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Vorwort

„Dein Ernst, Mama?!“

Spätestens, wenn du diesen Satz das erste Mal von deinem Kind hörst, weißt du, dass die Zeit der kleinen Prinzessin und des kleinen Prinzen vorbei ist. Jetzt beginnt die Zeit der zickigen Besen und grummeligen Pubertiere.

Herzlichen Glückwunsch, ihr seid in der Pubertät! Dein Leben am Limit beginnt.

„Ich komm gerade gar nicht mehr an meinen Teenager ran. Das sind verschiedene Welten. Ich schaue ihm in die Augen und denke: ‚Das Licht ist an! Aber es ist keiner zu Hause!“‘

Oft schon, bevor es überhaupt die ersten körperlichen Anzeichen gibt, merken wir deutlich, wie das Chaos im Kopf unserer Kinder beginnt. Aus der süßen Prinzessin, die morgens fröhlich durchs Haus wirbelt, wird eine motzige Schlaftablette, aus dem Prinzen ein grummeliger, wortkarger Bär.

Klar, wir wissen alle, dass das irgendwann passiert. Aber jetzt schon? Ist das nicht viel zu früh? Gefühlt haben wir doch gerade erst die Windelzeit durch. Da kommt ganz schnell der Wunsch auf, die Zeit zurückzudrehen, um diese kleinen, süßen Wesen wiederzubekommen.

Es wird in den nächsten Jahren (Was? Jahre? HIIIIILFE!!!) Tage geben, da lebst du wirklich am Limit und möchtest schreien: „Ich bin eine Mama, holt mich hier raus!“, oder wartest sehnsüchtig auf die Durchsage: „Der kleine Papa möchte aus dem Pubertätschaos abgeholt werden …“

Ich will aber den Teufel nicht an die Wand malen.

Pubertät ist einfach die Zeit, in der das Elternsein schwierig wird. Das solltest du unbedingt akzeptieren. Schwierig, doof, peinlich sein, das ist jetzt dein Job. Also Augen zu und durch, wie man so schön sagt.

Wenn du es irgendwann geschafft hast, wirst du stolz auf dich und dein Kind sein.

Jetzt bloß nicht in Panik verfallen. Vieles wird anders, vieles ist neu und ungewohnt, aber auch spannend und wundervoll.

Ganz tief in dem zickigen Feger und dem motzigen Bär steckt noch die kleine Prinzessin oder der kleine Prinz. Auch wenn es oft nicht den Anschein erweckt, alles steckt in ihnen drin, was ihr als Eltern die ersten Jahre liebevoll in sie reingepackt habt. Das ist nicht weg, es kommt irgendwann wieder zum Vorschein, ganz sicher.

Die Pubertät ist nicht nur anstrengend, sie ist eine tolle Zeit mit vielen Erfahrungen für Teenager und Eltern.

Mit einer großen Portion Vertrauen und viel Humor, dazu die überraschenden und vor allem brauchbaren Tipps von Matthias werdet ihr es gut durch die Pubertät schaffen, hinterher stolz sein und rückblickend über vieles schmunzeln.

Ja, das ist MEIN Ernst, Mama!

Daniela Strube | www. https://keep-cool-mama.de/

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Das Buch widme ich meiner wunderbaren Freundin Nicole
und meinen Kindern Lenny und Kate.

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Pubertätslaunen: Auf die Palme, fertig, los!

 

„Meine Tochter ist in einer schlimmen Anti-Phase. Sie ist frech, schreit rum und provoziert, wo sie nur kann. Egal, was ich mache und sage, ich ernte höchstens ein Schulterzucken oder genervtes Augenrollen. Auf der anderen Seite will sie ständig diskutieren und ihren Willen durchdrücken. Total nervig!“

„Meine Fünfzehnjährige motzt rum, dass wir sie in Ruhe lassen sollen. Aber andauernd neue Schuhe haben wollen! Ich habe ihr gesagt: ‚Okay, in Ordnung, ich versuche, dir nicht die Flügel zu stutzen, aber mit zu vielen Schuhen funktioniert das mit dem Fliegen nicht.“‘

Oberstes Gebot: gechillt bleiben!

Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan. Die Ruhe zu bewahren, wenn unsere pubertären Stressmaschinen in die Gänge kommen, ist eine Kunst. Der Hormonvulkan kocht schnell über – und natürlich weiß der Teenager auch, welche Knöpfe er oder sie bei den Eltern drücken muss.

„17:51 Uhr: Sohn schreit durchs Haus: ‚Ich bin euch doch so was von scheißegal!‘ –

17:58: Sohn kommt an und fragt: ‚Du, Mum, kann ich FIFA 19 haben?“‘

Erst Vorwürfe, dann Forderungen, das facht das Feuer der elterlichen Weißglut an. Man möchte aus der Haut fahren. So wie bei manchen Teenies die Pickel …

„Ich geh da immer erst mal raus, um durchzuatmen. Manche Muttis machen Yoga-Übungen. Das ist aber nichts für mich. Was soll ich in der Baum-Haltung, wenn mich meine Tochter gerade auf die Palme gebracht hat? Weiteratmen hilft und eventuell ein Gläschen Weißweinschorle.“

Ich empfehle das Mantra: Die Sache nicht persönlich nehmen – die Sache nicht persönlich nehmen – die Sache nicht persönlich nehmen …

Auch wenn gerade das schwerfällt, zumal uns die Erinnerung an gestern, als wir Eltern die großen Helden unserer Kinder waren, noch so lebendig vor Augen steht.

Aber es gibt kein Zurück mehr. Sie sind keine Babys mehr – wir können nur hoffen, dass es bald Rückbildungskurse für Teenager gibt!

Mit dem Gezeter unserer großen Kleinen beginnt eine wichtige Phase, die zum Abnabelungsprozess dazu gehört. Sie entwickeln ihre verbalen Fähigkeiten, wollen sich in ihren Worten spüren, sie lernen gerade, sich auszudrücken – auch wenn sie beileibe nicht immer wissen, was sie damit anrichten.

„Mein Sohn schmiss die Türen, dass das ganze Haus wackelte. Mein Mann ging auf sein Zimmer und drohte in einer sehr emotionalen Ansprache, alle Türen auszuhängen.“

Unsere Kinder lieben uns trotzdem. Aber sie können und wollen das gerade nicht zeigen. Die Wissenschaft kennt das als „Howard-Carpendale-Symptom“: Jemand verschwindet vom Bildschirm, kommt aber garantiert wieder. Das Comeback nach erfolgreicher Pubertät.

Rasten Teenager aus, ruhig mal den Raum verlassen. Dann aber auch wieder auf sie zugehen und versuchen, das Gespräch erneut aufzunehmen. In Extremsituationen arbeitet der „Chill out“-Bereich des Gehirns auf Sparflamme. Auch wer schreit, will gehört werden. Sobald Gefühle im Spiel sind, sollte man sie ernst nehmen. In jedem Alter!

In der Regel wissen die Teenager recht gut, wenn sie übers Ziel hinausschießen und sich nicht unter Kontrolle haben, und sie leiden darunter, weil sie es selbst nicht verstehen. Und schätzen es, wenn man den Schritt auf sie zu macht.

„Ich habe Probleme mit meinem Sohn, zumindest, wenn ich versuche, mit ihm zu diskutieren. Sobald ich mich zurückhalte, geht’s besser. Ich versuche wirklich, seine Probleme zu verstehen. Weit mehr Sorgen machen mir meine drei Mädels. Wie meine Oma schon sagte: Besser sechs Jungs als ein Mädchen.“

Es ist an uns, den Heranwachsenden klarzumachen, dass den Mitmenschen Respekt gebührt, man ihnen gegenüber nicht einfach so ausfällig werden darf. Teenager wissen es im Zweifelsfall nicht besser, haben es angesichts ihres momentanen inneren Gefühlschaos’ zeitweise schlicht vergessen. Sie müssen lernen, dass man auch Hotline-Mitarbeitern gegenüber höflich bleiben muss, sie nicht einfach so anpampen darf, denn das bringt in der Regel gar nichts außer schlechter Laune auf allen Seiten. Ist jemand Opfer eines Ausrasters geworden, helfen Fragen wie: Wieso bist du gerade dermaßen ausgrastet? Was nervt dich? Wo drückt der Schuh?

Beleidigungen sind nicht tolerabel. Das sollten wir ganz deutlich machen und nicht auf dieses Niveau einlassen. Wenn möglich, die entsprechende Situation wortlos verlassen. Und nicht reagieren, wenn sie oder er einem noch hinterherschreit. Keine Schreiduelle!

Ja, Pubertät ist manchmal eine Frage des Aushaltens. Nach einiger Zeit das Gespräch wieder suchen und den Faden wieder aufnehmen.

Bei jedem Ausrasten des Nachwuchses sich auch selber hinterfragen, ob man ‚getriggert‘ hat: Bin ich vielleicht zu nah dran, kontrolliere ich zu sehr? Sind meine Wünsche und Erwartungen illusorisch und einfach nicht ihre oder seine? Bin ich zu flapsig im Umgang und in der Ansprache? Versteht meine Tochter oder mein Sohn meine Ironie? Wie kommt es an, wenn ich sie oder ihn verbal pikse und aufziehe?

Ein Ausraster kann seinen Grund darin haben, dass wir Erwachsenen eine Grenze überschritten haben, sich der Teenager unverstanden fühlt oder es ihm schwerfällt, seine Meinung adäquat zu äußern. Aus Sicht der Teenager stellt es sich so dar: Nervige Erwachsene, die alles besser wissen, dabei ist man ebenfalls so gut wie erwachsen und weiß total gut, was im Leben so abgeht.

Daher sollten wir uns bei einer Auseinandersetzung stets selbst beobachten und hinterfragen. Bleiben Sie im Dialog und thematisieren Sie das Hochkochen der Emotionen: Warum hast du das Gefühl, dich bei mir immer so heftig äußern zu müssen? Warum streiten wir uns so viel? Ist es den Streit gerade wirklich wert? Was können wir verändern, damit die Stimmung zwischen uns besser wird?

„Bei jedem Streit frage ich mich: Erwarte ich zu viel? Bin ich gerade selbst gestresst? Fühlt sich mein Kind durch mich eingeengt, rede ich ihm zu viel? Und es stimmt ja, auch. ICH kann was ändern. Die Erfahrung zeigt, allein wenn ich es versuche, wird danach vieles leichter.“

Wenn wir uns trauen, in unsere eigene Gefühlswelt einzutauchen, finden wir uns womöglich in einem Ozean wieder, in dem wir auch neue Antworten entdecken.

Die Teenager lernen durch die Auseinandersetzung und wachsen an ihr. Vermeiden Sie Streit nicht, nur weil er Ihnen lästig ist oder Sie Angst davor haben. Versuchen Sie, Auseinandersetzungen als verbales Ballett zu sehen, in dem sich die Standpunkte ausformen und die Persönlichkeiten herausbilden können.

Jugendliche sind noch nicht in der Lage, ihre Wut angemessen zu kanalisieren, ihre verbale Wucht ist verheerend, zumal wenn es uns nicht gelingt, diese abzufedern. Dann fühlen sie sich zusätzlich überfordert. Denn das Gefühlsmonster, das aus ihnen emporsteigt, ist neu für sie und macht ihnen auch Angst. Eigentlich brauchen sie unsere Liebe jetzt mehr denn je. Auch wenn sie uns im Moment hassen.

Rebellion heißt Abnabelung, und die sollten Sie unbedingt zulassen, sonst lernen die Bälger nicht, auf eigenen Füßen zu stehen.

„So schlimm war der Wutausbruch meiner Tochter noch nie. Zwei Stunden später gab ich mir einen Ruck, ging in ihr Zimmer und setzte mich auf ihre Bettkante. Sie war wütend, weil sie sich unverstanden und in die Enge getrieben fühlte. Gleichzeitig hatte sie Angst, dass sie keiner mehr versteht. Noch nicht mal ihre Mama. Dann ist sie durchgedreht. Die Pein, die aus ihren Worten sprach, hat mich sehr berührt.“

Oft sind massive Wutausbrüche die Folge, wenn wir zu eng am Teenager dran sind. Bei manchen Dingen, wie z.B. Schulverweigerung, können wir nichts machen.

„Du willst die Schule gegen die Wand fahren. Ich versteh es nicht, aber ich bin für dich da, wenn du mich brauchst. Das vergiss bitte nie!“

Hilfe anbieten, aber nicht erwarten, dass er oder sie diese annimmt. Liebevoll, aber bestimmt bleiben und auch eine klare Haltung präsentieren.

Wenige Regeln ausmachen, aber die stehen dann.

Dein Teenager ringt gerade mit seinen eigenen Gedanken und Problemen, die haben oft nichts mit unserem Alltag zu tun. Sorgen wir für uns. Bewahren wir Ruhe und suchen uns zur Not auch Rückzugsorte.

In der Pubertät sind unsere Bedürfnisse und diejenigen der Teenager weitgehend inkompatibel. Letztere üben das Erwachsenwerden, auf Fremdbestimmung reagieren sie höchst allergisch. Sie wollen eigene Erfahrungen sammeln und eigene Entscheidungen treffen.

Und sollten dies auch dürfen, auch wenn das nicht mit unserem Weltbild zusammenpasst.

Dazu brauchen sie Zeit und Ruhe, die sie oft auch explizit einfordern.

„Mein Sohn kommt nach der Schule nach Hause, legt sich direkt aufs Bett und zieht sich die Kopfhörer auf –, obwohl da keine Musik drauf ist. Das kapiere ich nicht. Ich gehe ja auch nicht mit der Leine raus und lass den Hund zu Hause.“

Den Teenager „nicht zu nerven“ heißt aber nicht, ihn gar nicht mehr in familiäre Unternehmungen und Belange einzubeziehen. Was Teenager wollen, aber niemals zugeben werden, ist, dass man sie weiterhin am Familienleben teilhaben lässt. Und wie sie das wollen! Auch wenn sie ständig „Neeein!“ plärren, gibt es nichts Schlimmeres für einen Heranwachsenden, als das Gefühl zu haben, die Eltern kümmerten sich nicht mehr um einen.

Um es bildlich auszudrücken: die Tür immer offenlassen.

Und wenn sie mal zuknallt, öffnen wir sie eben wieder.

„Was weißt du schon, was ich gerade denke und fühle? Was weißt du schon, wie es gerade in mir drinnen aussieht? Zieh mal meine Schuhe an, sie stehen vor der Tür. Zieh sie an und laufe meinen Weg. Durch die Straßen, Berge und Täler, fühle die Traurigkeit, fühle meine Traurigkeit, den Schmerz, die Selbstzweifel und auch die Freude.

Durchlaufe die Jahre, die ich ging, stolpere über jeden Stein, über den ich gestolpert bin. Stehe immer wieder auf. Ich habe es auch getan. Erst dann kannst du über mich urteilen. Erst dann kannst du sagen: ‚Ich weiß es schon!“‘

(alte indianische Teenie-Weisheit)

Was kann man für sich tun?

„Ich erlebe gerade eine neue Freiheit, indem ich meinen Sohn sein Ding machen lasse. Die Stimmung hat sich dadurch enorm verbessert. Ich versuche zu akzeptieren, dass er so ist, wie er ist, und mich auf mein eigenes Ding zu konzentrieren. Das tut uns beiden gut!“

Nehmt euren Kindern nicht die Luft zum Atmen, lasst ihnen die Chance, selbstständig zu werden, bietet ihnen den Freiraum, sich in die Richtung zu entwickeln, die sie möchten. Sie wollen und sie müssen eigenständig werden.

Unsere Teenies sagen uns sehr häufig ganz direkt, dass wir Eltern aufhören sollen, uns permanent Sorgen zu machen. Aber wir hören nicht auf sie, sondern meist nur auf unsere Ängste. Elterliche Liebe und Fürsorge können Kinder erdrücken, auch wenn wir das natürlich nicht wollen.

Sie kommen wieder, ganz bestimmt! So wie Howard Carpendale (s.o.). Was täte er auch ohne uns? Dann wollen sie auch kein Geld, sondern einfach nur in den Arm genommen werden.

Gut, Howard WILL unser Geld, und ihn in den Arm nehmen, kostet sogar EXTRA … oder wie es heute in Merchandising-Deutsch heißt: „VIP-Paket“.

Manchmal ist es auch ganz simpel: Mach dich rar, und du wirst interessant.

Wir neigen viel zu sehr dazu, für unsere Kinder stets abrufbar zu sein und bei Fuß zu stehen. Das aber ist vorauseilender Gehorsam und ab der Pubertät nur noch gelegentlich nötig.

„Teenies lernen gerade sich abzugrenzen, um eine eigene Persönlichkeit zu suchen. Sie beschäftigen sich mit sich selbst. Wenn ihr das akzeptieren könnt und gleichzeitig eure Grenzen klar macht, dann wird Vieles gechillter!“

Ein Erfolgsrezept: Achtsamkeit im Umgang miteinander, Grenzen respektieren und Bedürfnisse verstehen.

Nicht auf Machtkämpfe einlassen, nicht streiten (klappt nicht immer, sollte aber der Anspruch sein).

Nicht aufdrängen, nicht omnipräsent sein; Präsenz zeigen, wenn man gebraucht wird.

Nicht einschnappen, sondern sich selbst entfalten: Die Pubertät ist die Zeit, in der wir Eltern lernen können, uns wieder mehr auf uns selbst zu besinnen.

Nicht ausflippen, auch wenn es Beleidigungen hart an der Schmerzgrenze hagelt (Motto: Der Klügere gibt nach; eine ruhige Minute abpassen und ansprechen, dass es so nicht geht und verletzend ist).

Manche Situationen können durchaus erheiternd sein:

„Meine Tochter fragte mich, ob sie – wenn sie nachts um 3 Uhr ins Bett geht – die Nachtcreme oder schon die Tagescreme nehmen muss.“

Bitte nicht gleich losprusten, erstmal auf die Lippen beißen. Unsere Teenager möchten ernst genommen werden, und sie haben auch ein Recht darauf. Andernfalls fragen sie in Zukunft gar nichts mehr. Ihr weiser Mütter-Rat ist gefragt. Und sooo dumm ist die Frage nun auch wieder nicht.

Ich persönlich neige in den frühen Morgenstunden zu einem kombinierten Auftragen von Tages- und Nachtcreme. Man sieht es mir allerdings auch an, sagt meine Frau.

Über all dem Irrsinn der Pubertät sollte Zeit bleiben, auch schöne Dinge zusammen zu unternehmen: shoppen gehen, Filme gucken oder einfach nur nett quatschen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Es ist enorm wichtig und vertrauensfördernd, nicht nur die negativen Aspekte des Teenagers zu sehen, sondern auch die positiven (ja, die gibt es!) wahrzunehmen und hervorzuheben.

„Mein Sohn kommt langsam zu sich und wieder zu uns zurück, nimmt wieder mehr am Familienleben teil. Wir haben ihm nie Druck gemacht. Bis vor kurzem kam er nach Hause, holte sich was aus dem Kühlschrank und verzog sich stumm auf sein Zimmer. Jetzt lässt er sich schon mal im Wohnzimmer blicken, erzählt von seinem Tag und stört uns beim Fernsehen – wie schön!“

Wie reagiere ich auf Beleidigungen?

„Mein Kind sagte zu mir: ‚Ich hasse dich‘. Das war ein Schock. Ich fühle mich so was von schlecht.“

Wie sollen wir so etwas nicht persönlich nehmen?

Ich sage: Doch, müssen wir. In so einem Fall ist es sogar das Wichtigste überhaupt!

Denn unsere Teenager haben gar kein Sensorium dafür, was sie mit ihren Worten auslösen. Das lernen sie erst mit der Zeit. Sie knallen ihre Emotionen raus, ohne sie im Entferntesten im Griff zu haben. Denn der vernünftig denkende Teil ihres Gehirns wird gerade überarbeitet und fällt als Kontrollinstanz aus. Die Emotionen sind erst mal ‚freilaufend‘.

Wir Eltern sollten das wissen, um Wut und Hass einordnen und ein bisschen besser ertragen zu können. Unser Teenie hat sich gerade wohl mächtig über was geärgert und wir waren der Blitzableiter.

Führen wir uns einfach auch vor Augen, dass der Satz „Nicht in diesem Ton!“ an Nummer 3 der meistgesagten Eltern-Sätze in der Pubertät steht.

Hass, Hass, nochmals Hass – wie im Song der Achtzigerjahre-Band Deutsch-Österreichisches Feingefühl: „Hassen, ganz hässlich hassen / Ich kann’s nicht lassen, ich bin der Hass!“

„Ich hasse dich!“ – „Mein Kind, ich habe dich trotzdem lieb! Darf ich dir mal dieses Lied aus den Achtzigerjahren vorspielen?“

„Ich habe meinem 16-jährigen Sohn gesagt, es wäre schön, wenn er in sein Zimmer ginge und wieder herauskäme, wenn er 24 ist.“

Natürlich dürfen und sollen wir unseren Teenagern sagen, dass wir solch massive Beleidigungen nicht in Ordnung finden. Unbedingt sogar!

„Mein Sohn hat mich als ‚Lauch‘ bezeichnet! Es sollte eine Beleidigung sein. Ich dachte, er macht mir ein Kompliment für meine Figur.“

Noch einmal: Teenager müssen erst lernen, dass Worte verletzend sein können. Ein bisschen Schwund ist immer, und leider sind wir Eltern der Punchingball, wer auch sonst? Gibt es lauchförmige Punchingbälle?

Wichtige Anmerkung: Deine Kinder hassen niemals dich als Person, sondern deine Macht, ihre Pläne zu durchkreuzen!

Es geht um die Funktion, die Eltern erfüllen. Die nennt man Erziehung. Die lehnen Jugendliche ab, vor allem wenn es um Ausgehzeiten und Medienkonsum geht.

Ist der erste Rauch verdampft, gilt es, dem Teenager die eigene Sichtweise zu erklären, aber auch den Teenager zu Wort kommen lassen und zu versuchen, seine Gedankenwelt zu verstehen.

Das klingt gerade nach einem Gerichtsdrama auf Netflix – aber genauso fühlt es sich oft an.

„Viele Mädchen leiden unter Selbstzweifeln, fühlen sich scheiße in der Pubertät, wissen nicht weiter. Das darf auch manchmal raus. Und dass sie das bei uns tun, sehe ich als Vertrauensbeweis. Sie machen es nur da, wo sie wissen, dass man ihnen verzeiht.“

„Ach, Mama, ihr müsst doch wegen uns durch die Decke gehen. Sonst seid ihr später noch trauriger, wenn wir ausziehen.“

Bedenkt auch: Euer Teenager testet die Grenzen nur dann aus, wenn die Beziehung stabil ist. Wenn die Bindung aus der Kindheit also so stark ist, dass die Teenager denken: „Ich muss mich befreien, aber ich kann es auch, denn ich habe das Gefühl, dass meine Eltern mich bedingungslos lieben! Auch wenn ich jetzt mal durchdrehe…“

Sie streiten, weil sie wissen, dass sie mit Sicherheit auch weiterhin geliebt werden. Im Gegensatz zur Politik – dort streitet man auch immer, wird allerdings nie geliebt.

Wenn Eltern nach jeder kleinen Diskussion emotional komplett zusammenbrechen würden, würde unser Nachwuchs keinerlei Reibung mehr suchen, da er weiß, Mama und Papa verkraften es nicht.

In einer stabilen Bindung jedoch können sich Jugendliche ausleben, ihre Bedürfnisse entdecken und schauen, wo ihre Grenzen sind und wo Eltern ihnen die Grenzen stecken. Ein enorm wichtiger Prozess.

Nutzt einen guten Moment, um die Stimmung zwischen euch zu verbessern. Der ‚gute Moment‘ in der Pubertät?! Doch, den gibt es. Geht essen, spazieren und manchmal beredet man Probleme am besten während einer Autofahrt. Denn auch bei (Hormon-)Gewittern ist es im Auto am sichersten!

„Diejenigen, die mit ihren Eltern auf Augenhöhe leben, kommen eigentlich ganz easy durch. Sie stehen für sich ein, sind zwar manchmal unbequem, aber durchaus erreichbar für Argumente. Denn sie haben das Diskutieren gelernt.“

Sonderfall: Geschwisterstreit

„Meine Töchter geraten so gut wie jeden Tag aneinander. Die pure Anwesenheit der anderen reicht schon, dass es rund geht. Es ist nicht auszuhalten!“

Bereits die bloße Anwesenheit eines Geschwisters im Raum kann das andere auf die Palme treiben (in der Wissenschaft bekannt als „Politessen-Syndrom“). Essenziell in solchen Situationen ist es, sich nicht einzumischen oder gar Partei zu ergreifen. Das fällt schwer, aber wir sind keine Schiedsrichter! Jugendliche müssen kleine Streitigkeiten und Zickereien selbst klären.

Mit gelben Karten wedeln, bringt gar nichts, sondern lenkt den Unmut der Streitenden erst recht auf uns (außerdem wissen sie, wo unser Auto steht).

Deshalb bitte schnell raus aus der Situation und verschwinden. Oft schreien sich Teenie-Mädels auch deshalb an, damit sich Mama auf eine Seite schlägt und sie sich wahrgenommen fühlen. Getreu dem Motto: „Mama muss doch heute zu mir halten!“

Je mehr man sich raushält, desto besser stehen die Chancen, dass der Krach sich rasch legt.

Kommt körperliche Gewalt ins Spiel, muss man sich natürlich einmischen und notfalls auch psychologische Hilfe einschalten.

„Geht es um kleine Rangeleien oder verbale Entgleisungen, dann höre ich einfach mal weg. Aus dem Augenwinkel bekomme ich trotzdem alles mit, sodass ich im Notfall reagieren kann.“

Geschwisterlicher Zoff verglüht schnell, wenn mit den Streitsituationen gekonnt umgegangen wird. Dinge teilen ist ein Klassiker; hier hilft der alte Trick, dass einer teilt, der andere dann zuerst auswählen darf.

„Mein Bruder und ich haben immer Kekse geteilt. Das heißt, ich habe den Keks geteilt, doch er wollte nie was abhaben. Vielleicht hätte ich den Keks vorher nicht anlecken sollen!“

Wenn wir einen guten Tag haben und ganz hoch über den Dingen stehen können, dürfen wir uns auch ein polnisches Sprichwort anheften:

„Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen!“

Mütter-Spitznamen, wie Teenies sie in ihren Handys speichern (und ein Vater hat sich reingemogelt, finden Sie ihn?)

1.Mamacuja

2.Mamutschka

3.ChillMam

4.JoMum

5.Muttertier

6.Butter (war zu faul, die Worterkennung zu ändern)

7.Führerin

8.Ehrenfrau

9.Darth Vadder

10.Mamaaaa!

11.WLAN-Berechtigte

2

Teenies und ihre Eltern: So peinlich kommen wir nicht mehr zusammen

 

„Gestern war ich meinem Kind schon wieder peinlich. Ich war total entsetzt… das scheint jetzt öfter zu passieren!“

„Mein Sohn hat immer über meine Witze bei Tisch gelacht, auch wenn sie noch so schlecht waren. Kürzlich sah er mich aber konsterniert an: ‚Haha, Papa. Seeehr komisch!‘ Da wusste ich, er hat Pubertät.“

Und ich möchte euch fröhlich zurufen: Seid peinlich – dann habt ihr als Eltern alles richtig gemacht!

Das ist jedenfalls das Fazit dieses Kapitel, mit dem wir hier beginnen, jawohl, das ist mir gar nicht peinlich. Denn ich weiß, wie wichtig Peinlichkeit in der Pubertät ist.

„Peinlichkeit kennt keine Grenzen!“, um es mal mit Hape Kerkeling zu sagen.

(Dass es bei ihm um ‚Witzigkeit‘ ging, ist mir schnuppe und eben nicht peinlich).

Wir ahnen schon: Einmal mehr geht es um Grenzen, nämlich das Abgrenzen unserer Kinder, und zwar von uns und unseren komischen erwachsenen Verhaltensweisen. Dafür braucht es die Power der Peinlichkeit!