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Foto vorne: Postkartenansicht von Shanghai um 1947;
Foto hinten: Franziska Tausig; beide: Privatarchiv Tausig

Sämtliche Originalbilder, -fotos und -dokumente stammen aus dem Privatarchiv Tausig.

2. Auflage Juni 2007
© Milena Verlag 2007
A-1080 Wien, Wickenburggasse 21/1-2
www.milena-verlag.at
ALLE RECHTE VORBEHALTEN
ISBN 3-85286-144-6

INHALT

Shanghai – eine versunkene Welt
Vorwort von Helmut Opletal

Shanghai – eine Wiedergeburt?
Zur Neuauflage von Hemut Opletal

IDie »unbeschwerte« Zeit

II1938 und seine Folgen

IIIDie Jahre in Shanghai

Nachwort von Otto Tausig

Shanghai – eine versunkene Welt

So wie Casablanca oder der Orient-Express hat auch Shanghai Stoff für unzählige Filme, Schlager und Träumereien geliefert: Shanghai signalisierte Exotik und Verruchtheit, Abenteuer und schnelles Geld, Schmelztiegel der Völker und alle Variationen des Nachtlebens einer großen Hafenstadt in einem. Daneben die Vorstädte des chinesischen Elends, das andere Shanghai mit Hungerlöhnen, Kinderarbeit, Seuchen und unmenschlichen Wohnverhältnissen.

Der rasante Aufschwung Shanghais seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war eng mit der Blüte des chinesischen Kapitalismus verknüpft. Die Fabriken und Manufakturen, der Handel mit der Außenwelt machten die Hafenstadt an der Mündung des Yangtse-Flusses bis 1930 zur fünftgrößten Stadt der Welt.

Chinas Begegnungsstätte mit dem Westen ist Shanghai jedoch nicht freiwillig geworden. Mit Kanonenbooten erzwangen die Ausländer – voran die Briten 1842 im Opiumkrieg – das Recht auf Ansiedlung, freien Handel, Grundbesitz, eigene Gerichtsbarkeit und sogar die Stationierung von Truppen. Shanghai war zwar nie eine Kolonie im strengen Sinn, aber bis in die vierziger Jahre gab es eine von Fremden regierte Stadt in der Stadt: das »Settlement«. Genau genommen waren es deren zwei, die eigenständige französische Konzession und das aus den Vierteln der Briten und der Amerikaner entstandene »Internationale Settlement«, so etwas wie eine Stadtrepublik mit eigener Verwaltung und Armee. Zusammen waren sie stattliche 30 Quadratkilometer groß und umfassten das eigentliche Herz Shanghais: Das Geschäftszentrum, die Bankpaläste, Clubs und mondänen Einkaufsstraßen.

»Für Hunde und Chinesen verboten« stand zwar nicht wörtlich an den Eingängen zum gepflegten Hwangpu-Park am Hafen, aber in der langen Verbotsliste, die auf den Schildern angeschlagen war, fanden sich irgendwo eben auch Hunde und Einheimische aufgezählt.

Die chinesische Regierung hatte in den »Settlements« jedenfalls nichts mitzureden, auch wenn man später ein paar Alibi-Chinesen in die französische und internationale Stadtverwaltung aufnahm und »sauber gekleideten« Chinesen den Zugang zu besagtem Park erlaubte. Erst die japanische Besatzungsmacht schaffte 1943 die letzten exterritorialen Vorrechte der westlichen Mächte ab.

Mehr als 100.000 Europäer und Amerikaner, Japaner und andere Asiaten lebten um 1940 in der Stadt. Den Höhepunkt erreichte der ausländische Bevölkerungsanteil, als in den zwanziger und dreißiger Jahren immer mehr Flüchtlinge in Shanghai ihr Exil aufschlugen. An die 20.000 kamen allein aus Österreich und Deutschland.

Die ersten Heimatlosen waren die »Weißrussen« – Gegner der »roten« Bolschewiken, die nach der Oktoberrevolution aus Sibirien nach China geflüchtet waren. Ende der dreißiger Jahre, nach der Besetzung Österreichs und der Tschechoslowakei durch Hitler, folgten immer mehr Opfer des Nazi-Regimes. Als der Zweite Weltkrieg näher rückte und die Judendeportationen begannen, wurden in Europa und in den klassischen Einwanderungsländern die Grenzen zunehmend dichter. Shanghai war bald der letzte Zufluchtsort, der noch ohne Visum, komplizierte Bürgschaften und Kautionszahlungen erreichbar war. So wurde die gebuchte Schiffspassage nach Shanghai für viele die letzte Rettung vor den Gaskammern der KZs.

Auch die schon vorher recht bedeutsame Stellung der Juden in Shanghai kam den Emigranten dabei zu Hilfe. Die Familien der Sassoons, der Hardoons und der Kadoories, die, aus Baghdad und Indien stammend, mit den Briten nach Ostasien gekommen waren, dominierten nicht nur das Geschäftsleben, sondern gründeten auch Sozialeinrichtungen sowie Hilfsfonds für die notleidenden Glaubensbrüder aus Europa. Sie sorgten für die ersten Unterkünfte und Notgroschen der Neuankömmlinge in Shanghai und später auch für die notwendig gewordene Arbeitserlaubnis. Viele jener, die nicht freiwillig nach Shanghai gekommen waren, lebten unter eher ärmlichen Verhältnissen, in Massenunterkünften und von Armenausspeisungen versorgt. Doch auch ihnen ging es immer noch besser als der Mehrzahl der Chinesen in der Stadt.

Aber es waren keinesfalls nur Juden, auch politische Flüchtlinge – Spanienkämpfer, Kommunisten, Sozialisten, Monarchisten – suchten in Shanghai Exil, und manch engagierter Linker fand hier Kontakt zu chinesischen Revolutionären. Sie alle gesellten sich zu den Geschäftsleuten, Journalisten, Künstlern und Weltenbummlern, die sich schon seit mehr als 80 Jahren in der Stadt angesiedelt hatten. Die Welt der Ausländer, der »Shanghailänder«, wie sie sich nannten, war jedenfalls eine sehr vielfältige: Feine britische Clubs, französische Restaurants, indische Sikh-Polizisten, Wiener Kaffeehäuser, Synagogen, die alte Jesuitenmission in Ziccawei, Bordelle mit weißrussischen Damen (aber auch anderen), Pferde- und Hunderennen mit dem dazugehörenden Wettspiel. Zeitungen und Magazine erschienen auch auf Deutsch, Französisch, Englisch, Russisch und noch in einem guten Dutzend weiterer Sprachen.

1940 leben in Shanghai mehr als 3000 österreichische Juden, ein »Little Vienna« ist in der Stadt entstanden, eine Wiener Subkultur auf chinesischem Boden, mit Kaffeehäusern, einem Wiener Operettentheater und Österreichvereinen. Man pflegt ein Österreichbewusstsein zu einer Zeit, wo der Staat von den Landkarten verschwunden war. Die Wiener Kaffeehäuser mit den Marmortischen, auf denen die Ober Gugelhupf und Buchteln servieren, werden beliebte Treffpunkte für Ausländer und chinesische Intellektuelle gleichermaßen. In ganz Shanghai kennt man das Restaurant »Fiaker« in der vornehmen Avenue Joffre Nummer 997, das Gulyas, Schnitzel und Gefüllte Paprika auf der Speisekarte führt, und wo »Pepi am Klavier unterhält«, wie ein Inserat in der englischsprachigen »Evening Post« wirbt. Andere Wiener Gaststätten heißen »Weißes Rössel« oder auch »Kolibri«, das Café, das in den vorliegenden Erinnerungen von Franziska Tausig eine Rolle spielt.

Inzwischen macht Japans Expansionsdrang auch vor Shanghai nicht halt. 1937 fallen japanische Bomben, Tokios Soldaten terrorisieren mit brutalen Unterdrückungs- und Vergeltungsmaßnahmen die Chinesen in der besetzten Stadt.

Der Zustrom von Emigranten kommt Anfang der vierziger Jahre allmählich zum Erliegen. Schon der Kriegseintritt Italiens hat die Seeroute über das Mittelmeer versperrt, Juden können nur mehr in plombierten Zügen durch Russland China erreichen. Nach dem Bruch des Hitler-Stalin-Paktes und dem Kriegsbeginn im europäischen Osten ist auch diese Route nicht mehr möglich.

Dafür erreicht Hitlers Rassenpolitik nun auch den Fernen Osten. Unter dem Druck Nazi-Deutschlands führen die Japaner Zwangs- und Kontrollmaßnahmen für die Juden in Shanghai ein. 1942 erhalten sie Identitätskarten mit gelben Streifen, und ab Februar 1943 müssen sie in ein eigenes Ghetto im Stadtteil Hongkew abseits des einstigen Lebensbereiches der Europäer übersiedeln und ihre Geschäfte und Wohnungen aufgeben. Zum Verlassen des Stadtteils brauchen sie eigene Passierscheine.

Dennoch haben die Japaner nie wirklich Verständnis für Hitlers Judenhass aufgebracht. Obwohl die Nazis, die für die Shanghai-Deutschen eigene Schulen, HJ-Gruppen, Zeitungen und Deutschtumsverbände betrieben, Druck auf die Japaner ausübten, ließen sie sich zu keinen weiteren Zwangsoder gar Vernichtungsmaßnahmen drängen. Es blieb bei der Internierung in dem Ghetto, in dem die Juden immer noch besser dran waren als die Angehörigen der Alliierten, die in stacheldrahtumschlossenen Lagern gehalten wurden. Zeitweise ließen die Japaner zum Entsetzen der Deutschen sogar die Shanghaier Nazi-Zeitung »Ostasiatischer Lloyd« durch zwei Juden zensurieren – »weil sie so gut Deutsch können«.

Erst 1945, als amerikanische Soldaten die Japaner nach der Kapitulation entwaffneten, konnten die europäischen Flüchtlinge langsam an Rückwanderung denken. Doch in den Nachkriegswirren brauchte das seine Zeit. Erst Ende 1946 liefen die ersten großen Schiffstransporte Richtung Österreich aus. Amerikanische und Internationale jüdische Hilfsorganisationen kümmerten sich um die im Fernen Osten gestrandeten Heimatlosen. Auch eine »Austrian Resident Association«, eine Art österreichisches Bürgerkomitee, sorgte sich um die Österreicher. Viele drängte es aber gar nicht mehr nach Europa, sondern nach Amerika oder gleich nach Palästina, wo der zukünftige Staat Israel im Entstehen begriffen war.

Shanghai jedenfalls fand nie mehr zurück zu seiner Vorkriegsatmosphäre. Auch der chinesische Bürgerkrieg warf seine Schatten auf die Stadt. Inflation und Kriminalität nahmen zu, die Wirtschaft lag danieder.

Ende Mai 1949 marschierte schließlich die »Volksbefreiungsarmee« Mao Zedongs in Shanghai ein, und die Revolution erreichte wieder jenen Ort, von wo sie 1921 mit der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas ihren Ausgang genommen hatte.

Die Veränderungen unter den neuen kommunistischen Machthabern schnitten tief in das Leben der Stadt. Das zunächst Wichtigste war, dass Shanghai wieder ausschließlich chinesisch wurde, und alle Ausländer mussten bis auf ganz wenige Ausnahmen die Stadt verlassen. Auch viele reiche Chinesen flüchteten nach Taiwan oder Hongkong. Massenmedien, Industrie, öffentliche Einrichtungen wurden schrittweise verstaatlicht. Der Kampf gegen Kriminalität, Drogensucht und Prostitution wurde radikal und kompromisslos geführt. Ausländischer Einfluss in Kultur und Bildungswesen wurde systematisch zurückgedrängt.

Genügend zum Essen und ein Dach über dem Kopf für jedermann waren das erste Ziel, und es ist auch weitgehend verwirklicht worden. Auch das muss man bedenken, wenn man heute etwas nostalgisch auf das bunte Leben im alten Shanghai blickt und bedauert, dass die mächtigen Gebäude der Gründerzeit oder die zahlreichen Inneneinrichtungen im klassischen Art déco-Stil verkommen.

In die Bank- und Versicherungspaläste der Gründerzeit sind jetzt Partei- und Staatsbehörden einquartiert. Die Kaufhäuser an der Nanking Road wie das Sincere oder Wing On wurden genauso verstaatlicht wie die einst feinen Luxusgeschäfte in der Avenue Joffre. Die ehemalige Pferderennbahn wurde zu einem Paradeplatz umgebaut, nur mehr die Tribünen sind heute übrig. Viele Kirchen, auch die Synagogen, wurden teilweise demoliert und zweckentfremdet. Erst nach der »Kulturrevolution« der sechziger Jahre hat man ein paar Kirchen renoviert und wieder geöffnet.

Jetzt, fast vierzig Jahre nach der Revolution, sehen auch chinesische Historiker die »ausländische« Vergangenheit Shanghais wieder etwas differenzierter, nicht nur als unerwünschte Fremdherrschaft, sondern auch als Zeit der wirtschaftlichen Blüte und kulturellen Bereicherung, an die man sogar wieder ein wenig anknüpfen will, vor allem wenn es um Wirtschaft und Wissenschaft geht. Seit Anfang der achtziger Jahre zum Beispiel führt die von deutschen Missionaren gegründete Tongji-Universität wieder eine eigene Abteilung mit deutscher Unterrichtssprache und 40 bundesdeutschen Lektoren.

Vor allem für die Touristen bemüht man sich, das Vorkriegs-Shanghai wieder ein wenig lebendig zu machen. Im Peace Hotel, dem ehemaligen »Cathay« im Sassoon-Haus am »Bund«, spielt jetzt jeden Abend eine Jazz-Band. Ihr Durchschnittsalter: um die siebzig Jahre, Veteranen der Jazz-Clubs des alten Shanghai. Auch so manche Art Déco-Kostbarkeit, um die Wien oder Paris neidisch sein könnten, wird wieder auf Hochglanz gebracht. Und in etlichen Restaurants und Konditoreien Shanghais pflegt man wieder die Striezel und Creme-Torten, das Beef Stroganoff und die Schnitzel, deren Rezepte die Europäer einst hinterlassen haben.

Aber es ist eine versunkene Welt, genauso wie die des alten Österreich-Ungarn oder der jüdischen Städte und Dörfer im europäischen Osten. Eine Welt, die nur mehr durch die Erzählungen der Menschen, die sie erlebt und geschaffen haben, lebendig gehalten wird.

Wien, 28. Jänner 1987 Helmut Opletal

Shanghai – eine Wiedergeburt?

Zur Neuauflage

Shanghai ist wieder Weltstadt, und es erinnert sich heute bewusst jener Zeit, in der es Zufluchtsort für Tausende politisch und rassisch Verfolgte aus Mitteleuropa war. Doch Franziska Tausig würde das neue Shanghai kaum wieder erkennen, denn keine andere Großstadt der Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten so rasch verändert.

Nirgendwo sonst ist der atemberaubende Wirtschaftsboom, der mit Deng Xiaopings Reformpolitik vor einem Vierteljahrhundert eingesetzt hat, spürbarer als in der ostchinesischen 15-Millionen-Metropole. Ganze Stadtviertel werden innerhalb weniger Monate niedergerissen und neu gebaut. Auch von vielen Gründerzeitbauten, die das Shanghai der Emigration geprägt haben, stehen nur noch mit einem neuen Innenleben gefüllte Fassaden. Erst in jüngster Zeit besinnt man sich auf den Denkmalschutz, doch der »Bund«, das alte Wahrzeichen mit seinen Hotels und Bankenpalästen, wird längst von einer um ein Vielfaches höheren Wolkenkratzer-Kulisse überragt.

Noch trägt China insgesamt die Züge eines Entwicklungslandes, doch die Region Shanghai erreicht heute einen Lebensstandard, der durchaus mit dem des Industrielandes Südkorea vergleichbar ist, auch wenn die Spanne zwischen Arm und Reich, zwischen diskriminierten Wanderarbeitern aus den armen Bauernprovinzen und der selbstbewussten, konsumorientierten Mittel- und Oberklasse bald wieder so weit auseinander klafft wie vor dem Krieg. Als Kehrseite des relativen Wohlstands und einer Wirtschaft, die zunehmend durch den »Markt« bestimmt wird, haben auch organisiertes Verbrechen und Prostitution in der Stadt neuerlich Fuß gefasst.

Mit der Öffnung Chinas ist Shanghai durchaus wieder international geworden. Nicht nur haben ausländische Firmen längst die besten Werbeflächen für japanische, deutsche und US-amerikanische Markennamen erobert, auch schätzungsweise 150.000 Menschen aus dem Ausland, Tendenz weiter zunehmend, leben heute wieder in der Stadt, darunter ca. 500 mit österreichischem Pass. Neben einem Generalkonsulat gibt es eine Außenhandelsstelle, die rund 140 österreichische Firmen in Ostchina (überwiegend im Großraum Shanghai) betreut, ein »Österreich-Zentrum« an der Fudan-Universität, österreichische Fremdenverkehrswerbung und einen Österreicher-Verein.

Zu den unzähligen McDonalds, Pizza Huts, Paulaner-Bräus und wie sie sonst alle heißen, hat in der Shaoxing Road (im alten französischen Settlement) im Dezember 2004 auch ein »Vienna Café« eröffnet. Und im »Max und Moritz« im neuen Stadtteil Pudong trifft sich einmal im Monat ein Österreicher-Stammtisch, fast schon so wie es Franziska Tausig vor mehr als 60 Jahren erlebt hat.

Ein wesentlicher Unterschied allerdings ist, dass die Behörden penibel darauf achten, dass im heutigen Shanghai, trotz wiedergewonnener Internationalität, alle wichtigen politischen und ökonomischen Entscheidungen in chinesischer Hand bleiben und keine exterritorialen Rechte und Befugnisse entstehen, wie zur Zeit der ausländischen Niederlassungen vor dem Krieg.

Auch daher ist das offizielle China, aber auch die einheimische Bevölkerung, immer noch gespalten im Umgang mit dieser Vergangenheit: Einerseits wächst ein nostalgisches Interesse am alten Shanghai, und in chinesischen Buchläden findet man ganze Regale mit Erinnerungsliteratur und Bildbänden mit alten Fotos oder Postkarten. Auch wenn es darum geht, mit Reminiszenzen an damals um Touristen zu werben oder finanzkräftige Investoren aus Israel oder den USA nach Shanghai zu locken, geben sich die Stadtbehörden nicht kleinlich. Auf der anderen Seite will man die fremde Präsenz von einst im heute recht nationalistisch gesinnten China nicht allzu sehr verklärt sehen.

Eine positive Ausnahme dabei bildet die Erinnerung daran, dass Shanghai vor allem jüdischen Emigrantinnen und Emigranten Zuflucht in größter Not geboten hat. Dass dies heute möglich ist, dazu mögen auch die 1992 aufgenommenen diplomatischen Beziehungen zwischen China und Israel (und das gegenseitige Interesse an einer sicherheitspolitischen und militärischen Zusammenarbeit) beigetragen haben. Man unternimmt jedenfalls gemeinsame Anstrengungen, das jüdische Erbe in Shanghai zu wahren. Seit der damalige Bundespräsident Thomas Klestil 1995 das frühere »Ghetto« in Shanghai besucht hat, zeigt sich auch das offizielle Österreich engagiert.

Die Stadtbehörden haben im Bezirk Hongkew (»Hongkou« nach heutiger Schreibweise) einige alte Häuserzeilen, wo die jüdischen Flüchtlinge gewohnt haben, vor dem Abriss bewahrt und zum Teil so renoviert, dass China-erfahrene Skeptiker schon von einer allzu kommerzialisierten Touristenfalle warnen.

In der früheren Ohel-Moishe-Synagoge wurde jedenfalls ein kleines Museum eingerichtet, und ein paar Schritte weiter im Huoshan-Park steht seit 1994 ein Gedenkstein, auf dem auf Englisch, Chinesisch und Hebräisch recht nüchtern vermerkt ist:

»Auf der Flucht vor der Verfolgung durch die Nazis kamen 1937 bis 1941 Tausende Juden nach Shanghai. Die japanischen Besatzungsbehörden betrachteten sie als ›staatenlose Flüchtlinge‹ und wiesen ihnen diesen Stadtbezirk zu, um ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken.«

Österreich oder Deutschland werden nicht erwähnt, auch jüdische Symbole fehlen.

Die Shanghaier Akademie für Sozialwissenschaften unterhält aber ein »Zentrum für jüdische Studien«, das sich unter dem umtriebigen Professor Pan Guang um die Erforschung der Emigrationszeit (und auch der verstreuten jüdischen Gemeinden, die es schon seit der Tang-Dynastie vor 1400 Jahren in China gab) verdient gemacht hat. Seit Februar 2006 leistet ein Österreicher dort seinen Zivilersatzdienst in Form eines »Gedenkdienstes«.

Zum ersten Mal treffen sich, mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende, auch wieder 120 überlebende »Shanghailänder« und ihre Nachfahren aus Israel, den USA und Australien ganz offiziell und mit chinesischer Unterstützung zu einer »Rickshaw Reunion« in ihrem einstigen Wohnbezirk.

Franziska Tausig, hätte sie das Jahr 2006 noch erleben können, wäre wohl zumindest in Gedanken dabei gewesen.

Wien, im September 2006Helmut Opletal

I Die »unbeschwerte« Zeit

IN EINEM GEMÜTLICHEN WOHNZIMMER saßen in einer Maiennacht drei Herren und spielten Karten, tranken starken, heißen Kaffee, kippten von Zeit zu Zeit einen klaren Schnaps und regten sich weiter nicht sonderlich auf. Es waren drei Ärzte, Vater, Sohn und Schwiegersohn.

In gewissen Abständen huschte die Hebamme Regina Schwarzenberg aus dem Nebenzimmer heraus und flüsterte mit den Herren etwas über Fruchtwasserabgang. Das war der ernste Zeitpunkt, zu dem mir das Wasser, in dem ich als Embryo fröhlich geplätschert hatte, entzogen worden ist. Spitze, schrille, zunehmend lang gezogenere Schreie störten das Kartenspiel. Immer wieder nickte einer der drei und murmelte: »Gut, gut, sehr gut«, und die Schwarzenberg wusste nicht, ob das auf die näher rückende Geburt oder das Kartenspiel bezogen war. Die Gattinnen der drei Herren waren im Wochenbettzimmer versammelt und jammerten mit der Wöchnerin um die Wette. Ab und zu stürzte eine von ihnen ins Nebenzimmer und machte dem Gatten bittere Vorwürfe. Die Herren ließen sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Es war auch nicht nötig, denn ich kam ohne Komplikationen am schönsten Maienmorgen des Jahres 1895 zur Welt.

Obgleich Wienerin, wurde ich in der Festung Temesvar* geboren, denn zur Geburt ihrer Kinder fuhr meine Mutter immer in ihre Heimat. Dort waren drei wunderbare Ärzte: ihr Vater, ihr Bruder und der Gatte ihrer Schwester. Wenn sie auch nur Karten spielten, wirkte alleine ihre Anwesenheit sehr beruhigend.

Und als dann endlich auch ich da war, sah man, dass sich die ganze Warterei gar nicht gelohnt hatte. Mager, mit überlangen Händen und spindeldürren Beinen ausgestattet, vor Ermattung eher quakend als richtig brüllend und zu faul, um zu atmen, lag ich da.

Die Dürre hat sich allerdings mit den Jahren grundlegend geändert. Man merkt gar nichts mehr von ihr. Zwei Monate blieb ich im schützenden Heim meiner Großeltern. Von meinem weißen Wiegenkorb, der neben dem Fenster stand, konnte ich die prachtvollen, saftig-grünen Wiesen vor dem Haus sehen und auch die dummen, weißen Lämmchen, denen ich mich von jeher in verwandtschaftlicher Zuneigung zugetan fühlte. So war auch das erste Wort, das ich sprach, »Bääh«.

An einem Julimorgen spannte der Kutscher meines Großvaters die Kalesch* mit »Raro« und »Rosy«, einem Grauschimmelpaar, an und fuhr uns zum Bahnhof. Meine Mutter bestieg mit mir ein Coupé zweiter Klasse, was damals noch etwas »Besseres« war, denn die meisten Reisenden fuhren dritter Klasse. Sie band ein mitgebrachtes Handtuch mit Zustimmung der Mitreisenden an die beiderseitig angebrachten Gepäcksnetze und legte mich in die so entstandene Schaukelwiege. Ich soll restlos glücklich gewesen sein und während der langen Reise nach Wien, die eine Nacht und fast einen ganzen darauf folgenden Tag, mit Unterbrechung und Umsteigen in Budapest, gedauert hatte, kaum Anlass zu Ärger gegeben haben.

Ich glaube, nie wieder habe ich eine so lange Zeitspanne verbracht, ohne meine Mitmenschen zu ärgern. In Wien lernte ich auf dem Bahnhof meinen Vater kennen, und es muss ein furchtbarer Schock für ihn gewesen sein. Er, der nicht rauchte, nicht trank, allem Schönen zugetan war, der Malerei als Autodidakt betrieb und für ein Bild, das ihm gefiel, ohne Bedenken ein Monatseinkommen hinblätterte, hatte sich sicher ein goldlockiges, raphaelisches Engelskind erwartet, und nun wurde ihm ein nasses, stinkendes Bündel Hässlichkeit überreicht. »Kann das noch besser werden?«, soll er gefragt haben. »Aber gnä’ Herr«, soll meine hanakische* Amme, die mich gleichfalls am Bahnhof erwartet hatte, geantwortet haben, »solche garstige Kinder werden fast bestimmt wunderscheen.« Wunderscheen bin ich nie geworden, aber mein Vater hat sich an meinen Anblick gewöhnt und hätte ihn sicher gerne noch länger ertragen, wenn es ihm sein späteres Schicksal gegönnt hätte.

So war ich also daheim. Aber ein winziges Stückchen meines Herzens musste ich dort unten, im äußersten Zipfel des damaligen Südungarn, vergessen haben. Jedes Jahr, wenn es schon aus allen Schränken nach Naphthalin roch und die ersten Kompottgläser mit dem Frühobst in die Regale der Speisekammer geschlichtet waren, wurden die Koffer vom Boden geholt. Wurden dann auch die Teppiche zusammengerollt, die schweren Lederclubstühle mit Leinenkappen versehen, hatte der Maler das eine oder das andere Zimmer ausgemalt und eine Ausreibfrau den Fußboden drei- oder viermal gerieben, dann war es Frühsommer, und die Ferien lagen schon deutlich spürbar in der Luft. Ich war da immer aufgeregt. Als ob sich in einem winzigen Lückerl meines Herzens ein Faden abspulte. Ein haarfeiner Faden, der aber eisenstark war und an dem es von drüben – der zweiten Heimat – gewaltig zog. Bis der Tag kam, an dem am Bahnhof wieder die Kalesch stand, um uns abzuholen. Und darin saß meine Großmutter in ihrer schönsten Chenillemantille** mit dem dazu passenden Spitzenschirm und hatte schon in verschiedenen kleinen Säckchen einen Vorschuss mitgebracht auf alle Herrlichkeiten, die uns erwarteten.

Ohne besondere Beachtung meiner Umwelt bin ich in der k.u.k. Haupt- und Residenzstadt Wien als Volks- und Hauptschülerin und in Fortbildungsschulen herangewachsen. Den Lehrern bereitete ich mehr Ärger als Freude durch meine ausgeprägte Ungeschicklichkeit. Meinen Mitschülern dagegen lieferte ich immer Grund zum Lachen. Ich kann mich nicht genau erinnern, was ich alles verkehrt gemacht habe. Eines weiß ich nur genau, ich wurde von meinen Klassenkameraden nie wegen überragender Leistungen beneidet. Aber auch die Mittelmäßigkeit hat ihre Vorteile. Ich war so etwas wie der Klassenwurstel und fühlte mich ganz wohl dabei. »Was hat man schon, wenn man Primus ist und von der ganzen Klasse gehasst wird«, dachte ich und blieb auf meiner Linie der Mittelmäßigen, der Bedeutungslosen, der Belächelten, der kaum Beachteten.

Zu den schönsten Erinnerungen meiner Kindheit zählten die Besuche meines Großvaters aus Temesvar. Als er bereits in Pension war und nur mehr als Vertretung seines Sohnes und seines Schwiegersohnes die Bauern, Zigeuner, Fabrikarbeiter und Vorstadthonoratioren kurierte, fuhr er manches Mal zu uns nach Wien. Ich glaube, das waren die schönsten Tage in seinem und meinem Leben. Er reiste dann immer in seinem vergissmeinnichtblauen Waffenrock, weil er in Uniform gratis die erste Klasse benutzen konnte. Aber sowie er in der Wohnung angekommen war, vertauschte er den Waffenrock mit einem schlichten Lodengewand, in dem er sich wesentlich wohler fühlte als in Kaisers steifem Paradegewand. Und dann durfte ich ihn in den Prater, den Volksprater, den er besonders liebte, begleiten. Beim »Eisvogel«, wo die Damenkapelle spielte, oder beim Walfisch kaufte er sich und mir ein Paar Würstel und trank ein Krügel Bier. Großvater schälte die Würstel immer sorgfältig ab und legte die Haut auf den Teller. Ich aß die Würstelhaut in einem unbeobachteten Moment auf. Als Großvater es dann bemerkte, seufzte er tief und meinte: »Ich glaube, Franzi, dass aus dir nie eine Dame wird.« Wie Recht er behalten hat!

Etwa um 1912 wurde ich nach Sitte der damaligen Zeit so viel als möglich zu Tanzveranstaltungen geführt, und alles war darauf angelegt, einen Mann für mich zu finden. Als Mädchen aus »gutem Haus« und weil es sich so »schickte«, ging ich nie ohne die Begleitung meiner Eltern, oder zumindest meiner Mutter, aus. An den Mann zu kommen, war damals die Lebensaufgabe eines jungen Mädchens. Dafür lernten wir französisch Konversation führen, feine Handarbeiten machen, besuchten Kochkurse und eine Nähschule. Wer es sich leisten konnte, schickte seine Tochter für ein paar Jahre in eine »höhere Töchterschule«.

Selbstverständlich hatten wir auch alle Tänze der damaligen Mode gelernt. Quadrille musste man perfekt können, natürlich Walzer links und rechts, und Polka, zum Kehraus bei Bällen und Kränzchen. In Familien mit mehreren Töchtern war es üblich, nur die Älteste auszuführen. Bei uns war diese Maßnahme besonders notwendig, denn ich hatte eine sehr schöne, jüngere Schwester. Wäre da ein Bräutigamsanwärter aufgetaucht, hätte er sicher meine Schwester gewählt. Alle Welt hätte ihn verstehen können, und ich wäre sicher als »Ladenhüter« übrig geblieben.

Auf den Tanzveranstaltungen standen die jungen Herren in der Mitte des Saales zusammengeballt auf der Herreninsel, von vielen Ballbesuchern auch »Idioteninsel« genannt, und musterten den holden Mädchenflor, der auf rot- oder blausamtenen Plüschsofas entlang den Wänden saß oder bereits im festlich dekorierten Saal tanzte. War die Wahl getroffen, so schlängelte sich so ein Jüngling bis zur Plüschumrandung des Etablissements oder er holte mit einer kleinen Verbeugung einem Tänzer seine Dame weg.

In unmittelbarer Nähe der Mädchen, meist in einem kleinen Nebensaal, im »Gemütlichen«, saßen die Mütter und bisweilen auch Väter der jungen Tänzerinnen und hüteten den »guten Ruf« ihrer Töchter. Dieser »gute Ruf« war eines der wichtigsten Attribute eines jungen Mädchens. Man schärfte mir ununterbrochen ein, dass es heiße: »Guter Ruf verloren, alles verloren«. Nur hatte ich keine Ahnung, wie einem der verloren gehen könne.

Eines Tages riet Großvater meiner Mama, doch einmal mit mir das Offizierskasino auf dem Schwarzenbergplatz zu besuchen. Dort fanden häufig Tanzveranstaltungen statt, bei denen man Gelegenheit hatte, die jungen Mädchen in die Gesellschaft einzuführen.

Man versprach sich davon aber nicht sehr viel. Denn die Kautionen, die ein Offizier erlegen musste, wenn er heiraten wollte, waren enorm hoch. Je niedriger der Rang, umso höher war die Kaution, und ein Leutnant war nur für eine Tochter der Großfinanz erschwinglich.

Was sollte ich also dort suchen? Kein Leutnant aus reicher Familie, die die ganze oder einen Teil der Kaution aufbrachte, würde mich nehmen. Es gab einige Leutnants, die viel mit mir tanzten, aber die kamen zu allen Bällen stets mit zwei Paar Schuhen. Ein Paar baumelte immer an dem mittleren Mantelknopf, fein säuberlich in Papier verpackt – die Lackschuhe! Mit dem anderen Paar gingen die jungen Herren im Morgengrauen zu Fuß vom Schwarzenbergplatz in die Kaserne nach Kagran. Ich habe mich immer blendend unterhalten, aber die von allen Familien für ihre Töchter ersehnte Bekanntschaft habe ich dort nicht gemacht.

Eines Tages, ich war damals achtzehn, lernte ich einen Mann kennen. Er brachte Grüße von meinen Großeltern aus Temesvar, war sehr dick, sechsunddreißig Jahre alt, sah um vieles älter aus, hatte eine spiegelnde Glatze und ein Ingenieursdiplom. Als er mich fragte, ob ich seine Frau werden und mit ihm nach Temesvar ziehen wolle, dachte ich an meine Kindheit, an die herrliche Wiese vor dem »Doktorhaus« und den Duft von Köstlichkeiten, der es umgab. Das gab den Ausschlag und ich sagte »Ja«.

Mein Vater bat sich Bedenkzeit aus und fuhr eines Tages kurzerhand nach Temesvar. Dort hörte er von den gigantischen Spielschulden meines Verlobten. Telefonisch stellte er mich vor die Alternative, den verschuldeten Bräutigam oder ihn – meinen Vater – zu wählen. Ich entschied mich – keinen Augenblick zögernd – für meinen Vater.

In den Ferien in Temesvar lernte ich dann »ihn« kennen. Ich war mit einer großen Gesellschaft von Verwandten und Bekannten in einem Kaffeehaus. In einiger Entfernung saß diskutierend ein Dutzend Juristen. Mein Vetter, ein Rechtsanwalt, begab sich zu dem Tisch, um an der Debatte teilzunehmen. Eine Weile später kehrte er mit einem Kollegen an unseren Tisch zurück. Der Kollege begann seine Einführung in unsere Gesellschaft mit folgenden Worten:

»Wenn Sie meine Frau sein werden, Fräulein, dann werden Sie auf Ihrem Hut keinen so dürftigen Reiher tragen.«

Ich antwortete prompt: »Wenn Sie meinen Reiher mit Ihrem Schnurrbart vergleichen, Herr Doktor, der wie ein wahnsinnig gewordenes Zahnbürstl ganz wirr Ihre Oberlippe schmückt, dann wirkt er bestimmt noch erheblich attraktiver.«

Unser neuer Bekannter lachte nur und meinte, ich hätte ein echtes Wiener »Göscherl«.

Unser Kaffeehausbesuch war eigentlich ein Abschiedsbesuch. Wir hatten unsere Ferien bereits hinter uns und es verblieben uns nur mehr drei Tage in Temesvar. Der junge Rechtsanwalt kam nach unserer Rückkehr mit dem nächsten Zug nach Wien und bat meinen Vater um meine Hand. Er fragte nicht nach Häuslichkeit, Klugheit, Geld oder Schönheit. Er wollte mich so wie ich war.

Die Hochzeit war in Wien, genau einen Monat vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Auf Hochzeitsreise fuhren wir nach Belgien. Von dort wollten wir weiter nach London. Im Hotel, in dem wir in Oostende logierten, mochte mein Mann bemerkt haben, dass ich noch keine vollendete Dame war. Als man an der Hoteltafel die Vorspeisen servierte – kleine Muscheln mit feinem Fischragout, gefüllte Eier, Krabben mit Majonäse, Champignons mit Sauce Tartar und noch viele andere Delikatessen – lud ich mir alle Muscheln, die auf dem Tablett standen, auf den Teller. Der Kellner wurde blass und stammelte irgendetwas. Mein Mann winkte ihm nur ein wenig zu, und schon brachte der Kellner ein neues Tablett, von dem die anderen Gäste je eine Muschel auswählten. Ich wurde blutrot und wollte den Rest zurückgeben, aber da erreichte mich ein Händedruck meines Mannes und er legte seinen Finger auf die Lippen. Die Gäste lächelten und einer sagte zu meinem Mann: »Ach was, lassen Sie sie, sie ist ja noch ein Kind.«

Am nächsten Tag weckte uns ein Geschrei auf dem Quai vor dem Hotel. Ein Junge brüllte, während er den Quai entlang rannte: »L’archiduque d’Autriche a été tué.« Der Thronfolger von Österreich, Erzherzog Franz Ferdinand d’Este, war in Sarajevo erschossen worden. In diesem Augenblick fiel meine Unbekümmertheit von mir ab und wich einem bangen Gefühl der Furcht, das nie mehr von mir weichen sollte. Man prophezeite Krieg. Ich fragte meinen Mann, ob das wahr sei. »Aber Tschapperl«, antwortete er, »warum soll es Krieg geben?« Als wir nach London fahren wollten, sagte er mir jedoch, dass er die Karten für die Überfahrt zurückgegeben und das Zimmer abbestellt habe. »Na siehst, du glaubst halt auch, dass es Krieg geben wird?« Er nickte nur stumm.