Norina Peier, Marcel Felder, Erich Slamanig
Jeder Schritt ein Auftritt
Übungen und Reflexionen zur Vermittlung von Auftrittskompetenz
ISBN Print: 978-3-0355-1410-0
ISBN E-Book: 978-3-0355-1411-7
Fotos: Tobias Stahel
1. Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
© 2019 hep verlag ag, Bern
www.hep-verlag.com
Zusatzmaterialien und Angebote zu diesem Buch: |
Inhaltsverzeichnis
Vorwort von Mathis Kramer-Länger
Vorwort von Eva Göksel
EINLEITUNG
Warum ist Auftrittskompetenz wichtig?
Zum Aufbau des Buches
Zum Aufbau des Trainings
Trainerinnen und Trainer
Warum Übungen aus der Theaterpädagogik?
Welche Aspekte gehören zur Auftrittskompetenz?
ÜBUNGEN
ZUM STARTEN DER EINHEIT
1Soziometrische Aufstellung
2Soziometrisches Gehen
3Gossiping
4Sokratisches Fragen
5Hammerübung
6Speeddating
7Expertentalk
8Mein Vorsatz für heute
9Herausfordernde Auftrittssituationen
10Auftrittspanorama
11Einmal einreihen, bitte
ZUM BEENDEN DER EINHEIT
12Rücken stärken
13Spinnennetz
14Kerze, Korb und Stein
15Glücksrad
16Das Pinguin-Prinzip
17Vernissage
18Wenn Wände Ohren hätten …
19Ein Reim, dann heim
20Platz der höchsten Intensität
21Dankeschön
KÖRPERSPRACHE
22Auftrittsvariationen
23Die drei Kommunikationsmedien
24Das Kommunikationsdreieck
25Embodiment
26Selektive Authentizität
27Präsenz
28Der präsente Stand
29Der persönliche Stand
30Den persönlichen Stand präsenter gestalten
31Wohin mit den Händen?
32Nonverbal führen
33Standduell
341-2-3-Spiel
35Platzwechsel
36Blickkontakt aushalten
37Blick durchschneiden
38Hotspot
39Inselhüpfen
40Auf dem Teppich bleiben
41Alltagsbewegung
42Statuen beschreiben
43Anlocken und wegschicken
44Proxemik
STIMME, SPRACHE, ATMUNG
45Abklopfen
46Du-Spiel
47Stimme und Stimmung 1
48Stimme und Stimmung 2
49Sprechhaltungen
50Stimmmodulation
51Verbale Bälle
52Squash
53Zungenbrecher
54Samurai
55Stimmvolumen
56Chorsprechen
57Textem
58The Voice
59Pro und Kontra
60Bilder beschreiben
61Anweisungen geben
62Figuren beschreiben
63Die Indifferenzlage
64Kiefer lockern
65Mundgymnastik
66Körperresonanz
67Artikulation
WAHRNEHMUNG
68Die vier Wahrnehmungsräume
69Stop-and-go
70Redeängste
71First Impression
72Strichmenschchen
73Feedback geben und nehmen
74WWW-Feedback
75Guter Wortersatz
76Gorilla
77Hände schütteln
78Stopp-Übung
79Sich gegenseitig scannen
80Selbst
81Ehrlich echt?
82Hallo
83Durch den Raum führen
84Zip, zap, boing
85Tempospiel 1 bis 10
86Raumwahrnehmung
87Beep, beep
88Nichtstun-Kreis
89Prinzip 21
90Raum geben und nehmen
91Sich selber führen
92Daumenspiel
93Fotokamera
94Spiegeln
95Vier (im) Eck
96Kommunikationszonen
97Kugelübung
98Der haptische Raum
BEZIEHUNGSGESTALTUNG
99Blickduell
100Stägeli uf und Stägeli ab
101Natürlicher, sozialer und professioneller Status
102Sympathie und Respekt
103Statusskala
104Hin und her
105Statusstrategien
106Statuskampf
107Kontaktverhalten
108Statusranking
109Aufträge und Ausreden
110Hinterrücks
111Dabei sein ist alles
112Der Professionelle und die Souveräne
IMPROVISATIONS- UND SIMULATIONSÜBUNGEN
113Speedy
114Anweisungen erraten
115Qualitäten erkennen
116Mehr und weiter
117Zuhören
118Monologische Simulationsübung
119Dialogische Simulationsübung (Rollenspiel)
12090 Sekunden
121Akzeptieren
122Serieller Monolog
123Der erste Satz
124Sonnenschirmimpro
125Regiespiel
126Parkbank
127Herzblatt
128Impulse holen
129Ich bin ein Kreuzworträtsel
130Videobotschaft
REFLEXIONSAUFGABEN, WAHRNEHMUNGS- UND BEOBACHTUNGSAUFTRÄGE
Präsenz bei anderen
Präsenz bei mir
Gestik bei anderen
Gestik bei mir
Mimik bei mir
Mimik bei anderen
Blickkontakt bei mir
Blickkontakt bei anderen
Stand bei mir
Stand bei anderen
Körperhaltung bei mir
Körperhaltung bei anderen
Kopfhaltung bei mir
Kopfhaltung bei anderen
Sprache
Stimme bei mir
Stimme bei anderen
Atmung bei mir
Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung
Kontakt herstellen
Lernen von anderen
Am Anfang und am Ende bei mir sein
Vor-Satz
Status 1
Status 2
Nervosität
Raumverhalten 1
Raumverhalten 2
Blick
Sprechverhalten
Persönliche Lernfelder definieren
ARBEITSMATERIAL
Herausfordernde Auftrittssituationen
Feedbackbogen
Videoanalyse
Selbstreflexion
Auftrittspanorama (a)
Auftrittspanorama (b)
WWW-Feedback
Beobachtungskarten
Die Stimme
Senden und Empfangen
Rücken stärken
Selbst
Affektive Adjektive
Sprechhaltungen
Textem
Merkmale von Hoch- und Tiefstatus
Vom Tiefstatus zum Hochstatus
Hochstatus behalten
Äusserer und innerer Status: Die vier Typen
Der Professionelle und die Souveräne (außen flexibel, innen hoch)
Zungenbrecher
Ratschläge für einen schlechten Redner (von Kurt Tucholsky)
Zitate rund ums Auftreten
Geometrische Figuren
Ansichtssache: Eltern–Kind
Ansichtssache: Heterogenität
Ansichtssache: Zusammenarbeit
Ansichtssache: Gemeinsame Pause
Literaturverzeichnis
Die Autorin und die Autoren
Vorwort von Mathis Kramer-Länger
Als kurz nach der Jahrtausendwende die Lehrerinnen- und Lehrerbildung in der Schweiz auf das Bologna-Konkordat abgestimmt wurde, gestalteten die neu entstehenden Pädagogischen Hochschulen ihre Studiengänge und Curricula in Modulen. An der Pädagogischen Hochschule Zürich wurden dabei drei «Trainingsmodule» definiert: Neben einem Modul zum Training von Kommunikationskompetenz, gab es eines, in dem der Umgang mit Konflikten trainiert wurde sowie eines zum Training von Auftrittskompetenz. Zum ersten Mal wurde der Begriff «Auftrittskompetenz» – ergänzend und in Abgrenzung zu den damals bereits gebräuchlichen Begriffen «Kommunikationskompetenz» und «Konfliktkompetenz» – im Rahmen eines (fach-)hochschulischen Curriculums ver wendet.
Mit dem Trainingsmodul Auftrittskompetenz, einem Pflichtmodul am Anfang des Studiums, werden seither die Studienanfängerinnen und -anfänger der PH Zürich bei einer für sie neuen Erfahrung unterstützt: der Erfahrung, aufzufallen. Darin – im Auffallen – wurden die meisten Studentinnen und Studenten während ihrer 15-jährigen Schullaufbahn nämlich nicht unterstützt. Im Gegenteil: Oft kommt in der Schule ungeschoren davon, wer nicht auffällt, Tarnung wird als wichtige Kompetenz erlebt, die hilft, die schulischen Anforderungen zu bestehen.
Bereits in der zweiten Semesterwoche ihres Studiums besuchen die Studentinnen und Studenten der PH Zürich zum ersten Mal einen Kindergarten oder ein Schulzimmer. Spätestens wenn die ersten Schülerinnen und Schüler den Raum betreten, realisieren die Studierenden, dass ihnen Tarnung nicht hilft. Ob sie es nun wollen oder nicht: Unter lauter Kindern oder Jugendlichen fallen sie auf.
In dieser Situation reagieren die Studierenden wie alle Menschen in ungewohnten Situationen: Sie greifen auf Bekanntes zurück. Beim ersten Kontakt mit Schülerinnen und Schülern beispielsweise auf die Rolle der älteren Schwester, des älteren Bruders. Oder auf die der Pfadfinderführerin, des Leiters einer Jugendgruppe oder des Unteroffiziers. Oder aber, sie erinnern sich an eine Lehrerin oder einen Lehrer, die sie als Schülerin oder Schüler erlebt haben und sie versuchen, sich an deren Verhalten oder dessen Art zu Sprechen zu orientieren.
Ist dies auch nicht ganz falsch, so ist es auch nicht wirklich hilfreich. Denn einerseits stimmen die Situationen, in denen die Studierenden die ihnen bekannten Rollen erprobt haben, nicht mit der Schulsituation überein: Eine große Schwester passt in den familiären Kontext, als Pfadfinder verbringt man im kollegialen Rahmen Freizeit. Andererseits bewirkt die Orientierung an Vorbildern, dass man möglicherweise eine Lehrerin oder einen Lehrer ganz gut imitiert, man bleibt aber immer Imitatorin respektive Imitator und ist damit nicht bei sich und dem Eigenen, man ist nicht authentisch. Das ist auf Dauer nicht nur anstrengend, sondern führt auch zu einem eng begrenzten Handlungsrepertoire.
Im Trainingsmodul Auftrittskompetenz beginnen die Studierenden, das eigene Rollenverhalten zu erkennen und weiterzuentwickeln. Mit Übungen zu Selbstwahrnehmung wird die Aufmerksamkeit für sich selbst aktiviert und differenziert. Mit Übungen zur Wahrnehmung ihrer Umgebung werden sie aufmerksamer gegenüber der sie umgebenden Situation. Das Pendeln zwischen diesen beiden Aufmerksamkeiten, dem «Bei-sich-Sein» und dem «In-der-Situation-Sein», wird mit Übungen zur Mehrfachaufmerksamkeit trainiert. Dabei geht es weniger darum, «richtiges» Verhalten einzuüben. Vielmehr ist es das Ziel, Eigenes, Authentisches zu finden und vielfältig anwenden zu lernen. Und dies immer in Bezug auf die jeweilige Situation, einer Situation des Auffallens. So entsteht Bewusstsein für sich selbst in der neuen Situation des Auffallens – situationsbezogenes Selbst-Bewusstsein.
In Situationen des Auffallens geht es immer auch darum, die Menschen wahrzunehmen, die einen umgeben und mit ihnen zu interagieren und zu kommunizieren. Das «In-der-Situation-Sein» ist also immer auch ein «In-Kontakt-mit-Menschen-Sein». Wer in diesem Sinne mehrfach wahrnehmend, selbst-, situations- und adressatenbewusst interagiert und kommuniziert entwickelt eine zentrale professionelle Kompetenz für den Lehrberuf – und für viele andere Berufe. Es erstaunt denn auch nicht, dass in den letzten Jahren unter dem Begriff «Auftrittskompetenztraining» verschiedene Aus- und Weiterbildungsangebote außerhalb der Lehrerbildung entstanden, in denen Berufsleute aus unterschiedlichen Bereichen ihren Umgang mit berufsfeldspezifischen Situationen des Auffallens, Interagierens und Kommunizierens trainieren.
Insofern könnte das Trainingsmodul auch «Auffallenskompetenz» oder «situativ-authentische Interaktions- und Kommunikationskompetenz» heißen. Dass es um die Jahrtausendwende zum Begriff «Auftrittskompetenz» kam, hängt wohl damit zusammen, dass die Übungen des Trainingsmoduls dem Fundus der Schauspielausbildung entstammen, in der es – stark vereinfacht ausgedrückt – um den Bühnenauftritt geht.
In diesem Band sind solche Übungen zusammengetragen. Die Zusammenstellung fokussiert darauf, Menschen verschiedener Professionen in ihren authentischen Möglichkeiten des Interagierens und Kommunizierens in Situationen des Auffallens kompetenter zu machen und ihnen so zu einem situations- und adressatenbezogenen Selbst-Bewusstsein zu verhelfen.
Mathis Kramer-Länger, Prof. ZFH, Pädagogische Hochschule Zürich
Vorwort von Eva Göksel
Klar und effizient zu kommunizieren ist immer eine Herausforderung. Manchmal erzählt die Stimme oder die Köperhaltung eine ganz andere Geschichte, als der Gesprächsinhalt erwarten lässt. Dies passiert oft ganz unbewusst. Eine Begrüßung mit verschränkten Armen und auf den Boden gerichtetem Blick hat mit Sicherheit eine ganz andere Wirkung als eine Begrüßung mit Blickkontakt und Händedruck. Der Körper vermittelt nur allzu schnell etwas ganz anderes, als eigentlich intendiert war. Das «Was» und das «Wie» stimmen dann nicht überein und können Interpretationen zulassen, die wir gar nicht beabsichtigt haben. Selbst für geübte berufliche Rednerinnen und Redner bleibt die unmittelbare mündliche Kommunikation stets eine komplexe Herausforderung.
Damit Kommunikation gelingt, ist es hilfreich, sich der Wirkung von Sprechweise und Körpersprache bewusst zu werden. Die Fähigkeit, andere wahrzunehmen, entwickelt sich erst dann, wenn man sich selber wahrnehmen und seine Wirkung einschätzen kann. Diese kommunikativen Grundkompetenzen sind nicht nur in der Lehrer/-innenbildung, sondern in den meisten Berufen gefordert – ein sicherer Auftritt wird heutzutage in nahezu jeder beruflichen Tätigkeit verlangt, sei es vor einer Klasse, vor einer Kundschaft im Verkauf oder im Pflegeberuf. Um das verbale und das nonverbale Kommunizieren zu üben, fehlen nicht selten die nötigen Gefäße in der Ausbildung. Genau hier findet diese Übungssammlung ihre Anwendungsmöglichkeit: Sie bietet das nötige kommunikative Werkzeug, um den eigenen Auftritt lustvoll und mit nachhaltiger Wirkung zu trainieren.
Das Zentrum Mündlichkeit (ZM) der Pädagogischen Hochschule Zug ist sich der Bedeutung überzeugender Wirkungsgestaltung in Professionalisierungsvorgängen bewusst und unterstützt die Einbettung von Auftrittskompetenztrainings in der Lehrer/-innenausbildung. Mündlichkeit – nicht nur verbale, sondern auch para- und nonverbale Sprache – ist flüchtig und hat immer eine über das Gesagte hinausgehende Wirkung. Dies verleitet dazu, vor allem leichter zu Korrigierendes zu trainieren, wie die Schriftlichkeit. Trotzdem bleiben unser Körper und unser Sprechen unausweichliche Bestandteile der Interaktion, ob wir sie bewusst trainieren oder nicht. Diese systematische Übungssammlung enthält konstruktive Trainingsmöglichkeiten, die genau hier ansetzen, denn es geht darum, im Interagieren mit anderen und im Auftreten vor anderen eine eigene Wirkungsmacht zu erkennen. Das Training soll die Dialogfertigkeit stärken, authentische Interaktionen fördern und Menschen dazu verhelfen, ihre eigene unmittelbare Wirkung bewusst zu reflektieren.
Ein ganz großes «Dankeschön» geht an Norina Peier, Marcel Felder und Erich Slamanig, dem langjährigen Auftrittskompetenzteam an der PH Zug, für die Zusammenstellung dieser wichtigen Sammlung, die uns anleitet und begleitet, Schritt für Schritt einen selbstsichereren und selbstbewussteren Auftritt zu entwickeln. Nutzen wir unsere Begegnungen, um die Erkenntnisse dieses Trainings umzusetzen, denn, um es mit den Worten der Autorin und der Autoren zu sagen: Jede Begegnung mit einem anderen Menschen ist ein kleiner Auftritt.
Eva Göksel, Zentrum Mündlichkeit, Pädagogische Hochschule Zug
EINLEITUNG
Warum ist Auftrittskompetenz wichtig?
Die Fähigkeit zur Kommunikation und die damit einhergehende Auseinandersetzung mit der eigenen Person und der persönlichen Wirkungsgestaltung sind sowohl im Privat- als auch im Berufsleben von Bedeutung. Da das inhaltliche «Was» nicht vom körperlich rückgebundenen «Wie» zu trennen ist, erweist sich die Bewusstmachung und Reflexion der eigenen Körperlichkeit hinsichtlich der spezifischen Auftrittssituation als durchaus sinnvoll (vgl. Klepacki & Zirfas 2013, S.181f.). Durch die Auseinandersetzung mit dem Eigenen und dem Anderen in Bezug auf die Wahrnehmung, Körperlichkeit, Wirkung und deren Gestaltung können die Grundlagen für eine gelingende Kommunikation geschaffen werden.
Ziel des Auftrittskompetenztrainings ist nicht in erster Linie die Beherrschung von Präsentationstechniken, sondern der bewusste und gleichzeitig spontane Einsatz aller körperlichen und stimmlichen Wirkungs- und Ausdrucksweisen zur erfolgreichen und verantwortungsvollen Bewältigung von Auftrittssituationen.
Im Auftrittskompetenztraining werden nicht nur Situationen untersucht, in denen eine Person vor einer Gruppe von Menschen «auftritt», denn unter «Auftritt» verstehen wir jegliche Art der Beziehungsgestaltung, sei dies eine kurze Begegnung auf dem Flur, ein Smalltalk oder Bewerbungsgespräch, eine Beratung unter vier Augen, eine Besprechung im Team, Unterrichtssituationen oder die Leitung einer Sitzung – jede Begegnung mit einem anderen Menschen, jeder Schritt ist ein Auftritt.
Für unsere Übungen zum Training von Auftrittskompetenz definieren wir «Auftrittskompetenz» wie folgt: Auftrittskompetenz meint den bewussten Umgang mit der eigenen Wirkung und die bewusste Wahrnehmung der Ausdrucksweisen von anderen in Interaktionssituationen. Zudem beinhaltet Auftrittskompetenz die gezielte Anwendung dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten für eine gelingende Beziehungsgestaltung. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung und der eigenen Wirkungsgestaltung können im Auftrittskompetenztraining personale und soziale Kompetenzen aufgebaut und gefördert werden.
Zum Aufbau des Buches
Das erste Kapitel beinhaltet grundlegende Gedanken und Modelle zum Verständnis von Auftrittskompetenz, zur Rolle der Trainerin oder des Trainers und begründet warum sich theatrale Lern- und Lehrmethoden für die Vermittlung von Auftrittskompetenz besonders eignen.
Im zweiten Kapitel finden sich zahlreiche Übungen zur Vermittlung und zum Training von Auftrittskompetenz. Die Übungen sind thematisch geordnet, können jedoch in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden und lassen sich vielfältig kombinieren. Die ersten beiden Kategorien – «Zum Starten der Einheit» und «Zum Beenden der Einheit» – sind dem Einstieg in die Workshoparbeit und dem Abschluss von Lernprozessen gewidmet.
Nicht immer ist jede Übung eindeutig einem Themenschwerpunkt zuzuordnen, die inhaltlichen Übergänge sind fließend, es können mehrere Fokusthemen anhand ein und derselben Übung beleuchtet werden. Zur besseren Orientierung sind die Fokusthemen jeweils am Ende der Übung in blauer Schrift hervorgehoben. Sie zeigen auf, welche Aspekte mit der betreffenden Übung jeweils trainiert werden können. Zudem sind unsere Lieblingsübungen mit einem gekennzeichnet. Falls Ihnen also nur eine begrenzte Zeit für ein bestimmtes Thema zur Verfügung steht, starten Sie am besten mit den Sternübungen.
Der Fokus dieses Buches liegt zwar auf der Vermittlung von Auftrittskompetenz in Gruppen, es finden sich aber auch zahlreiche Übungen, die für das Einzeltraining geeignet sind. Diese sind mit einem gekennzeichnet. Für das Selbststudium bieten sich auch alle Reflexionsaufgaben und Wahrnehmungs- und Beobachtungsaufträge im dritten Kapitel an.
Bei einigen Übungen bieten wir das wichtigste theoretische Grundlagenwissen als Basis für die Übungen an, um bestmögliche Voraussetzungen für ein effizientes Training von Techniken rund um die Auftrittskompetenz zu schaffen. Damit diese informativen Übungen gezielt gewählt werden können, sind sie mit einem gekennzeichnet.
Im dritten Kapitel finden Sie zu den verschiedenen Aspekten der Auftrittskompetenz Beobachtungsaufträge und Reflexionsaufgaben, die sich für den Transfer in den Alltag anbieten.
Im letzten Kapitel finden Sie schließlich das gesamte Arbeitsmaterial, das Sie zur Durchführung der einzelnen Übungen benötigen. Das Material kann über http://mehr.hep-verlag.com/jeder-schritt-ein-auftritt heruntergeladen werden.
In unseren Workshops verwenden wir in der Regel die Du-Form, um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen – dies schien uns auch für die Übungen im Buch die angemessene Form.
Die Idee zu dieser Übungs- und Reflexionssammlung entstand nach vielen gemeinsam durchgeführten Trainings an verschiedenen Hochschulen, Volksschulen, Firmen der Privatwirtschaft und sozialen Einrichtungen und aufgrund wiederholter Anfragen nach Grundlagenmaterial von Teilnehmenden unserer Workshops, Kurse und Module. Deshalb haben wir bekannte Übungen zusammengetragen und sie über mehrere Jahre hinweg modifiziert und weiterentwickelt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für den inhaltlichen und fachlichen Austausch an unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Theaterbereich, die ebenfalls Auftrittskompetenztrainings leiten.
Diese Übungs- und Reflexionssammlung will nicht in erster Linie theoretisches Wissen vermitteln, wie es in großer Vielfalt in Publikationen zu den Themen «Körpersprache», «Stimme» und «Rhetorik» zur Verfügung steht. Solches Wissen sollte jedoch selbstverständlich als Bezugsgröße und theoretischer Unterbau bei der Vermittlung von Auftrittskompetenz herangezogen werden. Mit diesem Band halten Sie vor allem ein Trainingsbuch in den Händen, das insbesondere zum Erkunden und Anwenden verschiedener Aspekte des Auftretens anregen möchte.
Zum Aufbau des Trainings
Im Auftrittskompetenztraining geht es darum, den Teilnehmenden in einem konsequenzentlasteten Raum persönliche Erfahrungen im Umgang mit verschiedenen Kommunikationsaspekten zu ermöglichen. Diese Auseinandersetzung geschieht über Sensibilisierungs- und Wahrnehmungsübungen sowie über Simulationsübungen.
Im geschützten Trainingssetting ergibt sich die Möglichkeit, blinden Flecken auf die Spur zu kommen und Bestätigung für bereits gefundene Stärken zu erhalten. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung können abgeglichen, erweiterte Handlungs- und Ausdrucksmöglichkeiten gefunden sowie Handlungs- und Gestaltungsstrategien entdeckt und ausprobiert werden.
Abb. 1 – Der Prozess des Auftrittskompetenztrainings (Felder 2016, S.105)
Sensibilisierungs- und Wahrnehmungsübungen
Die Teilnehmenden werden über Sensibilisierungs- und Wahrnehmungsübungen an Teilaspekte des Auftretens herangeführt. Die Körpererfahrung steht dabei im Mittelpunkt. Das Fundament bilden spezifische Beobachtungen, der Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung, Reflexionsaufträge und die Kultivierung einer Feedbackkultur (vgl. Felder 2016, S.99).
Simulationsübungen
In Simulationsübungen (zum Beispiel berufsrelevante Auftritts- und Gesprächssituationen) werden die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den Wahrnehmungs- und Sensibilisierungsübungen angewandt und weiter trainiert. Dabei kann überprüft werden, ob das Wissen und Können in spezifischen Situationen abrufbar ist. Durch die im Unterrichtssetting natürlich gegebene Komplexitätsreduktion wird deutlich, dass nicht die Wirklichkeit, sondern für die Wirklichkeit trainiert wird (vgl. Felder 2016, S.99f.).
Transfer
Idealerweise ist eine Parallelstruktur zum Training gegeben, die es ermöglicht, dass Neues in realen Anwendungssituationen erprobt und etabliert werden kann.
Das Training ist idealerweise so aufgebaut, dass Wahrnehmungs- und Beobachtungsaufträge den Lernprozess begleiten und die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Übungen und Transferanwendungen wieder in die Trainingssituation einfließen und somit die Grundlage für neue Lernfelder bilden.
Trainerinnen und Trainer
Ein Trainer oder eine Trainerin unterstützt die Teilnehmenden bei ihren individuellen Lernprozessen. Er oder sie gestaltet das Training so, dass ein Individuum neue Kompetenzen erwerben und neues Verhalten erlernen kann. Dies setzt ein klares Trainingskonzept voraus. Selbstverständlich konzipiert er oder sie das Training dem Lerngegenstand entsprechend, behält den berufsspezifischen oder situativen Fokus im Auge, setzt an subjektiven Theorien an, kontextualisiert das Theoriewissen und strukturiert Transfermöglichkeiten (vgl. Vanier 2013, S.38). Dies alles bildet die Basis für das selbstgesteuerte Lernen und verantwortliche Handeln im geschützten Trainingssetting.
Ebenso ist die Beziehungsgestaltung zwischen den Teilnehmenden und den Trainerinnen und Trainern – aber auch zwischen den Teilnehmenden selbst – von Bedeutung und muss bewusst kultiviert werden. Das Auftrittskompetenztraining setzt Vertrauen voraus, denn es gehört zum Wesen des Trainings, dass bisher Bewährtes infrage gestellt wird. Dies kann verunsichern, fordert die emotionale Beteiligung und berührt das Selbstkonzept (vgl. Vanier 2013, S.41). Die Trainerinnen und Trainer müssen sich deshalb der hohen Anforderung an ihre Professionalität bewusst sein.
Die Fähigkeit der Trainerinnen und Trainer, kompetent, wertschätzend und fokussiert Feedback zu geben, ist unabdingbar. Die Trainerinnen und Trainer verzichten auf Kategorien wie «richtig» und «falsch» und lassen Bewertungen wie «gut» oder «schlecht» weg. Sie bleiben stets spezifisch in der Rückmeldung zur erzeugten Wirkung und trennen in ihren Feedbacks klar zwischen Beobachtung und Interpretation. Vielleicht entscheiden sich die Trainerinnen und Trainer auch, den Auftritt der Teilnehmenden zu spiegeln, oder sie führen selbst Simulationsübungen vor. Die Empathiefähigkeit und Präsenz der Trainerinnen und Trainer sind wichtige Voraussetzungen für das Gelingen des Trainings. Auch eine gute Portion Humor, Gelassenheit und Geduld sind im Wahrnehmungs-, Findungs- und Optimierungsprozess förderlich. Die Trainerinnen und Trainer sind sich ihrer Modellfunktion bewusst.
Die einzelnen Trainingseinheiten sind so zu gestalten, dass die Teilnehmenden regelmäßig neue Erfahrungen und Erkenntnisse gewinnen und dabei Erfolgserlebnisse verbuchen können. Dadurch bleibt das Training für die Teilnehmenden bedeutsam, macht Freude und motiviert die Teilnehmenden, am Thema dranzubleiben und die nächsten Schritte mitzugehen.
Warum Übungen aus der Theaterpädagogik?
Die Idee, dass gewisse Übungsformen und Methoden aus dem Theaterbereich sich für die Entwicklung spezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung eines (professionellen) Auftritts besonders eignen, ist nicht neu. Tatsächlich haben schon Philosophen des antiken Griechenlands die Möglichkeiten des darstellenden Spiels als Lernmethode für Gebiete wie die Rhetorik und die persönliche Präsentation erkannt (vgl. Göhmann 2004, S.88).
Nach Liebau, Klepacki und Zirfas (2009) gehören theatrale Lehr- und Lernformen zu den produktiven Lernformen und sind handlungs- und erfahrungsorientiert. Im Wesentlichen bestehen theatrale Lehr- und Lernprozesse aus Wahrnehmungs-, Darstellungs-, Gestaltungs-, Präsentations- und Reflexionsprozessen. Die vier zentralen Effekte theatraler Lernprozesse: Kompetenz, Reflexivität, Erfahrung und Präsentation sind nach Klepacki und Zirfas (2013) den theatralen Lehr- und Lernprozessen immanent. Da im Fokus der theatralen Auseinandersetzung die körperliche Ausdrucksweise und deren Konzeption stehen, eignen sich Wahrnehmungsübungen, Methoden und Settings aus der Schauspiel- und Theaterarbeit folglich besonders für die Vermittlung von Auftrittskompetenzen.
Theatrale Lehr- und Lernformen können nach Hentschel (2010) für verschiedene Zielebestimmungen eingesetzt werden: als Erziehung durch Theater, als Erziehung zum Theater oder als eine allgemeine Wahrnehmungserziehung mit «theateraffinen» Mitteln (vgl. Hentschel 2010, S.238). In Anlehnung an Hentschel umschreibt Kramer-Länger (2013) die Erziehung zum Theater, mit dem Ziel, Wissen und Können über Theater aufzubauen und die Erziehung durch Theater als ein Feld, in dem über Theater an sozialen und personalen Kompetenzen gearbeitet wird und eher bildungs- und kulturpädagogische Ziele verfolgt werden. Ferner hat Erziehung mit theateraffinen Mitteln neben dem Aufbau sozialer oder personaler Kompetenzen die Ausbildung fachlicher Kompetenzen zum Ziel. Übungen, Methoden und Settings aus der Schauspiel- und Theaterarbeit werden eingesetzt, um fachfremde Inhalte zu vermitteln (vgl. Kramer-Länger 2013, S.46f.). Für das Grundverständnis des in diesem Buch angestrebten Trainings ist die Verortung des Auftrittskompetenztrainings in der Erziehung mit theateraffinen Mitteln wesentlich. Bei der Festigung der Auftrittskompetenz geht es nicht primär darum, fremde, fiktive Rollen zu ergründen oder spielerisch darzustellen. Dies würde einerseits ein Verständnis der dramatischen und theatralen Kunst voraussetzen und andererseits intensive Recherchearbeit in den spezifischen sozialen Bezügen erfordern (vgl. Felder 2016, S.88). Vielmehr stehen die Auseinandersetzung mit der eigenen sozialen Rolle (beziehungsweise Berufsrolle) und die persönliche Wirkungsgestaltung im Mittelpunkt des Trainings.
Welche Aspekte gehören zur Auftrittskompetenz?
Inhalte | Aspekte |
Nonverbale, nonvokale Kommunikation [Nonverbalität] | Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperhaltung, Raumverhalten, Stand, Körperbewegung, Gang, Energie/Dynamik, Spannung, Atmung, Artefakte (wie Kleidung, Schmuck, Frisur, Gegenstände/Requisiten, symbolische Zeichen) |
Nonverbale vokale Kommunikation (Paraverbalität) | Intonation, Stimmmodulation, Sprachrhythmus, Dynamik (wie Lautstärke), Pausen, Rahmensignale (wie Gähnen, Husten, Räuspern, Sprechunarten wie «ähm» und so weiter), Sprechtempo, Atmung, Betonungen, Stimmlage, Artikulation, Sprechhaltung |
Verbale Kommunikation (Verbalität) | Dialektik, Wortwahl, Satzbau, Aufbau und Dramaturgie, Inhalt, Sprachstil, Aussprache, Schlagfertigkeit, Rhetorik (wie Frage- und Argumentationstechniken, Redefiguren und so weiter) rhetorische Improvisation, Schlagfertigkeit |
Effekte | Primacy-Effekt, Recency-Effekt |
Status | gesellschaftlicher, natürlicher und gespielter Status, Führen und Leiten, das Verhältnis zur eigenen Autorität, das Spannungsfeld zwischen Dominanz und Unterordnung |
Kontaktverhalten | kontaktbejahendes und kontaktverneinendes Begegnungsverhalten, Beziehungsgestaltung, Kontakt aufnehmen, halten, abbrechen |
Interaktionsstrategien | Lob und Zustimmung, Ignorieren, Schweigen, Beharrlichkeit und so weiter, Raum geben und nehmen, mit Grenzen umgehen |
Proxemik | Raumverhalten, Inszenierung im Raum, emotionale, verbale und räumliche Nähe und Distanz, Abgrenzungsverhalten |
(Berufs-)Rolle | Rollenverständnis, Rollenwechsel, professionelles Selbst, persönliche Identität, privates, situatives und professionelles Verhalten |
Selbstregulation | Selbstwert, Selbstkonzepte, Selbstinterpretation, Selbstansprache, Umgang mit Redeängsten und Nervosität, Wirkungslenkung |
Authentizität | selektive Authentizität, Glaubwürdigkeit, Kongruenz und Inkongruenz, Double-bind |
Wahrnehmung | Selbst- und Fremdwahrnehmung, Eigen-, Partner-, Gruppen- und Raumwahrnehmung |
Präsenz | räumliches und zeitliches Zugegensein, Anwesenheit in der Gegenwart, Verfügbarkeit, Geistesgegenwart |
Mehrfachaufmerksamkeit | Wahrnehmungslenkung, Gleichzeitigkeit mehrerer Aspekte und Dimensionen, Selbstlenkung |
Feedback | Selbst- und Fremdbeobachtung, Reflexion der Beobachtungen, Feedback geben und bekommen, Umgang mit Feedbacktechniken |
Resilienz | Widerstandsfähigkeit, Frustrationstoleranz, Umgang mit Fehlern und Anforderungen, Selbstansprache, Ambiguitätstoleranz |
Improvisation | sich auf Unvorhergesehenes einlassen, Spontaneität, Ungewissheitstoleranz |
Dramaturgie | anfangen, aufhören, Spannung erzeugen, Gestaltungsabläufe |
Tab. 1 – Aspekte des Auftretens (Felder 2016, S.97ff.)
ÜBUNGEN
Damit gezielt und auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt trainiert werden kann, sind die Übungen in Kategorien unterteilt:
•Zum Starten der Einheit
•Zum Beenden der Einheit
•Körpersprache
•Stimme, Sprache, Atmung
•Wahrnehmung
•Beziehungsgestaltung
•Improvisations- und Simulationsübungen
ZUM STARTEN DER EINHEIT
In diesem Abschnitt befinden sich methodische Inputs zum Starten von Auftrittskompetenztrainings. Die Übungen haben zum Ziel, dass sich die Teilnehmenden ihrer bereits vorhandenen Kompetenzen bewusst werden und sich über die nächsten Entwicklungsschritte Klarheit verschaffen.
1Soziometrische Aufstellung