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Zum Buch

WINDELFREI, KINDERWAGENFREI, REGELFREI!

Die Rainers leben frei von Konventionen: Friederike und Ewald lassen ihre Tochter Ronja ohne Windeln, Schnuller, Babybrei und Kinderwagen aufwachsen. Ronja muss nicht, sie darf. Will sie keine Unterwäsche oder Schuhe anziehen, geht sie eben ohne. Das stößt bei anderen schon mal auf Unverständnis und Kopfschütteln.

Das bedürfnisorientierte und regelfreie Familienleben ist nicht immer einfach, denn bei aller Freiheit müssen auch Ronja manchmal Grenzen aufgezeigt werden. Mama Friederike berichtet aufrichtig vom Familienalltag, in dem nicht immer alles glatt läuft. Sie erzählt von gescheiterten Versuchen, Zweifeln, Erfolgen und Aha-Erlebnissen und davon, wie sich ihre Tochter zu einer selbstbewussten Persönlichkeit entwickelt.

» Bedürfnisorientiertes „Nicht-Erziehen“

» Ungeschminkt und ehrlich

» Frei von Dogmen und Perfektionismus

Friederike Rainer

FREE FAMILY

Alltag
einer nicht alltäglichen Familie

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INHALT

Vorwort

Wir stellen uns vor

Kinderwagenfrei

Windelfrei

Breifrei

Schuhfrei

Kinderzimmerfrei

Regelfrei

Kindergartenfrei

Ausblick

Die Autorin

VORWORT

Lange habe ich überlegt, ob ich ein Vorwort schreiben soll oder nicht. Und da ist es nun! Aus einem einfachen Grund: Hier soll Platz sein für die Frage, warum es dieses Buch gibt. Warum sollten gerade wir, die Familie Rainer, ein Buch über unser Leben verfassen?

Ein Motiv ist auf jeden Fall, anderen Familien Mut zu machen und sie zu inspirieren. Ja, vielleicht sogar anzustecken, ebenfalls neue Wege zu gehen und sich von Konventionen und sinnlosen Erwartungen zu lösen. Vorausgesetzt, es fühlt sich passend an … Denn im Prinzip geht es allen Eltern gleich: Wir wollen das Beste für unsere Kinder! Wir wollen, dass sie gesund aufwachsen, einen Sinn in ihrem Leben finden, glücklich sind – und so wenig wie möglich auffallen, denn das ist ja meist peinlich. Aber mal ehrlich: Alle stoßen regelmäßig an ihre Grenzen. Das ist völlig normal und vollkommen in Ordnung. Eine Ursache dafür liegt in meinen Augen darin, dass wir immer nur versuchen, Erwartungen zu erfüllen, und uns viel zu viele Gedanken darüber machen, was andere über uns denken könnten: wenn unsere Kinder schmatzen oder dreckig und unangepasst gekleidet sind, wenn sie laut oder aufmüpfig sind, wenn sie zu selbstbewusst oder frech sind – ich könnte hier lange fortfahren. Wenn wir dann in einer ruhigen Minute mal in uns gehen und uns ehrlich fragen, ob es die ständige Sorge um die Meinung anderer wirklich wert ist, müssen wir zugeben, dass sie das sicher nicht ist. Seid doch mal ehrlich (und da werden mir sicher viele zustimmen können): Man handelt sehr oft danach, dass man „gut dasteht“, weil das einfacher ist – es ist nie leicht zu ertragen, dass jemand eine schlechte Meinung von uns haben könnte. Dabei ist doch das Einzige, was wirklich zählt, ihr als Familie! Ihr müsst glücklich sein und euren Weg finden. Das Leben ist zu kurz, um sinnfreien Konventionen, Gedanken über die Meinung anderer und anderen Stressfaktoren nachzugeben.

Das ist die Erkenntnis, die die Grundlage dieses Buches bildet: die Erkenntnis, dass wir uns von vielem befreit haben und nach intensivem Überdenken von Standards und Regeln unseren eigenen Weg gefunden haben. Dieses Buch soll also Glaubenssätze sprengen und euch den Mut geben, mehr auf euer Bauchgefühl zu vertrauen, um neue und vielleicht auch unkonventionelle Wege einzuschlagen.

Dabei dürft ihr Folgendes nicht vergessen: Niemand ist unfehlbar oder perfekt. Ich bezeichne uns als „perfekt unperfekt“ oder auch als „herrlich chaotisch“ und „fehlerbehaftet“. Und das ist auch gut so, denn daran reifen wir. Wichtig ist mir, mein Handeln zu überdenken und zu bemerken, wenn ich mal auf dem „falschen“ Weg bin, um dann rechtzeitig die Notbremse ziehen zu können und wieder die Richtung zu korrigieren. Unser Leben entspricht eher einer Achterbahn als einem geraden Highway – das macht es lebendig und verleiht mir die Gabe, mich sehr gut in andere hineinversetzen zu können.

An dieser Stelle möchte ich noch DANKE sagen:

Meinem Mann, für seine Geduld mit mir und die Zeit, die er für mich freischaufelt.

Meinen Eltern, für jegliche Unterstützung (nicht nur im Zusammenhang mit diesem Buch), für ihre Offenheit unserem Lebensstil gegenüber, dafür, dass sie uns einfach annehmen und immer für uns da sind.

Meiner Schwester für ihre immerwährende Erreichbarkeit, ihre Geduld mit uns und dafür, dass sie immer da ist, wenn man Hilfe braucht.

Silke, dass du mir regelmäßig den Popo rettest, dass du versuchst, Herrin über mein Chaos zu sein, und immer für ehrliche Kritik zu haben bist.

Konrad Kleiner, dass du uns jederzeit mit Fotos für unser Business behilfst.

Nicola und Rebekka, für eure offenen Ohren und eure Zeit sowie eure ehrliche Unterstützung.

WIR STELLEN UNS VOR

Die Free Family, das sind wir, die Familie Rainer.

Eigentlich sind wir eine ganz normale Familie: Papa Ewald, Mama Friederike, Räubertochter Ronja und unser Bauchzwerg, die/der bald zu uns stößt. Doch irgendwie sind wir auch wieder nicht so normal, wenn man unseren Lebensstil betrachtet und all das, was uns wichtig ist.

Versteht mich nicht falsch: Unser Ziel war es nie, möglichst anders zu sein. Anders sein, nicht angepasst sein, macht es im Gegenteil oft unangenehm und sogar schwierig. Wir machen uns angreifbar, vor allem weil wir unseren Weg und unsere Gedanken öffentlich kundtun.

Darum geht es allerdings nicht. Es geht darum, warum wir anders leben als manch andere. Warum wir denken, dass dieser Weg für uns der passende ist – auch wenn er vielleicht nicht immer der bessere und sicher nicht der leichtere sein mag.

Ich, Friederike, bin grundsätzlich ein sehr reflektierter Mensch. Einerseits ist das großartig und ich sehe es als Chance, denn was ich anfasse und entscheide, ist größtenteils reiflich überlegt und durchdacht. Es macht mich kritikfähig und erlaubt mir, mein eigenes Verhalten und Handeln stets kritisch zu sehen. Andererseits kann das auch furchtbar anstrengend sein, vor allem für meine Mitmenschen (ich denke gerade an meinen Mann und meine Mama …). Ich halte mich in keinerlei Hinsicht für perfekt und gehe gleichzeitig davon aus, dass meine Entscheidungen durchaus gut durchdacht sind. Ich mag es überhaupt nicht, wenn ich nicht ausreden darf oder das Gefühl bekomme, nicht wertgeschätzt zu werden. Mein Mann ist in vielerlei Hinsicht grundverschieden: Er ist meist besonnen, lange nicht so laut und einnehmend im Wesen wie ich. Ich bin zwar mit Mitmenschen geduldig, im Leben aber nicht. Ich bin schnell gestresst, wenn etwas nicht klappt, obwohl ich langsam daran gewöhnt sein sollte, dass die Pläne der Chaos-Queen in mir oft nicht aufgehen … Auch mein Mann ist reflektiert, im Vergleich zu mir aber nicht ganz so verkopft. Natürlich überlegt auch er, bevor er entscheidet, und denkt später oft über seine Entscheidungen und Handlungsweisen nach, aber es rumort in ihm meist nicht ganz so lange, wie es bei mir der Fall ist. Das ist gut so, denn es macht es oft einfacher, gemeinsame Entscheidungen zu treffen.

Wir sind beide total unternehmenslustig und weltoffen, wobei ich viele Dinge angstfrei oder vielleicht auch naiv angehe, während er lieber alle in Sicherheit weiß. Wie man sieht, Ähnlichkeiten haben wir nicht viele!

Unsere Räubertochter Ronja ist laut, selbstbewusst und willensstark – eben ein typisches Kleinkind. Oft schafft sie es vor lauter Wut nicht zu reden, sondern schreit lieber. Mein Wunsch, einen selbstbewussten Menschen aus ihr zu machen, scheint absolut erfüllt – und gleichzeitig zeigt sie mir jeden Tag, wie vielen meiner Vorstellungen sie lieber nicht entsprechen möchte. Das macht uns glücklich und fordert uns gleichzeitig heraus.

Und ganz nebenbei lenkt das den Fokus wieder auf unsere Haltung, die wir uns und unserer Familie im Umgang miteinander zugrunde gelegt haben, und zeigt uns jeden Tag aufs Neue, dass Glaubenssätze und Gedanken darüber, „was andere wohl denken mögen“, in unserem Leben keinen Platz haben. Es ist uns wichtig, unsere Einstellung zu leben, andere dabei mitnehmen und inspirieren zu dürfen, ohne sie zu belehren.

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Wie? Ohne Kinderwagen? Ihr hattet gar keinen Kinderwagen? Und jetzt beim Zweiten wollt ihr auch keinen? So oder so ähnlich reagieren die meisten Bekannten, mit denen wir auf dieses Thema zu sprechen kommen. Ganz ehrlich – es war nicht immer die genialste Lösung, aber wirklich vermisst haben wir den Kinderwagen noch nie.

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Ich fange von vorne an: Meine „Geschichte“ mit dem Tragen begann schon, bevor mein Mann und ich ein Paar wurden. Als ich noch als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin auf der Intensivstation arbeitete, trugen wir die Frühchen und leiteten die Eltern dazu an. Unglaublich, wie praktisch das sein kann! Du bindest dir das motzende Kind einfach um und kannst die anderen weiterversorgen – und das Baby schlummert oder kuschelt zufrieden!

Schon da war mir klar, dass ich meine Kinder, die ich mir schon damals wünschte, auf jeden Fall auch tragen würde.

Affen sind ja evolutionsgeschichtlich gesehen unsere nächsten Verwandten. Und auch sie machen es uns vor, das Tragen. Affenbabys klammern sich den ganzen Tag an ihre Mama und werden so mitgenommen und herumgetragen. Wirft man einen genaueren Blick auf unsere Evolution und Genetik, scheint das Tragen absolut normal und natürlich, eben unserer Art beziehungsweise der Gattung Mensch „gerecht“. Menschenkinder werden sehr unreif geboren. Fluchttiere wie zum Beispiel Pferde können wenige Stunden nach der Geburt aufstehen, Menschenkinder können das erst nach circa zwölf Monaten. Und nicht nur die Fortbewegung ist unterentwickelt: Auch unsere Kommunikationsfähigkeit und jeglicher Selbstschutz sind so wenig ausgereift, dass ein Menschenkind ein völlig hilfloses Wesen ist. Nicht einmal für seine Ernährung kann ein Menschenkind selbst sorgen. Anders gesagt: Würden wir ein Menschenkind liegen lassen, also nicht am Körper mit uns tragen, würde es von einem wilden Tier gefressen, würde verhungern, verdursten und erfrieren. Klar, die Zeiten, in denen man Angst haben musste, das Baby könnte von einem Tiger gefressen werden, sind eigentlich vorbei – für unsere Gene aber eben nicht, denn die haben das gleiche Programm wie eh und je. Erst hast du dein Baby vierzig Wochen lang unter deinem Herzen schaukelnd immer dabei. Und kaum ist das Menschenkind geboren, muss es selbst essen (auch wenn wir es füttern), selbst die Temperatur halten (auch wenn wir es kleiden) und ist oft allein – das ist eine ziemlich extreme Umstellung! Das Tragen am Körper wiegt dein Baby in ähnlicher Art und Weise, wie es schon im Bauch passiert ist. Es vermittelt deinem Baby Liebe und Geborgenheit und zeigt ihm, dass es keine Ängste haben muss, zurückgelassen zu werden (Denkt an den Tiger! Euer Baby ist ein schutzloses Wesen – würde es in der Natur allein zurückgelassen, würde es vom Tiger gefressen). Gleichzeitig wärmt das Tragen dein Baby, zeigt ihm seine Umwelt auf Augenhöhe und gibt ihm dabei die Möglichkeit, sich jederzeit vor äußerlichen Einflüssen zu schützen, indem es sich bei dir versteckt. Das Beste daran kommt aber noch: Du hast dabei die Hände frei für etwas anderes und der Papa kann es auch übernehmen (im Gegensatz zu manch anderen Dingen in der Versorgung eines Babys).

All diese Vorstellungen inspirierten mich und aufgrund meiner medizinischen Vorbildung wollte ich auch anatomisch und ergonomisch geschult werden sowie alles Hintergrundwissen zum Tragen erwerben. Also wurde ich Trageberaterin. Ab diesem Zeitpunkt durfte ich andere Familien auf ihrem Weg zum Tragen begleiten.

Als wir dann unsere Räubertochter erwarteten, waren wir uns aus verschiedenen Gründen von Anfang an einig, so wenig wie möglich kaufen zu wollen. Kein Plastik, keinen Plunder. Was braucht ein Baby schon außer Nahrung, etwas Kleidung und viel Liebe und Nähe? Gut, wir waren sicherlich in mancherlei Hinsicht etwas naiv, trotzdem kamen wir mit dieser Idee super zurecht. Schließlich leben wir in einer Welt, in der man nahezu jederzeit alles kaufen kann.

So sahen wir es auch beim Kinderwagen. Wir verstanden nicht, wozu wir den gebrauchen könnten. Ich war bereits Trageberaterin, hatte ein sehr großes Sortiment an Tragehilfen und -tüchern fürjeden Geschmack zu Hause und war mir sicher, auch für uns und unser Baby etwas Passendes zu finden. Ich war von Anfang an überzeugt: Das Tragen ist nicht nur ein „Spleen“ meinerseits, sondern wird wirklich funktionieren. Im Gegensatz zu den meisten Außenstehenden, Verwandten oder Bekannten.

Ich fragte mich einfach: Warum sollte es nicht funktionieren? Auch wenn der Vergleich hinkt: In Afrika gibt es keine andere Möglichkeit, als sich sein Kind bei der Feldarbeit umzubinden. Das Babytragen hat eine jahrtausendealte Tradition in fast allen Kulturen, so gesehen sind Kinderwagen neumodischer Schnickschnack.