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Werner Jung

Georg Simmel zur Einführung

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Für Andrea

Junius Verlag GmbH

Stresemannstraße 375

22761 Hamburg

www.junius-verlag.de

© 2016 by Junius Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Florian Zietz

Titelbild: © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

E-Book-Ausgabe Januar 2019

ISBN 978-396060-087-9

Basierend auf Printausgabe

ISBN 978-3-88506-769-6

2., vollständig überarbeitete Auflage 2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Inhalt

Vorbemerkung

1.Kein Vorwort und keine Einleitung

2.Ein Leben, nach mittleren Maßen gemessen und abgeschlossen

3.Positivist, Soziologe, Lebensphilosoph – keine Entwicklungsgeschichte

4.»Betrachtung bekannter Thatsachen« – das Frühwerk

5.Ein Gesamtbild moderner Kultur unter dem Zeichen des Geldes

6.Individuum, Gesellschaft und Geselligkeit

7.Hermeneutik und Geschichte

8.Abenteurer des Geistes

9.Das Leben der Form

10. Die Form des Lebens

11. Vom Tempo und den Moden –Blick zurück nach vorn

12. Koda

Anhang

Anmerkungen

Literatur

Zeittafel

Über den Autor

Vorbemerkung

Inzwischen sind die Zeiten vorbei, da der Kultur- und Sozialphilosoph, der Soziologe und Ästhetiker, nicht zuletzt der Theoretiker der (frühen) Moderne Georg Simmel noch als ›toter Hund‹ behandelt worden ist. Jedenfalls hat sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren, seit die erste Auflage dieser Einführung für den Junius Verlag erschienen ist, eine Menge getan. Vor allem ist es dem Bielefelder Herausgeberteam um Otthein Rammstedt gelungen, die Werkausgabe zum Abschluss zu bringen. Und längst haben auch die verschiedenen ›turns‹ in den Sozial- und Kulturwissenschaften, nicht zuletzt das Konzept einer umfassenden Kulturwissenschaft selbst, aber auch der sogenannte ›spatial turn‹ in Texten Simmels Anknüpfungen und Anschlussstellen entdeckt, was sich in einer Vielzahl neuerer monografischer Arbeiten wie auch verschiedener einschlägiger Anthologien bekundet. – Es freut mich – ist allerdings auch gar nicht weiter verwunderlich –, dass der Junius Verlag nun eine zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage dieses Bändchens herausbringt. Hinzugekommen ist ein weiteres Kapitel, und auf maßvolle Weise ist auch das Literaturverzeichnis erweitert worden. Im Blick auf die Zitation sind alle Zitate noch einmal überprüft und mit dem jeweiligen Hinweis auf die Gesamtausgabe versehen worden. Danken möchte ich an dieser Stelle meinem Mitarbeiter Moritz-Alexander Büschken für seine aufmerksame Korrektur.

Werner Jung, Langweiler-Essen im August 2016

1. Kein Vorwort und keine Einleitung

Berlin um die Mitte des 19. Jahrhunderts ist eher klein und provinziell. Noch ist Paris die heimliche Hauptstadt Europas. Und noch geht es eher behäbig zu, wie in den Romanen Fontanes, wo Berlin aus der Sicht einer saturierten Bürgerwelt oder einer verstoßenen Landadligen in den Blick gerät. Dabei verschwinden dann die Hinterhöfe, verschwindet die Kehrseite der Medaille, die etwa Max Kretzer nur wenig später in grellen Farben gezeichnet hat: Not, Armut und Prostitution – der Revers der Wohlanständigkeit. Der rasante Verstädterungsprozess setzt in Berlin erst mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, damit auch die Ansicht von der Stadt als Strom und Flut, als alles verschlingendem Moloch, wo der Einzelne in der Masse untergeht, die nun die Geografie des Raums beherrscht.1 Doch Tendenzen dazu sind schon in den 1850er Jahren vorhanden, man muss nur empfänglich dafür sein, offene Augen besitzen.

»Georg Simmel wurde am 1. März 1858 in Berlin geboren. Über seinem Geburtshause (an der Ecke der Leipziger und Friedrichstraße) flammte nicht, wie über Bethlehems Krippe der Frieden verheißende Weihestern. Nein! Schreiende Lichtreklamen prahlten von einer Schmutzwelt großstädtischer Lustorgien. Bahnen rasselten! Omnibusse keuchten vorüber. Und die Geschäftswagen stauten sich in den vier einander kreuzenden Straßenzügen, deren glatte Trottoire allabendlich das giftig grüne Gaslicht aus hundert Laternen zurückwarfen. Und statt der Englein holdem Halleluja aus blauen Lüften hörte man Tag und Nacht einer furchtbaren Menschenmasse wahnsinniges Getöse. Pflastertreter, Hochstapler, Demimonde, aller Abschaum Europas strömte in ruhelosem Fieber just an diesem Hause entlang, der Hölle gleich, von der die heilige Therese die Definition gibt: ›Dies ist der Ort, wo es stinkt und man nicht liebt.‹ Der kleine Georg aber schlief in der geräuschvollsten Wiege, die wohl je einen Philosophen gewiegt hat.«2

Eine apokalyptische Vision, ein Bild, das einen nicht mehr loslässt: ein Leben lang! Die Stadt, einmal ans Stromnetz angeschlossen, elektrifiziert, bannt den Betrachter, lässt ihm keine Ruhe mehr. Völlig neue Erfahrungs- und Wahrnehmungsräume entstehen; der umbaute, illuminierte Raum – Warenhäuser, Einkaufsstraßen, Passagen – verdrängt die Natur, nein, schließt sie mit in die Künstlichkeit ein: der Wahn der grenzenlosen Beherrschbarkeit. Der Blick des Betrachters, mag er noch so angestrengt-aufmerksam sein, wird flüchtig, irrt umher, findet keinen festen Halt mehr; es sei denn in der momentanen Faszination durch eine Ware. Denn alles in dieser Welt des Lichts und Lärms wird zur ausgestellten Ware, wird kommensurabel in einem identischen Wertmaß: dem Geld.

Simmel hat einmal hellsichtig von der »Schaufenster-Qualität der Dinge« gesprochen – einer Qualität, die viel verspricht und wenig hält. Darin ähneln die Dinge den Menschen; was dort die Schaufenster-Qualität, ist hier die Koketterie: »Locken uns die Dinge nicht weiter und weiter, um uns schließlich ihr Letztes doch nicht zu gewähren? Gönnen sie uns nicht ihren Duft und Schleier, aber gerade nur genug, daß wir nicht von ihnen lassen können? Sieht uns das Dasein nicht auch so halb abgewandt an, mit einem Versprechen, das es nicht einlöst und gegen das wir doch wie blind und verzaubert unser Ganzes einsetzen?« (Simmel 1901, 672; GA 17, 415f.) Glamour und Talmi-Glanz, Hauptsache wir vergnügen uns. The show must go on! Simmels Kommentar zur »Berliner Gewerbe-Ausstellung«: »Die nachbarliche Enge, in die die heterogensten Industrieprodukte gerückt sind, erzeugt eine Paralyse des Wahrnehmungsvermögens, eine wahre Hypnose, in der der einzelne Eindruck nur noch die obersten Schichten des Bewußtseins streift und schließlich nur die am häufigsten wiederholte Vorstellung als Sieger über den Leiden unzähliger würdigerer, aber in ihrer Zersplitterung schwacher Eindrücke im Gedächtnis zurückbleibt: die Vorstellung, daß man sich hier amüsieren soll.« (Simmel 1896c, 59; GA 17, 33)

Der innerste Nerv des modernen Lebens ist die Großstadt, in Simmels Diktion: »Abbild und Auszug der gewerblichen Kräfte der Culturwelt.« (1896c, 59; GA 17, 35) Sie prägt den Stil, den Wechsel der Moden: »[…] je nervöser ein Zeitalter ist, desto rascher werden seine Moden wechseln« (Simmel 1905b, 14; GA 10, 15), und beschleunigt das Tempo. Kennzeichen der Moderne sind Hektik und Nervosität, sind blinde Fortschrittsapologie und Neurasthenie, sind Schopenhauer, Nietzsche und der Sozialismus … Der Ort aber, an dem alles zusammenläuft, Zentrum, Abbild und Symbol der Moderne zugleich, ist die Großstadt, ist die Reichshauptstadt Berlin. Und ihr Denker, ihr Soziologe und Philosoph heißt Georg Simmel.

Werner Jung, Duisburg im Mai 1990

2. Ein Leben, nach mittleren Maßen gemessen, gerundet und gut abgeschlossen

Über Georg Simmels äußere Biografie ist nur wenig bekannt, und dasjenige, was bekannt ist, schöpft zumeist aus zwei Quellen, Michael Landmanns »Bausteinen zur Biographie« (1958) und Hans Simmels Lebenserinnerungen (1976). Ein anderer Unbekannter, der Schriftsteller Karl Otten, aus dessen Biografie ebenfalls nur Bruchstücke überliefert sind, bemerkte einmal treffend über diesen Sachverhalt, dass die Lücken in seiner Lebensgeschichte »jeder nach Belieben oder Unbehagen selber ausfüllen kann, am einfachsten durch das Lesen meiner Bücher«. Ein beherzigenswerter Vorsatz.

Simmels Vater Edward wurde 1810 in Breslau geboren. Er war Kaufmann und trat irgendwann in den frühen 1830er Jahren vom Judentum zum Katholizismus über. 1838 heiratete er Flora Bodstein aus Breslau, die ebenfalls jüdischer Herkunft war, jedoch schon als Kind evangelisch getauft wurde. Nach der Übersiedlung der Familie nach Berlin gründete der Vater die Schokoladenfabrik »Felix und Sarotti«, ein zunächst florierendes Unternehmen.

Am 1. März 1858 kam Georg Simmel als jüngstes von sieben Geschwistern zur Welt. Bedingt durch den frühen Tod des Vaters 1874 bestimmte die Familie Julius Friedländer zum Vormund, der Simmel in seiner Neigung zur Musik bestärkte und dem Simmel als seinem »väterlichen Freunde« »in Dankbarkeit und Liebe« noch seine Dissertation widmete. Simmel wurde evangelisch getauft, trat jedoch während des Ersten Weltkriegs aus der Kirche aus, was freilich nicht, wie Landmann ergänzt, »eine Rückkehr zum Judentum« bedeutete, »sondern […] lediglich dem Bedürfnis nach weltanschaulicher Ungebundenheit [entsprach]«3.

Auch wenn Simmel selbst Äußerlichkeiten der Biografie keine weitere Bedeutung zugemessen hat, gibt es doch eine entscheidende Erfahrung, die schon das Kind geprägt hat: das pulsierende Leben der Großstadt. Dazu Margarete Susman, die Schülerin und spätere Freundin der Familie: »Nicht nur die Zeit, auch der Ort seiner Geburt im Herzen des damals schon großstädtischen, lebendig quirlenden Berlin, an der Ecke der Leipziger- und Friedrichstraße, war für sein Leben und Denken entscheidend. Vieles in Simmels Problematik scheint sich ursprünglich an dem Anblick gebildet zu haben, der sich alltäglich seinen Kinderaugen bot. Sicher hängt vor allem die einzigartige Lebendigkeit, Bewegtheit und Fülle, das Überwache seines Geistes mit diesem großstädtischen Ursprung zusammen.«4 Kritiker und Bewunderer, Schüler und Gegner haben immer wieder auf dieses prägende Erlebnis der Großstadt hingewiesen, und der englische Soziologe David Frisby hat diese Lebenserfahrung zum Anlass genommen, um Simmel als zentralen Theoretiker der frühen Moderne zu deuten.5 Wir werden darauf zurückkommen.

1890 heiratete Simmel die Tochter eines Eisenbahningenieurs und Ministerialbeamten, Gertrud Kinel, die unter dem Pseudonym Marie Louise Enckendorf später selbst vier »bedeutende Bücher«6 als philosophische Schriftstellerin veröffentlichte. Gertrud Kinel war zwar katholisch getauft, von ihrer Mutter jedoch protestantisch erzogen worden, »was ihr Wesen bis zuletzt prägte«7. Gemeinsam mit ihr hatte Simmel einen Sohn, Hans, der später außerordentlicher Professor der Medizin in Jena wurde und dem wir Lebenserinnerungen verdanken, die einen Eindruck von der Kultur und dem Lebensstil im Hause Simmels vermitteln. Eine uneheliche Tochter hatte Simmel mit seiner Studentin Gertrud Kantorowicz, die eine Zeit lang zum engsten Freundeskreis zählte und die auf Simmels Veranlassung Bergsons Evolution créatrice übersetzte. Doch hat sich Simmel, wie Margarete Susman zu berichten weiß, »da er seine Frau bis zuletzt liebte, nie erlaubt, dies Kind zu sehen«8.

Simmels akademische Laufbahn war – von außen betrachtet – ein einziges Desaster. Nach dem Abitur immatrikulierte er sich an der Berliner Universität zunächst in den Fächern Geschichte und Völkerpsychologie, schließlich in Philosophie. Geschichte studierte er bei Theodor Mommsen, Moritz Lazarus und Heinrich Steinthal, Philosophie bei Eduard Zeller und Friedrich Harms, profitierte aber auch von den Veranstaltungen der »professoribus illustrissimis« Hans Droysen, Heinrich v. Sybel, Heinrich v. Treitschke, Herman Grimm und Heinrich Jordan (vgl. Simmel 1881, 33; GA 1, 40). 1881 wollte Simmel mit einer Arbeit über Psychologisch-ethnologische Studien über die Anfänge der Musik, in der er Aspekte der Darwin’schen Evolutionstheorie mit solchen völkerpsychologischer Theoreme vermittelte, promovieren. Doch die Arbeit wurde abgelehnt. Außer formalen Gründen wie häufigen Rechtschreibfehlern, Ungenauigkeiten der Zitation und Schwächen in der Argumentation mögen sicherlich auch das ungewöhnliche Thema und der dazu gewählte methodische Bezugsrahmen maßgeblich gewesen sein. Die zuständigen Professoren empfahlen Simmel jedenfalls, eine zuvor preisgekrönte Abhandlung, Das Wesen der Materie nach Kaufs Physischer Monadologie, die Simmel anlässlich einer 1880 von Julius Gillis aus St. Petersburg ausgeschriebenen Preisfrage verfasst hatte, einzureichen. Diesmal gelang der Versuch, und nach der mündlichen Prüfung in den Fächern Philosophie, Altitalienisch und Kunstgeschichte schloss Simmel die Promotion mit cum laude ab. Interessant, weil auf einen Grundzug des Simmel’schen Stils verweisend, der ihm später häufig die Schelte der soziologischen und philosophischen Kollegen eingetragen hat, ist Zellers Gutachten über die abgelehnte Studie zu den Anfängen der Musik. Darin heißt es u.a., dass Simmels »ganze Ausführung einen aphoristischeren Charakter« trage, »als dies einer streng wissenschaftlichen Untersuchung erlaubt ist«9.

Ähnliche Schwierigkeiten hatte Simmel auch mit der Habilitation. Zwar akzeptierte die Fakultät noch die Arbeit über Kants Raum- und Zeitlehre, nachdem sich vor allem Dilthey und Zeller dafür stark gemacht hatten – Letzterer mit einem Gutachten, das von Simmels »ernste[m] Streben und eine[r] anerkennenswerthe[n] Fähigkeit« sprach, »in den Kern der philosophischen Fragen einzudringen«10 –, zum Eklat kam es jedoch bei Simmels Antrittsvorlesung. Denn im anschließenden Kolloquium strafte Simmel forsch Zellers Ansicht ab, wonach ein Gehirnlappen der Sitz der Seele des Menschen sei. Daraufhin ließ man ihn zunächst einmal durchfallen. Im Oktober 1884 reichte Simmel drei neue Themen für die zu wiederholende Probevorlesung ein, von denen die Fakultät den Vortrag »Über die Lehre von der Assoziation der Vorstellungen« auswählte. In der öffentlichen Antrittsvorlesung referierte Simmel dann »Über das Verhältnis des ethischen Ideals zu dem logischen und ästhetischen«. Für eine Berufung Simmels zum Professor langte es dennoch nicht. Seinen Berliner Kollegen waren die Person und die behandelten Gegenstände überaus suspekt. Hinzu kamen ein berufsüblicher Neid auf den überragenden Lehrerfolg Simmels – so saßen etwa in Simmels öffentlicher Vorlesung »Über den Pessimismus« vom Wintersemester 1894/95 immerhin 269 eingeschriebene Hörer – sowie Ressentiments gegen seine jüdische Herkunft. Der exzentrische Privatdozent sprach und las über schier alles: über sozial- und völkerpsychologische Themen, soziologische Aspekte der modernen Kultur und Gesellschaft, über logische, ethische und ästhetische sowie geschichtsphilosophische Gegenstände. Die »Grundzüge der Ethik« waren ihm ebenso vertraut wie »Neueste philosophische Theorien, insbesondere in ihren Beziehungen zu den Naturwissenschaften«, die »Probleme der Sozialwissenschaft« geradeso wie die »Hauptlehren der Psychologie«. Und Kant und Schopenhauer zählten zum ständigen Repertoire.

Entlarvend ein Gutachten des Berliner Historikers Schäfer anlässlich eines Bewerbungsverfahrens für eine philosophische Professur in Heidelberg: »Er ›sc. Simmel‹ spricht überaus langsam, tropfenweise und bietet wenig Stoff, aber knapp, abgerundet und fertig. Das wird von gewissen Hörerkreisen, die hier in Berlin zahlreich vertreten sind, geschätzt. Dazu würzt er seine Worte mit Pointen. Seine Hörerschaft setzt sich dementsprechend zusammen. Die Damen bilden ein selbst für Berlin starkes Kontingent. Im übrigen ist die orientalische Welt, die seßhaft gewordene und die allsemesterlich aus den östlichen Ländern zuströmende, überaus stark vertreten. Seine ganze Art ist ihrer Richtung, ihrem Geschmack entsprechend. Allzuviel Positives wird aus den Vorlesungen nicht hinweggenommen; aber mancherlei prickelnde Anregung und vorübergehenden geistigen Genuß läßt man sich gern bieten.« Und schließlich als Resümee: »Ich kann überhaupt nicht glauben, daß man Heidelberg hebt, wenn man den von Simmel vertretenen Lebens- und Weltanschauungen, die sich von unserer deutschen christlich-klassischen Bildung ja deutlich genug abheben, einen noch breiteren Raum gewährt, als sie ohnehin schon im Lehrkörper haben.«11 Hier ist alles zusammen: Das Abendland ist in Gefahr, denn wo käme man hin mit der »deutschen christlich-klassischen Bildung«, wenn man die Frauen und östlichen Kohorten – Juden und Asiaten –, geimpft mit Simmels Relativismus und Negativismus, einmal gewähren ließe!

Simmel blieb also Privatdozent. Erst im Frühjahr 1900 wurde er, nachdem sich zuvor, am 3. Juni 1898, eine Reihe wohlmeinender Kollegen, darunter wieder Dilthey, aber auch Gustav v. Schmoller, in einem Gutachten positiv über Simmel ausgesprochen hatten, zum Extraordinarius ernannt (ohne freilich Doktoranden annehmen zu dürfen). Mehr aber auch nicht. Zu tief saßen die Vorurteile, zu exotisch war die Figur und zu fremd war dem philosophisch-geisteswissenschaftlichen Mainstream dasjenige, was Simmel lehrte und mit wachsender Popularität auch publizistisch verbreitete. Das galt nicht nur für ränkesüchtige akademische Kleingeister vom Schlage Dietrich Schäfers, sondern auch für durchaus Geistesverwandte wie Heinrich Rickert, den einflussreichen Kopf des badischen Neukantianismus, den um eine Methodologie der Geisteswissenschaften bemühten Wilhelm Dilthey und den zwischen der Soziologie und Nationalökonomie umgetriebenen Max Weber. Mit ihnen hatte Simmel viele Gemeinsamkeiten, doch die Unterschiede überwogen.

1914 endlich gelang Simmel die Berufung zum ordentlichen Professor: mit 56 Jahren also und nicht in Berlin, sondern an der südwestlichen Peripherie, in Straßburg. Dennoch: Der Abschied fiel schwer, auch wenn die Berliner Universität es ihm immer wieder schwer gemacht hatte. Nur für die Berliner Presse hatte Simmels Weggang den Stellenwert eines Exodus europäischen Geistes aus der Reichshauptstadt. Emil Ludwig dazu: »Daß Simmel nun die Universität verläßt, an der er dreißig Jahre tätig war, bedeutet nicht bloß für diese einen Verlust – auch für ihn. Ein so persönliches, so unvertretbares Kolleg, wie Simmel es las, hat eben sein Publikum wie ein Theater, und man weiß: das Publikum folgt dem Direktor, den es schätzt, nicht ohne weiteres in ein neues Haus. Es hängt am alten Hause. Simmels Kolleg ist in den letzten zwanzig Jahren zur Berliner Tradition geworden. Straßburger Tradition wird es nie.«12 Letzteres stimmt, denn Simmel war zweifelsohne ein »Teil des Berliner Kultur- und Wissenschaftslebens geworden«13.

In einem Punkt hatte Schäfers Gutachten allerdings recht. Viele Frauen und Ausländer schwärmten in Simmels Veranstaltungen. Sie schwärmten aber auch von ihm und seiner Art vorzutragen, laut zu denken. Häufig ist diese merkwürdige Vortragsweise beschrieben worden. Noch einmal Emil Ludwig: »Jetzt breitet er einen Gedanken aus. Wie eine dicke Wolke hängt er ihn über den Saal, sie schiebt, verschiebt sich, quillt, nun ist es schon Nebel, der die Hörer einhüllt, man sieht den Nachbar nicht mehr, wir sind mitten in windlos lastenden Nebelschwaden. Von drüben her donnert es nicht, eine leise Stimme zwängt sich durch den Ballen, man begreift nichts mehr, schwerer Südwein scheint die Gehirne belastet, ein Rätselwort den tätigen Verstand umdunkelt zu haben. Wie wird das enden? – Allmählich, äußerst langsam hebt sich die dichte Sphäre: indem der Denker langsam Gedanken wendet, prüft, ist es, als zöge er, behutsam, aus dem Gewebe einzelne Fäden zu sich zurück, mit stetem Bedacht zerzupft er den Knäuel, den er zuerst gebreitet, langsam lichtet sich’s, nun atmet leichter der gefangene Geist, die Schwaden wandeln sich in zarte Lämmerwölkchen. Blau scheint hindurch, und wenn die fünfundvierzig Minuten vorüber sind, in denen es dem Weisen erlaubt ist, laut zu denken, so steht sein Einfall klar vor allen Hörern.«14

Zu Füßen des »Weisen« – nicht nur in der Universität, sondern als Privilegierte auch im privaten Salon – zwei, die es dem Meister gleichtun, ja die ihn übertreffen wollten: Ernst Bloch und Georg v. Lukács. Bloch kam, frisch promoviert, aus Würzburg, um im Wintersemester 1908/09 an Simmels Privatkolloquium teilzunehmen. Ein Jahr später traf er dort auf den ebenfalls gerade erst promovierten Lukács.15 Auch wenn beide sich bereits wenige Jahre später, äußerlich gewiss durch Simmels Kriegsbegeisterung veranlasst, vom Meister lossagten, haben sie ihn doch als »großen Anreger« (Lukács) und Neuerer geschätzt, der abseits der ausgetretenen Pfade der Normal-Wissenschaft auf »die kleinste und unwesentlichste Erscheinung des alltäglichen Lebens« zugeht, um in ihr »ein[en] ewige[n] Formzusammenhang des philosophischen Sinnes sichtbar« zu machen.16 Mehr noch: »Georg Simmel war zweifellos die bedeutendste und interessanteste Übergangserscheinung in der ganzen modernen Philosophie. Deshalb war er für alle wirklich philosophisch Veranlagten der jüngeren Denkergeneration (die mehr sind als bloß kluge oder fleißige Einzelwissenschaftler in philosophischen Einzeldisziplinen) so überaus anziehend, daß es fast keinen unter ihnen gibt, der nicht für kürzere oder längere Zeit dem Zauber seines Denkens erlegen wäre.«17 Ähnlich mochte es wohl auch Bloch empfunden haben. Ihrer beider (spätere) Ablehnung Simmels, Lukács’ Invektiven aus Die Zerstörung der Vernunft (1954) und Blochs sehr viel früheres Urteil aus Geist der Utopie (1918): »ein zielloser Mann, der alles will, nur nicht die Wahrheit«; »kurz abbrennend und nur von Fall zu Fall, zumeist nichts als geistreich, nichts als stets wiederholter methodischer Schaum und Eiertanz und darum rasch zur Langeweile umschlagend«, vorgetragen in der ihm eigenen Derbheit18, sie täuschen jedenfalls über den realen Einfluss von Simmel auf ihre Philosophien hinweg. Bekannt ist, dass Lukács z.B. seine preisgekrönte Schrift über Die Entwicklungsgeschichte des modernen Dramas nach der Bekanntschaft mit Simmel völlig umgeändert hat, und noch in Geschichte und Klassenbewußtsein (1923), Lukács’ erstem großen marxistischen Werk, spricht er von Simmels Philosophie des Geldes als einem »in Einzelheiten sehr interessanten und scharfsinnigen Buch«19. Auf Bloch mögen vor allem Simmels Schreibstil, die Bevorzugung des Essays und der Miniatur sowie dessen Anti-Systematik gewirkt haben. Ähnliches gilt mit Einschränkungen für Kracauer und Benjamin.20

Frauen, die orientalische Welt, jüdische Intellektuelle – und Künstler. Freundschaftlich verbunden war Simmel mit Stefan George und Mitgliedern des Kreises um die Blätter für die Kunst, wie Friedrich Gundolf, Friedrich Wolters und Sabine Lepsius, mit dem Naturalisten und späteren Begründer der Neuklassik Paul Ernst und mit Rainer Maria Rilke, dessen Vorliebe für Rodin er teilte (»le plus grand artiste de notre temps«21). Man traf sich im Hause Simmels, wo wöchentliche »Jours« stattfanden. »Sie waren eine soziologische Schöpfung im Kleinen: die einer Geselligkeit, deren Sinn die Pflege des höchst Individuellen war. Das Gespräch hatte dort eine Form, in die kein Mensch sich selbst mit seinen Eigenarten, Problemen und Nöten mitbringen durfte, die, losgelöst von aller Schwere, in einer Atmosphäre von Geistigkeit, Liebenswürdigkeit und Takt schwebte.«22 Selten wurde dabei – und das erstaunt nicht wenig bei einem Soziologen – »von sozialen Umständen« gesprochen23, was wohl bedeutet, dass man politische und gesellschaftliche Themen mied. Stattdessen pflegte man die Geselligkeit, diese – nach Simmel – »Spielform der Vergesellschaftung« (Simmel 1911, 4; GA 12, 180), »wo das Reden zum Selbstzweck wird« (a.a.O., 11; GA 12, 187), und stilisierte die »Jours« dabei zur ästhetischen Kultur, zum schönen Schein. Interieur und Exterieur, eben die Geselligkeit, passten harmonisch zusammen. Dazu wieder Susman: »Das große hohe Arbeitszimmer zu ebener Erde, mit dem Blick in den Garten, war mit kostbaren, alten Perserteppichen belegt. Bilder großer Meister, viele eigenhändige Zeichnungen von Rodin, hingen an den Wänden. Überall, in Vitrinen und offen, standen Vasen und Schalen fernöstlicher Kunst, auserlesene Buddhafiguren, […].«24 Ein Bild der Ruhe, aber auch von Statik, das Bild einer Kultur, »die schon ein Jahrzehnt später im ersten Weltkrieg zusammenbrechen sollte«25. – Die Eindrücke scheinen sich allerdings nicht zusammenzufügen, oder doch? Zumindest jedoch ein Widerspruch taucht auf, oder wollte sich Simmel, der moderne Theoretiker und Theoretiker der Moderne schlechthin, vor dem pulsierenden großstädtischen Leben ein pièce de résistence, eine Enklave schaffen, die all das aussperrte, was ihn gerade theoretisch als Soziologen und Philosophen inspirierte? Ein Merkpunkt für später.

1914 dann, das Jahr der großen und kleinen Entscheidungen: Simmels Berufung nach Straßburg – »Gestern ist nun die letzte Besiegelung der Straßburger Angelegenheit erfolgt und ich nehme sie keineswegs mit dem Bewußtsein hin, das unbedingt Richtige getan zu haben.« (Brief Simmels an Rickert v. 28.1.191426; GA 23, 284); der Ausbruch des Ersten Weltkriegs – »Ich leide wie Sie darunter, daß ich die Opfer der Kämpfer ohne Gegenleistung annehmen muß, denn was ist das Bischen (sic!), das man hier in seiner Behaglichkeit tun kann, auch wenn man vom Morgen bis abends keinen anderen Gedanken und Willen hat!« (Brief Simmels an Marianne Weber v. 16.10.191427; GA 23, 422)

Straßburg bedeutete eine ordentliche Professur, zugleich aber auch die geistige Isolation – »Von hier ist nichts Besonderes zu berichten. Die Universität ist verödet, […].« (Simmel an Rickert v. 16.1.191528; GA 23, 482) Dennoch entstehen hier die lebensphilosophischen Spätschriften, Prolegomena zu einer künftigen Metaphysik, Simmels »bißchen Weisheit letzte[r] Schluß« (Simmel an Graf Keyserling v. 6.8.1918, zit. nach Simmel 1968, 251; GA 23, 996). Im deutlichen Bewusstsein seiner tödlichen Krankheit, Leberkrebs, arbeitete Simmel daran bis zum Schluss. Von seinen Freunden hatte er sich zuvor in Briefen verabschiedet: »Es hat keinen Sinn länger zu verheimlichen, daß ich ein totkranker Mann bin und daß meine körperlichen und geistigen Kräfte vielleicht noch einige Monate, hoffentlich aber nur noch einige Wochen vorhalten werden. Aber ich gehe mit dem Bewußtsein, daß mein Leben, nach mittleren Maaßen gemessen, gerundet und gut abgeschlossen ist; ich gehe ohne Hader mit dem Geschick und ohne Abschiedswehmut, sondern mit dem Bewußtsein, daß es so gut und der richtige Augenblick ist.« (Simmel an Graf Keyserling v. 6.9.192729)

3. Positivist, Soziologe, Lebensphilosoph – keine Entwicklungsgeschichte

Üblicherweise wird das Werk Georg Simmels in drei Phasen eingeteilt. Dafür hat schon Simmels früher Biograf und Kommentator Max Frischeisen-Köhler geworben. Er unterschied einen frühen, weitgehend unter dem Einfluss des Pragmatismus (Spencer) und der Evolutionstheorie stehenden Simmel, einen mittleren, etwa mit der Philosophie des Geldes (1900) einsetzenden, auf Kant zurückgreifenden und von soziologischen Fragestellungen faszinierten Simmel und einen späten, der Lebensphilosophie und einer neuen Metaphysik das Wort redenden Simmel.30 Simmel hat selbst zu dieser Periodisierung seines Denkens beigetragen. So heißt es etwa in der Skizze »Anfang einer unvollendeten Selbstdarstellung«:

»Ich bin von erkenntnistheoretischen und kantwissenschaftlichen Studien ausgegangen, mit denen geschichtliche und sozialwissenschaftliche Hand in Hand gingen. Das erste Ergebnis davon war das (in den ›Problemen der Geschichtsphilosophie‹ durchgeführte) Grundmotiv: daß ›Geschichte‹ die Formung des unmittelbaren, nur zu erlebenden Geschehens gemäß den Aprioritäten des wissenschaftbildenden Geistes bedeutet, genau wie ›Natur‹ die Formung des sinnlich gegebenen Materials durch die Kategorien des Verstandes bedeutet.

Diese Trennung von Form und Inhalt des geschichtlichen Bildes, die mir rein erkenntnistheoretisch entstand, setzte sich mir dann in ein methodisches Prinzip innerhalb einer Einzelwissenschaft fort: ich gewann einen neuen Begriff der Soziologie, indem ich die Formen der Vergesellschaftung von den Inhalten schied, d.h. den Trieben, Zwecken, Sachgehalten, die erst, von den Wechselwirkungen zwischen den Individuen aufgenommen, zu gesellschaftlichen werden; die Bearbeitung dieser Arten der Wechselwirkung habe ich deshalb, als den Gegenstand einer reinen Soziologie, in meinem Buche unternommen.

Von dieser soziologischen Bedeutung des Wechselwirkungsbegriffs aus aber wuchs er mir allmählich zu einem schlechthin umfassenden metaphysischen Prinzip auf. Die zeitgeschichtliche Auflösung alles Substantiellen, Absoluten, Ewigen in den Fluß der Dinge, in die historische Wandelbarkeit, in die nur psychologische Wirklichkeit scheint mir nur dann vor einem haltlosen Subjektivismus und Skeptizismus gesichert, wenn man an die Stelle jener substantiell festen Werte die lebendige Wechselwirksamkeit von Elementen setzt, welche letzteren wieder der gleichen Auflösung ins Unendliche hin unterliegen. Die Zentralbegriffe der Wahrheit, des Wertes, der Objektivität etc. ergaben sich mir als Wechselwirksamkeiten, als Inhalte eines Relativismus, der jetzt nicht mehr die skeptische Lockerung aller Festigkeiten, sondern gerade die Sicherung gegen diese vermittels eines neuen Festigkeitsbegriffes bedeutete (›Philosophie des Geldes‹).«31

Gegenüber diesem Bild einer quasi-organischen Entwicklung lassen sich aber auch vereinzelte Äußerungen finden, in denen er sich desinteressiert zeigt an solchen Periodisierungen und – damit einhergehend – entsprechenden Wertungen: »Ich weiß«, schreibt Simmel in einem Brief an Rickert vom 26. Dezember 1915, »es besteht um mich ein Sagenkreis über alles mögliche, was ich bin und nicht bin, kann und nicht kann – […]. Bald bin ich zu einseitig, bald zu vielseitig, hier ›eigentlich nur Soziologe‹, dort ›nur von talmudischem Scharfsinn‹, meistens ›nur kritisch und negierend‹ usw. Ich habe es aufgegeben, gegen diesen Unsinn anzukämpfen, der gerade mit den wirklichen Unzulänglichkeiten, deren ich mir sehr wohl bewußt bin, sich überhaupt nicht berührt.«32

So gewiss es ist, dass sich in Simmels intellektueller Biografie eine Entwicklung abzeichnet, dass er sich zeit seines Lebens mit den relevanten Theorien beschäftigt hat, ja auf der Pointe der Wissenschaftsentwicklung mindestens der Philosophie und Sozialwissenschaften gestanden hat33, so sicher ist auch, dass sich in Simmels Schriften – und durchaus quer zur üblichen Periodisierung – einige wenige zentrale Fragen und Problemstellungen herauskristallisieren. Schon Siegfried Kracauer hat darauf in einem Aufsatz von 1920/21 hingewiesen. Gleich in den einleitenden Sätzen rechnet er mit den gängigen Klischees ab. »Man hat schon wiederholt Simmel als Kulturphilosophen bezeichnet. Ebensogut könnte man ihn den Philosophen der Seele, den des Individualismus oder den der Gesellschaft nennen. Alle diese Formeln aber sind ungenau und einseitig und reichen bei weitem nicht aus, sein Stoffgebiet auch nur annähernd zu umgrenzen.«34 Wenn man schon nach einer Formel suche, so Kracauer im Folgenden, dann biete sich dazu der Begriff der Beziehung an. In der Terminologie der Simmel’schen Soziologie ist dies der Begriff der Wechselwirkung. »Alle Äußerungen geistigen Lebens […] stehen in unnennbar vielen Beziehungen zueinander, keine ist herauslösbar aus dem Zusammenhang, in denen sie sich mit anderen befindet.«35 Doch selbst damit hat man eine – zumindest in meiner Sicht – unzulässige Rubrizierung des Simmel’schen Denkens geleistet. Zu kurz greift auch Max Adler, der in seiner populären Broschüre Georg Simmels Bedeutung für die Geistesgeschichte zwar die gängige Dreiteilung zurückweist, am Ende aber das Simmel’sche Werk über den Leisten der Unmittelbarkeit schlagen will. »So ordnet sich die ganze Lebensarbeit Simmels dem einen beherrschenden Geistesinteresse unter, überall auf die Erfassung der Unmittelbarkeit unseres Daseins zurückzuführen, die Anschauung und das Gefühl der Lebenswirklichkeit von den verschiedensten Zugängen her zu gewinnen.«36

Nein, so einfach ist es dann doch nicht. Anders gesagt: Die Anschauungen Kracauers wie Adlers und der Vertreter der verschiedenen Lebens- und Werkstadien treffen zwar alle partiell zu, lassen andererseits aber weite Bereiche offen. Simmels Werk ist weder auf einen Begriff, ganz gleich welchen, noch auf die mögliche Reihe verschiedener Epochen zu bringen. Vielleicht würde man ihm am ehesten noch gerecht mit der scheinbar paradoxen Formulierung, dass man sein Werk nur in Oppositionen beschreiben kann, die zugleich aber »Scheinoppositionen« sind und sich zu einer offenen, fragmentarisch-unabgeschlossenen Theorie der Moderne addieren lassen.37