobenen Pionierleistung – des Pony Express. Die Inhaber dieser sagenumwobenen Postreiterlinie von St. Joseph nach Kalifornien waren mit der Fertigstellung des Telegrafen bankrott. So sensationell dieses Unternehmen auch gewesen war, so sehr es auch zur Verbindung der Ost- mit der Westküste beigetragen hatte – die Kosten waren viel zu hoch und die Einnahmen zu gering gewesen. Für die Reiterstafette waren über 500 der besten Pferde nötig gewesen. Den Angestellten mussten hohe Löhne gezahlt werden, weil ihr Einsatz in vielen Gebieten lebensgefährlich gewesen war.

Etwa 150 Postreiter sattelten ab, mehr als 190 Pferdewechselstationen in der Wildnis verfielen. Die als Rekord gepriesene Leistung, die Post zwischen Ost und West durch Steppen und Rocky Mountains bei Regen und Sturm, Hagel und Schnee in 10 Tagen hin und her transportiert zu haben, trat in den Hintergrund. Nachrichten wurden jetzt innerhalb von Minuten von Ost nach West und zurück durch den „sprechenden Draht“ transferiert.

Nach Fertigstellung der transkontinentalen Telegrafenlinie verschmolzen alle Unternehmen, die Sibley für die Konstruktion gegründet hatte, in der „Western Union“. Diese Firma monopolisierte das Telegrafenwesen in den USA bis weit ins 20. Jahrhundert und gab das Telegrafiegeschäft erst im Jahr 2006 auf.

Die Übermittlung von Nachrichten von „Küste zu Küste“ war nicht nur unschlagbar schnell geworden, sie war auch viel billiger als der Pony Express. Eine Botschaft von 10 Wörtern kostete maximal 3 Dollar. Im Vergleich dazu kostete eine Briefsendung von einer halben Unze Gewicht (ca. 14 Gramm) mit dem Pony Express 5 Dollar. (Das entspricht einem heutigen Wert von etwa 150 Dollar.) Diese Sendung benötigte 10 Tage.

Die Hoffnung der Pony-Express-Gründer, einen Regierungsvertrag mit der staatlichen US-Post zu erhalten, hatte sich nie erfüllt. Somit war innerhalb weniger Monate der totale Bankrott nicht nur absehbar, sondern auch unvermeidlich.

Dagegen erhielt die Telegrafie von Anfang an die Unterstützung der Regierung. Der „Pacific Telegraph Act“ sah vor, den Betreibern 10 Jahre lang jedes Jahr Regierungsdarlehen von 40.000 Dollar zu gewähren. Für jeweils 15 Meilen Strecke wurden öffentliche Landzuteilungen als weitere Subvention gewährt. Das betraf die Hauptstrecke zwischen dem Bundesstaat Missouri und San Francisco in Kalifornien. Dasselbe galt für eine Nebenstrecke nach Oregon.

Der amerikanische Osten und der Westen wuchsen zusammen.

Es ist müßig zu streiten, wer dieses einigende Band schmiedete – die Telegrafie oder die Eisenbahn. Letztlich dürfte die transkontinentale Eisenbahn, die 1869 fertiggestellt wurde, noch bedeutender gewesen sein, weil sie die physische Verbindung von Menschen und den Austausch von Waren darstellte; aber die Kommunikation der Landesteile hatten die Telegrafenunternehmer hergestellt. Sie hatten die notwendige Verbindung geschaffen, die das Reisen und die geschäftlichen Kontakte erst möglich gemacht hatten.

1861 brach der amerikanische Bürgerkrieg aus, und hier erwies sich die Telegrafie als wirksames Instrument der Nachrichtenübermittlung und trug zur Überlegenheit der Nordstaatenunion bei. Der „sprechende Draht“ wurde zur Essenz des Lebens und des Fortschritts. Er bahnte den Weg in eine Kommunikationsgesellschaft, die die Grundlage für die globale Menschheitsverbindung unserer heutigen Zeit schuf.

Die Eingeborenen, die ursprünglichen Besitzer des Landes, die Indianer, blieben auf der Strecke. Sie hatten der Technologie der weißen Zivilisation nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.

Im Zeitalter der Kolonisation zählten keine „alten Rechte“ oder moralische Ansprüche. Es zählte nur das Recht des Stärkeren. Das ist das Gesetz der Kulturen seit Anbeginn der Menschheit.

Pfeil und Bogen hatten die Steinschleuder abgelöst, Metallwerkzeuge waren stärker als Steinwerkzeuge. ­Reiter waren den Fußgängern überlegen. Das Travois konnte nicht mit einem Fuhrwerk konkurrieren. Die Eisenbahn übertraf Pferd und Wagen, Dampfschiffe übertrafen die Kanus. Schnelle Fortbewegung, schnelle Kommunikation waren Herrschaftselemente, bedeuteten Stärke und Überlegenheit.

Anpassen oder Untergehen, das war immer die Regel. Hinzu kamen diametral unterschiedliche Weltsichten. Der Besitz von Land hatte in den indianischen Gesellschaften einen völlig anderen Stellenwert als in den Augen der weißen Siedler.

Die Kolonisten hatten die Zukunft auf ihrer Seite. Was nicht in ihren Fortschrittsdrang passte, musste weichen, was ihre Lebensweise störte, musste beseitigt werden. Die industrielle Revolution überrollte den amerikanischen Westen und damit die Indianervölker. Alte Lebensweisen hatten nur noch nostal­gischen Wert, waren letztlich nur Störfaktoren.

Das war nicht überraschend, sondern eine unvermeidliche Entwicklung, die in der gesamten Menschheits­geschichte belegt ist und die bis heute nicht aufgehört hat. Das wird auch in Zukunft so sein.

In unseren Breiten, in der abendländischen Zivilisation, ist das nichts Neues. Im Grunde ist jede Generation darauf vorbereitet. Die Welt, die man als Kind kennengelernt hat, verändert sich rasend schnell. Die Welt, in die man geboren wird, ist nicht mehr dieselbe, wenn man sie verlässt. Wer sich im Laufe seines Lebens nicht angepasst hat, fällt aus der Zeit. Ständig Schritt halten, ständig fortschreiten, ist das Gesetz des Lebens.

Das war den Indianervölkern fremd, obwohl sie durchaus am Fortschritt interessiert waren. Sie wollten die Feuerwaffen des weißen Mannes, sie wollten seine Metallwerkzeuge, aber sie wollten nicht leben wie er. Damit war ihr Schicksal besiegelt.

In Kolonialzeiten wurde nicht nach Symbiosen verschiedener Lebenssichten und Lebensweisen gesucht, nicht nach Kompromissen. Es wurde nur die eigene Welt als dominant und Nonplusultra angesehen. Was sich dem Fortschritt nicht anpasste, ging unter.

Hat sich diese Einstellung verändert? Eher nicht. Es war so, und es wird vermutlich immer so bleiben. Romantik und Vergangenheitssehnsucht sind emotionale Sicht­weisen, die im Alltag und in der Realität des Lebens keinen Bestand haben.

Im 19. Jahrhundert wurden zivilisatorische Standards mit Gewalt, mit Gewehr und Revolver durchgesetzt, heutzutage sind es eher die Waffen der Wirtschaft. Aber ob physische oder finanzielle Gewalt, die Ziele haben sich nicht geändert. Die Methoden auch nicht.

Die Indianer hatten keine Chance.


Western Legenden



In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

9023 Dietmar Kuegler Alamo - Der Kampf um Texas

9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker

9025 R. S. Stone Blutiger Winter

9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge

9027 Alex Mann Dreitausend Rinder

9028 R. S. Stone Schwarzes Gold

9029 R. S. Stone Schmutziger Job

9030 Peter Dubina Bronco Canyon

9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt

9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille

9033 Anton Serkalow Blaine Williams - Das Gesetz der Rache

9034 Alfred Wallon Kampf am Schienenstrang

9035 Alex Mann Mexico Marshal

9036 Alex Mann Der Rodeochampion

9037 R. S. Stone Vierzig Tage

9038 Alex Mann Die gejagten Zwei

9039 Peter Dubina Teufel der weißen Berge

9040 Peter Dubina Brennende Lager

9041 Peter Dubina Kampf bis zur letzten Patrone

9042 Dietmar Kuegler Der Scout und der General

9043 Alfred Wallon Der El-Paso-Salzkrieg

9044 Dietmar Kuegler Ein freier Mann

9045 Alex Mann Ein aufrechter Mann

9046 Peter Dubina Gefährliche Fracht

9047 Alex Mann Kalte Fährten

9048 Leslie West Ein Eden für Männer

9049 Alfred Wallon Tod in Montana

9050 Alfred Wallon Das Ende der Fährte

9051 Dietmar Kuegler Der sprechende Draht

9052 U. H. Wilken Blutige Rache

9053 Alex Mann Die fünfte Kugel

9054 Peter Dubina Racheschwur


Dietmar Kuegler


Der sprechende Draht






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© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logo: Mario Heyer
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-672-9



1. Kapitel


Die Umrisse der Reiter zeichneten sich wie scharf konturierte Scherenschnitte gegen den brennenden Horizont ab. Hochgewachsene, athletische Männer, halbnackt, mit bronzefarbener Haut. Das lange Haar bewegte sich leicht im Steppenwind. Einige trugen Federn als Kopfschmuck. Jock Colter zog sein Pferd herum und stieß einen durchdringenden Pfiff aus. Seine Leute schleppten eben einen Telegrafenpfosten zu einem der vorbereiteten Löcher. Frisch geschlagene, entästete und geschälte Stämme, denen ein kräftiger Harzgeruch entströmte. Sie ließen den Pfosten fallen und stürmten zu dem Fuhrwerk zurück. Am Bock des Wagens, der von einem Maultierzehnergespann gezogen wurde, ragte eine Stange hoch, von der fünf Indianerskalps wehten.

„Wirf die Skalps weg!“, schrie Colter.

„Zu spät.“ Der Mann auf dem Bock nahm die Zügel hoch und stieß ein anfeuerndes Gebrüll aus. Die Mulis stemmten sich ins Geschirr.

Die anderen Männer bestiegen ihre Pferde. Der Mann auf dem Bock schrie. „Wartet auf mich!“

Da ritten die Indianer an. Einige schwenkten Lanzen, andere hielten Bogen und Tomahawks in den Fäusten. Nur wenige hatten Gewehre.

Sie ritten aus der Sonne. Die Hufe ihrer stämmigen Pferde wirbelten und trommelten einen dumpfen Wirbel, der vom Wind weit über die Prärie getragen wurde.

Colter und die anderen Männer trieben ihre Pferde zu höherem Tempo an. Der Wagen mit den Telegrafen­pfosten blieb zurück, so sehr der Kutscher auch mit der Peitsche auf das Gespann einprügelte.

Vor Colters Reitern tauchten ebenfalls Indianer auf. Sie begannen kollernde Rufe auszustoßen.

Colter zog sein Pferd herum und wandte sich nach Süden. Er ritt auf das zerklüftete Gelände jenseits der Steppe zu, obwohl er wusste, dass er durch einen Gürtel von Präriehundbauten musste, die zur Todesfalle für sein Pferd werden konnten.

Hinter ihm begannen Schüsse zu krachen. Dann war ein berstendes Geräusch zu vernehmen. Als Colter sich umwandte, sah er, dass der Wagen mit den schweren Pfosten umgestürzt war. Die Maultiere schleiften das Gefährt noch ein Stück weiter und blieben dann stehen. Der Kutscher war vom Bock geschleudert worden. Er erhob sich gerade benommen aus dem hohen Gras. Er taumelte zum Wagen zurück, um sein Gewehr zu holen.

Pfeile waren auf einmal in der Luft. Sie stürzten wie ein Todeshagel herab. Das Geschrei der Indianer wurde lauter.

Colter sah, wie zwei seiner Männer von Tomahawk­hieben aus dem Sattel gefegt wurden. Pferde bäumten sich wiehernd auf. Die Krieger preschten weiter, während die Toten im hohen Gras versanken.

Zwei Indianer jagten hinter Colter her. Er beugte sich weit nach vorn und hämmerte dem Pferd die Absätze in die Weichen. Aber die Krieger holten auf.

Colter drehte sich halb um und feuerte mit seinem Revolver. Eines der Indianerpferde überschlug sich aus vollem Lauf und begrub den Reiter unter sich. Der zweite aber gab nicht auf. Er näherte sich weiter. Colter schoss, verfehlte den Krieger und verlor fast das Gleichgewicht, als sein Pferd strauchelte. Er hielt sich mit Mühe im Sattel, wurde zwangsläufig langsamer und sah den Krieger plötzlich seitlich vor sich. Ein breitschultriger Mann mit mehr als schulterlangem Haar, das Gesicht mit roter Farbe beschmiert. Er führte einen wuchtigen Hieb mit seinem Tomahawk, der nur knapp an Colter vorbeiging.

Colter wehrte den nächsten Schlag mit dem Revolver ab. Der Krieger stieß einen gellenden Laut aus, der ­Colters Pferd zum Scheuen brachte. Im nächsten Moment brach es mit dem rechten Vorderlauf in einen Präriehundbau und wieherte kläglich. Es stürzte. Colter stieß sich geistesgegenwärtig von den Bügeln ab und fiel ins Gras, während sein Pferd sich herumwälzte.

Colter drehte sich auf den Rücken. Er sah den Krieger auf sich zukommen. Der Arapaho stieß dumpfe, heisere, gutturale Schreie aus und beugte sich tief aus dem Sattel, um Colter mit dem Tomahawk erreichen zu können.

Als Colter meinte, von den unbeschlagenen Hufen des Pferdes zertreten zu werden, drückte er ab. Der Tomahawk schwebte bereits über seinem Kopf. Die Kugel traf den Krieger. Er wurde vom Aufprall aus dem Sattel gerissen und war tot, bevor er den Boden berührte.

Colter war sofort auf den Beinen und schnappte die geflochtenen Hanfzügel des Indianerpferdes. Das Tier scheute und tänzelte und versuchte, nach Colter zu beißen. Colter versetzte dem Tier einen Schlag und schwang sich in den Polstersattel.

Hinter sich sah er, dass die anderen Krieger seine Männer umrundet hatten und der Kutscher des Wagens gefangengenommen worden war. Sein Gebrüll hallte Colter nach, als er das Indianerpony mit eisernem Griff vorwärtstrieb. Er ritt in das zerklüftete Gelände hinein, sprengte einen grasigen Hang hinunter in eine staubige Erdfurche und folgte dieser bis zu einer vulkanischen Felsformation, die aussah, als habe eine gewaltige Faust die Erde getroffen und aufgewühlt.

Hinter ihm wurde es still. Als er noch einmal den Kopf wandte, sah er Rauchsäulen über der Prärie aufsteigen.

Er fühlte Kälte in sich.


*


Als die Pfeile auf Bower zuflogen, stieß er ein verzweifeltes Geschrei aus und zerrte an seinen Fesseln, die ihn an den Telegrafenpfosten banden. Einen Sekundenbruchteil später bohrten sich die Pfeile mit saugenden Lauten in das Holz. Drei, vier trafen ihn.

Der Schmerz überwältigte Bower. Er schrie seine Qual hinaus.

Seine Augen füllten sich mit Tränen. Durch den Tränenschleier sah er die Arapaho heranpreschen. Sie hingen fast seitlich neben ihren Pferden. Sie ließen ihre Kriegsrufe hören und schwenkten Fackeln aus Büffelgras.

Einer aber hatte keine Fackel, er hielt die Stange in den Fäusten, die Bower auf dem Bock seines Wagens befestigt hatte, die Stange mit den fünf Indianerskalps. Zwei hatte Bower von Indianern genommen, die er selbst getötet hatte, drei andere hatte er von Indianergräbern gestohlen.