Cover

Über dieses Buch

Kleiner Roman für Leser ab 7 Jahren

Bei Lilly läuft an Heiligabend alles schief. Zu Hause ist Streit angesagt. Und dann wird sie auch noch beinahe von einem Motorroller überfahren, der aus heiterem Himmel um die Ecke saust. Die Rollerfahrerin ist ganz schön zerzaust und kann sich an ihren eigenen Namen nicht erinnern. Kurzerhand beschließt sie, Lilly nach Hause zu begleiten. Wie soll Lilly ihrer Familie den merkwürdigen Gast erklären? Doch der sorgt schließlich für eine ganz besondere Überraschung.

Der Autor

Hartmut El Kurdi wurde 1964 in Amman/Jordanien geboren und wuchs in London und Kassel auf. Nach einem kulturwissenschaftlichen Studium lebt er heute mit Frau und Tochter in Hannover. Er schreibt Theaterstücke, Hörspiele und Geschichten für Kinder und Erwachsene sowie satirische Kolumnen, Essays und Reportagen. Außerdem arbeitet er als Theaterregisseur, Schauspieler und Musiker. Infos unter: www.hartmutelkurdi.de

Die Illustratorin

Marine Ludin wurde 1971 in Paris geboren und ist in Südfrankreich aufgewachsen. Sie hat Illustration in Nancy und Hamburg studiert. Seit 2005 arbeitet sie freiberuflich mit Verlagen für Kinder- und Schulbücher. Marine Ludin lebt in Calw im Schwarzwald.

Für Salima Lilly Rosa El Kurdi.
Und für Ulrike.

Es war der Nachmittag des 24. Dezember. Kleine, feuchtfitzelige Schneeflocken fielen vom Himmel, es wurde langsam duster und Lilly saß im Hinterhof auf den Treppenstufen. Sie war stinkesauer. Und traurig. Oben wurde gebrüllt.

›Sogar Weihnachten kriegen die beiden mit ihrer ewigen Streiterei kaputt‹, dachte Lilly. Worum es genau ging, wusste sie nicht. Wahrscheinlich wussten das Claudia und Frank, ihre Eltern, auch nicht. Oder zumindest nicht mehr.

Klar war nur, wie der Stress angefangen hatte. Mit einem Klassiker: dem Kaufen und Aufstellen des Weihnachtsbaums. Frank war mal wieder auf den letzten Drücker losgefahren, um den Baum zu besorgen. Kurz bevor alle Weihnachtsbaummärkte schlossen. Und wie das so ist, wenn man bis zum letzten Moment wartet: Man muss nehmen, was übrig bleibt. Übrig geblieben war eine viel zu große, aber leider ziemlich zerfleddert aussehende Nordmanntanne. Überall fehlten Zweige, und der Stamm hatte in der Mitte eine Art Knick, sodass der obere Teil sich deutlich nach rechts neigte. Zu Hause angekommen, versuchte Frank, den Baum in den Ständer zu bugsieren. In diesem Moment kam Claudia ins Wohnzimmer.

»Och nee«, stöhnte sie. »Was is’n das für’n Monster? Der ist doch viel zu groß. Und außerdem potthässlich!«

»Wie? Sonst ist dir der Baum doch immer zu klein«, antwortete Frank. »Kannste mir mal helfen? Ich krieg den hier irgendwie nicht rein ...«

»Ich hab grad wirklich was anderes zu tun. Oder meinst du, die Geschenke packen sich von selbst ein?«, sagte Claudia. »Und natürlich kriegst du den da nicht rein. Der Stamm ist viel zu dick.«

Frank stellte den Baum ab und schaute auf den Ständer. Dann auf das untere Ende des Stammes. Dann wieder auf den Ständer. »Man muss den eben unten ein bisschen schmaler schnitzen. Hol mir mal das große Brotmesser aus der Küche. Das mit den Zacken.«

»Was willst du denn mit dem Brotmesser?«, fragte Claudia.

»Das ist doch das einzige scharfe Werkzeug hier im Haus!«, sagte Frank.

Claudia grummelte irgendetwas in ihren Rollkragenpullover, ging in die Küche und holte das Messer. Frank begann zu schnitzen, stellte sich dabei natürlich ziemlich doof an – und säbelte sich in den Daumen!

Und dann ging der Streit richtig los. Während Claudia versuchte, die Wunde zu verbinden, damit das Blut nicht auf den weißen Berberteppich tropfte, zankten sie sich über alles, worüber man sich an diesem Tag zanken konnte:

Wer wann welche Schwiegermutter zum Heiligabendessen abholen müsse ...

Warum die beiden überhaupt kämen ...

Dass das wieder die Hölle werden würde mit der Oma-Meckerei und der Oma-Singerei ...

Wer den Einkauf für das Weihnachtsessen vergurkt habe ...

Wer wieder die Geschenke für Lilly und ihre große Schwester hatte besorgen müssen, während jemand anderes nichts getan hätte ...

»Wenn ich nicht gestern noch losgerannt wäre, würden Lilly und Doressi heute ziemlich doof aus der Wäsche gucken!«, schrie Claudia.