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DOUG SAUNDERS

MYTHOS ÜBER-

FREMDUNG

EINE ABRECHNUNG

AUS DEM ENGLISCHEN

VON WERNER ROLLER

KARL BLESSING VERLAG

Titel der Originalausgabe: The Myth of a Muslim Tide –
Do Immigrants Threaten the West?

Originalverlag: Alfred A. Knopf Canada, Toronto

1. Auflage

Copyright © der Originalausgabe 2012 by Doug Saunders

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012

by Karl Blessing Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Hauptmann und Kompanie

Werbeagentur, Zürich

Satz: Leingärtner, Nabburg

ePub-ISBN: 978-3-641-10654-6

www.blessing-verlag.de

Inhalt

Erster Teil
Gängige Meinungen

I Die neuen Nachbarn

II Halbmond-Fieber: Kurze Geschichte einer Idee

III Die Parteien Eurabiens

IV Eine sehr amerikanische Invasion

Zweiter Teil
Die Fakten

I Die Bevölkerung

II Integration

III Extremismus

Dritter Teil
Das hatten wir schon einmal

I Die katholische Flut

II Die jüdische Flut

Vierter Teil
Was uns Sorgen bereiten sollte

I Die Erfindung des muslimischen Volkes

II Das Problem der Integration

III Die Privatisierung der Religion

IV Dem Kulturgefängnis entkommen

Dank

Anmerkungen

Die Ohren auf! Denn wer von euch verstopft

Des Hörens Tor, wenn laut Gerüchte spricht?

Ich, von dem Osten bis zum müden West

Rasch auf dem Winde reitend, mache kund,

Was auf dem Erdenball begonnen wird.

Beständ’ger Leumund schwebt auf meinen Zungen,

Den ich in jeder Sprache bringe vor,

Der Menschen Ohr mit falscher Zeitung stopfend.

Von Frieden red’ ich, während unterm Lächeln

Der Ruh’ versteckter Groll die Welt verwundet.

[…] Gerücht ist eine Pfeife,

Die Argwohn, Eifersucht, Vermutung bläst,

Und von so leichtem Griffe, dass sogar

Das Ungeheuer mit zahllosen Köpfen,

Die immer streit’ge wandelbare Menge,

Drauf spielen kann.

William Shakespeare, König Heinrich IV.,
Zweiter Teil, Prolog

Erster Teil Gängige Meinungen

Gängige Meinungen

I Die neuen Nachbarn

Vor etwa 15 Jahren begann sich mein Londoner Stadtviertel zu verändern. Uns fiel das zum ersten Mal auf, als wir die Menschenmenge genauer betrachteten, die da in der eher rauen Holloway Road beim Einkaufen unterwegs war. Plötzlich sah man dort sehr viel mehr Frauen, die ihr Haar bedeckten: Manche trugen einen farbenfrohen Hidschab, andere den in Ostafrika üblichen Schleier, wieder andere den düsteren Tschador, und gelegentlich sah man an einer Bushaltestelle ein Augenpaar aus einem schmalen Schlitz im alles verhüllenden schwarzen Sack eines saudischen Niqabs hervorschauen. Diese Frauen hatten oft, ganz egal, wie nun ihr Kopfputz aussah, eine kleine Kinderschar bei sich.

Und dann veränderte sich die Straße selbst: Zu den Pubs und kleinen Geschäften gesellte sich eine große Zahl türkischer Esslokale, einige davon mit ausgezeichnetem Angebot, schäbige Internetcafés und Läden für Geldüberweisungen mit unverständlichen arabischen Schriftzeichen. Innerhalb weniger Jahre hatte man das Gefühl, als sei der Islam auf dem Vormarsch. Unser Kindermädchen für die Mittagsbetreuung, eine junge Französin, die in einem Dorf in den Alpen aufgewachsen war und gerne mal die Nacht durchfeierte, konvertierte plötzlich zum Glauben ihrer neuen algerischen Freunde, bedeckte ihr Haar und betete fünfmal täglich. Sie wurde pünktlicher und ordentlicher, und ihre Aufmerksamkeit für unsere Kinder ließ keineswegs nach, aber sie wirkte sehr viel ernster und weniger begeistert von unserem Essen.

Die neuen Einwanderer aus Ostafrika, der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten und vom indischen Subkontinent wurden unsere Freunde, Ladenbesitzer, Mitschüler und Ärzte. In diesen von großer Anspannung geprägten Jahren zu Beginn des Jahrhunderts war es allerdings schwierig, ihre Religion nicht mit Gewalt und Extremismus in Verbindung zu bringen. Die Finsbury-Park-Moschee, das am nächsten gelegene muslimische Gotteshaus, bekam häufig Besuch von der Polizei. Im Jahr 1997 hatte sie ein aus Ägypten stammender ehemaliger afghanischer Mudschaheddin-Kämpfer übernommen, der sich Abu Hamza nannte. Der halb blinde Geistliche mit der Haken-Handprothese, der von der britischen Boulevardpresse als »hooky mullah« apostrophiert wurde, hielt aggressive Predigten, in denen er zur Ermordung von Nichtmuslimen in islamischen Ländern aufrief, und geriet in die Schlagzeilen, als er die Attentäter des 11. September lobte. Im Jahr 2004 wurde er verhaftet und wegen Terrorismus und Anstiftung zum Rassenhass zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach diesen Ereignissen wurden die Extremisten vom Besuch dieser Moschee ausgeschlossen und des Landes verwiesen. Der neue Imam war für seine Mäßigung bekannt, und in der Umgebung der Moschee sah man jetzt nicht mehr so viele glaubenseifrige bärtige Männer. Doch das Gefühl der Unsicherheit und Anspannung hielt an, vor allem nachdem ein Nachbar bei den Selbstmordanschlägen auf das Londoner Nahverkehrssystem schwer verletzt worden war. Die meisten Attentäter waren in England geborene Muslime aus Leeds, die sich äußerlich überhaupt nicht von manchen unserer Nachbarn unterschieden.

Wer würde sich da keine Sorgen machen? Selbst als meine Kinder mit den Usamas und Leilas in ihrem Umfeld Freundschaft schlossen, konnte ich mir misstrauische Blicke auf einige meiner neuen Nachbarn nicht verkneifen. Ich habe den größten Teil meines Lebens unter Einwanderern verbracht und bin natürlich selbst einer, aber in jenen finsteren Jahren nach den Terrorangriffen war das Gefühl, die Muslime seien anders als wir, nur mit Mühe zu unterdrücken: Es lag auf der Hand, dass sie weniger anpassungsbereit waren, stärker zu Extremismus neigten, eher den Lehren ihrer Religion als den Gesetzen und sozialen Normen des jeweiligen Landes folgten, in dem sie sich aufhielten. Sie hatten große Familien, schien es, und wir hatten kleine, und manchmal fürchtete ich, sie könnten zur Mehrheit werden und die illiberalen Überzeugungen der strenger Gläubigen unter ihnen könnten die Vorherrschaft erlangen und so die westliche Vorliebe für Toleranz, Gleichberechtigung und Säkularisierung zu einer historischen Fußnote machen. Und wenn ich so empfinden konnte, ein Autor, der einige Jahre in muslimischen Kulturen gelebt hatte, musste es Millionen von Menschen geben, die einen ähnlichen Argwohn hegten.

Das alles hatten wir schon einmal. Hätte ich vor 120 Jahren am gleichen Ort in London gelebt, dann hätte ich mit großer Unruhe beobachtet, wie die Bürgersteige der Holloway Road sich allmählich mit armen, seltsam gekleideten Männern und mit Frauen bevölkerten, deren Kopftücher ihr Gesicht verbargen. Ihre Familien hielten sich von der einheimischen Bevölkerung fern, klammerten sich an religiöse und politische Überzeugungen, die nicht zur herrschenden Mehrheitskultur passten, bewahrten Gebräuche und Traditionen, die Jahrhunderte hinter der Jetztzeit zurückgeblieben zu sein schienen, vermehrten sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit und nutzten mein Stadtviertel als Stützpunkt für die Planung einer Serie von Terroranschlägen, durch die Ende der 1880er-Jahre mehr Menschen ums Leben kamen und größere politische Unruhen entstanden als durch die Anschläge der Dschihadisten im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Berichte der Regierung und Buchbestseller jener Zeit vertraten die Ansicht, diese Leute seien unmöglich in die Mehrheitsbevölkerung zu integrieren und würden zu einer wachsenden Bedrohung.

Doch genau diese Einwanderer irisch-katholischer Herkunft waren innerhalb von weniger als zwei Generationen ins kulturelle Leben meines Viertels eingegliedert worden. Ihre besonderen Eigenschaften zeigen sich in ihren Kirchen wie in ihren Pubs, und dennoch gelten sie heute eher als Bereicherung denn als Bedrohung. Wir haben vergessen, wie beunruhigend die Wellen römisch-katholischer und jüdischer Einwanderer aus den Randgebieten Europas noch vor wenigen Jahrzehnten auf die Bewohner Nordamerikas und West- und Mitteleuropas wirkten. Ihre Herkunftsländer schienen weniger demokratisch und in wirtschaftlicher Hinsicht unfreier zu sein und sich eher dem religiös geprägten Recht und dem politischen Extremismus zuzuneigen. Unter den (Vor-)Denkern quer durch das politische Spektrum war es bis Anfang der 1950er-Jahre durchaus gang und gäbe zu erklären, katholische Einwanderer ließen sich durch Glaubensdiktate zur Befürwortung von Faschismus, Gewalt und religiösem Extremismus bewegen (denn so sah es in ihren Herkunftsländern zumeist aus, und es war das offenkundige Schicksal eines großen Teils ihrer Diaspora), deshalb könnten sie nicht in nicht katholische Strukturen eingegliedert werden. Ähnliche Ansichten über aschkenasisch-jüdische Einwanderer aus Osteuropa galten in manchen Kreisen noch bis zum Zweiten Weltkrieg als vernünftig.

Die meisten Menschen hatten allerdings bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ihre früheren Ängste im Umgang mit religiösen Minderheiten vergessen. Wir erlebten eine vergleichsweise tolerante Zeit, als die religiös motivierten Ängste vor der Masseneinwanderung von der ideologisch bedingten Furcht, die mit dem Kalten Krieg einherging, abgelöst wurden. Katholiken und Juden wurden in der Vorstellungswelt der herrschenden Meinung nicht mehr mit Gewalt und kultureller Überfremdung verbunden, sondern als Freunde, Nachbarn, Kollegen und, in einigen Fällen, als führende Politiker geachtet.

Und dann, im Verlauf des Jahrzehnts nach den Anschlägen vom 11. September 2001, entwickelte sich eine scheinbar neue Auseinandersetzung, zunächst in den entlegenen Winkeln des Internets und den Äußerungen der extremen Rechten und dann immer öfter auf Schauplätzen, die dem Mainstream und dem Massenmarkt zuzuordnen waren. Die Auseinandersetzung begann mit einigen beunruhigenden Anekdoten, die uns in unseren Verdachtsmomenten gegenüber diesen Kopftuch tragenden neuen Nachbarn bestärkten. Durch einige demografische und statistische Behauptungen und etwas Theologie entwickelte sie sich zu schwelendem Misstrauen weiter und gipfelte schließlich in einer brisanten Schlussfolgerung zum Schicksal westlicher Gesellschaften. Diese Auseinandersetzung wurde zum Thema Dutzender Bestseller und zahlloser Zeitungskommentare, Blog-Postings, YouTube-Videos, Parteiprogramme und Wahlkampfreden, und mittlerweile gehört sie für viele Menschen zum Alltagsbestand ihres politischen Denkens.

Und das funktioniert so: Diese muslimischen Einwanderer und ihre Kinder und Enkelkinder unterscheiden sich von früheren Einwanderergruppen. Sie vermehren sich ungewöhnlich schnell, mit Geburtenraten, die weit über den in den erschöpften westlichen Ländern üblichen Zahlen liegen. Schon bald, vielleicht schon Mitte des 21. Jahrhunderts, werden die Muslime in den Ländern Europas und den Städten Nordamerikas zur Mehrheit werden. Das stellt eine Gefahr dar, weil sie, anders als frühere Einwanderergruppen, dem Islam gegenüber loyal sind und nicht der Gesellschaft, die sie aufnimmt. Für sie ist ihre Religion keine private Inspirationsquelle, sondern eine politische Ideologie, die ihnen als Anleitung zum Handeln dient. Eine gemeinsame Grundüberzeugung verbindet den gemäßigten muslimischen Gläubigen mit dem radikalen Islamisten und macht die gesellschaftliche Eingliederung der Mehrheit der Muslime unmöglich. Sie werden den Westen dauerhaft verändern und ein politisches Konzept vorantreiben, das unsere Traditionen und unsere Freiheiten zerstören wird. Kurz gesagt: Wir stehen kurz davor, von einer muslimischen Flut hinweggespült zu werden.

Das vorliegende Buch soll zeigen, dass alle Behauptungen dieser Art nachweislich unwahr sind und auf derselben Mixtur aus echten Missverständnissen und düsteren Fehlschlüssen beruhen, mit der schon frühere Wellen armer Einwanderer aus anderen religiösen Kulturen empfangen wurden. Ich habe so viel demografisches, statistisches und wissenschaftliches Material wie möglich herangezogen, um eine detailierte, ehrliche, Punkt für Punkt vorgehende Faktenüberprüfung zu muslimischen Einwanderern in westlichen Ländern vorlegen zu können: zu ihren Geburtenraten, ihren Loyalitäten, ihren religiösen, politischen und kulturellen Verhaltensweisen und Überzeugungen, zu ihrer Neigung zu religiösem Fundamentalismus, politischem Extremismus und zur Gewalt, zu ihren Erfolgen und, in manchen Fällen, ihrem Scheitern bei der Integration in die Wirtschaft und Kultur der westlichen Länder.

Es steht sehr viel auf dem Spiel. Die Überzeugung von der muslimischen Überfremdung wurde bereits zum Gründungsmythos einiger äußerst beunruhigender politischer Bewegungen und zur Ursache eines außerordentlichen Terrorakts. Diese Legende über muslimische Einwanderer ist zu einem bedeutenden, in der Mitte des politischen Spektrums angesiedelten und wahlrelevanten Thema in den Vereinigten Staaten, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und in Skandinavien geworden, ohne dass die grundlegenden Behauptungen besonders ernsthaft überprüft worden wären. Das Fieber erfasst wieder einmal das Denken vieler Menschen in den westlichen Ländern. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt.

Dieses Buch ist keine Verteidigung des Islam und bietet keine Analyse der Lehren des Korans. Ich bin weder ein Bewunderer des Islam noch auf irgendeine Art und Weise religiös. Jede Aussicht auf eine größere Bedeutung der Religion im öffentlichen Leben beunruhigt mich zutiefst. Ich stimme vollkommen mit säkular orientierten Muslimen wie Ayaan Hirsi Ali und Salman Rushdie überein, die die Auffassung vertreten, wonach die Lehren des Korans und die kulturelle Praxis in zahlreichen muslimischen Ländern den ihnen unterworfenen Menschen außerordentlich schaden, insbesondere den Frauen. Allerdings bin ich der Ansicht, dass die Lösung für diese Probleme in der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der Einwanderergemeinden liegt, wie sie sich auch unter früheren konservativ-religiösen Minderheiten vollzogen hat. Ich tue die auf die muslimische Überfremdung bezogenen Argumente nicht einfach ab. Gäbe es Hinweise darauf, dass ihre Behauptungen grundsätzlich zutreffen, wäre ich ernsthaft besorgt.

Nicht die Theologie steht hier zur Debatte, sondern das öffentliche und politische Verhalten. Die Argumente für oder gegen die Hypothese von der muslimischen Überfremdung stützen sich zu oft auf die eher beunruhigenden Koranstellen und ihre rigiden Auslegungen oder auf die bedrohlichen Äußerungen bestimmter Imame und Mullahs. Die Wahrheit über muslimische Gemeinden findet man nicht in schriftlichen Zeugnissen, sondern im praktischen Handeln. Alle heiligen Bücher der abrahamitischen Religionen enthalten reichlich Nahrung für extremistisches Sektierertum und gottesfürchtige Gewalt. Die Frage ist, ob die Einwanderer in den westlichen Ländern und ihre Nachkommen sich an diesen Worten orientieren oder nicht.

Wir müssen hier die Theologie beiseitelassen und eine Reihe konkreter Fragen stellen: In welchem Umfang sind diese Einwanderer gläubig oder buchstabengläubig? Welche Rolle sollte die Religion ihrer Ansicht nach in der Politik spielen? In welchem Umfang übernehmen die Kinder und Enkel die religiösen Überzeugungen und den Grad der Frömmigkeit von den Eltern? Wie ist es um ihre Loyalität bestellt? Aus welchen Quellen speist sich ihre Identität?

Dieses Buch verfolgt nicht die Absicht, die Bedeutung der gefährlichen politischen, militanten und terroristischen Bewegungen herunterzuspielen, die sich während der letzten Jahrzehnte in manchen muslimischen Gemeinden explosiv entwickelt haben. Ich hoffe vielmehr zeigen zu können, dass diese Bewegungen klar umrissene und beunruhigende Produkte bestimmter politischer Begleitumstände sind und nicht unvermeidliche, natürliche Auswüchse der konventionellen islamischen Kultur – so wenig wie terroristische und religiös-extremistische Bewegungen in westlichen Kulturen Auswüchse des Alltagsdenkens gewesen sind.

Mein Leben und meine Arbeit haben mich dieser Gewalt zu nahe gebracht, um sie ohne Weiteres abtun zu können. Zum Zeitpunkt der Anschläge vom 11. September 2001 lebte ich in den Vereinigten Staaten, am Tag der U-Bahn- und Bus-Anschläge vom 7. Juli 2005 in London, und während der Serie von Morden, die Mohammad Merah im März 2012 in Toulouse und Montauban beging, hielt ich mich in Südfrankreich auf.

Aus dem Iran, der Türkei, aus Ägypten, Libyen, Syrien, Afghanistan, Bangladesch und Indien sowie aus den Hauptstädten Europas und Nordamerikas habe ich ausführlich über islamischen Extremismus – und gemäßigte Formen des Islam – berichtet, und mit diesen Erfahrungen im Hinterkopf bin ich nicht der Ansicht, dass der Krieg gegen den Terror unbegründet war oder von falschen Vorstellungen ausging. In den muslimischen Gemeinden herrscht keineswegs immer eitel Sonnenschein. Auf diesen Seiten möchte ich allerdings zeigen, dass diese Einwanderer nicht bedrohlicher sind als frühere Wellen armer Neuankömmlinge. Ich hoffe, dass wir sie als Mitbürger betrachten können, deren Kinder sich bestimmten Bedrohungen ausgesetzt sehen und daher unserer Aufmerksamkeit und Hilfe bedürfen. Es ist außerordentlich wichtig, dass wir die wahren Probleme der muslimischen Einwanderung von denjenigen trennen, die aus Angst und Unwissenheit gebastelt werden. Die Vorstellung von der klammheimlichen Übernahme durch fromme Muslime beruht auf einer Täuschung, ebenso wie die etwas gemäßigtere Vorstellung von einer dauerhaft fremdartigen und unmöglich zu integrierenden »Kultur« in unserer Mitte. Zu den wahren Problemen, die die Mehrheit der Muslime genauso beunruhigen wie uns andere, zählen die Zunahme des Antisemitismus unter den Einwandererkindern, die sich selbst mit einem sagenumwobenen und weit entfernten Nahen Osten identifizieren, eine Reihe rückständig anmutender Subkulturen, die Frauen wie minderwertige Geschöpfe behandeln, ja sogar als Besitztümer, die es zu bewachen, zu verbergen oder körperlich zu züchtigen gilt, und der defensiv orientierte Rückzug einer verbitterten kleinen Minderheit in einen innigen religiösen Glauben inmitten einer sich in allen Belangen rasch säkularisierenden Diaspora.

Diese Verhaltensweisen sind, ebenso wie die Beispiele für den gewalttätigen islamischen Extremismus, am besten als krasse Reaktionen unsicherer Menschen auf die Modernisierungstendenzen des Individualismus und der Globalisierung zu verstehen – genau dieselben Tendenzen, die auch die Theorien von der muslimischen Überfremdung und die entsprechenden Bewegungen in den westlichen Ländern hervorbrachten. Dies sind Kämpfe innerhalb von Kulturen, nicht zwischen Kulturen, und in einem erheblichen Umfang sind sie das Ergebnis der – von Muslimen wie von Nichtmuslimen gehegten – falschen Überzeugung, die Welt sei in fest umrissene und einander unversöhnlich gegenüberstehende »Kulturen« aufgeteilt. Die größere Bedrohung geht nicht von diesen Einwanderern selbst aus, sondern von unserer Reaktion auf sie.