Evemarie Haupt
geboren in Leipzig, Gesangsstudium mit Staatsexamen, Tätigkeit als Sängerin, Stimmbildnerin, Musikkritikerin. Drei Töchter in Musikberufen. Wechsel zur Logopädie. 12 Jahre Lehrlogopädin für Stimmtherapie an den Logopädieschulen der Universitäten in Ulm und München. Dort weiterhin Lehrtätigkeit. Dozentin für Sprechen und Singen an österreichischen Fachhochschulen. Eigene Praxis in München. Tätigkeit in Salzburg. Zen-Studien in Deutschland, China und Japan, Qigong-Lehrerin. Internationale Vortrags-, Kurs- und Kongressaktivitäten.
Ein Ratgeber für Singende, ChorleiterInnen, PädagogInnen und TherapeutInnen
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Informationen in diesem Ratgeber sind von der Verfasserin und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
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2. überarb. Auflage 2009
1. Auflage 2004
ISBN 978-3-8248-0683-6 (PC-PDF)
Alle Rechte vorbehalten
© Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2009
Mollweg 2, D-65510 Idstein
Vertretungsberechtigter Geschäftsführer: Dr. Ullrich Schulz-Kirchner
Lektorat: Doris Zimmermann Umschlagentwurf und Layout: Petra Jeck Titelfoto: Caro Molkenthin
Wir danken der Bayerischen Staatsoper München und Herrn Wilfried Hösl für die
Zurverfügungstellung von weiterem Bildmaterial.
Druck und Bindung: wd print + medien GmbH, Elsa-Brandström-Str. 18,
35539 Wetzlar
Printed in Germany
Vorwort zur Reihe
Einleitung
„Von der Wiege bis zur Bahre – Cantare“ Über das Singen in allen Lebensaltern
Jedes Kind singt gern – Die Entwicklung der Singstimme im Kindesalter
Singen kommt von Singen – Kinderchöre und Musikschulen
Vom Sopran zum Bass – Knabenchöre und Mutation (Claus Krügel)
Rhythmus gehört dazu – Singen in der Schulzeit und in Jugendgruppen
Die Qual der Wahl – Die Vielfalt der Möglichkeiten
Per-sonare – Die Persönlichkeit tönt durch die Stimme
Singen, Tanzen und Lachen ist die beste Medizin – Seniorensingen
„Madame Butterfly oder Seeräuber-Jenny – Caruso oder Elvis?“ Welche Wege führen wohin?
Welcher Stimmtyp bin ich? – Beratung zu Stimmlage, Stimmund Atemtyp und Check-Liste
Gut gestimmt – Wie kann ich mein eigenes Instrument aufbauen und pflegen?
Gewusst wie – Fragen zu Ausbildung und Berufsmöglichkeiten für SängerInnen
In Oper, Operette, Musical und Konzert, Song und Chanson
In Pop, Rock und Jazz (Renate Warther)
In der Volksmusik (Theresia Rothenaicher)
Sowohl als auch – Informationen und Tipps
Für ChorleiterInnen und PädagogInnen
Für die Singstimme im Schauspiel (Cornelia Meliàn)
Topf und Deckel – Was ist in der Gesangspädagogik zu beachten?
Lächeln oder Schnute? – Die Pflege der klassisch ausgebildeten Stimme und spezielle Fragen
Belting lernen? – Die Pflege der Stimme in Pop, Rock und Jazz
Gemeinsam sind wir stark – Wie können Chorstimmen gepflegt werden?
„Es kratzt so im Hals beim Singen“ Was tun, wenn Probleme der Singstimme auftauchen?
Woher kommt denn das? – Ursachen und Symptome
Kann ich mir selbst helfen? – Informationen und Übungen
Wo ist Hilfe zu finden? – Der Weg zum Arzt/zur Ärztin und zu StimmtherapeutInnen
Wie verläuft eine Singstimm-Therapie? – Regelkreis Singen und Stimmfunktionskreis
Man nehme … – Übungen und Methoden bei speziellen Problemen
Freund oder Feind? – Die Zusammenarbeit mit GesangslehrerInnen
Wozu war das Problem notwendig? – Die Signalgebung verstehen
Literaturempfehlungen
Nützliche Adressen
Schlagwortverzeichnis
Die „Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute“ vermitteln kurz und prägnant grundlegende Kenntnisse und Hilfestellungen zu ausgewählten Themen der Stimm- und Sprachtherapie, Ergotherapie und Medizin. Die Themen umfassen den ganzen Bereich des Kontinuums von Gesundheit zu Krankheit. Die AutorInnen sind ausgewiesene Fachleute, die jeweils seit vielen Jahren in Therapie, Beratung und Lehre tätig sind.
Im vorliegenden Band hat die Autorin eines logopädischen Standardwerks zur Stimme und ausgebildete Sängerin, Frau Evemarie Haupt, sich dem Thema „Singen und Stimme“ gewidmet. Angesprochen sollen alle die werden, die entweder selbst singen (wollen) oder die beruflich mit singenden Menschen zu tun haben. Unterstützt von verschiedenen KollegInnen umreißt die Autorin alle wesentlichen Aspekte des Themas. Ich wünsche dem Ratgeber viele LeserInnen, denn Singen ist ein enorm wichtiges Thema für Menschen und die Gemeinschaft, in der sie leben.
Prof. Dr. Jürgen Tesak †
Herausgeber
Ein Ratgeber über den Umgang mit der Singstimme spricht eine umfangreiche Thematik an, da das ganze Gebiet sehr vielschichtig ist. Zahlreiche Neuerscheinungen der letzten Jahre – hier jeweils im Literaturverzeichnis aufgelistet – decken viele Einzelbereiche ab. Ein „Ratgeber“ ist jedoch für alle Interessierten gedacht und so ist es das Ziel, in diesem begrenzten Rahmen so viele Informationen wie möglich zu bieten.
Drei große Bereiche wurden ausgewählt, um Ordnung in die Fülle der Thematik zu bringen:
I – „Von der Wiege bis zur Bahre – Cantare“ – Über das Singen in allen Lebensaltern
II – „Madame Butterfly oder Seeräuber-Jenny?“ – Die Vielfalt der Möglichkeiten
III – „Es kratzt so im Hals beim Singen“ – Hilfen bei Störungen der Singstimme
Für einige Themenbereiche haben spezialisierte Kollegen Beiträge eingebracht: „Knabenchöre und Mutation“ wurde von Claus Krügel geschrieben, Logopäde und Stimmbildner unter anderem bei den „Regensburger Domspatzen“. Der Beitrag über Pop- und Jazzgesang stammt von Renate Warther, Diplom-Gesangslehrerin, auch tätig im Jazzprojekt des Freien Musikzentrums München; über die Volksmusik schrieb Theresia Rothenaicher, Sängerin und Chorleiterin, öfter im Bayerischen Rundfunk präsent. Für den Beitrag über die Singstimme bei Schauspielern ist Cornelia Meliàn, Sängerin und Gesangspädagogin, Stimmcoach am Bayerischen Staatsschauspiel München, zu danken.
Wer singt in dieser Zeit wann, wo, wie, warum und wozu? Inwieweit wird überhaupt noch oder wieder gesungen? Ist die Singstimme, diese besondere Fähigkeit, in Gefahr verloren zu gehen? Wenn wir uns fragen, was damit verloren gehen würde, wird uns bewusst, dass die Singstimme ein Element der Lebensfreude ist, der Lebensenergie, der Ausdrucksfähigkeit, der Lebensbewältigung sowie der Kommunikation, der Fähigkeit zur Gemeinschaft. Die Funktion der Singstimme ist das „Mehr“ über die Lebensnotwendigkeiten hinaus, die das Leben bereichert und, ähnlich wie der Tanz, andere Dimensionen erschließt.
Dieser Ratgeber möchte allen, die ihre Singstimme und damit einen Quell elementarer Kraft entdeckt haben oder entdecken möchten, ein Wegbegleiter sein. Dabei ist es ein wesentliches Anliegen, zur Pflege, Entwicklung und Entfaltung der eigenen Stimme zu motivieren. Es gibt heute eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Singstimme kreativ einzusetzen. Das Singen erlebt seit Kurzem eine enorme Renaissance, wie die zunehmenden Publikationen zeigen.
Professionellen Sängerinnen und Sängern im Klassik-, Pop- und Jazz-Bereich, sowie „Auszubildenden“, als auch begeisterten Hobby-Solisten, Ensemble- und ChorsängerInnen Hilfestellung in mancherlei Fragen und weiterführende Informationen zu bieten, ist ebenso das Ziel.
Natürlich kann ein gedruckter Text die lebendige Beziehung zu LehrerInnen oder TherapeutInnen nicht ersetzen, daher sind weiterführende Schritte jeweils in den AdressenVerzeichnissen aufgezeigt.
Wenn Stimmprobleme entstehen sollten, werden hier nach Möglichkeit konkrete Hilfen in Form von Informationen, Übungen zur Selbsthilfe und Tipps für die Pädagogik und Therapie gegeben. Es ist immer von Vorteil, bei Singstimmproblemen baldmöglichst den Facharzt, HNO-Arzt mit Zusatzbezeichnung „Stimm-, Sprach- und Sprechstörungen“, oder den Phoniater, den Spezialisten, aufzusuchen und den Weg zur Stimmtherapie nicht zu scheuen. Damit es jedoch erst gar nicht dazu kommt, sind hier Anleitungen zur Pflege der Stimme, zur Stimmhygiene und Erkältungsvorbeugung zu finden. Positive Veränderungen im Singstimmbereich wirken sich auf die Sprechstimme und den ganzen Menschen in sinnvoller Weise aus.
Für StimmtherapeutInnen und LogopädInnen bietet dieser Ratgeber Hilfen, die speziellen Probleme der Singstimme zu erkennen und damit erfolgreich umgehen zu können. GesangspädagogInnen, ChorleiterInnen, SchulmusikerInnen finden Informationen und konkrete Anregungen.
Allen „Mitwirkenden“ sei hiermit herzlicher Dank ausgesprochen. Die Figurinen entwarf Gisela Böttcher, Bonn. Meine Kollegin Karin Schrader, Prien, hat das Manuskript durchgesehen, ebenso Friederike Haupt. Dem Verlag mit Frau Doris Zimmermann und dem Herausgeber der Ratgeber-Reihe Prof. Dr. Jürgen Tesak gilt ebenso herzlicher Dank für die entsprechenden Hilfestellungen.
Gott achtet mich, wenn ich arbeite.
Gott liebt mich, wenn ich singe.
R. Tagore
Adressen der AutorInnen:
Evemarie Haupt, E-Mail: ehaupt@freenet.de
Cornelia Meliàn, E-Mail: cornelia.melian@freenet.de
Renate Warther, E-Mail: renate.warther@t-online.de
Theresia Rothenaicher, Tel. 08091/9377
Claus Krügel: E-Mail: claus.kruegel@klinik.uni-regensburg.de
Für Rückmeldungen, Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar. E. H.
So lautete das Motto der 15. Tagung des „Bundes Deutscher Gesangspädagogen“ (BDG) im Jahr 2003 und damit war ein Programm gesetzt, denn Singen ist Lebensbejahung, wie schon der legendäre Stimmbildner Frederik Husler klarlegte. Singen kann jeder und jede, auch wenn oder gerade weil wir mit unseren stimmlichen Äußerungen Auskunft über unseren seelischen und körperlichen Zustand geben. Spätestens mit Einsetzen der Pubertät jedoch reißt allzu oft der natürliche Zugang zu Stimmlust und -leidenschaft. Außer, ja außer wenn Singstimmen jeder Tonlage, Form und Farbe gepflegt, das heißt, sinnvoll in Gebrauch genommen werden. – Längst weiß es die Gesundheitswissenschaft, welche nach den Ursachen von Gesundheit – Salutogenese – anstelle der Ursachen von Krankheit fragt und damit ein Umdenken in der Gesellschaft bewirkt: Singen, Tanzen, Bewegung und Freude sind die besten Garanten für langes Wohlbefinden und Gesundheit.
Die 5-jährige Alicia sagte am Abend vor dem Einschlafen zu ihrer Großmutter: „Das werde ich nie vergessen, auch nicht wenn du schon tot bist, dass du, als ich noch klein war, immer mit mir gesungen, getanzt und gelacht hast“.
Ja, wirklich jedes Kind singt gern – wenn es dazu angeregt wird. Familie, Kindergarten, Grundschule und auch Musikschule legen die Basis für die späteren Möglichkeiten. Immer wieder treffe ich auf Menschen, denen die Lust am Singen genommen wurde. Wie das passiert? Von negativen Bemerkungen von Eltern oder Lehrern: „Sing nicht so laut, du singst falsch“ bis hin zu dem unglücklichen Vorsingen vor der ganzen Klasse reicht die Palette der Negativbotschaften. Häufig führt das später zu Störungen auch in der Sprechstimme, denn die Singstimme ist die Klanggrundlage der Sprechstimme.
Schon das Baby lallt und jauchzt in vielen Farben und Tonlagen und kann durch entsprechende Reaktion weiter angeregt werden. Das Singen der Mutter für die oder später mit den Kleinen ist durch nichts zu ersetzen. „Hoppe Reiter“ auf dem Schoß und Fingerspiele mit Sing- und Sprechversen sind wertvoll für das „Be-greifen“. Immanuel Kant sagt: „Die Hand ist das äußere Gehirn des Menschen“. – Ob Mutter, Vater, Geschwister schön singen oder weniger schön und „richtig“, ist nicht die Frage. Es gilt der Fakt, dass gesungen wird, dass die Schwingung entsteht, welche die Singstimme in besonderer Weise vermitteln kann. Forschungen zeigen bereits den pränatalen Einfluss der Mutterstimme auf. Das gemeinsame Singen in der Familie ist heute leider eher selten geworden. Tonträger bringen Kinderlieder ins Haus. Da ist sehr auf Qualität zu achten, denn: „Kinder sind Meister der Imitation. Sie ahmen nach, was sie hören und vergessen es nicht“. Dies sagt der erfahrene Kinderstimmbildner Paul Nitsche.
Gefahren
Kinder sind heutzutage oft schon „verspannt“. Die Gründe dafür sind zu wenig Bewegung, langes Sitzen vor dem TV, PC, Reiz- und Informationsüberflutung. Die tiefe Bauchatmung – beim Baby noch selbstverständlich – funktioniert nicht mehr.
Der Oberkörper ist eingefallen, Halsund Kiefermuskulatur sind angespannt. Dadurch können Stimmschädigungen entstehen. Auch ist der Stimmumfang häufig eingeschränkt, die höheren Töne verhaucht oder angespannt, während die tieferen leicht plärrig werden.
Förderung
geschieht durch:
- Viel Singen, dabei auch bei den Kleinen schon auf gute Atmung und entspannte aufgerichtete Haltung achten.
- Pentatonische Lieder und Klangspiele.
- Singen mit Bewegungsspielen. Dies lockert auf und sorgt für Spaß und Freude.
- Gut vorsingen in geeigneter Lage, wie im Weiteren beschrieben.
- Zum Mitsingen anregen, möglichst mit Bewegungen.
- Zum Alleinsingen ermuntern über positive Rückmeldungen.
- Spielerische Hö- rund Lauschübungen.