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Georg Büchner, Werke und Briefe, Münchner Ausgabe, hrsg. von Karl Pörnbacher [u. a.], München 82001, S. 306.
Büchner (s. Anm. 1), S. 306.
Büchner (s. Anm. 1), S. 288.
Hans Mayer, Georg Büchner und seine Zeit, Frankfurt a. M. 1972, S. 210.
Georg Büchner, Dichtungen, hrsg. von Georg Poschmann, Frankfurt a. M. 2006, S. 475.
Volker Klotz nach Peter M. Boenisch, Formprinzipien der dramaturgischen Komposition, in: Handbuch Drama. Theorie, Analyse, Geschichte, hrsg. von Petrer W. Marx, Stuttgart/Weimar 2012, S. 138.
Boenisch (s. Anm. 6).
Peter Szondi, Versuch über das Tragische, in: Peter Szondi: Schriften I, hrsg. von Jean Bollack [u. a.], Frankfurt a. M. 1978, S. 254 f.
Büchner (s. Anm. 1), S. 278.
Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, hrsg. von Jürgen Ferner, Stuttgart 1997, S. 28.
Heine (s. Anm. 10), S. 68 f.
Vgl. hierzu ausführlich: Gerald Funk, Georg Büchner: Dantons Tod. Erläuterungen und Dokumente, Stuttgart 2002, S. 139–150.
Karl Viëtor, Die Tragödie des heldischen Pessimismus. Über Büchners ›Dantons Tod‹, in: Deutsche Vierteljahresschrift 12 (1934), S. 173–209. [Die Ausführungen in diesem Kapitel haben diesen Aufsatz zur Grundlage.]
Viëtor (s. Anm. 13), S. 174.
Georg Büchner, Danton’s Tod, Marburger Ausgabe, Bd. 3, Tl. 3, bearb. von Burghard Dedner [u. a.], Darmstadt 2000, S. 65.
Viëtor (s. Anm. 13), S. 178.
Viëtor (s. Anm. 13), S. 179.
Viëtor (s. Anm. 13), S. 188 f.
Viëtor (s. Anm. 13), S. 202.
Viëtor (s. Anm. 13), S. 205.
Viëtor (s. Anm. 13), S. 208.
Georg Lukács, Der faschistische verfälschte und der wirkliche Georg Büchner. Zu seinem hundertsten Todestag am 19. Februar 1937, in: Georg Lukács, Werke, Bd. 7: Deutsche Literatur in zwei Jahrhunderten, Neuwied 1964, S. 249–272. [Die Ausführungen in diesem Kapitel haben diesen Aufsatz zur Grundlage.]
Lukács (s. Anm. 22), S. 252.
Büchner (s. Anm. 1), S. 280.
Büchner (s. Anm. 1), S. 303.
Lukács (s. Anm. 22), S. 254.
Lukács (s. Anm. 22), S. 259.
Lukács (s. Anm. 22), S. 262.
Lukács (s. Anm. 22), S. 266 f.
Henri Poschmann, Georg Büchner: Dichtung der Revolution und Revolution der Dichtung, 3. Aufl., Berlin/Weimar 1988, S. 115 f.
Michael Voges, Dantons Tod, in: Georg Büchner. Interpretationen, Stuttgart 1990 [u. ö.], S. 7–62. [Die Ausführungen in diesem Kapitel haben diesen Aufsatz zur Grundlage.]
Voges (s. Anm. 31), S. 8 f.
Büchner (s. Anm. 1), S. 291 f.
Büchner (s. Anm. 1), S. 273.
Voges (s. Anm. 31), S. 18 f.
Büchner (s. Anm. 1), S. 285.
Voges (s. Anm. 31), S. 31 f.
Voges (s. Anm. 31), S. 35.
Voges (s. Anm. 31), S. 57.
Vgl. Sappho Fragment 130: »Eros wiederum quält mich, der Gliederlösende, / süßbitteres unbezwingbares Getier.«
Helmut Koopmann, Dantons Tod und die Antike Welt. Zur Geschichtsphilosophie Georg Büchners, in: Zeitschrift für deutsche Philologie (Sonderheft) 1965, S. 22–41.
Andreas Härter, Der Untergang des Redners. Das Dementi der Rhetorik in Büchners Drama ›Dantons Tod‹, in: Rhetorik 21 (2002), S. 85.
Vgl. Martin Selge, Marseillaise oder Carmagnole? Zwei französische Revolutionslieder in ›Dantons Tod‹, in: Georg Büchner 1813–1837. Revolutionär, Dichter, Wissenschaftler, Katalog der Ausstellung Mathildenhöhe, Basel/Frankfurt 1987, S. 235–240.
Gerhard Schneider, Die Französische Revolution 1789–1799, Schwalbach/Ts.: Wochenschau 2012, S. 284.
Johann Wolfgang von Goethe, Belagerung von Mainz, in: Johann Wolfgang von Goethe, Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bdn., Bd. 10: Autobiographische Schriften II, München 2000, S. 387.
Christian Sondershaus, ›Dantons Tod‹ – Das Drama der Verweigerung, in: Werke in Kontexten: Unterrichtsvorschläge und Materialien zu ›Dantons Tod‹, ›Homo faber‹ und ›Agnes‹, hrsg. vom Landesinstitut für Schulentwicklung, Stuttgart 2011, S. 111.
Büchner (s. Anm. 1), S. 18.
Büchner (s. Anm. 1), S. 278.
Büchner (s. Anm. 1), S. 288.
Büchner (s. Anm. 1), S. 297.
Büchner (s. Anm. 1), S. 298.
Büchner (s. Anm. 1), S. 301.
Büchner (s. Anm. 1), S. 305 f.
Gerald Funk: Erläuterungen und Dokumente. Georg Büchner: Dantons Tod, Stuttgart 2015, S. 183.
Georg Büchner, Dichtungen, hrsg. von Georg Poschmann. Frankfurt a. M. 2006, S. 476.
Büchner (s. Anm. 1), S. 313.
Christian Neuhuber, Georg Büchner. Das literarische Werk, Berlin 2009, S. 72 f.
Arnd Beise, Einführung in das Werk Georg Büchners, Darmstadt 2010, S. 10.
Georg Heym, Dichtungen und Schriften, Bd. 1: Lyrik, hrsg. von Karl Ludwig Schneider, Hamburg 1964, S. 88.
Autor | Georg Büchner, 17. Oktober 1813 (Goddelau, Hessen-Darmstadt) – 19. Februar 1837 (Zürich) | |
Erstdruck | 1835 (redaktionell stark bearbeitet), Frankfurt a. M. | |
Uraufführung | 1902 Berlin, Freie Volksbühne im Belle Alliance Theater | |
Ort und Zeit der Dramenhandlung | Paris, Frühjahr 1794 | |
Handlungsbestimmender Konflikt | Phase der Terreur (Schreckensherrschaft) innerhalb der Französischen Revolution | |
Gruppe um Danton: Mäßigung | Gruppe um Robespierre: Radikalisierung |
»Der Dichter ist kein Lehrer der Moral«1, erklärte der 21-jährige Medizinstudent und steckbrieflich gesuchte Revolutionär kurz nach der Veröffentlichung von Dantons Tod am 28. Juli in einem Brief an seine Familie. Tatsächlich dürfen Leserinnen und Leser dieses Dramas keine vorgefertigten Keine vorgegebene LesartLehrsätze erwarten. Und das ist wohl auch gut so. Zu verschieden ist unsere Zeit von derjenigen Büchners und erst recht im Vergleich zur Französischen Revolution, zu unterschiedlich sind alle Individuen, die sich auf den komplexen Text einlassen, und zu stark sind wir vom grundsätzlichen Wert eines Pluralismus der politischen Meinungen, der Weltanschauungen, der religiösen Vorstellungen u. Ä. überzeugt. Zahlreiche konkurrierende Deutungen des Dramas (Kap. 6), die sich mitunter sogar widersprechen, belegen diese Vielfalt.
Warum Dantons Tod lesen?Warum dann Dantons Tod lesen? Büchner fährt in seinem Brief an die Familie fort: »[Der Dichter] erfindet und schafft Gestalten, er macht vergangene Zeiten wieder aufleben, und die Leute mögen dann daraus lernen, so gut, wie aus dem Studium der Geschichte und der Beobachtung dessen, was im menschlichen Leben um sie herum vorgeht.«2 Nimmt man diese Selbstäußerung ernst, so handelt es sich bei dem Stück um eine Art Dramatische VersuchsanordnungVersuchsanordnung des jungen, politisch bewegten Naturwissenschaftlers, die gerade wegen der Vielfalt der Ergebnisse, die sie hervorzubringen vermag, zeitlos ist.
Stoff ist also die Große Revolution in Frankreich (1789–99) – Büchner wählt aber gerade nicht den triumphalen, bis heute gefeierten Beginn am 14. Juli, auch nicht die (gerade im deutschsprachigen Raum stark und kontrovers wahrgenommene) Verhaftung und Hinrichtung König Ludwigs XVI., schon gar nicht die Verfassungsgeschichte und auch nicht das (scheinbare?) Ende der Revolution mit Napoleon. Er greift vielmehr wenige Tage innerhalb der sogenannten Stoff: Zeit der SchreckensherrschaftSchreckensherrschaft heraus. Nach Ausschaltung der ultraradikalen Hébertisten am 24. März 1794, worauf zu Beginn des Dramas (I,2) Bezug genommen wird, stehen einander im Wesentlichen zwei Gruppierungen gegenüber: Die Jakobiner um Robespierre und St. Just wollen den revolutionären Prozess mit dem Ziel eines vollständigen, auch sozialen Umsturzes weiter radikalisieren. Danton und seine Mitstreiter, ursprünglich gemeinsam mit Robespierre am zentralen Wohlfahrtsausschuss beteiligt, wollen die Revolution beenden und treten für Mäßigung ein. Das Stück führt die letzten Tage dieser Auseinandersetzung bis zur Hinrichtung der Dantonisten am 5. April 1794 vor.
Es geht um Politik, um blutige Gewalt und Willkür, aber auch um Sexualität und innige Liebe bis in den Tod und nicht zuletzt um philosophische und existentielle Letzte FragenFragen nach dem Dasein Gottes und der Zerbrechlichkeit des Menschen. Büchner legte die Fragen, die ihn zeit seines kurzen Lebens unaufhörlich beschäftigten und die wohl niemandem unbekannt sind, seiner Titelfigur in den Mund: »Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet?« (S. 43), Fragen, die er fast wörtlich auch bereits seiner Braut in einem Brief um die Entstehungszeit des Textes im Frühjahr 1834 stellte.3
In ihrer literarischen, aber auch politischen Radikalität BüchnersRadikalität waren die Schriften Büchners ihrer Zeit weit voraus – erst im 20. Jahrhundert begann sich die immense WirkungWirkung richtig zu entfalten. Nach der Uraufführung des Stückes im Berliner Belle Alliance Theater durch die der Arbeiterbewegung nahestehenden Freien Volksbühne im Jahr 1902 folgten in den wenigen Jahren der Weimarer Republik an die 100 verschiedene Inszenierungen auf deutschsprachigen Bühnen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Werk Büchners in beiden deutschen Staaten und darüber hinaus – wenn auch z. T. aus unterschiedlichen Gründen – hoch angesehen, es entstanden erstmals wissenschaftlich belastbare Textausgaben. Georg Büchner heuteHeute ist Büchner aus der Literatur- und Theaterwissenschaft, von den Bühnen unterschiedlichster Couleur und auch aus den Klassenzimmern nicht mehr wegzudenken – ein sichtbares Indiz hierfür ist die in der Öffentlichkeit stark beachtete jährliche Vergabe des Georg-Büchner-Preises für deutschsprachige Literatur der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der als bedeutendster Literaturpreis des Landes gilt.
Trotz aller Modernität wahrt Dantons Tod im Prinzip die drei klassischen, auf Aristoteles zurückgehenden Einheiten des Dramas: Raum, Zeit, Handlung.
Danton und seine Freunde befinden sich in einem Dantonisten beim SpielSpielsalon, wohl innerhalb des Vergnügungslokals ›Palais Royal‹. Danton beobachtet im Gespräch mit seiner Gattin Julie, wie sich Hérault-Séchelles mit »einigen Damen« beim Kartenspiel vergnügt. Wenig später stoßen Camille Desmoulins und Philippeau hinzu. Sie berichten über die Hinrichtung der ultraradikalen Hébertisten an diesem Tag und diskutieren die Folgen dieses Ereignisses. Hérault-Séchelles formuliert das Politisches ProgrammProgramm der Dantonisten: »Die Revolution muss aufhören und die Republik muss anfangen« (S. 7). Diese Republik will er auf den Grundlagen des bürgerlichen Liberalismus errichten. Camille ergänzt diese Ziele um die Sinnenfreude der griechischen Antike (Epikur) im Gegensatz zu Robespierres römisch inspirierten Tugendheroismus.
Auf diese Aufforderung zum politischen Handeln reagiert Danton ausgesprochen Skepsis Dantonsskeptisch. Die Ideen seiner Freunde findet er weder sinnvoll noch realistisch, seine düstere Prophezeiung im Hinausgehen nimmt das Ende der Dantonisten bereits vorweg: »die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns noch die Finger dabei verbrennen« (S. 8).
In scharfem Kontrast zur ersten Szene wird gezeigt, wie der Souffleur Simon im Rausch auf offener Gasse seine Frau verprügelt, weil diese die Prostitution ihrer Tochter duldet, um die kleine Familie zu ernähren. Das Gespräch einiger beobachtender Passanten radikalisiert sich bis zur Forderung nach unmittelbarer Gewalt gegenüber allen sozial Bessergestellten. So drohen sie, einen jungen Mann, den sie aufgrund seines Taschentuchs für einen Aristokraten halten, zu lynchen; dieser kann sich aber mit einer sinnigen Bemerkung retten. Robespierre beim VolkRobespierre beschwichtigt, und das Volk folgt ihm zu den Jakobinern.
Abb. 1: Versammlung des Jakobinerklubs (Januar 1792).
Anlass der großen Rede Robespierres ist die Forderung von Jakobinern aus Lyon nach weiterer Radikalisierung der Revolution. Er verteidigt die Schreckensherrschaft im Namen der Tugend gegen deren Feinde von allen Seiten, womit auch die Dantonisten gemeint sind.
Lacroix wirft Legendre vor, durch sein ungeschicktes Verhalten im Jakobinerklub die Dantonisten gefährdet zu haben. Er hatte dort erklärt, dass es auch in Paris einen Personenkreis gebe, der den Aristokraten nacheifere, und so Robespierres Aufmerksamkeit und Argwohn auf Danton gelenkt. Sie suchen Danton, um ihn zu warnen.
In einem Zimmer des Palais Royal erzählt die Prostituierte MarionMarion Danton ihre Lebensgeschichte und stellt sich dabei als äußerst selbstbewusste, ganzheitliche Persönlichkeit dar. Lacroix kommt in Begleitung von Adelaide und Rosalie, zwei weiteren Prostituierten, hinzu und warnt Danton – allerdings erst nach einigen scherzhaften Worten – vor der Gefahr des Tugendterrors Robespierres; der zuletzt hinzukommende Paris unterstreicht das. Danton wiegelt ab, verspricht aber gleichwohl, seinen Gegenspieler am nächsten Tag aufzusuchen.
Im Streitgespräch werden die gegensätzlichen Positionen ohne Ergebnis ausgetauscht: Danton tritt für Mäßigung und die Beendigung der terreur-Phase ein, während Robespierre die gewaltvolle Revolution fortsetzen möchte, um soziale Veränderungen durchzusetzen. Danton und Paris verlassen das Zimmer, um an die Öffentlichkeit zu gehen. In zwei, durch ein Gespräch mit dem ihn bestärkenden St. Just unterbrochenen Monologen beschließt Robespierre die Beseitigung Dantons, wobei jedoch Zweifel bei RobespierreSelbstzweifel und ein Gefühl der Isolation deutlich werden.
Obwohl seine Freunde ihn zum sofortigen Handeln drängen und von Danton verlangen, Widerstand gegen Robespierre zu leisten, wiegelt dieser weiter nur gelangweilt ab: Die Gefahr sei gar nicht groß. Lacroix wirft ihm Faulheit vor.
Vertreter unterschiedlicher sozialer Schichten führen auf der Promenade Gespräche über den Alltag zur Zeit der Revolution. Danton und das VolkDanton kommt mit Camille zufällig hinzu. Dantons Bemerkungen changieren zwischen Obszönität und Melancholie.
Während eines Gesprächs bei Camille und dessen Ehefrau Lucile über zeitgenössische KunstgesprächKunst wird Danton hinter der Bühne die Verhaftung angekündigt, falls er es ablehnen sollte zu fliehen. Er gibt sich zunächst unbeeindruckt und will spazieren gehen. Lucile macht sich nun Sorgen um Camille, der beschwichtigt aber: er sei mit Robespierre in freundschaftlichem Kontakt und somit nicht in Gefahr.
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