Haupttitel

M. Tullius Cicero

Berühmte Briefe

Briefe aus dem Exil
Szenen einer Ehe

Lateinisch – Deutsch

Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Lenelotte Möller
marixverlag
Impressum

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Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin
Satz und eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz

ISBN: 978-3-8438-0043-3

www.marixverlag.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung

M. Tullius Cicero

Ciceros Briefe

Briefe in der Antike

Ciceros Briefsammlung

Ciceros Exil

Exil in der Antike

Die Vorgeschichte von Ciceros Exil

Im Exil

Die Adressaten der Exilbriefe

Quintus Tullius Cicero

Titus Pomponius Atticus

Terentia

Q. Caecilius Metellus Nepos

Briefe aus dem Exil

Ad Atticum III,1

An Atticus (III,1)

Ad Atticum III,3

An Atticus (III,3)

Ad Atticum III,2

An Atticus (III,2)

Ad Atticum III,5

An Atticus (III,5)

Ad Atticum III,4

An Atticus (III,4)

Ad Atticum III,6

An Atticus (III,6)

Ad Familiares XIV,4

An Terentia, Tullia und Cicero (XIV,4)

Ad Atticum III,7

An Atticus (III,7)

Ad Atticum III,8

An Atticus (III,8)

Ad Atticum III,9

An Atticus (III,9)

Ad Quintum fratrem I,3

An Quintus (I,3)

Ad Atticum III,10

An Atticus (III,10)

Ad Atticum III,11

An Atticus (III,11)

Ad Atticum III,12

An Atticus (III,12)

Ad Atticum III,14

An Atticus (III,14)

Ad Atticum III,13

An Atticus (III,13)

Ad Quintum fratrem I,4

An Quintus (I,4)

Ad Atticum III,15

An Atticus (III,15)

Ad Atticum III,16

An Atticus (III,16)

Ad Atticum III,17

An Atticus (III,17)

Ad AtticumIII,18

An Atticus (III,18)

Ad Atticum III,19

An Atticus (III,19)

Ad Atticum III,20

An Quintus Caecilius Pomponianus – An Atticus, den Sohn des Quintus (III,20)

Ad familiares XIV,2

An Terentia (XIV,2)

Ad Atticum III,21

An Atticus (III,21)

Ad Atticum III,22

An Atticus (III,22)

Ad familiares XIV,1

An Terentia (XIV,1)

Ad Atticum III,23

An Atticus (III,23)

Ad familiares XIV,3

An Terentia (XIV,3)

Ad Atticum III,24

An Atticus (III,24)

Ad Atticum III,25

An Atticus (III,25)

Ad familiares V,4

An Konsul Q. Metellus Nepos (V,4)

Ad Atticum III,26

An Atticus (III,26)

Ad Atticum III,27

An Atticus (III,27)

Ad Atticum IV,1

An Atticus (IV,1)

Ciceros Leben nach dem Exil

Terentia, Tullia und der junge Cicero

Entstehungsumstände der Briefe an die Ehefrau

Szenen einer Ehe

Ad Familiares XIV,4

An Terentia, Tullia und Cicero (XIV,4)

Ad familiares XIV,2

An Terentia (XIV,2)

Ad familiares XIV,1

An Terentia (XIV,1)

Ad familiares XIV,3

An Terentia (XIV,3)

Ad familiares XIV,5

An Terentia (XIV,5)

Ad familiares XIV,18

An Terentia, Tullia, seine Mutter und seine Schwester (XIV,18)

Ad familiares XIV,14

An Terentia , Tullia, Ciceros Mutter und seine Schwester (XIV,14)

Ad Familiares XIV,7

An Terentia (XIV,7)

Ad Familiares XIV,6

An Terentia (XIV,6)

Ad Familiares XIV,12

An Terentia (XIV,12)

Ad Familiares XIV,19

An Terentia (XIV,19)

Ad Familiares XIV,9

An Terentia (XIV,9)

Ad Familiares XIV,17

An Terentia (XIV,17)

Ad Familiares XIV,16

An Terentia (XIV,16)

Ad Familiares XIV,8

An Terentia (XIV,8)

Ad Familiares XIV,21

An Terentia (XIV,21)

Ad Familiares XIV,11

An Terentia (XIV,11)

Ad Familiares XIV,15

An Terentia (XIV,15)

Ad Familiares XIV,10

An Terentia (XIV,10)

Ad Familiares XIV,13

An Terentia (XIV,13)

Ad Familiares XIV,24

An Terentia (XIV,24)

Ad Familiares XIV,23

An Terentia (XIV,23)

Ad Familiares XIV,22

An Terentia (XIV,22)

Ad Familiares XIV,20

An Terentia (XIV,20)

Weitere Schicksale

Cicero

Quintus (Vater und Sohn)

Terentia

M. Tullius Cicero, der Sohn

Auffindung der Briefe

Francesco Petrarca an Cicero

Weitere Rezeption der Briefe

Literaturverzeichnis

Zeittafel

Fußnoten

Briefe aus dem Exil

Ciceros Leben nach dem Exil

Francesco Petrarca an Cicero

Kontakt zum Verlag

Vorwort

Der Marix Verlag wünschte, in seiner Reihe philosophischer Klassiker eine kleine Auswahl von Cicero-Briefen herauszugeben. Ciceros Briefe enthalten zwar nicht seine philosophischen Ausführungen, stellen aber eine Ergänzung zu diesen dar, wie sie in der Antike nur bei wenigen Schriftstellern zu finden ist: Sie zeigen seine Person jenseits der philosophischen Ideale.

Da Auswahlausgaben nach Schönheit oder Wichtigkeit immer subjektiv ausfallen, erschien die Auswahl zweier Briefgruppen sinnvoll, von denen jede aus sachlichen Gründen in sich eine Einheit darstellt: die Exilbriefe durch die Zeit und die Umstände ihrer Entstehung, die Briefe an Ciceros Ehefrau Terentia durch die Adressatin. Beide Gruppen bestehen ausschließlich aus Gebrauchsbriefen und enthalten zusammen gewiss die persönlichsten Mitteilungen, die von Cicero – durch Dritte eher als von ihm selbst – der Nachwelt überliefert wurden und zeigen den bisweilen geschmähten Staatsmann und berühmten Philosophen von seiner privatesten Seite. Damit stellen sie nicht nur ein bemerkenswertes menschliches Zeugnis, sondern auch eine historische Quelle seltener Art dar.

Außer den Briefen Ciceros selbst wurde ein Brief des italienischen Humanisten Francesco Petrarca in dieses Büchlein aufgenommen, jenes Mannes, der einen wesentlichen, seit dem 13. Jh. verschollenen Teil von Ciceros Briefen aufgefunden und als erster Mensch der Neuzeit gelesen hat. Petrarca war vom Wesen Ciceros, wie es sich in den Briefen an seinen Freund Atticus zeigt, so betroffen, dass er dem längst verstorbenen Vorbild lateinischer Sprachkunst seinerseits einen fiktiven Brief schrieb, um seine Erschütterung über dessen Schwächen auszudrücken, und gewiss haben die Exilbriefe an diesem Befremden Petrarcas keinen geringen Anteil.

Der deutschen Übersetzung liegen die lateinischen Fassungen von D. R. Shackleton Bailey und Helmut Kasten zugrunde, der Übersetzung des Petrarca-Briefes die lateinische Textfassung von Vittorio Rossi, wiedergegeben bei Florian Neumann.

Die Briefe werden nicht nach ihrer Nummer in den überlieferten Briefsammlungen, sondern chronologisch wiedergegeben.

Speyer, 3. Januar 2009

Lenelotte Möller

Einleitung

M. Tullius Cicero

Der berühmte römische Staatsmann, Redner und Philosoph, Konsul des Jahres 63 v. Chr., wurde am 3. Januar 106 v. Chr. in Arpinum geboren. Seine Heimatstadt liegt im Süden Latiums, 100 km südöstlich von Rom, im Gebiet der Volsker. Die Einwohner der Stadt hatten 188 v. Chr. das römische Bürgerrecht erhalten. Cicero war der älteste Sohn Marcus Tullius Ciceros und Helvias, die 103 oder 102 noch den Sohn Quintus bekamen. Die Tullii Cicerones gehörten dem Ritterstand an, der zweitobersten Klasse der Bevölkerung zwischen den Patriziern und den Plebejern. Sie führten ihre Herkunft auf den römischen König Servius Tullius, wie Cicero eher scherzhaft mitteilt, und den Konsul der frühen Republik Manius Tullius Longus (Konsul 500 v. Chr.), den einzigen Patrizier dieses Namens, zurück. Obwohl eine der führenden Familien Arpinums, gehörten sie in Rom nicht zur Nobilität, also jenen patrizischen, plebejischen und ritterlichen Familien, von denen Mitglieder im Senat saßen, aus denen also Prätoren und Konsuln, die höchsten Regierungsbeamten, kamen und die nicht selten untereinander verwandt waren.

Grundlage für eine politische Karriere waren aber vor allem die Beziehungen zu eben dieser Nobilität, außerdem eine möglichst große Zahl von Klienten, d. h. Angehörigen niedrigerer Bevölkerungsschichten, die sich unter den Schutz eines Patrons stellten und diesem dafür morgendlich aufwarteten, ihn bei öffentlichen Auftritten begleiteten und ihn im Wahlkampf unterstützten. Umso schwerer war es für jemanden, der über diese Grundlagen nicht verfügte, politisch aufzusteigen. Männer, denen dies dennoch gelang, wurden homines novi (wörtl.: neue Männer, gemeint: Neulinge, Emporkömmlinge) genannt. Zu den 15 Männern, die dies seit 366 v. Chr. bis zu Ciceros Zeit geschafft hatten, gehörten z. B. M. Porcius Cato, der Zensor, dessen Landgut Tusculum später Cicero kaufte, und der wie Cicero aus Arpinum stammende C. Marius (Konsul 107 sowie 104-100 und 87), mit dem Cicero durch Adoption eines Onkels entfernt verwandt war.

Die Tatsache, dass die homines novi permanent um Anerkennung und Ebenbürtigkeit bei der Nobilität kämpfen mussten, hat Ciceros Denken und Leben tief geprägt.

Ciceros Vater zog mit den beiden jungen Söhnen Marcus und Quintus nach Rom, um ihnen dort eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Behilflich waren dabei vor allem sein Freund L. Licinius Crassus, der Vater des Triumvirn im 1. Triumvirat (60, mit C. Iulius Caesar und Cn. Pompeius Magnus), in dessen Haus die Cicero-Brüder zuerst unterrichtet wurden, sowie M. Antonius, der Großvater des Triumvirn im 2. Triumvirat (43, mit C. Iulius Caesar Octavianus und M. Aemilius Lepidus). Nach Crassus’ Tod lernte Cicero als Mitstudenten T. Pomponius Atticus kennen, der von da an lebenslang sein bester Freund blieb.

Mit der Philosophie kam Cicero zuerst durch seinen Lehrer Philon von Larisa in Berührung. Der Leiter der Neuen Akademie in Athen war vor König Mithridates von Pontos nach Rom geflohen. Auch mit den anderen maßgeblichen philosophischen Richtungen seiner Zeit außer der sog. Akademie befasste sich Cicero, so kam er mit dem Epikureismus in Kontakt, und den Stoiker Diodotos nahm er in sein Haus auf.

Seinen nur einjährigen Militärdienst leistete Cicero im Bundesgenossenkrieg (91-89 v. Chr.) im Jahre 89 unter den Feldherren Cn. Pompeius Strabo und L. Cornelius Sulla ab, danach nahm er die für Politiker der römischen Republik übliche Anwaltstätigkeit auf. Seine erste bedeutende überlieferte Rede hielt er im Jahr 81 für P. Quinctius, dessen eigentlicher Anwalt Rom wegen einer Gesandtschaft verlassen musste, in einem komplizierten Zivilprozess. Sein Gegner war der damals berühmteste Redner Roms Q. Hortensius Hortalus, den Cicero mit der gebotenen Ehrfurcht behandelte, während er sich sonst recht mutig auch gegen Anhänger des Diktators L. Cornelius Sulla äußerte.

Im folgenden Jahr verteidigte er den des Vatermordes angeklagten Sex. Roscius Amerinus. Er erwirkte den Freispruch seines Mandanten, da er die Ankläger selbst der Tat überführte. Sie hatten den Vater Roscius’ um sein Vermögen betrogen und ermordet und anschließend versucht, den Sohn und rechtmäßigen Erben durch die Anklage als erbunwürdig erscheinen zu lassen. Nach diesem Prozess begab sich Cicero, obgleich siegreich, zu seiner eigenen Sicherheit nach Griechenland, wo er seine philosophischen Studien fortsetzte, denn einer der überführten Ankläger war ein Freund des amtierenden Diktators Sulla. Aus diesem Grunde hatte auch kein anderer Anwalt Roms die Verteidigung Roscius’ übernehmen wollen.

Weitere Motive für diese Reise waren möglicherweise auch Ciceros angeschlagene Gesundheit, da er sich beim Vortrag seiner Reden anfangs zu sehr verausgabte, sowie die Tatsache, dass Bildungsreisen dieser Art für junge Männer der römischen Oberschicht keineswegs ungewöhnlich waren. Sein Bruder Quintus und sein Vetter Lucius begleiteten ihn. Sein Freund T. Pomponius Atticus befand sich bereits in Athen. Cicero suchte verschiedene Philosophenschulen in Athen auf und lernte in Rhodos bei Molon von Rhodos einen schlichten Redestil sowie eine schonendere Technik beim Stimmeinsatz kennen.

In Smyrna besuchte Cicero P. Rutilius Rufus, den letzten Überlebenden des Scipionenkreises, eines Freundeskreises um P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus, den Konsul der Jahre 147 und 134 und Zerstörer Karthagos 146. Zu diesem Kreis hatten der Stoiker Panaitios, der Historiker Polybios, der Dichter Lucilius, der Konsul des Jahres 140, C. Laelius und eben der Konsul des Jahres 105, P. Rutilius Rufus, gehört. Die Runde bildete von etwa 150 bis 130 einen Ort der Begegnung römischer und griechischer Geisteswelt. In diesem Kreis ließ Cicero später sein bedeutendstes staatsphilosophisches Werk De re publica spielen, und in der Tradition dieser Personen sah sich der Politiker und Philosoph Cicero selbst. P. Rutilius Rufus war zu Unrecht der Erpressung während seiner Statthalterschaft in der Provinz Asia angeklagt und verurteilt worden. Da er die entsprechende Geldstrafe nicht hatte aufbringen können, war er ins Exil nach Smyrna gegangen, wo er sich mit der Schriftstellerei beschäftigte.

Als Cicero 77 nach Rom zurückkehrte (nach anderen Schätzungen bereits vor seiner Abreise) heiratete er Terentia, eine Tochter aus wohlhabender Familie, deren Vermögen und Beziehungen – und möglicherweise Ehrgeiz – seine Karriere sehr förderten. Auch seine erwiesenen Fähigkeiten als Anwalt trugen dazu bei, dass Cicero nun die Ämter der römischen res publica jeweils suo anno, also gleich bei Erreichung des vorgeschriebenen Mindestalters, durchlief – eine zumal für einen homo novus unglaubliche Leistung.

Cicero wurde 75 v. Chr. Quästor, und zwar in Roms ältester Provinz, in Sizilien. Von dort aus hatte er durch Ankäufe die Getreideversorgung der Hauptstadt sicherzustellen. Dabei blieb ihm jedoch hinreichend Zeit, auch seine kulturellen Neigungen zu pflegen, und er berichtet selbst davon, wie er auf der Heimreise das Grab des berühmten Mathematikers Archimedes wiederentdeckte (Gespräche in Tusculum 5,64-66). Außerdem zeichnete er sich durch eine besonders korrekte Amtsführung aus, für römische Provinzverwalter keineswegs selbstverständlich, denn für die Ämter gab es kein Gehalt, und die meisten Provinzstatthalter waren daher darauf aus, in ihrer Amtszeit durch Ausbeutung der Provinzen ihre Vermögensverhältnisse aufzubessern. Da Cicero davon weit entfernt war, bestellte ihn die Provinz Sizilien im Jahre 70 zu ihrem Anwalt und Ankläger im Prozess gegen den korrupten und verbrecherischen Provinzstatthalter C. Verres.

Dessen Verteidiger Q. Hortensius hatte eigentlich Q. Caecilius Niger, den damaligen Quästor Verres’, zum Ankläger bestellt wissen wollen, dem er weit überlegen war. Doch Cicero setzte seinen Anspruch, Sizilien vertreten zu dürfen durch. In 50 Tagen sammelte er Beweise vor Ort. Im Prozess besiegte Cicero Hortensius, seinen Rivalen unter den römischen Anwälten und Rednern. Verres, schon in der ersten von fünf vorbereiteten Reden Ciceros von der Beweislast erdrückt, ging noch vor der Urteilsverkündung freiwillig ins Exil, ein durchaus übliches Verfahren in solchen Fällen. Die vier weiteren Reden wurden nicht mehr gehalten, sind aber überliefert. Cicero wurde im folgenden Jahr Ädil. Dieses Amt umfasste die Abhaltung von Spielen und war daher in besonderem Maße geeignet, sich Beliebtheit beim Volk zu verschaffen; seine Tätigkeit als Anwalt konnte Cicero dabei fortsetzen, was auch die Zahl seiner Klienten vergrößerte.

Das zweithöchste reguläre Amt des cursus honoris, das eines Prätors erlangte Cicero 66 v. Chr. Durch Los wurde ihm im Prätorenkollegium ausgerechnet der Vorsitz des Gerichts für Erpressungsangelegenheiten zugewiesen, eine Art des Verbrechens, mit der er ja bereits befasst gewesen war. In der bedeutendsten Rede dieses Jahres, De imperio Cn. Pompei, auch De lege Manilia genannt, sprach er sich dafür aus, den Oberbefehl im Krieg gegen König Mithridates von Pontos dem Feldherrn Cn. Pompeius Magnus zu übertragen, der sich bereits durch die Beseitigung der Seeräuber ausgezeichnet hatte. Nach der Prätur hätte Cicero regulär als Proprätor die Verwaltung einer Provinz übernehmen müssen, ließ sich aber von dieser Pflicht entbinden, da er lieber in Rom blieb und durch öffentliche Auftritte seine Bekanntheit und sein Ansehen förderte. Denn Cicero fasste bereits sein nächstes Ziel fest ins Auge: das Konsulat.

Die Bewerbung folgte im Sommer 62. Außer ihm traten an: P. Sulpicius Galba, L. Cassius Longinus, L. Sergius Catilina und C. Antonius, von denen die beiden ersten politisch nicht ernst genommen wurden und die beiden letztgenannten zwei Politiker waren, sehr wohl dazu bereit, ihre Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen. Cicero nützte dies insofern, als der Senat dadurch veranlasst war, ihn zu unterstützen, da allein von ihm ein ernsthafter Widerstand gegen das Treiben von C. Iulius Caesar und M. Licinius Crassus zu erwarten war, die den Senat entmachten wollten. Cicero hielt gegen Catilina und Antonius die leider nicht erhaltene Rede In toga candida (wörtl.: in der weißen Toga [die nämlich die Amtsbewerber trugen, daher das deutsche Wort: Kandidat])und bekam bei der Wahl die Stimmen aller Zenturien. C. Antonius wurde mit einem kleinen Vorsprung vor Catilina Ciceros Kollege.

Die Erreichung des Konsulats stellte den bisherigen Höhepunkt in Ciceros Leben und politischer Laufbahn dar. Der nächste sollte innerhalb eines Jahres folgen. Zunächst befasste sich Cicero mit den Plänen der Volkstribunen, die schon von vielen Politikern, etwa von den Gracchen 133 und 123 und zuletzt von dem ermordeten Volkstribunen Livius Drusus im Jahre 89 geforderte Landverteilung durchzusetzen. Cicero hielt dagegen vier Reden De lege agraria. Das Konsulat hinderte die Amtsinhaber keineswegs daran, auch ihre Anwaltstätigkeit weiter auszuüben. So verteidigte Cicero im Jahre 63 den aus Gallien zurückkehrenden C. Calpurnius Piso (selbst Konsul 67), der wegen der Tötung eines Mannes aus der gallischen Region Transpadana angeklagt wurde. Obgleich C. Iulius Caesar persönlich gegen Piso aussagte, gewann Cicero den Prozess. Mit seinem früheren Rivalen Hortensius zusammen verteidigte er auch den Senator C. Rabirius, der angeklagt war, den Volkstribunen L. Appuleius Saturnus im Jahre 99 (!) v. Chr. mit Steinwürfen getötet zu haben. Als Ankläger trat Caesars späterer Tribun T. Labienus auf. Auch Rabirius wurde freigesprochen.

Das bedeutendste Ereignis in Ciceros Amtszeit war allerdings die Aufdeckung der Verschwörung, die sein früherer Gegenkandidat L. Sergius Catilina angezettelt hatte, und die Ausrufung zum pater patriae (Vater des Vaterlandes) als Retter der res publica durch den Senat. Seine Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Verschwörer wurden ihm jedoch später zum Verhängnis.

Während seiner politischen Laufbahn waren bereits die ersten überlieferten Reden Ciceros entstanden. Als Prosaschriftsteller ist er neben Caesar maßgeblich für lateinische Grammatik und Stil und Vertreter der sog. Goldenen Latinität, der höchsten Blüte der lateinischen Prosaliteratur. Seine Schriften zur Rhetorik und Philosophie entstanden in späteren Jahren, als seine politische Tätigkeit aufgrund des Bürgerkrieges beschränkt wurde.

Die Römische Verfassung sah drei Machtfaktoren in der Republik vor: Die Volksversammlung (mit unterschiedlicher Zusammensetzung, Gliederung und Geschäftsordnung, je nachdem, welche Ämter sie zu wählen bzw. ob sie Gesetze zu erlassen hatte), die Magistrate des cursus honoris (aufsteigend: 20 Quästoren, 4 Ädilen, 8 Prätoren und 2 Konsuln), also die für ein Jahr gewählten Amtsinhaber, die ein bestimmtes Mindestalter aufweisen und das jeweils niedrigere Amt zuvor in einem gewissen zeitlichen Abstand ausgeübt haben mussten. Zur Beschränkung ihrer Macht besaßen sie stets einen bzw. mehrere Kollegen, die gegen ihre Maßnahmen Einspruch erheben konnten, auch durften Konsuln eigentlich erst zehn Jahre nach ihrer letzten Amtszeit erneut in dieses Amt gewählt werden. Ein weiteres Amt war das der Volkstribunen, von denen es insgesamt zehn gab. Sie mussten selbst Plebejer sein, wurden von der Versammlung der Plebejer gewählt und durften Volksversammlungen einberufen, um Gesetzesvorlagen beschließen zu lassen. Außerdem besaßen sie ein Vetorecht gegen die Maßnahmen der Magistrate und des Senates. Dieser bildete den dritten Machtfaktor in der Republik. Er bestand zuerst aus 100, später aus 300, zu Ciceros Zeit aus 600 Mitgliedern, und zwar den ehemaligen Inhabern der Ämter des cursus honoris. Der Senat konnte ebenfalls Beschlüsse fassen und Gesetze erlassen.

Anders als es die makellose Ämterlaufbahn Ciceros andeutet, befand sich die römische Republik während seiner politischen Tätigkeit bereits in einer tiefen Krise, deren Beginn von den Historikern in der Regel mit den Brüdern und Volkstribunen Tiberius und Gaius Sempronius Gracchus angesetzt (ab 133 v. Chr.) wird. Die Krise zeigte sich äußerlich z. B. darin, dass Machtbeschränkungen wie das Verbot der Wiederwahl in die Ämter des cursus honoris sowie in das Volkstribunat nicht mehr eingehalten wurden, so ließ sich z. B. im Jahr 133 v. Chr. Tiberius Gracchus als Volkstribun wiederwählen, und Ciceros Landsmann und entfernter Verwandter C. Marius war in den Jahren 107 bis 100 siebenmal Konsul. Einzelne Personen vereinigten so mehr Macht und Einfluss in der res publica auf sich, als es die Konzeption der Verfassung eigentlich vorsah. Vor allem aber bildeten sich während der Krise immer stärker zwei rivalisierende politische Richtungen (nicht Parteien im heutigen Sinne) heraus: die eine, Popularen genannt, deren Vertreter vor allem durch das Amt der Volkstribunen und durch Gesetze der Volksversammlung, aber durch Ausübung ihres Vetorechts im Senat ihre Interessen durchsetzen wollte, die andere, Optimaten genannt, die vor allem mit den Instrumenten des Senates Politik machen wollte. Schließlich wurden mit dem Ersten Triumvirat im Jahre 60 (Caesar, Pompeius, Crassus) die drei alten Machtfaktoren Volk, Magistrate und Senat entweder vollkommen instrumentalisiert bzw. einfach ausgehebelt.

Ciceros ganzes Bestreben bestand in der Rettung der republikanischen Verfassung. Dabei neigte er innerlich eher zur Seite der Optimaten, obwohl – oder vielleicht gerade – weil er aus dem Ritterstand in die Nobilität aufgestiegen war und sich die verdiente Anerkennung gerade in diesem Kreis ständig neu erkämpfen musste. Es lag ihm alles daran, den Senat zu stärken und die Verfassung der res publica, die er ja in mehreren staatsphilosophischen Werken behandelt, gegen Popularen wie z. B. C. Iulius Caesar zu verteidigen. Sein Ziel war die concordia (Eintracht) aller guten Kräfte in Rom, namentlich der Optimaten und der Ritter. Die Rolle, die er dabei als Verteidiger der alten Verfassung und als Vermittler zwischen den Fronten spielen konnte, überschätzte er jedoch erheblich, weshalb er durch sein Taktieren, bisweilen auch seine Unentschlossenheit am Ende zwischen alle Fronten geriet.

Ciceros Familie

Ciceros Briefe

Briefe in der Antike

Briefe in der Antike wurden auf Wachstäfelchen oder Papyrus geschrieben. Beide Arten von Briefen konnten mit einem Bändchen und Wachs versiegelt werden.

Auch wenn sie, wie etwa die hier versammelten Cicero-Briefe, private Gebrauchsbriefe waren, wurden sie in der Regel in schöner Sprache und stilisierter Form verfasst. Selbst Ciceros Exilbriefe sowie diejenigen an Terentia, die in Situationen tiefer Verzweiflung, Sorge und Enttäuschung abgefasst wurden, weisen zum Teil eine ausgefeilte und mit Stilmitteln geschmückte Sprache auf, da ihr Verfasser selbst bei den schnell hingeworfenen Texten den rhetorisch gebildeten Schriftsteller in sich nicht gänzlich verleugnen konnte. Umso bemerkenswerter ist es, wenn solche Elemente fehlen. Die formelhaften Bestandteile des antiken römischen Briefes sind das Präskript (Absender, Empfänger, Anfangsgruß, und zwar in dieser Reihenfolge), dann die guten Wünsche vor dem Hauptteil und gute Wünsche danach sowie die Schlussgrüße, bisweilen das Datum. Formelhafte Wendungen wie etwa das S. v. v. b. e. e. e. v. (Si vales valde, bene est, ego etiam valeo – Wenn es Dir gut geht, ist es recht, mir geht es auch gut.) oder kürzere Fassungen davon werden allerdings in sprachlich anspruchsvollen Briefen eher selten gebraucht, so dass dem modernen Leser deren Anfang und Schluss bisweilen abrupt vorkommen. Viele erhaltene Briefe dienen, wie es auch die Brieftheorie der Antike fordert, nicht nur praktischen Zwecken sondern vielmehr der Freundschaftsbekundung. Bei Cicero scheint, vor allem gegenüber Atticus, auch das Bedürfnis hinzuzukommen, sich jemandem mitzuteilen. Es kam allerdings auch vor, dass er sich aufgrund seiner Gemütsverfassung außer Stande fühlte, notwendige Briefe zu schreiben, und dann sogar Atticus damit beauftragte (Ad Atticum XI,2,4; 3,3; 7,7).

Briefe wurden entweder einem Sklaven diktiert oder, wenn sie persönlicher Natur waren, mit eigener Hand geschrieben. Daran hielt sich auch Cicero und diktierte nur, wenn er krank oder auf Reisen oder sehr beschäftigt war, wie er selbst in mehreren Briefen bezeugt. Diktiert wurden außerdem vor allem Briefe an Fremde, nicht zuletzt deswegen, damit gleich zwei Sklaven mitschreiben konnten und so eine Kopie des Briefes vorhanden war; bisweilen mussten sogar zwei Exemplare abgeschickt werden, damit die Wahrscheinlichkeit erhöht wurde, dass wenigstens eines davon den Empfänger erreichte. Auch das berichtet Cicero in mehreren Briefen.

Während die hier vorliegende Auswahl reine Gebrauchsbriefe versammelt, wurden von Cicero wie von anderen antiken Schriftstellern auch rein literarische Briefe verfasst. Um solche handelt es sich z. B. bei den ersten neun Büchern der Briefsammlung des jüngeren Plinius aus dem 1. Jh. n. Chr. Die Arten bewusst verbreiteter Briefe sind vielfältig: Neben Empfehlungsbriefen (wie sie das XIII. Buch von Ciceros Ad familiares enthält), offenen Briefen, die in Rom im 1. Jh. v. Chr. in den Bürgerkriegen häufig waren (z. B die von Sallust an Caesar, die allerdings hinsichtlich ihrer Echtheit umstritten sind), gab es Widmungsbriefe (z. B. Martial zu seinen Epigrammen), Lehrbriefe (z. B. Cato an seinen Sohn, Cornelia an ihre Söhne Tiberius und Gaius Gracchus, der Philosoph L. Annaeus Seneca an seinen jungen Freund und Schüler Lucilius), poetische und literarische Briefe (z. B. die Heroiden-Briefe Ovids oder die Briefsammlung des jüngeren Plinius, die der Selbstdarstellung dient und hohen Unterhaltungswert besitzt) und fiktive Briefe, in denen historische Gegebenheiten, etwa in Geschichtswerken, literarisch kunstvoll gestaltet wurden. Andere fiktive Briefe wurden im Namen bedeutender Persönlichkeiten geschrieben und sollten die jeweils eigene Position unterstützen (etwa der Briefwechsel zwischen dem Apostel Paulus und dem Philosophen Seneca). Deren literarische Fiktion war den zeitgenössischen Lesern wohl durchaus bewusst und wird nur von denen als Betrug aufgefasst, denen Erzähl- und Argumentationsformen der Antike nicht geläufig sind.

Das deutsche Wort »Brief« kommt vom lateinischen brevis (kurz). Nach antiker Brieftheorie sollte sich ein solches Schriftstück nämlich auf ein Thema beschränken und dabei zwar anmutig, aber nicht mit Stilmitteln überladen sein. Auch die Definition des Briefes als »Gespräch mit Abwesenden« legt eher einen schlichten Stil nahe. Diese Forderungen von Literaturtheoretikern wurden freilich zum Teil bei Gebrauchsbriefen, zum Teil bei der Ausgestaltung zur literarischen Gattung aufgegeben.

Ein Postwesen im modernen Sinne gab es in der Antike nicht. Einige Herrscher der Antike, etwa die Perserkönige, auch die Ptolemäer in Ägypten und später die römischen Kaiser, unterhielten ein Botensystem, das militärischen Zwecken sowie der Verwaltung ihres Reiches diente. Die Organisation der Beförderung von Briefen von Privatpersonen oblag dem Absender. Sie wurden von Reisenden, wie z. B. Kaufleuten, oder speziell ausgesandten Boten überbracht. Wer es sich leisten konnte, schickte als Boten die eigenen Sklaven, die dann tabellarii genannt wurden, los. Bisweilen scheint gar die Tatsache, gerade jemanden zur Hand zu haben, der als Bote dienen konnte, der Anlass gewesen zu sein, einen Brief zu schreiben. Es gab jedoch auch berufsmäßige Kuriere. Die Boten bewegten sich in der Regel zu Fuß und schafften dabei 20 bis 30 km am Tag, berufsmäßige Boten, wenn sie besonders schnell waren, auch einmal 50 km. Für die Strecke von Rom nach Brundisium geht Ovid (Briefe aus Pontus IV,5,7) von einer Reisedauer von neun Tagen aus, was einen Tagesmarsch von 59 km voraussetzte. Damit wird deutlich, wie unterschiedlich lange Briefe im Einzelfall unterwegs sein konnten.

Veröffentlichungen von Gebrauchsbriefen geschahen meist in Sammlungen, wie sie in Griechenland spätestens von Platon und Aristoteles existierten. Die ältesten Beispiele aus Rom sind die Briefe Cornelias an ihren jüngern Sohn Gaius Gracchus, von denen einer später oft mit den Schriften Cornelius Nepos’ überliefert wurde. Ihre Echtheit im modernen Sinn ist allerdings umstritten.

Ciceros Briefsammlung

Cicero selbst erwog im Jahre 44, seine eigenen Briefe zusammenzustellen und herauszugeben (Ad Att. XVI,5,5). Dabei beabsichtigte er jedoch verständlicherweise, sie vor der Veröffentlichung noch einmal durchzusehen und zu korrigieren. In diesem Fall wären die in der vorliegenden Auswahl zusammengestellten Briefe vermutlich nicht so überliefert worden, wie sie uns heute bekannt sind. Die Tatsache, dass Ciceros Briefe von anderen gesammelt und herausgegeben wurden, hat daher viel zu jener Unverfälschtheit und Unmittelbarkeit beigetragen, die diese Sammlung für die Antike so einmalig machen.

Die erhaltenen Briefsammlungen Ciceros umfassen 870 Briefe von und an M. Tullius Cicero. Von ihm selbst, der ein unermüdlicher Briefschreiber war, sind etwa 780 Briefe erhalten, von denen die Hälfte an seinen Freund T. Pomponius Atticus gerichtet sind. Letztere liegen dem heutigen Leser in einer Sammlung Ad Atticum vor, die in 16 Bücher antiker Zählung aufgeteilt ist, und sie stammen aus dem Zeitraum von 68 bis 44 v. Chr. In ihnen äußert sich Cicero sehr freimütig zu allen Themen, die ihn gerade beschäftigen. Sie zeigen auch besonders deutlich Ciceros ständigen Kampf um Anerkennung bei der römischen Nobilität, weshalb davon auszugehen ist, dass Cicero zumindest bei vielen dieser Briefe eine Veröffentlichung nicht vorsah. Atticus jedoch sammelte sie alle. Sie stellen nicht nur ein sehr persönliches Zeugnis vom Menschen Cicero, sondern auch eine unschätzbare historische und literarische Quelle dar.

Ebenfalls erhalten sind 28 Briefe an Ciceros Bruder Quintus in der Sammlung Ad Quintum fratrem. Diese Briefe stammen aus den Jahren 60 bis 54 v. Chr. und liegen chronologisch geordnet in drei Büchern vor. Im letzten der Briefe, deren Reihe plötzlich abbricht, äußert Cicero die Sorge, sie könnten eine dritte Person beleidigen. Er rechnete möglicherweise damit dass sie von anderen Personen als Quintus geöffnet wurden.

Zwei Bücher Briefe sind in der Schrift Ad Marcum Brutum zusammengefasst und wurden von Cicero im Jahr 43 an den Caesarmörder gerichtet; die Sammlung enthält allerdings auch einige Briefe Brutus’ an Cicero sowie einen an Atticus. Diese Korrespondenz bricht mit dem 27. Juli, einen Tag nach dem letzten Brief aus der vierten Sammlung, Ad familiares genannt, ab, also einige Monate vor Ciceros Tod. Das Fehlen späterer Briefe bis zu Ciceros Ermordung am 7. Dezember ist bisher nicht zufriedenstellend geklärt worden. Die noch vorhandene Sammlung Ad Brutum ist wohl nur der letzte Teil der ursprünglich mehr Bücher umfassenden Zusammenstellung von Briefen an denselben Adressaten.

16 Bücher umfasst die Sammlung, die nunmehr den Titel Ad familiares trägt und Briefe Ciceros an verschiedene Empfänger, außerdem auch Briefe an Cicero enthält. Dabei enthalten nur das dritte und das XIV. Buch ausschließlich Briefe Ciceros an einen einzigen Empfänger, nämlich das dritte an seinen Amtsvorgänger als Statthalter von Kilikien, Ap. Claudius Pulcher, den Konsul des Jahres 54, und das XIV. an seine Ehefrau Terentia mit und ohne Nennung weiterer Familienmitglieder. Die Briefe Ad familiares stammen aus den Jahren 62 bis 43 v. Chr., und wurden zum Teil von Ciceros Freigelassenem und Sekretär M. Tullius Tiro gesammelt. Dieser ging dabei von vorhandenen Kopien aus und bezog wohl auch zurückgeforderte Exemplare mit ein. Die Gesamtheit dieser Briefe war vermutlich in der Antike auf mehrere Sammlungen aufgeteilt und wurden erst später zu einer Schrift zusammengefasst. Möglicherweise bei dieser Gelegenheit gingen die in vier Bücher an Cn. Pompeius Magnus und in je drei Bücher an C. Iulius Caesar und Octavian, sowie an weitere Adressaten, wie z. B. an M. Porcius Cato verloren. Weder im Gesamtwerk noch innerhalb der Bücher (außer im ersten) sind die Briefe chronologisch geordnet. Durchaus passend war der Titel, mit dem diese Zusammenstellung bisweilen auch benannt wurde: Ad diversos, denn sie enthält Briefe nicht nur an verschiedene Personen, Cicero eingeschlossen, sondern auch Schriftstücke mit unterschiedlichsten Zielen und Inhalten, die von den acht Briefen an M. Terentius Varro mit literarischen Studien im IX. Buch über die Briefe an seine Frau bis zu den 81 Empfehlungsschreiben Ciceros für andere Personen in Buch XIII reichen.

In der Antike wurden die Briefe eher wenig beachtet, doch empfahl z. B. der Schriftsteller M. Cornelius Fronto im 2. Jh. seinem Schüler Marc Aurel, Ciceros Briefe als Vorlage für einen guten Stil zu lesen.

Wie alle Texte der klassischen Antike sind Ciceros Briefe nicht im Original, sondern als Abschriften von Abschriften von Abschriften ... überliefert. Im späten Mittelalter galten sie für mindestens 100 Jahre als verschollen.

Ciceros Exil

Exil in der Antike

Die klassische Antike kannte Exil und Verbannung in vielfältiger Ausprägung: vorsorglich freiwillig, aber auch als Strafe, für Angehörige der Opposition eines Landes oder zur Verhinderung einer Alleinherrschaft, auf Zeit oder lebenslang, mit und ohne Vermögensverlust. So floh die Familie der Dichterin Sappho vor der Tyrannis des gegnerischen Pittakos aus ihrer Heimat Lesbos nach Sizilien, ihr politischer Gesinnungsgenosse, der Dichter Alkaios, aus demselben Grund nach Ägypten; bekannt ist die Verbannung jener Politiker Athens, die durch Ostrakismus (das Scherbengericht) für zehn Jahre in die Verbannung geschickt wurden, weil die Bürger glaubten, sie würden zu mächtig; am berühmtesten unter ihnen ist Aristides, der, von einem Schreibunkundigen bei der Versammlung gebeten, für diesen seinen eigenen Namen auf die Scherbe geschrieben haben soll.

In Rom gab es das Exil des Kapitalverbrechers anstelle der Blutrache bereits in der Zeit des Zwölftafelgesetzes. Bei Verfahren vor dem Volksgericht konnte sich der Angeklagte bis zur Urteilsverkündung der drohenden Verurteilung durch freiwilliges Exil entziehen. Dies hatte die interdictio aquae et ignis (wörtl.: das Verbot von Feuer und Wasser, gemeint: der Entzug der Lebensgrundlagen in Rom) zur Folge. Ziel der Exulanten waren in der Frühzeit die Städte Latiums, die zum Teil mit Rom sogar Verträge über die gegenseitige Aufnahme von Flüchtlingen hatten. Die Aufnahme dort brachte den Exilanten das Bürgerrecht der aufnehmenden Stadt und den Verlust des römischen Bürgerrechts. Nach der Verleihung des Bürgerrechts an alle Italiker 89 v. Chr. mussten sich die Exilanten in weiter entfernte Orte begeben, dafür kamen besonders Gallien, Griechenland und Kleinasien in Frage. Vom 1. Jh. v. Chr. an gab es nicht nur das Exil vor der Urteilsverkündung, sondern auch dasjenige anstelle der Strafe. Ein Exil als Strafe führte Cicero selbst in seinem Konsulat im Jahre 63 durch die lex Tullia de ambitu (Gesetz Tullius’ über die Bestechung) ein. In der Kaiserzeit trat dann die deportatio, die zwangsweise Verbringung aus Rom mit Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens, als weitere Form des Exils hinzu.

Während der Begriff Exilliteratur meist mit dem 20. Jh. verbunden wird, in dem sie aufgrund der politischen Ereignisse in vielen Ländern geradezu eine Hochblüte erlebte, gab es die Erscheinung als solche doch bereits in früheren Jahrhunderten. In der antiken Exilliteratur werden zwei Arten unterschieden: einerseits die Berichte und Erzählungen über Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, wie etwa Ödipus, Odysseus und Äneas, andererseits Texte, die von den Exilierten selbst verfasst wurden, wie etwa Ciceros Exilbriefe, Ovids Exilsdichtung aus Tomis am Schwarzen Meer und Senecas Trostschrift an Helvia, die dieser auf Korsika verfasste.

Die Vorgeschichte von Ciceros Exil

Ciceros Gegner, die Popularen, die ihn aus Rom verschwinden lassen wollten, nahmen sein Verhalten bei der Niederwerfung der Verschwörung Catilinas als Ausgangspunkt ihres Kampfes gegen den ehemaligen Konsul. Eigene Irrtümer und Fehler Ciceros kamen hinzu, die jenen die Erreichung ihres Zieles erleichterte. Zunächst verlief seine Amtszeit wie die anderer Konsuln in jenen Jahren auch. Die Ereignisse, die letztlich dazu führten, dass Cicero ins Exil gehen musste, begannen im Jahre 63 mit dem größten Triumph seines Konsulates, dem Sieg über Catilina.

Cicero hatte sich bei Konsulwahl 64 gegen Catilina durchgesetzt, und hatte während seines eigenen Konsulates 63, wie in Rom üblich, die Wahl seiner Nachfolger zu leiten, bei der sich Catilina wiederum um das höchste Staatsamt bewarb. Bereits in Vorbereitung der Wahl hatte er die lex Tullia de ambitu (wörtl. Gesetz gegen das Herumgehen, nämlich bei den potentiellen Wählern, also gegen die Bestechung) durchgesetzt, die Wahlbetrug mit einem zehnjährigen Exil bedrohte. Dem L. Licinius Lucullus (Konsul 74 und Sieger über König Mithridates von Pontos) wurde vom Senat kurze Zeit vor der Wahl noch die Feier eines Triumphes gewährt, auf den er bereits seit drei Jahren gewartet hatte. Dafür bedankten sich dessen Veteranen, indem sie ihre Stimmen dem Kandidaten der Optimaten, also der Senatspartei, L. Licinius Murena, gaben.